KAPITEL ELF

Die Firespray kam am Rand des Sixela-Sternensystems aus dem Hyperraum. Div lenkte sein Schiff zum sechsten Planeten, den ein kleiner roter Mond umkreiste. Es war ein gutes Gefühl, wieder zu fliegen. Viel zu lange hatte er am Boden festgesessen. Und was das Fliegen anbelangte: Es gab nichts Besseres, als am Steuer einer Firespray zu sitzen. Die X-Wings der Allianz waren auch in Ordnung, aber das Schiff mit der eigentümlichen Form, die an den Kopf eines Tieres erinnerte, war schon seit Langem Divs Favorit. Es war schlank, wendig und für Geschwindigkeit und Feuerkraft optimiert, was es zu einem idealen Schiff für die besten Piloten der Galaxis machte. Und zu diesen hatte Div sich immer gezählt.

Ferus aktivierte vom Kopilotensitz aus die Langstreckensensoren und baute einen Sichtkontakt zum Reiseziel auf.

„Sieht nach nichts Besonderem aus", sagte Div.

„Wir wollen es hoffen", antwortete Ferus.

Div wusste, dass er recht hatte. Sollte sich ihr Verdacht als falsch herausstellen und sie fanden dort nichts als nackten Fels und Sand, mussten sie froh sein. Dennoch konnte er sich nicht helfen und wünschte sich endlich etwas Abenteuer. Div war bis vor Kurzem ein Söldnerpilot gewesen - einer der besten in der Galaxis. Er war in jedermanns Dienst geflogen, der ihn gerufen hatte und war so von einem Auftrag zum nächsten gehüpft. Schmuggeln, transportieren, Angriffe aus dem Hinterhalt - er hatte schon alles hinter sich, und immer hatte er es gut gemacht. Sein Leben war eine endlose Kette aus Feuergefechten und atemloser Flucht gewesen. Genau so, wie es Div gefiel. Denn je schneller er rannte, desto weniger musste er nachdenken.

Ferus wieder zu begegnen hatte sich angefühlt, als liefe er gegen eine Durastahlwand. Von einer Sekunde zur nächsten Stillstand. Monatelang hatte er auf dem feuchten Rebellenmond festgesessen, hatte Löcher ausgehoben, Bäume gefällt und nichts getan. Nichts, außer über seine Vergangenheit und über alles, was er verloren hatte, nachzudenken. So oft hatte er sich gewünscht, er könne seine Vergangenheit einfach aus seinem Gedächtnis löschen - Clive, Astri, Trever, all die Toten, all die Verluste und schmerzhaften Niederlagen. Er wünschte sich, neu anfangen zu können. Doch da das nicht möglich war, tat er einfach das Nächstbeste: Durch die Galaxis fliegen, hart zuschlagen und dem Tod tausendmal von der Schippe springen. Hauptsache, er war abgelenkt. Doch auf Yavin 4 hatte es keine Ablenkung gegeben.

Dort hatte es nur Ferus gegeben, der ihn andauernd an seine Vergangenheit erinnert hatte.

Der vernünftige Teil Divs wünschte sich, dass ihnen auf diesem Mond keine Schwierigkeiten begegneten.

Doch der andere Teil - der sich nach Ablenkung und Bewegung sehnte - hoffte das Gegenteil.

„Eintritt in den Orbit", sagte Div und brachte das Schiff so tief herunter, dass es beinahe die Atmosphäre streifte.

„Laserkanonen feuerbereit", sagte Ferus. „Nur für den Fall der Fälle."

Div versuchte mit der Macht hinauszugreifen und zu spüren, ob dort unten die Gefahr lauerte. Doch wie immer spürte er gar nichts. Ferus sagte ihm dauernd, dass es nur eine Frage der Zeit und der Übung sei, bis er die Fähigkeiten wiedererlangte, die er als Kind besessen hatte. Die Macht wird immer mit dir sein, sagte Ferus oft. Du musst ihr nur den Zugang gewähren. Doch so sehr Div sich auch bemühte, er spürte nichts. Er konnte sich noch daran erinnern, wie mühelos es ihm während seiner Kindheit gelungen war. Damals hatte er nur seinen Geist öffnen müssen, und alles war ihm gelungen. Er konnte sich nur nicht mehr daran erinnern, wie er es angestellt hatte. Und je mehr er sich anstrengte, desto unmöglicher erschien es ihm.

„Spürst du irgendetwas?", fragte er schließlich Ferus. Er hatte es aufgegeben.

Ferus senkte den Kopf, als horche er in die Stille des

Weltalls hinein. Dann schüttelte er den Kopf. „Da ist etwas. Eine ... leichte Erschütterung der Macht. Aber ich glaube nicht, dass wir in Gefahr sind. Noch nicht, jedenfalls."

