
Sardasil
Das gleichmäßig wiederkehrende metallische Schlagen riss ihn aus seiner Dunkelheit. Wie ein müder Herzschlag, doch unerbittlich schallte es in seinen Ohren. Ein dumpfer Rhythmus, der seine Eingeweide vibrieren ließ und ihn ins Leben zurückholte.
Ein Leben, das leerer sein würde als die Dunkelheit seiner Ohnmacht.
Throndimar wusste nicht, welche Verdammnis wünschenswerter war: das ewige Nichts des Todes, die ewige Erinnerung an Nemena, die seine Ohnmacht ihm brachte, oder die Qual des wachen Bewusstseins.
Er fand keine Antwort, doch die Götter hatten ihm die Entscheidung abgenommen. Er war bei Sinnen, wusste, was er verloren hatte und dass er es niemals wiederfinden könnte.
Seine Lider wollten sich öffnen, doch er sträubte sich dagegen, wollte weiter in der relativen Sicherheit seines geistigen Gefängnisses bleiben. Aber da war noch etwas anderes in ihm. Ein Funke glomm in seinem Herzen auf und entzündete ein Feuer.
Ein Feuer, das bald heller brannte als die Sonne, drohte ihn zu verzehren. Ein Feuer, das seinen innigsten und einzigen verbliebenen Wunsch widerspiegelte.
Rache!
»Du bist wach.« Unlar unterbrach das Hämmern für einen kurzen Moment und blickte zu Throndimar herüber.
»Schon eine Weile«, erwiderte er langsam. »Ich …«
»Du wolltest die Augen nicht öffnen«, ergänzte der Schmied leise.
»Ich konnte einfach nicht«, gestand Throndimar und Tränen sammelten sich in seinen Augen. »So konnte ich sie … noch für einen kurzen Augenblick länger … festhalten. Nemena …« Seine Stimme brach in einem Schluchzen.
Unlar stellte sein Hämmern nun vollends ein und schwere Schritte näherten sich Throndimars Lager. »Sie ist tot. Du lebst. Es ist eine einfache und harte Wahrheit, Junge. Ein Dazwischen gibt es nicht.«
»Schwarz und Weiß«, flüsterte Throndimar.
Unlar nickte. »So kann man es sehen. Nemena wird dir fehlen, jeden Tag, glaub mir.«
»Wie kann man das ertragen?«
»Du machst weiter«, sagte Unlar leise, aber bestimmt. »Jeden Tag von Neuem.«
»Wie dein Hammerschlag?«, fragte Throndimar.
»Es vertreibt die Bilder aus meinem Kopf«, gestand der Schmied. »Auch wenn ich sie nun schon so viele Jahre in mir trage, sie quälen mich noch wie am ersten Tag. Aber das hier«, er präsentierte sein jüngstes Arbeitsstück, »lenkt mich ab. Lässt mich all meine Trauer und meine Wut zu etwas Sinnvollem formen.«
»Meinen Zorn in etwas Sinnvolles verwandeln …«, wiederholte Throndimar tonlos. »Wie lange habe ich geschlafen?«, fragte er schließlich.
»Acht Tage.«
»Wir sind in deiner Schmiede«, stellte Throndimar nach kurzem Umsehen fest.
»Hat als einziges Gebäude die Plünderung überstanden«, fügte Unlar hinzu.
»Die anderen?«
»Alle tot.«
Der alte Schmied setzte sein Hämmern fort und Throndimar nutzte die Gelegenheit, den Gegenstand zu betrachten. Offenbar schmiedete Unlar ein langes und breites Schwert, einen Zweihänder. Noch war die Klinge nicht vollständig ausgearbeitet und Unlar schien das Werkstück viel zu breit auszuklopfen. Plötzlich zog er aus dem Ofen einen rot glühenden Stab, legte ihn in die Mitte der zu breiten Klinge und hämmerte dieses Stück platt.
