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Mittwoch, der 29.07.
Liebe Mandy,
da bin ich wieder. Wie Du am Datum erkennen kannst, hat es fast zwei Wochen gedauert, bis ich Dir den nächsten Brief schreiben konnte. Da die ersten beiden noch in meiner Schatulle liegen, ist es jedoch egal, wie groß der Zeitraum zwischen ihnen ist, denn Du bekommst sie ja nicht im gleichen Abstand zugeschickt, wie ich sie verfasse.
Vielleicht sende ich schon bald den ersten Brief an Dich ab. Fischgesichts Tod liegt ja nun schon drei Wochen zurück. Du musst mir nur versprechen, alles für Dich zu behalten – tust Du das, meine kleine Mandy?
Fragst Du Dich nun, warum es so lange gedauert hat, bis ich Dir wieder etwas Neues berichten konnte? Ich will es Dir erklären.
Es lag daran, dass ich eine Art Blackout hatte, dass ich mich weder an Namen noch an Gesichter, geschweige denn an weitere Details erinnern konnte. Ich fischte im Trüben. Das hat mich ziemlich runtergezogen, wie Du Dir vorstellen kannst.
Wie soll man seine Peiniger finden und bestrafen, wenn man nicht einmal mehr weiß, wie sie hießen oder was sie mit den Kindern gemacht haben?
Der Zufall (oder vielleicht war es auch gar kein Zufall, sondern eine höhere Fügung?) brachte mich weiter: Ich fand eine neu angelegte Internetseite über unser Kinderheim. Stell Dir vor, da setzt sich jemand hin und gestaltet freiwillig eine Website zu diesem furchtbaren Ort!
Ich habe dem Verfasser eine Mail geschrieben. Er heißt Sebastian Wallau. Du wirst ihn nicht kennen, weil er erst nach uns ins Heim gekommen ist.
Wir haben uns ausgetauscht. Ich schrieb ihm von meiner Zeit im Heim und dass ich auf der Suche nach ehemaligen Gefährten bin. Dieser Sebastian hat mir viele neue Informationen und Denkanstöße gegeben. Und so ist mein Gedächtnis ein wenig aufgefrischt worden …
Wer es ist, fragst Du mich? Ich muss ein wenig lächeln, meine kleine Mandy. Du warst früher schon immer so überaus wissbegierig. Und nur der Form halber – Du solltest Dich nicht erkundigen, wer es ist, sondern wer es war. Jetzt lächelst Du auch, nicht wahr? Denn wenn Du erst einmal den ersten und zweiten Brief gelesen hast, wirst Du wissen, dass ich Dir immer dann schreibe, wenn ich einen Fall abgeschlossen habe.
Schließ kurz die Augen, und stell Dir eine kleine dickliche Frau mit Mopsgesicht vor. Siehst Du sie vor Dir? Frau Sagorski war ab Mai 1984 Heimleiterin im ›Ernst Thälmann‹.
Ich hatte diese Person vollkommen vergessen. Erst nachdem mein neuer Brieffreund mir den Namen gemailt hatte, fiel es mir wieder ein, wenn ich selbst mich auch nicht darauf besinnen konnte, dass sie mir persönlich Schaden zugefügt hätte.
Gestern Nacht habe ich sie mir vorgeknöpft. Auf eine neue Art und Weise. Ich habe es zuerst aussehen lassen, als sei es eine Erpressung wegen ihrer damaligen Vergehen. Sie hat sich darauf eingelassen, und das war für mich der endgültige Beweis, dass sie Dreck am Stecken hatte.
Auf einer abgelegenen Waldlichtung befragte ich sie ausführlich, nachdem wir ein bisschen mit ihrem Auto durch die Gegend gefahren waren.
Ja, ja, liebe Mandy, ich weiß. Ich hatte nach der Causa Meller geschrieben, dass ich niemanden mehr mit dem Wagen transportieren wollte, aber es ging in diesem Fall nicht anders. Das Risiko, sie zu Hause zu erledigen, war zu groß: Ich kannte weder die Wohnverhältnisse in ihrem Eigenheim, noch wusste ich, ob Angehörige dort lebten. Und ich war ja auch nicht allzu lang mit dem »Paket« im Kofferraum unterwegs. Letzten Endes zählt immer das Ergebnis, nicht?
