Epilog
Gwen sprang aus dem Taxi und warf dem Fahrer Geld hin. »Komm schon!«, befahl sie Blayne. »Wir kommen zu spät!«
»Ich weiß.« Blayne reichte Gwen die Tüten, die sie die Fahrt über festgehalten hatte, und stieg aus. »Frohe Weihnachten«, sagte sie zu dem Fahrer, der sie überrascht ansah.
»Na, du bist ja heute fröhlich.«
»Es ist Weihnachten!«, jubelte Blayne und nahm Gwen eine der schweren Tüten ab.
»Es ist Heiligabend, also nerv mich nicht!« Gemeinsam rannten sie die Stufen zur Eingangstür hinauf.
Gwen klingelte und klopfte zusätzlich, weil sie sich nicht sicher war, ob die Weihnachtsmusik die Klingel übertönte. Aus dem Augenwinkel sah sie Blayne schon wieder über die Schulter blicken.
»Was ist los mit dir?«
»Hattest du mal das Gefühl, dass du verfolgt wirst?«
»Nein.«
»Ich schon.«
»Bist du sicher, dass es nicht nur sie ist?«
Blayne sah Gwen an, erblickte dann aber Dee-Ann, die hinter ihnen stand.
»Aaah! Wo zum Geier kommst du denn her?«
»Momma sagt, aus der Liebe, die sie mit Daddy verbindet«, erwiderte Dee ruhig.
Blayne sagte: »Ooooch!«, und Gwen hämmerte verzweifelt weiter auf die Klingel, bis die Tür aufging.
»Du kommst spät, Katze.«
»Hast du nicht einen Kalten Krieg anzufangen?«, fragte Gwen, als sie an Sabina vorbeiging.
»Und wo ist mein Schaukelstuhl?«
»Er ist Künstler«, erinnerte Gwen die Wildhündin fröhlich. »Er lässt sich nicht hetzen.« Sie drückte Sabina die Tüte in die Hand. »Hier sind eure verdammten Schokoladenkuchen.«
Sabina nahm Gwen und Blayne die Tüten ab, dann musterte sie sie von oben bis unten.
»Was habt ihr denn da an?«
Blayne sah an ihrem winzigen Minikleid aus grünem Samt herab. »Jess hat uns gebeten, heute Santas Helfer zu sein.«
»Ihr seht eher aus wie Santas Huren. Und hat euch Santa durch ganz New York geprügelt?«
Gwen machte einen Schritt auf die Wildhündin mit der großen Klappe zu, aber Blayne hielt sie am Arm fest. »Wir kommen direkt vom Training. Wir wischen uns gleich das Blut ab.«
»Tut das!«, befahl die Russin, bevor sie mit den Kuchen in Richtung Küche ging.
»Und dir auch frohe Scheiß-Weihnachten!«
»Ignorier sie.« Blayne schüttelte die Grobheit ab, wie sie das immer tat, und nahm Gwens Hand, um sie zur Party zu ziehen.
»Blayne!«, rief die Menge aus, sobald sie eintrat.
Gwen schob Blayne auf ihre wartenden Freunde zu und schob sich durch die Menge. Sie sah Ric und fragte: »Wo ist mein Honigbär?«
Er lachte. »Oben, glaube ich. Und war das die reizende Dee-Ann, die ich gerade mit euch hereinkommen sehen habe?«
»Ja. Und wenn du sie wiederfindest, dann immer ran.« Sie küsste ihn auf die Wange und ging weiter, bis sie Mitch und Sissy knutschend auf der Treppe fand.
»Sucht euch ein Zimmer!«, frotzelte sie und stieg über sie hinweg.
»Missgönn’ uns nicht unsere verbotene Liebe!«, tadelte ihr Bruder sie spielerisch.