»Du machst ein Schwert?«, fragte Throndimar leicht verwirrt. »Wofür?«
»Für dich«, war die knappe Antwort, als er ein drittes Stück Eisen mit den anderen beiden verband. Dann tauchte er alle gemeinsam in die Glut des Brennofens und kam wieder an Throndimars Lager. »Ich war mir nicht sicher, ob du es benutzen würdest«, gestand der Schmied. »Aber das Schwert deines Vaters hat sich im Feuer deiner Hütte verformt, also brauchst du ein neues.«
Throndimar verstand. »Danke.«
»Danke mir erst, wenn du es auch benutzen kannst. Noch ist es nur ein Klumpen Stahl.«
»Aber … ich weiß nicht, wie man richtig kämpft«, sagte Throndimar zögerlich.
Unlar lächelte. »Also willst du kämpfen, gut. Ich werde dir ein paar Dinge zeigen, Junge.«
Eine Weile schwiegen sie. Unlar ging schließlich an den Brennofen zurück und zog das unfertige Schwert heraus. Die Kohle, die dem Eisen anhaftete, hatte Feuer gefangen, und wie Unlar so spielerisch mit der rot glühenden Flammensäule hantierte, wirkte er auf Throndimar beinahe wie Grimmon, der Götterschmied, selbst.
»Diese Klinge«, sagte Unlar zwischen zwei Hammerschlägen, »wird dich … niemals … enttäuschen.« Er prüfte kurz ihre Dicke und fuhr dann mit seiner Arbeit fort. Nach einigen weiteren Schlägen schob er das Werkstück erneut in den Brennofen. »Du hast ein paar üble Wunden, Junge. Es ist ein Wunder, dass du noch lebst.«
Bei der Erwähnung seiner Verletzungen kehrte Throndimars Erinnerung bruchstückhaft wieder zurück. Er hatte mehrere Treffer gegen den Rücken einstecken müssen und auch gegen Hüfte und Schulter. Zum ersten Mal, seit er erwacht war, versuchte er sich zu bewegen und Wellen des Schmerzen schlugen über ihm zusammen.
»Du solltest noch ein paar Tage liegen bleiben«, riet Unlar.
Throndimar gelang es, die Decke anzuheben und einen Blick darunterzuwerfen. Er war nackt, was ihm bei der in der Schmiede herrschenden Hitze nicht aufgefallen war, sein Oberkörper mit frischen Leinenstreifen verbunden. »Du hast mir die Verbände gewechselt«, stellte er nüchtern fest.
»Ja, und das war kein Spaß«, versicherte Unlar. »Du hast in deinen Albträumen ganz schön um dich geschlagen. Hatte schon befürchtet, du hättest ein Wundfieber.« Der Schmied wollte gerade wieder zu seinem Brennofen laufen, als ihm noch etwas einfiel. »Und wenn du dir die Narben ansiehst, krieg keinen Schreck. Ich musste einige Wunden ausbrennen.«
Throndimar nickte, hatte aber kaum zugehört. Nemena ist tot. Ich lebe, rauschte es in seinem Kopf. Eine einfache Wahrheit. Schwarz und Weiß. Etwas Sinnvolles formen …
»Ich will Rache«, sagte er schließlich.
Unlar horchte auf, sagte aber nichts.
»Lehre mich alles, was du weißt«, fuhr Throndimar fort. »Und dann hilf mir die Schweine zu jagen!«
Der Schmied blies hörbar die Luft durch die Nase aus. »Ich hatte erwartet, dass du so handeln würdest. Du bist jung, voller Kraft und nun von einem unbändigen Hass erfüllt. Ich werde dich alles lehren. Und ich werde dir ein Schwert schmieden, das tausend Feinden den Schädel spalten kann, ohne stumpf zu werden. Darauf hast du mein Wort. Aber für eine Jagd bin ich zu alt.«
Throndimar schüttelte den Kopf. »Allein hier draußen stirbst auch du. Hilf mir sie zu finden und zu töten. Hilf mir die Gefahr für andere abzuwenden, indem wir den barbarischen Abschaum abschlachten, wie sie es mit unseren Frauen und Kindern tun!«
Unlar presste die Lippen aufeinander und drückte so die Nasenspitze nach oben. »Einverstanden«, sagte er nach kurzem Überlegen. »Aber ruh dich erst noch aus. In drei Tagen ist das Schwert fertig.«
Drei Tage, dachte Throndimar unruhig. Wie weit können sie in drei weiteren Tagen kommen?
