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S
OBALD ER DIE Kajüte verlassen hatte, sah sich Will nach Tam um und entdeckte ihn schnell; stand er doch an der Bordklappe des Schiffes … in ein Gespräch mit der Baronin St. Valéry vertieft. Sie trug einen dunkelgrünen Umhang, dessen Kapuzenzipfel es so aussehen ließ, als sei sie größer als Tam. Sein Herzschlag hämmerte ihm plötzlich laut in den Ohren, und er empfand einen Augenblick der Freude, dann einen Gewissensbiss, der schließlich in der vertrauten Wut unterging.
Als er wieder klar denken konnte, holte er tief Luft und zwang sich zur Ruhe, um nicht auch diese Begegnung mit ihr zum Scharmützel geraten zu lassen.
»Tam. Mein Boot, bitte. Guten Tag, Baronin.«
Während sich Tam in Bewegung setzte, richtete Jessica Randolph lächelnd das Wort an ihn.
»Sir William«, sagte sie in aller Seelenruhe. »Wir hatten gedacht, Ihr würdet länger brauchen. Es herrscht ja heute ein lebhaftes Kommen und Gehen. Fehlt Euch etwas?«
Er zwang sich zu einer höflichen Antwort. »Nein, Madam, mir geht es gut. Ich habe nur selbst genug zu tun, und Sir Charles und seine Offiziere kennen sich in Seefahrerdingen besser aus, als ich es jemals könnte. Also lasse ich sie arbeiten. Es war nicht meine Absicht, Euch und Tam zu stören.«
»Es hat mich gefreut, Tam wiederzusehen. Doch sagt mir, ist es wahr, dass Ihr es Sir Charles gestattet habt, uns zu verlassen und sich auf die Suche nach einem verborgenen Land zu begeben?«
»Dann hat Tam also geplaudert …«
»O nein, Sir. Mein Schwager hat mir selbst davon erzählt. Tam hat es mir nur bestätigt.«
»Nun«, sagte er und räusperte sich. »Aye, der Admiral hat mich um die Erlaubnis gebeten, und ich habe sie ihm erteilt. Er wird uns bald verlassen.«
»Um dieses legendäre Merica zu suchen.« Es war keine Frage, und er war verblüfft.
»Das hat er Euch gesagt?«
»Ja. Hätte er das nicht tun sollen?«
»Doch, es überrascht mich nur.«
»Dass er eine Frau ins Vertrauen zieht, oder dass er überhaupt davon gesprochen hat?«
Sinclair schüttelte den Kopf. »Keins von beidem, Madame. Es war nicht böse gemeint.«
Sie sah ihn stirnrunzelnd an, doch in diesem Moment verkündete ein Rumpeln an der Bordwand das Eintreffen des Bootes, das Tam gerufen hatte. Er verabschiedete sich mit einer angedeuteten Verneigung von der Baronin.
»Mein Boot ist hier, Madame, bitte entschuldigt mich, ich habe noch viel zu tun.«
»Gewiss doch, Sir.«
Die Baronin neigte anmutig den Kopf und wandte sich ab, und er musste sich zwingen, ihr nicht nachzustarren, auch wenn er hören konnte, wie die Seeleute sie im Vorübergehen grüßten. Stattdessen trat er zur Bordklappe und warf einen misstrauischen Blick auf die schwankende Leiter, die ihn dort erwartete.
Unversehrt unten angelangt, setzte er sich hin und zog seinen Umhang um sich, als sein Blick auf Tam fiel, der ihn mit unergründlicher Miene beobachtete.
»Was? Was bedeutet dieser Blick?«, knurrte er in seiner Muttersprache, weil die Ruderer ihn so nicht verstehen konnten. Tam wandte wortlos den Blick ab, doch Will hatte nicht vor, es dabei bewenden zu lassen. »Ihr beide wart ja sehr in Gesprächslaune. Was habt Ihr der Frau noch erzählt, außer dass ich der Bitte des Generals stattgegeben habe.«
»Wir haben uns nur die Zeit vertrieben. Sie hat mich geradeheraus gefragt, und ich habe ihr geantwortet, aber nicht unüberlegt. Sie hätte es ohnehin herausgefunden, wenn die Zeit zum Aufbruch kommt. Also denke ich nicht, dass es schaden kann.« Er zog eine Augenbraue hoch. »Seid Ihr wütend auf mich?«
Will hielt den Blick auf die Muskelbewegungen der Ruderer gerichtet, die das Boot jetzt gekonnt von der Admiralsgaleere abwendeten und auf sein eigenes Schiff zusteuerten. »Nein, nicht wütend, Tam … es ist nur … diese Frau bringt mich aus der Fassung.«
Darauf ging Tam nicht ein, sondern fragte stattdessen: »Was haltet Ihr von dem Mann mit der seltsamen Galeere, de l’Armentière? Wenn ich je einen Tempeleber gesehen habe, ist er es.«
»Aye, das ist er, aber ich glaube, es wird gut für uns sein, ihn dabeizuhaben. Er hat einen wendigen Verstand, und solange wir dafür sorgen, dass er sich hin und wieder im Kampf austoben kann, wird er schon verträglich sein. Seine Schiffe können wir gut brauchen und seine Männer auch … nur, dass wir sie versorgen müssen, wenn wir an Land gehen.«
»Aye, so ist es«, pflichtete Tam ihm leise bei. Sie hatten ihr Schiff erreicht, und die Bordwand ragte über ihnen auf. Der Anführer der Ruderer stand mit einem langen Haken auf, um das Tau zu fangen, mit dem sie sich unter die Leiter hinter der letzten Ruderbank ziehen konnten. »Aber wo wir gerade von all diesen Männern sprechen … Ihr habt gesagt, der Admiral hätte sich gefragt, ob Robert Bruce sich wohl freuen wird, wenn er diese Flotte in seine Gewässer segeln sieht. Meint Ihr nicht, dass die Frage vielleicht begründet ist?«
Ächzend machte sich Will zum Aufstehen bereit, sobald das Boot vertäut war. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Soweit ich weiß, trägt der König all seine Zwistigkeiten an Land aus. Für die Galeeren wird er wohl wenig Verwendung haben, aber es giert ihn nach Kriegern. Wisst Ihr eigentlich, ob sich noch mehr Schotten an Bord der Schiffe befinden?«
»Ich kann mich umhören. Was sucht Ihr denn?«
Will erhob sich und bemühte sich, auf dem schwankenden Boot das Gleichgewicht nicht zu verlieren. »Jemanden, der die Insel Arran kennt.«
»Aye, ich schaue mich um. Vorsicht jetzt, und fallt mir nicht ins Wasser. Eure Waffen vom Salz und Rost zu befreien, ist das Letzte, was mir jetzt noch fehlt.«