Lachend joggte Gwen die Treppe hinauf. »Hi, Bren!«
»Hey, Gwenie. Du siehst hübsch aus.«
»Danke.« Als Gwen an ihm vorbeiging, sah sie Ronnie Lee, knallte rückwärts gegen die Wand und fletschte fauchend die Zähne.
»Hey, Schätzchen«, sagte Ronnie Lee mit ihrem breiten Lächeln. »Ich wünsche dir wunderschöne Feiertage!«
Immer noch warnend fauchend, schob sich Gwen mit dem Rücken zur Wand den Flur entlang, bis Ronnie und Bren die Treppe hinunter verschwanden. Sie drehte sich um und ging weiter, bis sie zu einer weiteren Treppenflucht kam. Die rannte sie hinauf, kam an anderen Bekannten vorbei, wünschte einigen frohe Weihnachten und ignorierte andere, die sie eigentlich nicht mochte.
Als sie Jess aus einem Zimmer kommen sah, wurde sie langsamer und blieb vor ihr stehen. »Wie geht’s dir, Süße?«
»Alle haben im ersten Trimester Morgenübelkeit. Nur ich bekomme sie im zweiten.«
»Mindestens zwei von meinen Tanten haben sie im zweiten Trimester bekommen. Hast du Saltines?«
Jess hielt die Packung hoch. »Aber es ist Weihnachten! Ich sollte mir den Bauch vollschlagen, nicht entschlacken!«
»Du machst es wie die ganzen Hollywood-Stars.«
Sie grinste. »Danke.«
»Hast du meinen Honigbär gesehen?«
Jess nickte. »Siehst du die Treppe am Ende des Flurs? Geh ganz rauf, und durch die Tür am Ende kommst du aufs Dach. Er ist bestimmt schon eine Stunde da oben.«
»Du weißt, wie er Gedränge hasst.« Gwen ging auf die Treppe zu. »Wann braucht ihr mich?«
»In zehn Minuten oder einer Viertelstunde … ich … ich …« Als Gwen Würgegeräusche hörte, wirbelte sie herum und sah Jess mit der Hand vor dem Mund zurück ins Schlafzimmer rennen. Gwen wollte hinterher, entdeckte aber Smitty.
»Sie braucht dich.«
»Ich weiß.« Er hielt eine Limodose hoch. »Ich habe ihr Ginger Ale geholt.«
Er blinzelte ihr zu, verschwand im Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich.
Gwen folgte Jess’ Wegbeschreibung und fand Lock genau dort, wo sie gesagt hatte: auf dem Dach.
Gwen setzte sich ihm gegenüber rittlings auf einen Mauervorsprung. Es wäre ein ziemlicher Sturz, falls sie hinunterfielen, aber zum Henker – sie hatten einen Sturz von einem Berg überlebt, sie konnten auch das hier überleben.
Lock lächelte. »Hey.«
»Hey. Tut mir leid, dass ich so spät komme.«
»Kein Problem.« Er beugte sich vor und küsste sie, und sie verlor sich wie immer in diesem Kuss. Es war auch schwer, das nicht zu tun, wenn er diese verdammten Lippen hatte, die jedes Mal etwas in ihr auslösten.
Lock war der Erste, der sich löste, aber er rieb seine Nase an ihrer, und Gwen kicherte.
»Ich bin froh, dass du hier bist«, seufzte er.
»Ich bin auch froh, hier zu sein.« Sie nahm seine Hand zwischen ihre Hände. »Bist du bereit für morgen?«
Er verdrehte die Augen, was Gwen noch mehr zum Lachen brachte.
»Frühstück bei meinen Eltern und Abendessen bei deiner Mum? Ich kann’s kaum erwarten.«
»Lass uns das morgen einfach durchstehen, und an Silvester gibt es dann nur dich, mich, Champagner, chinesisches Essen von der Ecke und deinen Lieblingshonig.«
»Versprochen?«
»Absolut. Wir werden eine Pause brauchen.«
»Bist du sicher, dass du die jährliche Show-Extravaganza in seinem Hotel verpassen willst?« Als Gwen ihn nur ansah, sagte er: »Ich interpretiere das jetzt mal als ein Ja.«
»Gut. Und jetzt lass uns runtergehen.« Sie wollte aufstehen, aber Lock zog sie wieder herunter.