Präzise geführt landete der schwere Hammerkopf auf dem glühenden Stahl. Funken stoben aufgeregt davon, als wollten sie gegen die Störung des metallischen Gefüges protestieren. Unlar hätte die Schläge mit verbundenen Augen ausführen können. Tatsächlich arbeitete er nach Gefühl und Gehör. Er spürte, wann der Stahl verdichtet genug war, hörte jede Unebenheit beim Auftreffen des Hammerkopfes.
Throndimars Schwert war bereits von guter Machart gewesen, vielleicht sogar aus der Hand eines Meisters, doch erst Unlars Geschick würde daraus ein Kunstwerk für die Ewigkeit formen.
Er hatte einen Klumpen Götterstahl in die Waffe eingearbeitet. Dieses besondere Metall erhielt seinen Namen, weil es vom Himmel fiel und man glaubte, die Götter würden es herabwerfen, auf dass es von den größten Meistern der Schmiedekunst gefunden werde.
Neben dem Götterstahl, der besonders hart war, hatte er noch ein sehr weiches Eisen verwendet. In schweißtreibender Arbeit mit dem Schmiedehammer war zusammen mit Throndimars vorigem Schwert ein Stück Metall daraus geworden, das die Zeiten überdauern würde.
Er hatte die drei platt geklopften Stangen aufeinandergelegt und vierhundert Mal gefaltet, bis die Klinge eine vollkommene Verbindung aus den drei Metallen wurde. Ausgehärtet im klaren Wasser, das aus den Quellen der Eisnadel entsprang, würde diese Klinge niemals brechen, niemals stumpf werden.
»Sardasil«, hauchte der Schmied den Namen des Schwerts in der alten und vergessenen Göttersprache – Immerscharf.
Durch den Götterstahl funkelte die fünf Fuß lange Klinge golden im Sonnenlicht, wohingegen die eingravierten Runen rötlich schimmerten. Unlar hatte unter anderem den Namen der Klinge und Throndimars Racheversprechen in die zwei Finger breite Hohlkehle eingraviert, in der Runenschrift der Zwerge, zu Ehren ihres Gottes Grimmon.
Hin und wieder blickte er zu Throndimar hinüber, doch der schlief wieder. Im Schlaf rief er bisweilen Nemenas Namen.
Die Niederhöllen müssen gerade über dich hereinbrechen, Junge, dachte Unlar mitfühlend.
Er betrachtete das Werkstück, das bald zum Schwert Sardasil werden würde. Es wird das Instrument deiner blutigen Rache. Und mein Meisterwerk.
Als er mit dem Zustand der ungeschliffenen Klinge zufrieden war, setzte Unlar sich an den Schleifblock, den wertvollsten Gegenstand seiner Schmiede. Ein zwergischer Baumeister hatte ihm einst die Konstruktion verraten und der gewitzte Unlar hatte sie hier nachgebaut. Der Schleifstein hing auf einer waagrechten Achse und konnte über ein Fußpedal in Drehung gebracht werden. Je schneller man mit dem Fuß arbeitete, desto schneller drehte sich der Stein. Über dem Schleifstein hing eine Schweinsblase, die mit feinstem Öl gefüllt war. Das Öl tröpfelte langsam auf den rotierenden Stein und die Klinge hinab und wirkte der beim Schleifen entstehenden Hitze entgegen.
»Ein guter Schmied legt mindestens ebenso viel Wert auf einen sauberen Schliff wie auf die Arbeit mit dem Hammer«, zitierte Unlar seinen Onkel, der ihn nach dem Tod der Eltern bei sich aufgenommen hatte.
