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Die Reinigungsfirma hatte vorzügliche Arbeit geleistet. Niemand wäre auf den Gedanken gekommen, daß in dem Raum erst vor wenigen Tagen vier Menschen gestorben waren. Yvonne saß lässig zurückgelehnt auf der Couch. Sie war mit einer knapp geschnittenen weißen Hose und einer weißen Hemdbluse bekleidet, die ihre vollen Brüste dezent betonte. Craig Forrest, der unsere Gläser füllte, trug wieder eine jener über der Brust geschnürten Lederwesten und Hosen, die derartig eng waren, daß ich jeden Augenblick erwartete, er würde im Sopran weitersprechen. Craig war offenkundig bester Laune. Das zufriedene Grinsen, das er zur Schau trug, war seit unserer Ankunft vor etwa einer Viertelstunde noch nicht eine Sekunde von seinem Gesicht gewichen. Selbst seine grauen Augen hatten einen beinahe herzlichen Ausdruck.

Er brachte die Gläser und ließ sich dann neben Yvonne auf der Couch nieder. Als er vorsichtig die Beine übereinanderschlug, zuckte ein kurzer Schmerz über seine Züge. Offenbar forderten die eng sitzenden Hosen jedesmal ihre Strafe, wenn er die Beine kreuzte.

»Erzählen Sie mir die Sache doch noch einmal, alter Freund«, bat er. »Sie wissen schon, wie dieser Lloyd Dalton Larrys Kopf gegen die Kühlschrankkante geschlagen hat, bis er tot war

»Sie haben also Larry nicht umgebracht, Craig«, sagte ich.

»Das haben Sie natürlich der Polizei mitgeteilt

»Nein«, erwiderte ich. »Das habe ich nicht für nötig gehalten. Es wäre auch ganz überflüssig gewesen

»Sie haben es der Polizei nicht gesagt fragte er schockiert.

»Wenn ich das getan hätte, wäre unnötig zur Sprache gekommen, daß Sie sich zur Zeit des Mordes am Tatort aufgehalten haben«, erläuterte ich. »Wäre es Ihnen vielleicht angenehm gewesen, darüber Erklärungen abzugeben

»Nein«, versetzte er hastig. »Sie haben gut geschaltet, alter Freund

»Ich habe der Polizei aber gesagt, daß Louis Friedman zugegeben hat, er habe Dalton erschossen und die Leiche in Yvonnes Haus in einen Schrank gehängt«, ergänzte ich. »So brauchte Yvonne nicht die Leiche offiziell zu entdecken

»Wofür ich dir danke, Rick«, sagte sie leise.

»Vom Standpunkt der Polizei aus betrachtet, steckt hinter allem das Syndikat«, erläuterte ich weiter. »Und im Grunde genommen ist das ja auch gar nicht so falsch. Ich nehme an, die Polizei wird automatisch annehmen, daß Larry entweder von Dalton oder von Friedman umgebracht worden ist. Und da alle beide tot sind, spielt das keine große Rolle mehr

»Sie haben wirklich vorzügliche Arbeit geleistet, Rick«, lobte Craig. »Seien Sie meiner ewigen Dankbarkeit versichert

»Ist das alles warf Yvonne ein.

»Gut, daß du mich erinnerst, meine Liebe!« Er bedachte sie mit einem kühlen Lächeln. »Aber ich hätte es selbstverständlich auch allein nicht vergessen

Er stand auf und ging zu seinem Schreibtisch hinüber. Als er zurückkam, hielt er ein Stück Papier in der Hand.

»Hier ist der Scheck, Rick«, sagte er. »Achttausend Dollar haben Sie verlangt, nicht wahr

»Allein die Trushman-Agentur wird mir eine Rechnung über mindestens zweitausend Dollar schicken«, erklärte ich. »Vielleicht sogar mehr.«

»Ich möchte Ihnen noch einmal versichern, wie sehr ich zu schätzen weiß, was Sie für mich getan haben, Rick«, sagte er feierlich.

»Das ist nett von Ihnen Ich streckte meine Hand nach dem Scheck aus.