Das Rebellenkommando hätte vor Wut geschäumt, hätte es gewusst, dass Ferus und Div ohne Erlaubnis an diesen Ort vorausgeflogen waren. Eine solche Vorhut war als zu gefährlich ausgeschlossen worden, aus Angst, man könne sich den Imperialen verraten, die vielleicht schon hier waren.

General Dodonna wollte keinesfalls riskieren, dass der Mission etwas in die Quere kam. Allerdings waren keine anderen Schiffe in Sicht und kein Zeichen Imperialer Aktivitäten auf dem Radar.

„Ich gehe dann etwas tiefer", sagte Div. Er senkte das Schiff in die dünne Atmosphäre. Dunstige Wolken wehten an der Cockpitscheibe vorbei.

„Dal", rief Ferus und deutete auf die Oberfläche hinunter.

„Was?", fragte Div.

„Da ist etwas", sagte Ferus mit einem Kopfschütteln. „Ich kann es spüren."

Bei dieser Geschwindigkeit konnte Ferus kaum mehr als eine verwischte Struktur gesehen haben. Div bemerkte auf jeden Fall nichts von Interesse. Doch die Jedi sahen Dinge, die anderen entgingen. Und so verlangsamte Div das Schiff auf der nächsten Umkreisung und richtete die

Sensoren auf die Gegend, in der Ferus etwas gesehen hatte. Und da war er: der Millennium Falke.

Div riss die Augen auf. Er wollte die Firespray schon auf einen Landekurs bringen, in dem Moment berührte Ferus seine Hand. „Noch nicht", sagte er. „Schau!" Das Schiff war von dicht an dicht stehenden Männern umstellt. Es gab keinerlei Hinweise darauf, dass Han, Leia oder Chewie unter ihnen waren. „Wir müssen erst mehr in Erfahrung bringen."

Also umkreisten sie den Mond noch mehrere Male. Die Instrumente nahmen Lebenszeichen wahr, alle in einem Umkreis von zehn Kilometern um eine Ansammlung von flachen Durabetongebäuden.

Ferus trommelte mit den Fingern auf der Steuerkonsole. „Vielleicht sollten wir jetzt in Erfahrung bringen ..."

Ein leises Piepen des Comm-Systems unterbrach ihn.

„Das ist ein Notrufsignal", stellte Ferus fest. „Und es wird auf einer Rebellenfrequenz ausgestrahlt."

„Es muss vom Falken kommen", sagte Div. Er war sich sicher, dass sich in diesem System keine weiteren Rebellen befanden. Aber das Signal ging von einem Punkt aus, der mehrere Kilometer von der Landestelle des corellianischen Frachters entfernt war. Div setzte zur Landung an. Dann entsicherte er seinen Blaster. Vielleicht kam der Notruf ja wirklich von der Falken-Besatzung. Doch es bestand ebenso die Möglichkeit, dass es jemand anders gelungen war, auf einer Rebellenfrequenz zu funken. Und Div hatte keine Lust, in eine Falle zu tappen.

„Bereit?", fragte er. Ferus nickte. Er aktivierte sein Lichtschwert und öffnete die Luke. Zusammen stiegen sie zur Oberfläche hinab. Der Mond bestand aus einer kargen, trockenen Landschaft mit flachen Kratern und hoch aufragenden Felsblöcken. Bei ihrer Erkundung wirbelten sie Wolken aus feinem rotem Staub auf. Der Notruf kam von diesem Ort, daran gab es keinen Zweifel. Was oder wer auch immer sie gerufen hatte, war hier in der Nähe - oder genauer gesagt: Es musste direkt vor ihrer Nase liegen.

„Wir haben keine feindlichen Absichten!", rief Div und hoffte, jemanden aus dem Versteck zu locken. „Außer ihr habt welche uns gegenüber", fügte er fast unhörbar hinzu. Er hatte den Finger am Abzug seines Blasters und war auf alles gefasst.

„Wir haben sie gefunden", sagte Ferus leise.

Div ersparte sich die Frage, wie Ferus sich dessen sicher sein konnte. Und es überraschte ihn auch nicht, dass einen Augenblick später Han, Leia und der Wookiee hinter einem Felsklotz hervorkamen. Der goldene Protokolldroide und sein Partner waren ebenfalls bei ihnen.

Han schenkte ihnen ein schiefes Grinsen. „Das hat ja ewig gedauert."

„Was meinen Sie damit, Luke hat beschlossen zu bleiben?", fragte Ferus beunruhigt. Sie saßen zu siebt - einschließlich des viel zu großen Wookiee - dicht an dicht in der Firespray. Han und Leia hatten ihnen in einem kurzen Abriss die Ereignisse auf dem Mond geschildert. Div konnte nicht glauben, dass die Situation noch ernster war, als er angenommen hatte.