Unlar kümmerte sich geradezu väterlich um Throndimar. Dieser war noch weit von einer völligen Genesung entfernt, doch Unlars kräftige Eintöpfe und die Zurückgezogenheit in der warmen Schmiede wirkten wahre Wunder.
Allmählich wurde Throndimar von einer immer stärkeren Unruhe getrieben. Viel zu lange hatte er schon tatenlos dagelegen und die immer gleichen schrecklichen Träume durchleben müssen.
Träume, in denen er Nemena beinahe erreichte, nur um ihren Lebensfunken erlöschen zu sehen. Seine schöne Nemena.
Er blinzelte kleine Tränen beiseite. »Hilf mir«, bat er Unlar und streckte die Hand aus. »Ich habe lange genug herumgelegen.«
Unlar schlurfte gemächlich zu ihm herüber und half ihm sich aufrecht hinzusetzen. Bei jeder Bewegung spürte Throndimar ein schmerzhaftes Ziehen, das von den verheilenden Wunden ausging, und er befürchtete schon fast, dass die Narben wieder aufreißen würden.
Unlar musste eine ähnliche Befürchtung haben, denn der Schmied untersuchte sogleich Throndimars Schultern und seinen Rücken. »Es verheilt alles sehr gut«, sagte er nicht gerade wenig erstaunt. »Aber du wirst dich weiterhin schonen müssen.«
Throndimar konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. »Sie sind längst über alle Berge.«
Unlar seufzte laut. »Womöglich«, gestand er ein.
»Dann habe ich völlig umsonst überlebt«, sagte Throndimar.
Der Schmied schüttelte den Kopf. »Du lebst, Junge! Danke den Göttern für die Tage, die noch vor dir liegen.«
»Ich danke den Göttern erst dann, wenn sie mir meine Rache gewähren!« Throndimar nutzte Unlars Schulter, um sich aus dem Bett und in den Stand zu ziehen. Er schwankte, hielt sich aber aus eigener Kraft aufrecht. »Hast du es fertig?«, fragte er direkt.
Unlar nickte und ging zu einem Waffenständer, der neben dem Amboss an der Wand stand. Throndimar beobachtete, wie der alte Schmied mit leicht zittrigen Händen nach einem in weißes Leinen eingewickelten Gegenstand griff. Unendlich langsam entrollte Unlar das Schwert. Erst kam die im Schmiedefeuer golden schimmernde Klinge zum Vorschein. Dann erkannte Throndimar die kantigen Runen in der Hohlkehle. Auf beiden Händen, Griff voran, trug Unlar das Schwert behutsam und beinahe so liebevoll wie ein Vater sein neugeborenes Kind zu ihm herüber.
»Sardasil«, sagte der Schmied feierlich, als er ihm die Klinge überreichte.
Throndimar starrte atemlos auf die makellose Waffe. Er wusste, dass Unlar ein begabter Schmied war, doch dieses Schwert schien nicht von Menschenhand gefertigt. Es war, als hätten die Götter es direkt aus der Himmlischen Festung herabgeworfen und der Schmied es gefangen. Er betrachtete die eingravierten Runen, konnte sich aber keinen Reim auf ihre Bedeutung machen. Die breite Parierstange war an den Enden zweigeteilt und sowohl zu Klingenspitze als auch zum Knauf hin gebogen. Ein Knauf, der Throndimar auf den ersten Blick als viel zu klein erschien, um der fünf Fuß langen Klinge ein angemessenes Gegengewicht zu sein. Vorsichtig berührte er den mit Leder umwickelten Griff und schloss die Hand Finger für Finger darum.
Mühelos hob Throndimar die Waffe mit einer Hand in die Luft. »Sardasil«, wiederholte er.