Sein Zögern war fabelhaft auskalkuliert. Zwei Sekunden etwa hielt er den Scheck noch fest, dann drückte er ihn mir in die Hand.

»Ich habe ihn auf zehntausend aufgerundet«, sagte er bescheiden.

»Oh, besten Dank, Craig.«

Ich faltete den Scheck und verstaute ihn sorgsam in meiner Brieftasche.

»Nun können wir ja endlich einen Strich unter die leidige Angelegenheit machen«, meinte er vergnügt. »Es ist alles überstanden

Er ließ sich wieder neben Yvonne nieder.

»Noch nicht ganz«, sagte ich.

»Noch nicht ganz wiederholte er verblüfft. »Wie soll ich das verstehen, Rick

»Die Fotos, die Dalton von Ihrem Kampf mit Larry aufgenommen hat«, antwortete ich. »Erinnern Sie sich nicht mehr

»Aber die wurden doch nicht gefunden«, versetzte er eilig. »Sie haben selbst gesagt, die Polizei hätte die Aufnahmen nicht erwähnt

»Die Polizei wußte überhaupt nichts von der Existenz dieser Bilder. Louis ließ sie in einem Fach von Daltons Kamera zurück, die ihm um den Hals hing, als wir ihn fanden

»Und Sie haben diese Bilder vernichtet Er seufzte erleichtert. »Das war gut, Rick

»Nein«, entgegnete ich kopfschüttelnd. »Ich habe sie durchaus nicht vernichtet, Craig. Ich habe sie bei mir

Er richtete sich steif auf. »Ich will Sie ja nicht kritisieren, Rick. Ich meine, Sie haben großartig gearbeitet, das weiß ich. Aber ist es nicht ein bißchen leichtsinnig, diese Aufnahmen mit herumzuschleppen? Nun ja«, sein Grinsen wirkte beinahe echt, »es ist ja nichts weiter passiert dabei. Aber nun können wir sie vernichten

»Falsch«, sagte ich.

»Falsch?«

»Wenn Yvonne die Fotos in die Hand bekommen hätte, wäre sie in der Lage gewesen, Sie damit zu einer Ehe zu zwingen, nicht wahr fragte ich.

»Mit einer geradezu lächerlichen Vermögensaufteilung, damit sie nach ein paar Monaten die Scheidung einreichen und mich ohne einen Pfennig zurücklassen könnte«, erwiderte er. »Sie brauchen mich nicht daran zu erinnern, Rick. Das habe ich nicht vergessen

»Der einzige Grund, warum sie die Vermögensvereinbarung wollte, war im Gegenteil den Bestand dieser Ehe zu sichern«, erklärte ich. »Sie sollten keine Möglichkeit haben, sich von ihr scheiden zu lassen

»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen fragte er mißtrauisch.

»Yvonne hat während ihrer Ehe mit Carl ein sehr aufregendes Leben geführt«, erläuterte ich. »Er war berühmt. Und weil er berühmt war, konnte sie als seine Ehefrau ein bißchen von seinem Ruhm profitieren. Sie möchte wieder die Frau eines berühmten Mannes sein. Und Sie sind berühmt, Craig

»Das weiß ich. Mir ist aber keineswegs klar, was das mit diesen verdammten Fotos zu tun hat! Ich bin wirklich nicht kleinlich, Rick. Aber ich habe Ihnen gerade einen Scheck über zehntausend Dollar gegeben. Da darf ich doch wohl erwarten, daß...«

»Ich denke, es würde gar nicht so schlecht funktionieren«, fiel ich ihm ins Wort. »Wie alt sind Sie jetzt, Craig

»Zweiundvierzig«, antwortete er etwas allzu schnell.

»Vielleicht wäre es Zeit für Sie, eine Familie zu gründen«, gab ich zu bedenken. »Es könnte Ihnen etwas Schlimmeres passieren, als eine Frau wie Yvonne zu bekommen. Sie ist jung und schön, und sie will Sie durchaus nicht etwa ausnehmen wie eine Weihnachtsgans, sondern Sie heiraten, um mit Ihnen verheiratet zu bleiben

»Na fabelhaft stieß er mit zusammengebissenen Zähnen hervor.

