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Die Zuchtstation
Tief im unendlichen Raum oberhalb der Ebene der galaktischen Scheibe − in diesem funkenübersäten Samt, so weit entfernt von jedem Sternsystem, dass dieser Ort streng genommen nicht einmal ein Ort war, nur eine statistische Anordnung von Vektoren und Geschwindigkeiten − fiel ein kleines Yorikkorallenschiff aus dem Hyperraum Es befand sich so weit von jedem Beobachtungspunkt mit festen Koordinaten entfernt, dass seine Bewegungen vollkommen willkürlich erschienen: Bezogen auf Obroa-skai raste das Schiff mit einem beträchtlichen Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit davon; bezogen auf Tatooine bewegte es sich in einem lang gezogenen, trägen Bogen; bezogen auf Coruscant stürzte es nach innen und gewann dabei an Tempo.
Seine doppelten Dovin-Basale pulsierten und erzeugten sich ausbreitende Schwerkraftwellen; beträchtliche Zeit danach registrierten ebendiese Dovin-Basale andere Raum-Zeit-Wellen, die antworteten.
Das Schiff war nicht allein.
Diese antwortenden Wellen hatten eine Richtung; die Dovin-Basale des kleinen Schiffs waren empfindlich genug, den sich auf der Femtosekunden-Skala bewegenden Unterschied zwischen dem Augenblick wahrzunehmen, in dem ein Dovin-Basal eine Raum-Zeit-Welle registrierte, und dem Augenblick, in dem diese den zweiten erreichte.
Das kleine Schiff aus Yorikkorallen änderte den Kurs.
Der Gegenstand, auf den es sich zubewegte, war eine Kugel von extravaganter Bauart, Hunderttausende Male größer als das kleine Schiff und ohne Aufbauten, wenn man von einer Gruppe schwarzer Flossen absah, die in einer sich zufällig kreuzenden Linie um die Kugel verliefen, wie Bergketten auf einem luftlosen Mond. Diese Flossen glühten in tiefem Infrarot und strahlten überflüssige Hitze in den Raum ab.
Das Schiff aus Yorikkorallen wurde langsamer, als es näher kam, und bewegte sich auf eine der glatten fleischigen Flächen zwischen den Wärme abstrahlenden Flossen zu. Auf den letzten Metern seines Flugs kam eine Andockklaue ähnlich den Kieferklauen einer Spinnenschabe aus seiner Nase und packte die halbelastische Oberfläche. Ein Augenblick verging, und die Signale, die währenddessen ausgetauscht wurden, wurden von besonders gezüchteten Vettern von Villips interpretiert, die die Informationen an jene Geschöpfe weitergaben, die die beiden lebenden Schiffe lenkten: Gestalter der Yuuzhan Vong.
Die glatte Fläche, an die das Schiff sich klammerte, verzog sich zu einer plötzlichen Landschaft, formte sich zu einem zuckenden Aufprallkrater, dessen Rand sich weiter und weiter ausdehnte. Hundert Meter unterhalb der Spitze des Korallenschiffs wurden die Ränder zu Lippen, und der Krater verwandelte sich in einen Mund, der sich um das kleine Schiff schloss, sich langsam zusammenzog und ein Vakuumsiegel um jeden Winkel und jede Biegung des Schiffs bildete.
Die Kugel schluckte.
Innerhalb von Sekunden war die Stelle, an die sich das Schiff geklammert hatte, wieder eine breite, glatte Fläche semielastischen Fleischs, unauffällig und warm.
Jacen öffnete die Augen, als die Schließmuskelluke sich weitete. Draußen stand Vergere. Sie machte keine Anstalten hereinzukommen. »Es scheint dir gut zu gehen.«
Er zuckte die Achseln und setzte sich. Er rieb sich die neuen Narben um seine Handgelenke, wo die Umarmung des Schmerzes ihm die Haut abgeschürft hatte. Die letzten Krusten hatten sich vor zwei Schlafperioden gelöst. »Ich habe dich eine Weile nicht gesehen«, sagte er.