Und so kam es, dass unsere ehemalige Heimleiterin den Weg alles Irdischen ging, um es poetisch auszudrücken. Sie hat ganz schön gegurgelt und geröchelt, als sich der Schal um ihren Hals fester und fester zuzog. Strampeln konnte sie nicht, weil ich sie an eine Sackkarre gefesselt hatte.
Vorher hat sie mir aber ein paar Namen von Kollegen verraten. Außerdem hat sie mich noch auf etwas anderes aufmerksam gemacht. Von jedem Kind gab es eine Heimakte und ein Dossier, das beim Jugendamt geführt wurde. Vielleicht existieren diese Akten noch …
Wie mein nächtlicher Ausflug endete, kannst Du Dir bestimmt vorstellen. Nach all dem Keuchen und Röcheln kehrte wieder Frieden auf der Lichtung ein. Die Sagorski sah zum Totlachen aus. Wie ein überschminkter Clown, dem eine blauschwarze Zunge aus dem Hals hängt, die hervorquellenden Augen denen eines Chamäleons gleich. Sie war schwer wie ein Zwei-Zentner-Mehlsack. Gut, dass ich die Karre dabeihatte. Der Wald hatte mir schon eine Grube ausgehoben – ich musste die Überbleibsel bloß noch hineinheben und das Ganze zuschaufeln. Trotzdem war das eine Heidenarbeit. Dafür kann ich mir mindestens zwei Sporteinheiten schenken!
Liebe Mandy, ich hoffe, dies alles erfreut Dich genauso wie mich. Wahrscheinlich fragst Du zum Schluss, wie es nun weitergeht. Ein Instinkt sagt mir, ich solle mich zuerst um Rainer Grünkern kümmern.
Ach, den Namen habe ich ja noch gar nicht erwähnt! Ich werde vergesslich … Sagt er Dir etwas?
Grünkern war Heimleiter, bevor die Sagorski kam, also bis 1984. Wie sie erzählt hat, ist er nicht in Rente gegangen, sondern wurde versetzt. Die Frage ist nun: Warum geschah das?
Wäre er befördert worden, hätte die Sagorski das mit Sicherheit gewusst. Wahrscheinlicher ist deshalb aus meiner Sicht, dass er sich etwas hat zuschulden kommen lassen. Etwas, das auch in der ehemaligen DDR so folgenschwer war, dass man ihn nicht als Heimleiter im ›Ernst Thälmann‹ halten konnte. Siehst Du das nicht auch so, kleine Mandy?
Sebastian Wallau kann ich leider nicht fragen, denn weil er viel später ins Heim kam, hat er keine Bekanntschaft mehr mit Rainer Grünkern gemacht. Aber es gibt ja noch andere Ehemalige.
Sei also unverzagt, liebes Schwesterherz. Ich werde fleißig sein und Dir weiterhin Bericht erstatten.
Für heute soll es das gewesen sein. Ich kann es kaum noch erwarten, Dir endlich den ersten dieser Briefe zu schicken.
Gedulde Dich noch ein kleines bisschen. Es dauert nicht mehr lange, versprochen.
Bis zum nächsten Mal.
In Liebe,
Dein Matthias
Zufrieden faltete Matthias das Papier, strich noch einmal zärtlich darüber und legte den Brief dann in die geschnitzte Schatulle. Es war kurz vor Mitternacht, doch er fühlte sich energiegeladen wie lange nicht. Es ging voran. Sein Blick glitt über die Aufzeichnungen.
- – Siegfried Meller: erledigt
- – Isolde Semper: erledigt
Den Vornamen der Heimleiterin hatte er erst am Schluss herausgefunden. In ihrem Ausweis stand »Birgit«. Ein typischer Durchschnittsname der fünfziger Jahre. Er nahm einen schwarzen Fineliner und malte mit kalligrafischer Sorgfalt: »Birgit Sagorski: erledigt« unter die beiden anderen.