»Morgen können wir beginnen«, sagte Unlar leise. »Dann bringe ich dir bei, was ich noch aus meinen jungen Tagen weiß.«
Ein lautes Klopfen an der Tür ließ sie beide aufschrecken. Throndimar nutzte die Klinge wie einen Wanderstab und drückte sich in den Stand. Unlar griff nach einem schweren Hammer und schlich sich zur Tür. Er legte den Zeigefinger auf die Lippen. Drei nahezu lautlose Schritte und der Schmied presste sich mit dem Rücken gegen die Wand, sodass die sich öffnende Tür ihn verbergen würde.
Er nickte und Throndimar rief laut »Wer da?«
Die Tür wurde langsam geöffnet und eine mittelgroße, schlanke Gestalt, eingehüllt in einen dunklen Ledermantel, kam zum Vorschein.
»Darf ich eintreten oder wird mir der Schmied hinter der Tür dann den Schädel einschlagen?«, ertönte eine leicht rauchige Frauenstimme.
Throndimar blieb eine Antwort schuldig, zu groß war seine Überraschung. Wie kann sie das ahnen?, ging es ihm durch den Kopf.
»Ich suche keinen Ärger«, versicherte die Frau. »Ich werde jetzt einen Schritt nach vorn machen, Schmied! Bitte erschlag mich nicht.«
Zu Throndimars Überraschung ließ Unlar den Hammer sinken und trat aus seinem Versteck heraus.
Die Fremde musterte den Hammer mit einem amüsierten Lächeln. »Denkt ihr beiden Tölpel denn wirklich, ich hätte angeklopft, wenn ich euch töten wollte?«
»Deine Freundlichkeit könnte auch eine List sein«, warf Throndimar ein und verlagerte sein Gewicht von Sardasil zurück auf seine Beine.
Auch diese unscheinbare Bewegung entging der Frau nicht. Sie legte den Kopf leicht schief und deutete auf Throndimars Zweihänder. »Wenn du mich damit angreifen willst, solltest du sicher sein, dass du ihn zu gebrauchen weißt. Denn ich weiß meine Waffen zu nutzen.« Bei den letzten Worten tippte sie lässig gegen den Knauf eines Langschwerts, das locker links an ihrer Hüfte hing. Dann öffnete sie ihren Mantel, ließ ihn in einer fließenden Bewegung von den Schultern gleiten und warf ihn auf eine Truhe, die drei Schritt von der Tür entfernt stand.
Throndimar versuchte seine Unsicherheit zu verbergen und betrachtete die Fremde eingehender. Sie war von mittlerer Größe für eine Frau und, wenn er ihren Worten glaubte, körperlich gut in Form. Ihr hellbraunes Haar trug sie kurz gestutzt, was ihr ein leicht jungenhaftes Aussehen verlieh. Das Langschwert war nicht ihre einzige Waffe. Am rechten Oberschenkel war ein schmales Band befestigt, das mindestens drei Wurfmesser bereithielt. Ein langer Dolch, der dem Schwert gegenüberhing, komplettierte die Zusammenstellung ihrer sichtbaren Waffen.
Er gewann seine Fassung zurück. »Wie konntest du wissen, dass Unlar hinter der Tür stand?«
Die Frau lachte fröhlich, ein ansteckendes Lachen, das Throndimar trotz seiner Unbehaglichkeit ein Lächeln aufs Gesicht zauberte. »Den Rauch der Esse konnte ich schon von Weitem sehen. Aber du … du hast in deinem ganzen Leben noch kein Stück Metall ins Feuer gehalten. Sieh dich an! Du hältst dich ja nicht mal auf deinen eigenen Beinen.«
Sie baute sich vor ihm auf und Throndimar konnte direkt in ihre smaragdgrünen Augen blicken. »Und außerdem ist dein Oberkörper verbunden. Das sagt mir, dass du dich von einer Verletzung erholst. Und ich denke nicht, dass du diese Zeit ohne Hilfe überstanden hättest.«
»Sie ist ein gescheites kleines Ding!«, lachte Unlar, der sich inzwischen merklich entspannt hatte. »Wie heißt du, Kleines?«
»Jhenrid«, sagte sie, ohne ihre Augen von Throndimar abzuwenden. »Und du, Alterchen?«
Der Schmied schnaubte verächtlich, sagte ihr aber seinen Namen. »Und was führt dich hierher?«
»In deine Schmiede? Ich sah Rauch aus deinem Schornstein aufsteigen. Als ich die Verwüstung sah, hoffte ich, ein paar Räuber oder anderes Pack zu finden.«
»Du bist eine Söldnerin«, stellte Unlar leicht abwertend fest.