»Ja.« Vergeres Kamm nahm ein fragendes Grün an. »Wie hat dir dein Urlaub von der Umarmung gefallen? Ich sehe, dass deine Handgelenke geheilt sind. Wie fühlen sich deine Schultern an? Und deine Hüften und Fußknöchel? Kannst du laufen?«
Jacen zuckte abermals die Achseln und schaute nach unten. Er hatte das Gefühl dafür verloren, wie oft er eingeschlafen und wieder aufgewacht war, seit die Umarmung des Schmerzes ihn losgelassen hatte. Während sein Körper heilte, hatte er es nie über sich gebracht, längere Zeit zu den Zweigen, Tentakeln und Wahrnehmungskugeln der Umarmung aufzublicken. Sie waren immer noch dort oben, ineinander verflochten wie Aale in einem Korb, und pulsierten schwach. Warteten. Er wusste nicht, wieso sie ihn losgelassen hatten.
Er fürchtete, wenn er sie zu lange ansah, würden sie sich daran erinnern, dass er hier war.
Vergere streckte die Hand aus. »Steh auf, Jacen Solo. Steh auf und gehe.«
Er sah sie vor Verblüffung blinzelnd an. »Wirklich?«, fragte er. »Du bringst mich hier weg? Wirklich?«
Ein Zucken lief über ihren allzu biegsamen Arm. »Das hängt davon ab«, sagte sie fröhlich, »was du mit hier meinst. Aber zu bleiben, wo du bist, während diese Kammer … ich denke, das entsprechende Wort in Basic lautet verdaut wird … das würde dir nicht gefallen.«
»Gefallen … o ja, das hatte ich vergessen«, murmelte er. »Ich soll ja Spaß haben.«
»Hast du etwa keinen?« Sie warf ihm ein grobes Gewand zu, das aussah, als wäre es aus rauen, ungefärbten Fasern gewebt. »Sehen wir mal, ob wir eine unterhaltsamere Residenz finden können.«
Er zwang sich aufzustehen und zog das Gewand über den Kopf. Es war warm, als er es berührte, und es wand sich ein wenig, als er es überzog; Fasern zogen sich zusammen und lockerten sich wieder wie verschlafene Würmer. Es tat weh, es anzuziehen. Seine Schultern und die Hüftgelenke heilten langsamer als die Haut, und sie knirschten, als wären sie mit Durabeton überzogen, aber er verzog nicht einmal das Gesicht.
Das hier waren nur Schmerzen; er bemerkte sie kaum.
Vergere hielt etwas in ihrer anderen Hand: einen Haken aus sonnengebleichtem Knochen, lang, gebogen und scharf.
Er hielt inne. »Was ist das da?«
»Was ist was?«
»In deiner Hand. Ist das eine Art Waffe?«
Ihr Kamm legte sich flach und stellte sich dann wieder auf, und das Grün hatte jetzt gelbe Irrlichter. »Warum sollte ich eine Waffe brauchen? Bin ich in Gefahr?«
»Ich …« Jacen rieb sich die Augen. Nun nahm er nur noch eine verschwommene Stelle neben ihrer Faust wahr; hatte er wirklich gesehen, was er glaubte, gesehen zu haben?
»Wahrscheinlich war es nur das Licht«, sagte Vergere. »Denk nicht mehr daran. Komm mit.«
Er ging durch die Luke. Der Flur hatte sich irgendwie verändert; anstelle der harzig-glatten Yorikkorallenoberfläche, auf die er zuvor hin und wieder einen Blick erhaschen konnte, wenn Vergere kam oder ging, stand er nun am Ende eines Tunnels − oder einer Röhre. Der Boden war warm, weich und fleischig, und er pulsierte leicht unter seinen nackten Füßen.
In der Röhre warteten zwei hoch gewachsene, beeindruckende Yuuzhan-Vong-Krieger in vollständiger Vonduun-Krabben-Rüstung, die rechten Arme dick von den um sie gewickelten Amphistäben. »Beachte sie einfach nicht«, sagte Vergere unbeschwert. »Sie sprechen kein Basic, und sie haben auch keinen Tizowyrm, der für sie übersetzen könnte. Außerdem wissen sie nicht einmal, wer du bist. Sie sind hier, um dafür zu sorgen, dass du kein Unheil anrichtest. Zwinge sie nicht dazu, dir wehzutun.«
Jacen zuckte nur die Achseln. Er schaute noch einmal durch die sich schließende Luke. Er ließ in diesem Raum eine Menge Schmerzen zurück.
Und brachte viele Schmerzen mit.
Anakin! Jedes Mal, wenn er blinzelte, konnte er auf der Innenseite seiner Lider die Leiche seines Bruders sehen. Es tat immer noch weh. Er nahm an, das würde auch so bleiben.
