ZWEIUNDDREISSIG

Symbol

Trotz des Sherry, der mich entspannte und wärmte, gelang es mir nicht einzuschlafen.

Stattdessen beobachtete ich Daniel von der Hängematte aus. Er hatte mehr getrunken als ich und einen härteren Tag hinter sich und war auf dem Stuhl sitzend, die Beine unter dem Tisch ausgestreckt, das Kinn auf der Brust, eingenickt.

Sonderlich bequem sah das nicht aus. Von Zeit zu Zeit hob er kurz den Kopf, der dann ganz langsam wieder hinuntersank. Irgendwann stand ich aus der Hängematte auf und ging zu ihm, um ihn zu wecken. Meine Hand hatte kaum seine Schulter berührt, als seine Augen sich schon öffneten.

»Eva?«

»Das kann nicht bequem sein.«

Er schloss die Augen wieder. »Doch.«

»Nein. Der Stuhl ist zu klein für dich. Lass mich darauf schlafen, und nimm du die Hängematte.«

»Nicht nötig.« Seine Stimme klang vom Alkohol undeutlich. In diesem Zustand hätte ihm vermutlich ein Straßengraben als Bett genügt.

Nur mit Mühe schaffte ich es, ihn zum Aufstehen zu überreden. Da er unsicher auf den Beinen war, musste ich ihn auf dem Weg zur Hängematte stützen. Als er sich schließlich artig hineinlegte, ließ er nicht los, sodass er mich mit hineinzog.

Ich versuchte, mich aufzurichten. »Daniel.«

Er schlief bereits wieder.

Daniel hatte behauptet, dass eine solche Hängematte durchaus das Gewicht zweier Menschen aushielt, also nahm ich ihn beim Wort. Nach kurzem Manövrieren lag ich so, dass mein Kopf an seiner Schulter ruhte und ich den gleichmäßigen Schlag seines Herzens hörte.

Er hatte recht gehabt mit seiner Vermutung, ich hätte auf dieser Schmuggelfahrt romantische Abenteuer erwartet. Inzwischen war mir klar, was wirklich vor sich ging.

Natürlich hätte ich mir einreden können, dass Daniel wie üblich Wolle gegen Brandy und Spitze getauscht hatte, aber die Fracht von dem französischen Schiff musste in Verbindung mit dem geplanten Aufstand stehen. Obwohl ich wusste, dass er fehlschlagen würde, war mir noch nicht klar, was das für Daniel, Jack, Fergal und die Männer der Sally sowie ihre Familien bedeutete, denn den Geschichtsbüchern waren sie keine Erwähnung wert.

Für mich jedoch waren sie keine Namenlosen. Ich legte schützend die Hand auf die Brust des Mannes neben mir. Daniel wachte wieder halb auf und zog mich näher zu sich heran. Irgendwann lullte das Auf und Ab des Schiffs auch mich ein.

 

Als es an der Tür klopfte, war es hell in der Kabine, und ich spürte Daniels warmen Körper neben mir.

Er hatte sich in der Nacht kaum bewegt. So lag ich immer noch an ihn gedrückt, den Kopf an seiner Schulter, seine Hand auf meiner Hüfte. Sonderlich bequem konnte das nicht für ihn sein. Ich stand vorsichtig aus der Hängematte auf und ging zur Tür.

Fergals Blick glitt kurz über mein zerknittertes Kleid und das gelöste Haar, bevor er sich der Hängematte näherte und ausdruckslos zu mir zurückkam. »Wecken Sie ihn auf, ja?«, bat er mich. »Er wird an Deck gebraucht.«

Dann wandte er sich kommentarlos ab. Ich spürte seine Missbilligung.

Als wir später in der Kombüse das Geschirr spülten, versuchte ich, mit ihm zu reden.

»Was Sie gesehen haben … es war nicht, wie Sie meinen. Es ist nichts passiert.«

Fergal schwieg.

»Ich habe gesagt …«

»Sie sollen nichts sagen«, fiel er mir ins Wort. »Das geht mich nichts an.«

Ich wusste, dass er nicht wütend, sondern besorgt war, und ahnte, dass diese Sorge nicht mir, sondern seinem Freund galt, der schon einmal einen schweren Verlust erlitten hatte. Egal, wie gut Fergal mich leiden konnte: Er hielt das, was sich zwischen Daniel und mir entwickelte, für den sicheren Weg ins Verderben.

Möglicherweise hatte er recht.

 

Meine düsteren Gedanken begleiteten mich, als die Sally sich ihrem geschützten Ankerplatz vor den schwarzen Klippen von Trelowarth näherte.

Wir waren im Schutz der Dämmerung mit der Flut hereingekommen. Als die Männer mit dem Entladen fertig waren, gab es kaum noch genug Licht in der Kabine, um Fergals Gesichtszüge auszumachen, der mich holte.

