KAPITEL 6
Tel Aviv, Israel
Rebecca rang um Fassung, als Shamir Weinreb ihr sein Beileid bekundete.
„Es gab nicht den geringsten Hinweis auf eine Erkrankung. Er war so voller Energie und sprach ständig von Dingen, die er noch vorhatte.“
„Diesen Eindruck hatte ich auch. Wir haben zuletzt am Neujahrstag miteinander telefoniert.“
„Davon hat er mir gar nichts erzählt“, sagte Rebecca, schniefte in ein Taschentuch und räusperte sich. „Aber das heißt nichts“, fügte sie gefasst hinzu. Weinreb gewann den Eindruck, dass ihr das Sprechen guttat, die Erinnerungen an den lebendigen Ronald Tate. „Aber sonst hat er oft von dir gesprochen“, sagte sie. „Eure Freundschaft – wenn ich das so sagen darf – hat ihm viel bedeutet.“
„Das beruhte auf Gegenseitigkeit, Rebecca. Ronald war sehr aufrichtig. Es gab nicht viele Menschen wie ihn in meinem Leben.“
Rebecca begann wieder zu schluchzen. „Entschuldige, Shamir.“
Weinreb spürte, wie schwer es ihm fiel, von seinem Freund in der Vergangenheitsform zu sprechen, denn die Worte unterstrichen die Endgültigkeit seines überraschenden Todes. Er wartete, bis sie sich beruhigt hatte. „Hast du jemanden, der sich um dich kümmert?“
„Danke, dass du fragst. Ich fahre morgen zu meiner Mutter. Die Beerdigung findet am kommenden Donnerstag statt.“
Weinreb schluckte. „Verzeihung. Ich dachte, Ronald ist bereits …“
„Er wird morgen obduziert, Shamir. Eigentlich darf ich nicht darüber sprechen, aber die Notärztin, die zuerst bei ihm war, hat den Verdacht geäußert, dass ihm kurz vor seinem Tod eine Injektion verabreicht wurde.“
Weinreb lief es eiskalt über den Rücken. Irgendjemand hat eine Überweisung auf das alte Konto des Phantoms getätigt. Die übliche Summe. Ronalds letzte Worte an ihn rückten zunehmend in einen unmittelbaren Zusammenhang mit seinem Tod.
„Was?“
„In der Pathologie des Washington Hospital Center fand man keine Hinweise, die diesen Verdacht erhärtet hätten, aber die Agency hat trotzdem eine Obduktion angeordnet. Der zuständige Staatsanwalt hat die Leiche erst gestern Morgen dafür freigegeben.“ Rebeccas Stimme klang verzweifelt. „Irgendetwas stimmt doch da nicht, Shamir.“
Weinreb blätterte aufgewühlt in seinem Terminplaner für die kommende Woche. Ihm stand ein Mammutprogramm an Dienstreisen und Besprechungen bevor. Er raufte sich die wenigen Haare, die ihm geblieben waren, dann traf er eine Entscheidung.
„Rebecca, ich komme.“
„Wie?“
„Ich bin am Donnerstag da.“