Aber Schmerz bedeutete ihm nicht mehr so viel.
Er ging neben Vergere durch die glatte, warme Röhre; es gab hier Ventile wie in einem Blutgefäß. Die Krieger folgten ihnen.
Jacen dachte nicht mehr an den Knochenhaken.
Es war wahrscheinlich nur das Licht gewesen.
Jacen konnte auf dem Weg, den sie nahmen, kein Muster und keine Richtung erkennen. Sie bewegten sich durch endlose fleischige Röhren, die scheinbar nach dem Zufallsprinzip abzweigten, sich wanden und verknoteten. Licht fiel von draußen durch die Wände und beleuchtete gestreifte arterielle Bündel in der durchscheinenden Haut der Röhren. Ventile vor ihnen öffneten sich auf Vergeres Berührung; Ventile schlossen sich von selbst wieder hinter ihnen. Manchmal wurden die Röhren so eng, dass Jacen sich ducken musste, und die Krieger mussten beinahe kriechen. Manchmal gingen sie durch große Tunnel, die sich anspannten und pulsierten, als pumpten sie Luft; eine stetige Brise traf ihre Rücken wie der Atem eines gut genährten Wachtiers.
Die Außenhaut der Röhren vibrierte wie ein riesiges schlaffes Trommelfell und ließ die Luft summen und grollen, manchmal so tief, dass Jacen das Geräusch nur spüren konnte, wenn er die Hand an die Hautwand legte, manchmal lauter und höher bis zu einem Gezeitentosen von tausend Stimmen, die stöhnten, riefen und vor Schmerz schrien.
Häufig passierten sie Schließmuskelluken wie die, die die Kammer der Umarmung des Schmerzes verschlossen hatte; manchmal standen diese Luken offen, und man konnte Räume mit grasigem Sumpf als Boden erkennen, holzige Stämme, die sich oberhalb von bräunlichem Schlamm verzweigten, weit klaffende Räume, an deren Decken Kokons mit Puppen hingen, oder riesige dunkle Höhlen, in denen winzige Flammen − scharlachrot oder grün, grellgelb oder von trübem, beinahe unsichtbarem Lila − trieben, schimmerten und zwinkerten wie die Augen von Raubtieren, die sich in der Nacht sammeln, um ihr Wild zu belauern, das sich um ein Lagerfeuer gesammelt hat.
Seltener entdeckte Jacen andere Yuuzhan Vong, überwiegend Krieger, deren narbenlose Gesichter und unverstümmelte Glieder ihren geringen Status anzeigten, und ein- oder zweimal diese kleiner und untersetzter aussehenden Yuuzhan Vong, die alle eine Art lebenden Kopfschmuck trugen, der Jacen an Vergeres gefiederten Kamm erinnerte. Das mussten Gestalter sein; Jacen erinnerte sich an Anakins Geschichte von der Gestalterbasis auf Yavin 4.
»Was ist das hier für ein Ort?« Jacen war schon zuvor auf Yuuzhan-Vong-Schiffen gewesen, und er hatte ihre Einrichtungen auf Belkadan gesehen: Sicher, sie waren organisch gewesen und eher gewachsen als gebaut, aber dennoch verständlich. »Ist es ein Schiff? Eine Raumstation? Eine Art von Geschöpf?«
»Es ist all das und mehr. Der Yuuzhan-Vong-Name − nenne es ein Schiff, eine Station, ganz wie du willst − ließe sich als ›Saatschiff‹ übersetzen. Ich nehme an, ein Biologe würde es ein ökosphärisches Blastoderm nennen.« Sie zog ihn näher und senkte die Stimme, als mache sie einen Witz unter Freunden. »Das hier ist ein Ei, aus dem eine ganze Welt hervorgehen wird.«
Jacen zog eine Grimasse, als hätte er etwas Widerliches geschmeckt. »Eine Yuuzhan-Vong-Welt.«
»Selbstverständlich.«
»Ich war auf Belkadan. Und Duro. So etwas gab es dort nicht. Um die − wie soll man es nennen? Vong-Formung? − zu vollziehen, hat man einfach genetisch veränderte Bakterien in der Atmosphäre versprüht …«
»Belkadan und Duro sind nichts weiter als Industriegebiete«, sagte Vergere. »Es sind Werften, die Kriegsausrüstung produzieren. Sie werden irgendwann verbraucht sein und verlassen werden. Aber die Welt, die von diesem Saatschiff verändert wird, wird ein Zuhause sein.«