Drei Bestrafte. Gute Arbeit bis jetzt, aber kein Grund, sich auszuruhen.
Die Aufzeichnungen seiner nächtlichen Befragung waren nicht so gestochen scharf, eher hastig hingeworfene Buchstaben. Matthias legte das Notizbuch neben seine Arbeitsmappe, stützte die Stirn mit den Fingerspitzen ab und fixierte die Namen, die die ehemalige Heimleiterin genannt hatte.
Dazu die, die er schon kannte. So viele Erzieher. Aber manche von ihnen waren nicht lange da gewesen, ein halbes Jahr, ein ganzes, dann waren sie weggezogen oder hatten den Arbeitsplatz gewechselt, er wusste es nicht. Andere dagegen blieben ewig. Das waren die, denen die Atmosphäre in diesem Kinderheim behagte; die, die schnell merkten, dass die Verhältnisse dort ihren persönlichen Vorlieben entgegenkamen. Matthias begann, sich Stirn und Schläfen zu massieren, während er weiter auf die Wörter starrte und auf Bilder in seinem Kopf wartete, Erinnerungen, die ihm etwas über das Verhalten dieser Erzieher verrieten.
Von Sebastian Wallau hatte er zusätzlich den Namen Arnold Festmann bekommen. Festmann war Sebastians persönlicher Betreuer gewesen. Matthias konnte sich nicht an einen Erzieher dieses Namens entsinnen, aber was bedeutete das schon. Viel wichtiger war, dass er selbst auch einen persönlichen Betreuer gehabt haben musste. Wer von ihnen war es gewesen? Mann oder Frau? Noch einmal glitt sein Blick über die Liste. Er hätte die Sagorski danach fragen können, hatte aber in seiner Aufregung nicht daran gedacht, und nun war es zu spät. Matthias löste den Blick, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er atmete tief ein und aus und versuchte, seinen Kopf zu leeren, an nichts zu denken. Man konnte Erinnerungen nicht herbeizwingen. Sie waren da, ließen sich aber nicht vom Willen dominieren. Die Gedanken kamen immer dann zu ihm, wenn er sich entspannte. Matthias wartete einige Minuten, in denen er sich bemühte, an nichts zu denken, dann gab er auf und beschloss, seinem Gedächtnis anderweitig auf die Sprünge zu helfen. Wenn die sanfte Methode nichts brachte, dann half vielleicht die Holzkeule. Es schmerzte, aber es rüttelte den Verstand wach. Er schaltete den Computer ein. Vergleichende Betrachtungen, das war es, was er jetzt brauchte.
Suche nach Leichen – Das Kinderheim des Grauens
Am Anfang standen die Überreste der Leiche eines toten Kindes. Inzwischen ist die Polizei auf der Kanalinsel Jersey einem Missbrauchsskandal unbekannten Ausmaßes auf der Spur. Seit 1960 sollen Angestellte des Kinderheims Haut de la Garenne über Jahrzehnte hinweg Minderjährige missbraucht und mindestens ein halbes Dutzend von ihnen getötet haben.
Auf dem Grundstück des ehemaligen Kinderheims hatte man vor zwei Wochen verweste Leichenteile eines Kindes gefunden, das vermutlich in den achtziger Jahren gestorben war. Spürhunde der Polizei entdeckten die Reste des kleinen Körpers unter einer massiven Betondecke.
Im weiteren Verlauf der Untersuchungen fanden die Beamten im Kellergeschoss des Skandalheimes vier geheime Räume, darin Handschellen, eine blutverschmierte Badewanne und Kinderzähne. In einen Holzbalken hatte jemand die Wörter »Ich bin seit vielen Jahren böse« geritzt.
Matthias tastete nach seiner Cola und setzte das Glas an. Es war leer. Blicklos marschierte er in die Küche, holte sich eine neue Flasche, trank im Gehen, verschluckte sich an der Kohlensäure und setzte sich wieder vor den Monitor.