»Warte.«
»Ich will dir etwas geben«, sagte Lock und wühlte in seiner Hosentasche.
»Ich dachte, wir würden bis Weihnachten warten … was vor allem deshalb wichtig ist, weil ich noch nicht mit dem Einpacken fertig bin.«
»Das kann nicht warten.« Lock holte tief Luft und drückte ihr das Geschenk schnell in die Hand. »Hier.«
Gwen öffnete die Hand, sah darauf hinab und sagte: »Das ist ein Verlobungsring.«
»Ja. Es gab auch eine Schachtel. Eigentlich sogar zwei, inklusive eine von diesen blauen Tiffany-Schachteln.«
Langsam hob Gwen den Blick. »Es gab eine Schachtel?«
»Ja. Ich habe sie gehalten und habe mir die beste Art überlegt, wie ich dich fragen könnte, ob du mich heiraten willst, und ich … äh … habe sie aus Versehen zerquetscht.«
»Verstehe.«
»Der Ring ist aber noch ganz. Oder?« Er beugte sich vor, um ihn genauer zu sehen. »Er ist doch noch ganz?«
»Er ist …« Gwen sah plötzlich zu ihm auf. »Fragst du mich gerade, ob ich dich heiraten will?«
»Auf die ganz falsche Art, aber … ja.«
»Warum?«
»Was meinst du damit?«
»Mitch nennt dich immer noch ›dieser Bastard‹, und Bren spricht nicht einmal mit dir, und ich bin mir fast sicher, dass zwischen meiner Mutter und einem Onkel, wenn nicht gar allen deinen Onkels etwas läuft und Blayne ist … na ja, Blayne eben, und mein Onkel Cally redet immer noch davon, dir einen Prügel über den Schädel zu ziehen und …«
»Gwen. Sie sind nicht du. Ich liebe dich. Ich will dich heiraten.«
»Bist du sicher?«
Lock lachte. »Natürlich bin ich sicher. Du bist das Beste, das mir je passiert ist. Aber … ich will dich zu nichts drängen. Wenn es dir also lieber ist …«
Gwen steckte sich den Ring an den linken Zeigefinger. »Er passt. Und er ist perfekt.«
»Ich habe etwas Dezentes ausgesucht. Ich hoffe, das war okay.«
»Perfekt.«
Sie sah zu ihm auf, und Lock streckte die Hände nach ihr aus, denn er erkannte an der Liebe in ihrem Blick, wie ihre Antwort ausfallen würde – da ging mit einem Knall die Tür auf und Blayne kam heraus. »Hey. Sie wollen die Geschenke verteilen, also …«
Lock wusste nicht, was Blayne sah oder ob die Freundinnen eine nonverbale Kommunikation laufen hatten, aber plötzlich stürmte Blayne vor und schnappte Gwens Hand.
»O mein Gott! O mein Gott!«
»Blayne«, warnte Gwen. »Mach keine Dumm-… Blayne!«
Lock sah, wie Blayne seine Verlobte übers Dach zerrte.
Er stürmte ihnen nach, aber die beiden waren schnell wie der Blitz; ihre Derby-Qualitäten versetzten Blayne in die Lage, Gwen durch die Menge von Leuten im Wildhundhaus zu schleppen und Leute, Kinder und Dinge mit erstaunlicher Leichtigkeit aus dem Weg zu räumen.
Bis Lock es die Treppe zum Erdgeschoss hinuntergeschafft hatte – die Leute gingen ihm augenblicklich aus dem Weg, während die Wildhund-Welpen ihm wie immer nachliefen und hofften, dass er sie anbrüllen würde –, sprang Blayne mitten im Raum auf einen Couchtisch und reckte Gwens Hand in die Höhe.