Jacen fühlte sich schwach. »Ein Zuhause?«
»Man kann einen Planeten auch als einen Organismus beschreiben, als lebendiges Geschöpf mit einem Skelett aus Stein und einem Herzen aus geschmolzenem Stein. Die Spezies, die einen Planeten bewohnen, Pflanzen und Tiere, sind die Organe des Planetengeschöpfs, innere Symbionten und Parasiten. Dieses Saatschiff selbst besteht überwiegend aus brütenden Stammzellen, die sich zu lebenden Maschinen herausbilden werden, und sie werden ihrerseits die Pflanzen- und Tierwelt eines gesamten Planeten hervorbringen − eine Pflanzen- und Tierwelt, deren Wachstum künstlich beschleunigt wird. Tiere werden innerhalb von ein paar Standardtagen aufwachsen, ganze Wälder innerhalb von Wochen entstehen. Nur Monate nach der Aussaat wird die neue Welt über ein vollständig funktionierendes, dynamisch stabiles Ökosystem verfügen: die Kopie eines Planeten, der vor so vielen Tausend Jahren starb, dass er kaum mehr eine Erinnerung darstellt.«
»Ihre Heimatwelt«, murmelte Jacen. »Die der Yuuzhan Vong. Sie errichten sich eine neue Heimatwelt. Darum geht es hier.«
»So könnte man es ausdrücken.« Vergere blieb stehen und machte eine Geste zu einem Krieger. Sie berührte eine Stelle an der Röhrenhaut. Der Krieger trat vor und bewegte den rechten Arm; sein Amphistab entrollte sich zu einer Klinge, die einen langen, unregelmäßigen Schnitt in der Wand verursachte. Aus dem Rand des Schnitts drang milchige Flüssigkeit. Vergere zog eine Seite des Rands beiseite wie einen Vorhang. Sie verbeugte sich leicht und bedeutete Jacen, durch den Schnitt zu gehen.
»Ich würde es ein noch unvollendetes Werk nennen«, sagte sie. »Ganz ähnlich, wie du es bist.«
Unangenehm nach Sumpf riechender Nebel schlug ihnen entgegen, warm und dick und wirbelnd wie Rauch. Jacen schnaubte. »Riecht, als wäre in der Latrine der Kaserne ein Rohr geplatzt. Was soll mich das denn lehren?«
»Es gibt nur eine Möglichkeit, es herauszufinden.«
Jacen schob sich durch den Schnitt. Die Luft war dick von dem Geruch nach Fäulnis, Exkrementen und heißem, feuchtem Schimmel. Schweiß brach ihm aus. Die milchig weiße Flüssigkeit aus dem Schnitt zog helle Fäden, die an seinem Haar und an seinen Händen kleben blieben. Er versuchte, sie mit dem Gewand wegzureiben, aber die Milch mochte seine Haut lieber als die Fasern.
Dann blickte er auf und vergaß die Fäden.
Das hier war der Ort, von dem die Schreie gekommen waren.
Er stand in einer von außen nach innen gekehrten Welt.
Der Tunnel hinter ihm bildete einen knotigen Buckel wie eine Krampfader auf einem Hügelkamm. Von dort aus konnte Jacen deutlich eine Sumpf-und-Dschungel-Landschaft sehen, die sich bis zum Horizont zog.
Aber es gab keinen Horizont.
Durch Wirbel von stinkendem Nebel zog sich ein endloser Bogen schaumfleckiger Tümpel und faulig rülpsender Sümpfe höher und höher und höher, bis der Betrachter gegen den beißend hellen blauweißen Funken anblinzeln musste, der die Sonne dieses Orts darstellte. Dann teilte sich der Nebel, und er konnte über die Sonne hinwegschauen: Andere Sümpfe, Dschungel und Hügelkämme versiegelten den Himmel Soweit durch den sich neu sammelnden Nebel zu erkennen war, zogen riesige Geschöpfe in lockeren Herden über diese Hügel − aber dann wurde der Nebel wieder dünner, und die Szene erhielt Perspektive.
Diese Geschöpfe waren nicht riesig; es waren Menschen.
Und nicht nur Menschen, sondern auch Mon Calamari, Bothans, Twi’leks und Dutzende anderer Spezies der Neuen Republik.