Immer mehr Kinderleichen
Das Waisenhaus Haut de la Garenne auf Jersey sorgt weiter für schreckliche Schlagzeilen.
Von den Einwohnern des kleinen Örtchens wird das Kinderheim seit Wochen nur noch »Horrorhaus« genannt. Nun machten Ermittler erneut einen grausigen Fund.
Im Keller des Hauses wurden weitere Überreste mehrerer Kinderleichen gefunden. Der grausige Fund bestand unter anderem aus 65 Milchzähnen und mehr als 100 menschlichen Knochenteilen, die zu Kindern im Alter von vier bis elf Jahren gehören. Darunter waren ein kindlicher Beinknochen und ein Gehörknöchelchen. Nach Polizeiangaben wurde vermutlich zwischen Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre versucht, die Toten zu verbrennen, um Beweise zu vernichten. Das ehemalige Erziehungsheim ist damit der Schauplatz eines der größten Fälle von Kindesmisshandlung auf den Britischen Inseln.
Untersuchungen der Überreste ergaben, dass die Opfer wahrscheinlich ermordet wurden. Da das genaue Alter der Funde bislang nicht ermittelt werden konnte, wird es außerordentlich schwierig werden, Mordanklage zu erheben, da der Tatzeitraum nicht eingegrenzt werden kann. Die Ankündigung der Polizei, dass es womöglich nicht zu einer Anklage kommen werde, löste Proteste von Kinderschützern aus. Jerseys ehemaliger Gesundheitsminister forderte, dass die britische Regierung in die Ermittlungen eingreifen solle.
Das Bild verschwamm vor Matthias’ Augen. Was war den Kindern Grauenhaftes angetan worden, bevor man sie ermordet und verbrannt hatte? Er konnte die ängstlichen kleinen Gesichter vor sich sehen, hörte ihre Schmerzensschreie und das Flehen um Gnade. Mit zusammengebissenen Zähnen klickte er auf den nächsten Link.
Die »Bestie von Jersey«
Jahrelang hatte es im beschaulichen St. Martins Gerüchte über schwerste Misshandlungen im dortigen Kinderheim gegeben. Doch erst seit Polizisten einen Kinderschädel und weitere Leichenteile auf dem Gelände fanden, kommen immer mehr grausige Details ans Licht.
Auch der pädophile Serientäter Edward Paisnel, genannt die »Bestie von Jersey«, habe das Heim des Öfteren aufgesucht. Edward Paisnel hatte in den sechziger und siebziger Jahren ganz Jersey in Panik versetzt. Elf Jahre lang soll er Kinder nachts in ihren eigenen Betten brutal überfallen und vergewaltigt haben. Er quälte seine Opfer unter anderem mit nägelbewehrten Armbändern, verbarg dabei sein Gesicht hinter einer Gummimaske.
Jetzt bringen britische Medien ihn mit den Knochenfunden in dem ehemaligen Kinderheim in Verbindung. Bereits 1972 hatte Paisnels Ehefrau von Besuchen ihres Gatten in dem Waisenhaus berichtet. Er habe sich dabei oft als Weihnachtsmann verkleidet, mit den Kindern gespielt und sie gebeten, ihn »Onkel Ted« zu nennen, schrieb sie in einer Biografie über ihn.
Die örtliche Polizei weist jede Spekulation über einen Zusammenhang zurück. Es gebe »keine Beweise« für eine Verbindung Paisnels mit den Knochenfunden. Doch inzwischen sind Fotos aufgetaucht, die den pädophilen Kinderschänder im roten Pelzmantel mit angeklebtem Bart im Haut de la Garenne zeigen – mit Kindern auf dem Schoß.
Paisnel wurde 1971 wegen Körperverletzung, Vergewaltigung und Unzucht zu 30 Jahren Haft verurteilt. Er starb 1994.