»Danny wartet an der Höhle«, teilte er mir mit.

Wir verließen das Schiff als Letzte.

Fergal half mir in das neu erworbene bretonische Ruderboot. Die Überreste des anderen, das wir an Creeds Komplizen verloren hatten, entdeckte ich zerborsten am Strand, als Fergal uns schweigend zum Cripplehorn ruderte.

Der Constable war bestimmt nicht begeistert gewesen, seinen Spion an Land vorzufinden. Trotz Jacks Behauptung, dass örtliche Geschworene die Butler-Brüder niemals verurteilen würden, durfte man den Constable nicht unterschätzen. Was Creed innerhalb der Grenzen des Gesetzes tun konnte und was er darüber hinaus wagte, waren unterschiedliche Dinge.

Der Boden des Boots scharrte über den Muschel-Kiesstrand. Fergal hielt es fest, während ich hinauskletterte und neben dem Wasserfall wartete, der nun, im Sommer, viel schmaler war. Zum Glück kannte ich den geheimen Eingang bereits, sonst hätte mich das unvermittelte Auftauchen der Gestalt aus dem Felsen wahrscheinlich erschreckt.

Daniel berührte meinen Arm. »Wir müssen das Boot näher heranziehen. Wartest du bitte so lange drinnen?«

Ich nickte und schob mich durch den langen Spalt im Felsen an ihm vorbei.

Die Stille in der Höhle überraschte mich genauso sehr wie an dem Tag, an dem ich mit Mark hierhergekommen war. Das Rauschen des Meeres klang weit entfernt; nur das Tropfen von Wasser hallte von den feuchten Steinwänden wider.

Allerdings war dies nicht der verlassene Ort, den ich mit Mark besucht hatte. In die Gerüche des Meeres und der vom Salzwasser feuchten Steine mischten sich menschliche – nach Pfeifenrauch, neuen Holzfässern und gerade erst gelöschten Kerzen. Die einzige brennende stand in geschmolzenem Wachs auf einem kleinen Zinnteller auf einem Fass – einem von vielen entlang der gewölbten Wand zu meiner Rechten. Ich hätte gewettet, dass sich nichts Trinkbares darin befand.

Wahrscheinlicher waren sie mit Waffen für die Rebellion gefüllt. Aus den Artikeln, die ich gelesen hatte, wusste ich, dass der Duke of Ormonde plante, im westlichen Teil Englands eine Armee aufzustellen, die unter seiner Führung für den jungen James Stuart kämpfen würde, wenn er übers Meer käme, um Anspruch auf den Thron zu erheben.

Und James Stuart würde kommen, das wusste ich. Er würde im Norden, oben in Schottland, landen und Männer von der ganzen Insel um sich scharen, die dafür mit ihrem Leben bezahlten, und am Ende wäre der Kampf verloren. Das Risiko, das diese Männer eingingen, um die Waffen oder was auch immer herzubringen und zu verstecken, war vergebens.

Ich wurde sehr traurig. Doch mir war klar, dass ich Daniel, selbst wenn ich ihn warnte, nicht von seinem Kurs abbringen konnte. Er würde seinem König die Treue halten, egal, wie die Konsequenzen aussahen, denn das diktierten ihm Herz und Ehrgefühl.

Da hörte ich leise Schritte und sah Daniel am Eingang. »Fertig«, sagte er. »Würdest du mir bitte die Kerze bringen, Eva?«

Ich nickte und ging auf den glitschigen Steinen vorsichtig zu dem Fass hinüber. Als ich die Kerze von dem Zinnteller hob, flackerte das Licht kurz über schimmerndes Metall auf dem Boden – die Klinge von Daniels Dolch. Fast hätte ich mich gebückt, um ihn aufzuheben …

Hier also hatte er ihn verloren. Und hier würde Mark ihn später finden. Es stand mir nicht zu, mich in den Lauf der Dinge einzumischen.

Daniel bemerkte mein Zögern. »Alles in Ordnung?«

»Ja«, antwortete ich und brachte ihm die Kerze.

Er nahm sie, bedankte sich und blies sie zu meiner Überraschung aus. »Ich möchte nicht, dass unsere Arbeit durch Feuer vernichtet wird«, erklärte er.

»Brauchen wir das Licht denn nicht für den Heimweg?«

Eine dumme Frage an einen Schmuggler, dachte ich später. Daniel lächelte nur, ein Lächeln, das ich nicht sehen, dafür aber spüren konnte, als seine Lippen leicht die meinen berührten. Es war der Hauch eines Kusses; für mehr war keine Zeit, denn draußen wartete Fergal.

»Manchmal«, meinte Daniel, »ist es besser, im Dunkeln zu bleiben.«