Diese Hügel auf der anderen Seite der Blase waren nur einen Klick entfernt oder vielleicht anderthalb. Die »Sonne« musste eine Art künstliche Schmelzmasse sein, vielleicht nicht viel größer als Jacens Faust. Die Dovin-Basale wären mithilfe ihrer Schwerkraftkontrolle sicher in der Lage, einen Fusionsofen zu beherrschen. Die schädigende Strahlung auszufiltern würde schon schwieriger sein. Er hatte keine Ahnung, wie ihnen das ohne Schildtechnologie gelang; Technik war nie seine starke Seite gewesen. Er war mehr für den Umgang mit Tieren begabt; wenn sich technische Fragen stellten, wendete er sich an Jaina oder Anakin. Er schüttelte sich, biss die Zähne zusammen, und der Schmerz wurde schwächer.
Nun konnte er Yuuzhan Vong zwischen den Gruppen sehen: ein paar Krieger − nicht viele −, aber Hunderte und Aberhunderte anderer Yuuzhan Vong, vermutlich Gestalter, die sich entschlossen bewegten, Boden- und Wasserproben nahmen, Larven, Rindenstreifen und Hände voller Algen sammelten, ohne auf das zu achten, was er ursprünglich für Herden gehalten hatte.
Diese Herden …
Hätte er immer noch über die Macht verfügt, dann wäre er sofort in der Lage gewesen, die Wahrheit zu spüren.
Das da sind Sklavenkolonnen.
»Großartig, nicht wahr?«, sagte Vergere hinter ihm.
Jacen schüttelte den Kopf. »Wahnsinn«, sagte er. »Sieh dir das doch an …«
Er zeigte auf einen Sumpf in der Nähe. An seinem Ufer war eine Arbeitsmannschaft hektisch mit primitiven Schaufeln zugange, und sie jammerten verzweifelt, während sie Schlamm und Vegetation in alle Richtungen schleuderten und versuchten, etwas zu schaffen, das vielleicht ein Abflussgraben war, während eine andere jammernde und stöhnende Mannschaft ebenso wild daran arbeitete, den Graben wieder zu füllen. Ein Stück weiter entfernt steckte eine Gruppe laut fluchender Leute Getreidestecklinge in den Schlamm, während eine Hand voll anderer ihnen folgte und stöhnend die Stecklinge niedertrampelte. Die gesamte Hohlkugel war von ähnlichen sinnlosen Anstrengungen erfüllt: Steinhaufen wurden gleichzeitig aufgebaut und abgetragen, Felder mit einem gerollten Stein gewalzt, während sie noch gepflügt wurden, Setzlinge gepflanzt und abgehackt, alles von halb nackten Sklaven, die vor Erschöpfung taumelten. Einige fluchten, einige schluchzten, der Rest schrie einfach nur in wortloser tierischer Qual.
Selbst dort, wo es keine so offensichtliche Anstrengung gab, eilten die Sklaven von Arbeit zu Arbeit, als würden sie von unsichtbaren Schwärmen stechender Insekten verfolgt; ein Mann, der ein Loch grub, begann plötzlich zu zucken, als hätte er eine offene Energieleitung berührt, dann kletterte er mühsam aus dem Loch, um mit so etwas wie einem Wall zu beginnen, dann zuckte er erneut und stolperte davon, um Sumpfgras auszureißen und es dann im Wind zu verstreuen.
»Dieser, dieser Wahnsinn …« Jacen schlang die Arme um den Oberkörper und schluckte angestrengt gegen ein Würgen an, das tief aus seinen sich zusammenziehenden Eingeweiden kam. »Wie kannst du das großartig nennen?«
»Weil ich über das hinwegsehe, was ist, und erkenne, was es werden soll.« Vergere berührte seinen Arm. In ihren Augen tanzten Funken. »Folge mir.«
Knotige Ranken boten an der Außenhaut der Röhre ein wenig Halt: Vergere sprang mit sicherer Leichtigkeit von einer zur anderen, dann wartete sie oben, während Jacen sich aufwärts quälte. Die dicke, stinkende Luft ließ ihn keuchen, er war schweißgebadet und halb erstickt, als hätte man ihn in eine Decke aus feuchter Tauntaunhaut gewickelt. Die beiden Krieger folgten unbeteiligt und entschlossen.
