KAPITEL 7

Der Legende nach wurden die Schöpfer der Großen Pyramiden tief im Inneren ihrer genialen Bauten eingemauert. Es galt als Vorsichtsmaßnahme, um zu verhindern, dass sie ihre Geheimnisse preisgaben.

Und man erzählt sich, dass, nachdem Peter der Große die märchenhafte Skyline von St. Petersburg sah, er sämtliche Architekten, die dazu beigetragen hatten, hinrichten ließ, damit sie diese nicht für andere Monarchen nachbauen konnten.

Schließlich ist der Tod der einzige wirklich vertrauenswürdige Intimus.

Daniel allerdings war weder Pharao noch Zar, und der Tod war keine Option in seinem Servicevertrag mit der Firma Brentwood Safe & Tresor Installation. Also wussten Terry und sein Kumpel – Daniel konnte sich nicht an den Namen des nach billigem Gras stinkenden Kerls mit der bekleckerten Padres-Kappe erinnern – alles über den Safe, den sie hinter dem Elvis-Bild eingebaut hatten.

Was wiederum bedeutete, dass jeder, dem Terry oder der bekiffte Padres-Fan diese Information anvertraut hatten, ebenfalls Bescheid wusste. Und auch jeder, mit dem diese Leute wiederum gesprochen hatten … und so weiter und so fort, bis man ohne Weiteres davon ausgehen konnte, dass halb Los Angeles über Daniels ach so geheimen Safe Bescheid wusste.

Und nicht nur Terry und der Kiffer waren der Grund.

Während dieser grauenhaften Phase, in der er versucht hatte, nach der Scheidung wieder auf die Beine zu kommen, hatte Daniel einige Partys im Haus gegeben, einfach nur, um zu zeigen, wie »gut« es ihm ging. Da waren wer weiß wie viele Gäste gewesen (von denen er die meisten gar nicht kannte), und möglicherweise hatten sie den Safe von ganz allein gefunden. Oder sie hatten – was wahrscheinlicher war – sein besoffenes Gelalle über sich ergehen lassen und aus seinem eigenen Maul von dem Geld erfahren, das er in seinem Geheimsafe aufbewahrte.

Mit allen möglichen Leuten hatte er Produktions-Meetings für den Pilotfilm von Rock & Roll Revival in seinem Haus abgehalten. Filmcrews. Cutter. Die Musiker von Mission. Deren Gefolge.

Und dann der Typ vom Kabelfernsehen.

Und die Maler.

Maria.

Selbst die Rettungssanitäter und Polizisten, die man nach seinem Selbstmordversuch gerufen hatte, waren überall im Haus gewesen. Vielleicht sogar allein in seinem Büro. Wer konnte das schon sagen?

Die Liste der Verdächtigen, die möglicherweise vom Safe und den eine Million Gründen wussten, ihn zu knacken, war endlos. Trotzdem fiel Daniel niemand ein, der ein Motiv gehabt hätte, einen an ihn adressierten Blues-Song am Tatort zurückzulassen, vor allem mit einem Text, der andeutete, dass er sein Geld möglicherweise wiederbekommen könnte.

Er hatte Fragen über Fragen und ging davon aus, dass die Antworten in diesem Blues zu finden waren. Also dachte er noch einmal eingehender darüber nach.

»Blues Highway Blues«.

Daniel kannte diesen Highway. Lange bevor Bob Dylan eine Platte danach benannte, war die Route 61 die Hauptstraße der herumziehenden Bluessänger gewesen. Sie folgte dem Mississippi runter nach St. Louis und dann rüber nach Memphis, bis sie den fruchtbaren Halbmond des Deltas durchquerte und schließlich ihre Jünger im Big Easy ablieferte. Die Route 61 war das historische Rückgrat des Rhythm & Blues, die musikalische Nabelschnur des Rock ’n’ Roll.

Und mochte ein zweieinhalbtausend Kilometer langer Highway auch eine eher ungenaue Ortsangabe sein, so konnte Daniel sich nach den Ereignissen des Tages doch auf drei Tatsachen verlassen: Moog und Rabidoso suchten ihn. Sie würden nicht aufgeben, bis sie ihn gefunden hatten. Die einzige Möglichkeit, sein Leben – und das seines Sohnes – zu retten, bestand darin, das Geld zu beschaffen und einen Deal auszuhandeln.

Sollte also nur die geringste Chance bestehen, dass er sein Geld am Ende dieser wilden Hatz zurückbekam, auf die man ihn hier schickte, dann musste er dorthin fahren, wo der Blues zur Welt gekommen war.

Er machte sich auf dem Weg zum Blues Highway.