Matthias sah das Bild vor sich, obwohl es nicht auf dem Monitor abgebildet war. Sein Körper fühlte verstohlene Berührungen, die Haut erschauerte unter tastenden Fingern, an seinem Hintern spürte er den unnachgiebigen Druck von etwas Festem. Er selbst saß auf dem Schoß dieses Mannes im Weihnachtsmannkostüm und konnte sich nicht wehren, während der Perverse ihm mit heiserer Stimme abstoßende Dinge ins Ohr flüsterte. Er nahm einen Schluck Cola, schmeckte nichts, zwang seine Augen, sich zu öffnen, weiterzulesen, das Unfassbare aufzunehmen und in seinen Kopf zu schicken, wo all die verschlossenen Erinnerungen darauf warteten, dass er den Schlüssel fand und sie herausließ.
Mehr als fünfzig ehemalige Heimkinder aus Haut de la Garenne hatten sich inzwischen bei der Polizei gemeldet. Mehr als fünfzig Zeugen der schrecklichen Ereignisse, die nach ihren Angaben in dem früheren Kinderheim vergewaltigt oder misshandelt worden waren. In Matthias’ Brustkorb rasselte es bei jedem Atemzug. »Mehr als fünfzig« – und das war sicher nur die Spitze des Eisbergs.
Wo sind eigentlich deine Leidensgenossen? Es kann doch nicht sein, dass du der Einzige bist, der sich an Quälereien und Misshandlungen in deinem Kinderheim erinnert! Matthias schluckte trocken. Er war nicht allein. Sein Körper erinnerte sich an alles, was ihm zugestoßen war, auch wenn er nicht bewusst auf alles zurückgreifen konnte. Hatten sich denn die ehemaligen Kinder aus Haut de la Garenne vor den schrecklichen Entdeckungen der letzten Wochen gemeldet? War irgendeiner der fünfzig bei der Polizei gewesen und hatte Anzeige erstattet? Oder hatte jeder von ihnen für sich isoliert mit der Vergangenheit gekämpft, gelitten und sich alleingelassen gefühlt? Die schlimmere Variante jedoch war, dass sich einige tatsächlich an die Behörden gewandt hatten, man ihnen aber nicht geglaubt hatte. Das kam öfter vor, als der brave Bürger annahm, auch in Deutschland.
Matthias spürte, wie die Kopfschmerzen zurückkamen. Es begann immer auf die gleiche Art und Weise: Zuerst pulste es kaum wahrnehmbar, dann verdichtete das Pochen sich zu einem Hämmern, schließlich schien sich der ganze Kopf auszudehnen und wieder zusammenzuziehen, bis er das Gefühl hatte, er würde platzen wie ein überdehnter Ballon. Wenn er seine Medikamente nicht spätestens beim Pochen einnahm, war der Prozess nicht mehr aufzuhalten. Matthias verwarf die ärztliche Anordnung, nahm zwei Triptan auf einmal und würgte sie trocken hinunter. Die ganzen Berichte über Haut de la Garenne hatten nur eines gebracht: dass es ihm schlechter ging als vorher. Neue Erinnerungen, Gesichter hinter den Namen auf der Liste, hatten die grausigen Schilderungen nicht zutage gefördert. Die Schnitzereien auf der Schatulle mit den Briefen glänzten im Licht der Schreibtischlampe rötlich braun. Ein pelziger Falter war, angelockt vom Licht, unbemerkt hereingekommen und gaukelte nun um den Lampenschirm. Die Migränetabletten wärmten Matthias’ Bauch.
Es gab nur eine Möglichkeit weiterzukommen. Er musste weitere Heimkinder befragen. Vielleicht konnten sie seinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Hatte Sebastian Wallau nicht geschrieben, dass mehrere Ehemalige mit ihm Kontakt aufgenommen hatten? Der Brieffreund hätte sicher nichts dagegen, ihm die E-Mail-Adressen zu geben, damit er sich mit ihnen in Verbindung setzen konnte – der alten Zeiten wegen.
In der Zwischenzeit wollte Matthias Hase sich um den Mann kümmern, dessen Name etwas, wenn auch nur Verschwommenes, in ihm geweckt hatte: Rainer Grünkern.