»Aber wozu ist das hier gut?« Jacen zeigte auf das Pandämonium. »Was hat das mit der Vong-Formung eines Planeten zu tun?«
»Das?« Vergere legte den Kopf auf eine Art schief, die Jacen als Lächeln zu interpretieren gelernt hatte. »Das hier ist ein Spielplatz.«
»Ein Spielplatz?«
»O ja. Das stellen doch Spielplätze in der Neuen Republik dar − einen Ort, an dem Kinder Verhaltensregeln und Grenzen lernen? Man lernt bei Raufereien auf dem Spielplatz, wie man kämpft, und in Spielplatzcliquen lernt man etwas über Politik. Auf dem Spielplatz erfährt man zum ersten Mal etwas über den Wahnsinn von Pöbelmengen, über den tückischen Sumpf des Erwartungsdrucks sozial Gleichgestellter und über die letztendliche, undenkbare, nicht zu leugnende Ungerechtigkeit der Existenz − dass einige schlauer und andere stärker oder schneller sind, und keine Macht, die dir zur Verfügung steht, dich besser machen kann, als deine Talente es vorgeben.«
Ihre Geste umfasste den gesamten Bereich. »Was du hier um dich siehst, ist das Werk von mächtigen, undisziplinierten Kindern … die mit ihren Spielzeugen spielen.«
»Das da sind keine Spielzeuge«, brach es aus dem empörten Jacen heraus. »Das da sind Personen − Menschen, Bothans …«
»Ich werde mit dir nicht über Bezeichnungen streiten, Jacen Solo. Nenn sie, wie du willst. Ihr Zweck bleibt der gleiche.«
»Welcher Zweck? Welcher Wert könnte aus diesem … diesem sinnlosen Leiden entstehen?«
Vergere schüttelte mitleidig den Kopf. »Glaubst du, ein so komplizierter Prozess wie die Neuschaffung einer gesamten planetaren Ökologie kann dem Zufall überlassen werden? O nein, Jacen Solo. Man braucht Lernprozesse. Ausbildung. Versuch und Irrtum − selbstverständlich sind die Irrtümer häufiger. Und Übung. Übung, Übung, Übung.«
Sie machte eine Geste wie ein Droide, der in einem guten Restaurant einen Tisch anbietet, und zeigte auf einen großen Teich, der nicht weit vom Fuß des Hügels entfernt war, auf dem sie standen. Eine Insel erhob sich aus der Mitte des Teichs, ein riesiger, hoch aufragender Haufen von glatten, wachsartig wirkenden sechseckigen Blöcken, die aussahen wie die versiegelten Geburtswaben in corellianischen Weinbienenstöcken − nur dass jede dieser Kammern groß genug gewesen wäre, den Millennium-Falken aufzunehmen.
Ein Kreis von Yuuzhan-Vong-Kriegern umgab den Teich, die Aufmerksamkeit nach außen gerichtet, Waffen bereit, als wollten sie ihn gegen einen unerwarteten Angriff verteidigen; ein weiterer Kreis von Kriegern sicherte das Ufer der Insel in der Mitte. Dutzende oder Hunderte von Gestaltern kletterten zwischen den Wabenblöcken umher, beladen mit Bündeln und Geräten und bebenden Säcken voller Flüssigkeit. Hin und wieder benutzte einer der Gestalter ein Werkzeug, um die Abdeckung am Ende eines der Blöcke zu durchtrennen, und reichte entweder ein Bündel oder einen mit Flüssigkeit gefüllten Sack hinein, bevor er den Block wieder versiegelte. Jacen erkannte, dass seine Weinbienen-Analogie unerwartet zutreffend gewesen war. In diesen riesigen sechseckigen Blöcken befanden sich anscheinend Lebewesen − etwas, das bereits sehr groß war, vielleicht die Larven unvorstellbarer Riesen …
»Was ist das?«, flüsterte er.
»Es geht weniger darum, was sie sind, sondern darum, was das Einzige von ihnen, das bis zur Reife überlebt, sein wird.«
Wieder lächelte sie, und ihr Kamm nahm eine lebhafte Orangefärbung an. »Wie alle komplizierten Geschöpfe«, sagte sie, »braucht die Heimatwelt der Yuuzhan Vong ein Gehirn.«
Die Geschöpfe wurden als Dhuryams bezeichnet.