„Er sieht darin, dass er so tut, als stände er unter Soreshs Kontrolle, die einzige Möglichkeit, hinter Soreshs Pläne zu kommen", erklärte Leia.

„Ein Doppelagent", murmelte Ferus. Jegliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. „Er muss fliehen, bevor es zu spät ist."

„He, ich habe versucht, ihn dazu zu überreden", sagte Han. „Aber der Junge weiß, was er will. Ich würde sagen, wir sollten ihm vertrauen."

„Wenn Luke glaubt, dass er es so schafft...", sagte Leia. Ferus schüttelte den Kopf. „An die eigenen Kräfte zu glauben kann eine großartige Fähigkeit sein. Aber auch der Schlüssel zur Niederlage."

„Es ist wirklich ein Jammer, dass Sie nie Lukes verrückten Jedi-Freund kennengelernt haben", sagte Han. „Ihr beide hättet den ganzen Tag miteinander in Rätseln sprechen können."

Ferus schien nicht auf ihn zu achten. Div beobachtete seinen alten Freund aufmerksam. Er dachte daran, was seine Mutter Astri ihm einst erzählt hatte:

Ferus hatte sich, als Div noch ein Kind gewesen war, als Doppelagent betätigt, und er war zuversichtlich gewesen, dieser Herausforderung gewachsen zu sein. Er hatte seine Person damals strikt gegenüber seiner Imperialen Mission abgegrenzt. Allerdings verwischte die Grenze im Lauf der Zeit immer mehr.

Die Dunkle Seite war stärker geworden in ihm. Er hatte sich äußerlich nicht verändert und auch gehandelt wie der alte Ferus - dennoch fiel denjenigen, die ihn gut kannten, eine Veränderung auf. Er hatte einen harten, aggressiven Wesenszug angenommen, der nicht zu ihm passte.

Etwas Dunkles. Niemand, nicht einmal Ferus selbst wusste, wie dicht er damals davorgestanden hatte, der Dunklen Seite nachzugeben.

Das lag lange zurück. Lüne Divinian war nun kein kleiner, machtsensitiver Junge und Ferus kein Anführer mehr, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, alle überlebenden Jedi zu retten und zu evakuieren.

Diese Ideale gehörten in eine längst vergangene Zeit.

„Luke ist stark", sagte Ferus dann. „Doch wenn er einbricht und das Imperium Kontrolle über ihn erlangt..."

„Das wird nicht geschehen", sagte Leia voller Überzeugung. „Es wird ihnen nicht gelingen."

„Wie können sie sich dessen so sicher sein?", fragte Ferus.

„Weil ich Luke kenne." Leia sah ihn lange eindringlich an. Ferus schien um eine Antwort zu ringen. Schließlich drehte er sich zur Seite und schwieg.

Div räusperte sich und versuchte, die Spannung etwas zu lösen. „Wir müssen die Flotte warnen", warf er ein. „Sie fliegt geradewegs in eine Falle."

„Was glaubst du, was wir hier die ganze Zeit versucht haben?" Allerdings hatte es ihr schwaches Signal kaum aus der Atmosphäre hinausgeschafft. Und das Kommunikationssystem des Millennium Falken zu benutzen stand außer Frage - seit der Flucht der Gefangenen hatte Soresh die Wachmannschaft des Schiffes verdreifacht.

Aber nun hatten sie die Firespray. Leia schaltete das Comm-System an und nahm Kontakt mit Yavin 4 auf. Sie bekam keine guten Neuigkeiten zu hören: Die Flotte war bereits unterwegs, und solange sie sich im Hyperraum befand, bestand keine Möglichkeit, sie zu warnen.

„Das ist meine Schuld", murmelte Ferus. „Ich habe zu lange gewartet. Wieder einmal."

Div wollte ihn aufbauen, doch ihm fehlten die richtigen Worte. Außerdem hatte Ferus recht. Sie hatten beide zu lange gewartet - und dafür musste vielleicht die gesamte Flotte die Konsequenzen tragen. „Also müssen wir von hier aus alles tun, was wir können", sagte Div. „Wir dürften ungefähr einen Tag Vorsprung zur Flotte haben. Somit bleibt uns etwas Zeit, um Soreshs Falle auszuspionieren ..."

„... und sie auszuschalten", schloss Han. Es juckte ihn schon in den Fingern, nach seinem Blaster zu greifen. Div vermutete, dass der Pilot mindestens genauso auf Abenteuer aus war wie er. Unter anderen Umständen hätten sie sogar Freunde sein können. Aber Div hatte sich schon vor langer Zeit geschworen, keine Freundschaften mehr zu schließen. Was man nicht hatte, konnte man auch nicht verlieren. Er hatte nur Waffenbrüder. Und er war froh, Han dazuzählen zu können.