»Von irgendwas muss man leben«, gab Jhenrid zurück.
»Hier gibt es kein Gold zu holen«, sagte Throndimar.
»Ja«, seufzte Jhenrid. »Nur euch zwei Tölpel.« Sie blickte sich nach einem Stuhl um, setzte sich aber kurzerhand auf Throndimars Lager. »Sagt, wer hat das Dorf angegriffen?«
»Barbaren.« Unlar spuckte verächtlich auf den Boden. »Kamen wie aus dem Nichts und haben keinen am Leben gelassen.«
»Na, euch zwei Glückspilze offensichtlich schon«, lachte die Söldnerin.
Throndimar knurrte wütend, versuchte damit aber nur neue Tränen zu überspielen.
Auch das entging der aufmerksamen Frau nicht. »Ich verstehe«, sagte sie mitfühlend. »Und was habt ihr jetzt vor? Wollt ihr zu zweit das Dorf weiterführen?«
»Ich will Rache!«, schrie Throndimar plötzlich auf. »Ich will die Schweine finden und umbringen!«
»Nun, Totenfels würde für zwei Augenzeugen sicherlich gut bezahlen«, sagte sie leise und mehr zu sich selbst.
»Mietschwerter«, meinte Unlar abfällig, doch Throndimar hörte ihm kaum noch zu.
»Zeig es mir«, forderte er die Frau auf.
»Dir was zeigen?«
»Wie man kämpft.«
Jhenrid runzelte die Stirn. »In Ordnung. Wenn du mich begleitest. Deine Geschichte wird mir sicherlich einige Goldmünzen mehr einbringen. Vielleicht teile ich die sogar mit dir.«
»Ich interessiere mich nicht für Gold«, wehrte Throndimar ab.
»Oh, dann dürstet es dich nur nach Ruhm oder Rache, nicht wahr?«, fragte sie keck.
»Die Barbaren töteten seine Frau«, erklärte Unlar.
Jhenrid sah Throndimar für einen Moment mitfühlend an.
»Ich will Rache«, beantwortete Throndimar ihre Frage.
»Ich fürchte, ich muss dich enttäuschen. Ich bin bereits seit Tagen in der Gegend unterwegs und habe nichts außer alten Fußspuren gefunden. Sie sind weg, und ich weiß nicht wohin.«
»Nach Norden«, sagte Unlar bestimmt. »Sie haben ihren Raubzug beendet und sind zurück in ihre Heimat.«
»Dann werde ich sie dort finden«, brummte Throndimar.
Jhenrid lachte laut auf. »Du? Du willst allein ins Land von Branghors Kindern? Du, ganz ohne Armee?«
»Sie hat recht, Junge. Allein findest du dort nur den Tod.«
»Dann werde ich mir eben eine Armee besorgen!«, entgegnete Throndimar sturköpfig, was Jhenrid mit erneutem Lachen quittierte.
»Fein, dann musst du aber erst mal König sein, um alle Menschen des Nordens in den Krieg führen zu können.«
Throndimar schnaubte. »Nichts wird sich zwischen mich und meine Rache stellen«, versprach er.
»Na ja, ich werde jedenfalls wieder nach Totenfels zurückkehren und Bericht erstatten«, sagte Jhenrid gelassen. »Vielleicht könnt ihr Balburan und die anderen Fürsten davon überzeugen, eine Armee aufzustellen.« Sie betrachtete Throndimar mit einem kritischen Blick. »Kannst du überhaupt marschieren?«
»Es wird gehen«, kam Unlar dem jungen Mann zuvor. »Und wenn ich ihn tragen muss.«