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Einen Moment später vernahmen alle Erdbewohner den Ruf. Menschen wie auch postepochale Geschöpfe ließen alles stehen und liegen und eilten zum nächstbesten Portal. Manche hatten Glück und befanden sich ganz in der Nähe, andere hatten einen langen Weg vor sich, und ihre Aussichten, das rettende Fenster lebend zu erreichen, waren mehr als dürftig.

Dass sie überhaupt eine Chance hatten, glich einem Wunder. Die Tapferkeit einiger weniger – einer Handvoll Menschen, zweier Feen, neun Elfen und eines Trolls – hatte das bewirkt. Vier dieser Menschen, eine Fee und der Troll saßen am Rand des Portals und beobachteten, wie die Leute herbeiströmten. Vincent war allerdings nicht ganz bei der Sache und schien seinen Gedanken nachzuhängen.

»Wie sieht deiner Meinung nach die nächste Art aus?«, fragte er Chanteuse, die Seite an Seite mit ihrer Mutter neben ihm saß. »Kakerlaken? Oder Delphine?«

»Ich setze auf Delphine«, sagte Nod, der es sich auf Miss Sloams Schulter gemütlich gemacht hatte. »Sie haben besonders große Gehirne. Ich wette, ihnen wachsen opponierbare Daumen, sobald wir hier raus sind.«

»Ich tippe auf Kakerlaken«, sagte Miss Sloam. »Die überleben einfach alles.«

»Dasselbe hätte Big Tom auch gesagt«, antwortete Vincent.

Sein bester Freund war ihnen bereits durch das Portal vorausgegangen. Vor einer halben Stunde hatte er seine Eltern wiedergefunden. Sie waren nicht nach Hause gekommen, weil sie unmittelbar nach dem Erdbeben eine Wagenpanne gehabt hatten. Vincent hatte ein Grinsen nicht unterdrücken können, als Big Tom seinen Eltern eröffnete, dass ausgerechnet ihr Vorrat an Insektenvertilgungsmittel die Menschheit vor dem Untergang bewahrt hatte.

»Es könnten auch unbekannte Geschöpfe sein«, sagte Chanteuse. »Wer weiß schon, was Mutter Natur sich noch alles einfallen lässt?«

Schweigend dachten sie über die einzelnen Möglichkeiten nach.

»Ich bin derselben Meinung wie Nod«, sagte Vincent. »Delphine.«

»Brechen wir auf«, bemerkte Max. »Viel Zeit bleibt uns nicht mehr.«

»Wir wollen noch kurz warten, bis Clara kommt«, gab Vincent zurück.

»Keine Sorge«, sagte Nod. »Auf Clara ist immer Verlass.«

Wie aufs Stichwort schwirrte die Fee über der Menge auf sie zu. Vincent konnte sie zwar nicht gleich ausmachen, erkannte aber sofort, was sie bei sich trug.

»Lass mich runter«, zeterte sein Vater und ruderte hilflos mit den Armen. »Im Namen des Triumvirats befehle ich dir, mich sofort loszulassen.«

»Er war nicht schwer zu finden«, sagte Clara. »Er ist als Einziger in die verkehrte Richtung gelaufen.«

»Ich dachte, wir wären übereingekommen, dass er seine Wahl getroffen hat«, sagte Vincents Mutter, die ihren Worten zum Trotz eher erleichtert als entrüstet klang.

»Hat er ja auch«, antwortete Vincent und erhob sich, auf seinen Bruder gestützt. »Genau wie ich. Zur Abwechslung möchte ich ihm dieses eine Mal meine Überzeugung aufzwingen.«

Mr. Drear zeterte und wehrte sich nach Kräften, während Clara ihn durch das Portal trug. Chanteuse und ihre Mutter standen auf und folgten den beiden, Mrs. Drear schloss sich ihnen ebenfalls an.

»Wir müssen los«, sagte Vincent und holte tief Luft. Plötzlich hatte er das Gefühl, er müsse noch etwas sagen, um diesem historischen Augenblick gerecht zu werden. Er drehte sich um und blickte auf den Planeten zurück, der seine Heimat gewesen war. »Danke«, sagte er. »Es hat Spaß gemacht.«

Dann trat er gemeinsam mit Max durch das Portal, hinein in die dahinter verborgenen Geheimnisse.

Zwei Stunden später schlossen sich die Portale. All jene, die es nicht mehr geschafft hatten, verspürten ein überwältigendes Gefühl der Niederlage.

Kurz darauf öffneten sich im Himmel neue Portale, aus denen unzählige Dämonen hervorströmten. Die Menschen liefen um ihr Leben, und manche versuchten, sich zu verstecken. Trotzdem wussten sie alle eines ganz genau: Ihre Zeit war abgelaufen. Das hier war ohne jeden Zweifel …

 

das Ende der Welt.