Dhuryams waren Verwandte der Yammosks, so vollständig spezialisiert wie die riesigen Kriegskoordinatoren, aber für eine andere, viel kompliziertere Form telepathischer Koordination gezüchtet. Dhuryams waren größer, stärker und erheblich mächtiger und daher imstande, mehr und erheblich unterschiedlichere Elemente geistig zu verschmelzen als der größte Yammosk, der jemals lebte. Ein Dhuryam würde dafür verantwortlich sein, die Aktivitäten der Vong-formenden Organomaschinen zu integrieren. Das Dhuryam stellte weniger einen Diener dar als einen Partner; es war sehr intelligent, vollkommen seiner selbst bewusst und in der Lage, basierend auf einem stetigen Datenfluss, den es von dem gesamten planetenweiten Netz telepathisch verbundener Geschöpfe erhielt, Entscheidungen zu treffen und die Veränderung des Planeten makellos und ohne die durch chaotische Systeme bedingte Anfälligkeit natürlicher Ökosysteme zu leiten.
Als Vergere mit ihrer Beschreibung fertig war, sagte Jacen langsam: »Diese Sklavengruppen − du sagst, sie werden geistig beherrscht?«
Vergere nickte. »Es ist dir vielleicht aufgefallen, dass es nicht viele Wächter gibt, mit Ausnahme der Umgebung des Dhuryam-Stocks selbst. Und auch die sind nur da, um zu verhindern, dass die Dhuryams ihre Sklaven benutzen, um ihre Geschwister zu ermorden.«
»Ermorden?«
»O ja. Verhalten kann gezüchtet werden, aber Fertigkeiten muss man erlernen. Viel von dem, was die Dhuryams hier tun, ist spielerisches Lernen − nicht unähnlich einer Pilotenausbildung im Flugsimulator. Hier üben sie ihre Fertigkeiten in mentaler Kontrolle und in der Koordination vieler unterschiedlicher Lebensformen, die eines von ihnen später einmal als Welthirn brauchen wird.«
»Eines von ihnen …«, wiederholte Jacen.
»Nur eines. Die Spiele, die diese Kinder spielen, sind mehr als nur ernst. Sie sind tödlich. Diese noch nicht ausgewachsenen Dhuryams wissen bereits, worin die grundlegende Wahrheit der Existenz besteht: siegen oder sterben.«
»Es, ist so …« Jacen ballte hilflos die Fäuste. »So schrecklich.«
»Ich würde es ehrlich nennen.« Sie blickte lächelnd zu ihm auf, freundlich, vergnügt, unberührt von dem Entsetzen, das sie umgab. »Leben ist Kampf, Jacen Solo. So war es immer schon: eine unendliche wilde Schlacht mit Zähnen und Klauen. Das ist vielleicht die größte Stärke der Yuuzhan Vong: Anders als die Jedi, anders als die Neue Republik, betrügen sich unsere Herren niemals selbst. Sie verschwenden niemals ihre Energie damit, so zu tun, als wäre das nicht so.«
»Du sagst immer wieder ›unsere Herren‹.« Jacens Knöchel wurden weiß. »Du meinst deine Herren. Diese − diese Perversion hat nichts mit mir zu tun.«
»Du wirst erstaunt sein, denke ich, wenn du entdeckst, wie sehr du dich damit irrst.«
»Nein«, sagte Jacen, nun energischer. »Nein. Der einzige Meister, denn ich je hatte, ist Meister Skywalker. Ich habe keinen Herren außer der Macht. Die Yuuzhan Vong sollten mich lieber gleich töten, denn sie werden mich nicht dazu bringen, zu gehorchen.«
»Armer kleiner Solo.« Ihre Arme vollführten ein weiteres flüssiges Schulterzucken. »Ist es dir je peinlich, dich so vollkommen und dauerhaft zu irren?«
Jacen wandte den Blick ab. »Du verschwendest deine Zeit, Vergere. An diesem Ort gibt es für mich nichts zu lernen.«
»Siehst du? Schon wieder ein Irrtum, nein, zwei: Meine Zeit ist nicht verschwendet, und das hier ist nicht dein Klassenzimmer.« Sie hob die Hand − eine flackernde, verschwommene Geste −, und die beiden Krieger hinter Jacen packten ihn an den Armen, mit einem Griff so fest wie Rumpfmetall. Dann wurde der verschwommene Fleck neben ihrer Hand wieder zu dem bösartigen Knochenhaken.
Die Macht, dachte er, und Panik erfüllte sein Herz. Sie hat den Haken mithilfe der Macht verschwimmen lassen − sie hatte ihn die ganze Zeit in der Hand!
»Das hier ist dein neues Zuhause«, sagte sie und stieß ihn vor die Brust.