»Sie sind verlobt!«, schrie die Wolfshündin.
Es folgte ein langes, schockiertes Schweigen, und dann brach der ganze Raum in lauten Jubel aus; Wildhunde eilten vor, während Ric lächelte, die Smith-Wölfe verwirrt wirkten und die Shaw-Brüder Lock finstere Blicke zuwarfen.
Er zuckte die Achseln und sagte. »Zumindest heirate ich meine.«
»Bastard«, knurrte Mitch.
»Hurensohn«, blaffte Bren, bevor beide Brüder davonstürmten.
Als die Welle der Gratulanten abebbte, wurde Gwen plötzlich aus der Gruppe direkt in Locks Arme geschubst.
»Alles in Ordnung?« Er stellte sie auf die Füße, behielt sie aber im Arm.
»Ja, aber …« Sie deutete auf die Menge um Blayne, Ric und eine ziemlich unpässlich aussehende Jess. »Sollten sie nicht eigentlich uns gratulieren?«
»Das wäre das übliche Prozedere, aber sie sind Wildhunde, da ist alles anders.«
»Schon, aber trotzdem …«
Lock war das alles egal; er hob Gwen hoch, hielt sie eng umschlungen, ihre Beine um seine Taille gelegt und ihre Arme um seinen Hals.
»Also«, sagte er, während er die Nase an ihrer rieb, »ich nehme an, als wir da oben auf dem Dach waren, wolltest du gerade Ja sagen.«
Gwen lachte. »Ja, das wollte ich.« Sie küsste ihn. »Und ja, ich heirate dich.«
Lock wollte sie noch einmal küssen, aber sie wich zurück.
»Du solltest wissen, dass das letzte Mal, als eine O’Neill-Frau geheiratet hat, zur Zeit der Druiden in Irland war. Du solltest also darauf vorbereitet sein, dass Blayne und ich ein bisschen die Cousinen quälen.«
»Wenn du das vorhast, Mr Mittens, dann sollten wir uns den Spaß gönnen und über eine große Hochzeit nachdenken.«
Gwen verzog das Gesicht.
»Große Hochzeit? Du, der es hasst, der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu sein und ich, die ich … alles andere hasse?«
»Denk darüber nach. Deine Mutter müsste mit meiner zusammenarbeiten – die riesige moralische Probleme mit großen Hochzeiten hat –, während deine Brüder von deiner Mutter gezwungen würden, ihnen zu helfen. In der Zwischenzeit wären du, ich, Blayne, Ric, Jess und Dee – falls wir sie finden – in Hawaii. Wenn wir zurückkommen, sind wir verheiratet und die Hochzeit wird nur noch eine Albtraum-Party, die wir durchstehen müssen.«
»Teuflisch!«
»Ich bin der Sohn meiner Mutter.«
Gwen strich ihm mit der Hand über Brust und Schultern, bevor sie ihm die Arme um den Hals legte und Lock sie ein bisschen anhob, damit sie einander in die Augen sehen konnten.
Gwen küsste ihn auf die Wange und fragte: »Und, Baby?«
Lock seufzte, als sie seinen Hals küsste. »Mhmm?«
»In der Hochzeitsnacht« – sie küsste seinen Kiefer – »wenn wir allein sind …«
»Mhmm?«, fragte er noch einmal, bevor er anfing zu summen und die Augen verdrehte, als ihre Zunge sein Ohr nachzeichnete und ihre verdammten Nägel über die Muskeln in seinem Nacken strichen.
»Dann trägst du den Kilt, oder?« Lock lachte laut auf, und die unglaubliche Katze in seinen Armen grinste und schmiegte sich an ihn. Ihr Körper passte perfekt an seinen. »Du weißt schon? Nur für mich?«