»Ich finde nichts dabei, wenn Sie Mädchen vernaschen«, meinte ich großzügig. »Die Sache wird nur bedenklich, wenn Sie die armen Dinger eiskalt verrecken lassen

»Eiskalt verrecken lassen? Wovon reden Sie eigentlich fragte er unwillig.

»Erinnern Sie sich an Maybelle sagte ich leise.

Sein Gesicht wurde unter der Sonnenbräune eine Schattierung blasser. »Rick, das ist ein schrecklicher Irrtum gewesen. Als ich sagte, sie könne sich von mir aus umbringen, habe ich doch nicht im Traume gedacht, sie würde...« Seine Stimme erstarb in einem undeutlichen Gemurmel.

»Ich möchte nur, daß Sie die Gründe dafür kennen, was ich jetzt tun werde«, sagte ich ruhig. Ich erhob mich aus meinem Sessel und ging hinüber zur Couch. Dann nahm ich die Fotos aus meiner Brieftasche und ließ sie in Yvonnes Schoß fallen.

»Für mich fragte sie beinahe demütig. Ich sah das verstohlene Aufleuchten in ihren Augen.

»Sie hinterhältiger, verdammter Halunke stöhnte Craig wütend auf. »Ich habe Ihnen einen gedeckten Scheck gegeben, und jetzt tun Sie mir das an

»Ein kleines Geschenk von mir«, sagte ich zu Yvonne. »Du kannst damit machen, was du willst

»Du meinst«, erwiderte sie mit etwas zittriger Stimme, »wenn ich dir die Aufnahmen zurückgebe, Rick, würdest du sie an einen sicheren Ort bringen und für mich aufheben, bis ich sie brauche

»Was du möchtest«, bestätigte ich.

»Dann gäbe es für mich keine Probleme mehr«, meinte sie. »Craig müßte mich heiraten und der Vermögensregelung zustimmen, nicht wahr

»Warum fragst du ihn nicht selbst

»Wäre das so, Craig

»Zum Teufel mit euch beiden«, knurrte er. »Ja!«

Sie nahm die Fotos mit beiden Händen, riß sie langsam mittendurch und ließ die Fetzen in Craigs Schoß flattern.

»Was?« Er starrte sie fassungslos an.

»Mein Geschenk an dich«, versetzte sie. »Am besten du verbrennst sie...«

»Ja, aber...«, murmelte er schwach.

»Ich habe Ihnen doch gesagt, daß sie ein nettes Mädchen ist«, erklärte ich.

»Hey!« Seine Stimme klang plötzlich wieder voller. Auch die Farbe kehrte in sein Gesicht zurück. »Dann sollte das alles wohl nur ein Spaß sein, wie? Ihr hattet das miteinander abgesprochen, damit der arme, alte Craig ein bißchen ins Schwitzen gerät

»Es war kein Spaß, Craig«, sagte ich. »Es war allein meine Idee. Ich dachte, das sei ich Ihnen für Maybelle schuldig. Sie hätten auf alles eingehen müssen, was Yvonne gewollt hätte

»Ja«, nickte er, wobei er mühelos verdrängte, was Yvonnes Geste bedeutet hatte. » Na, jedenfalls bin ich froh, daß es überstanden ist

»Sie fühlen sich nicht einmal verschmäht, Craig erkundigte ich mich.

Er wurde plötzlich sehr still. Dann wandte er zögernd den Kopf und sah Yvonne an.

»Du hättest mich heiraten können, Baby«, sagte er in verdutztem Ton. »Du hattest mich vollkommen in der Hand

»Ich habe meine Meinung geändert, Craig«, erwiderte sie.

»Warum?«

»Das ist doch egal«, wehrte sie ab. »Ich möchte nicht persönlich werden, Craig

Seine Miene verdunkelte sich. »Rede! «

»Nun ja«, sie zuckte die Achseln, »wenn du darauf bestehst. Du bist natürlich ein Superstar, Craig. Aber ich bin nicht ganz überzeugt, ob es wirklich so aufregend sein würde, mit dir verheiratet zu sein. Ich meine... äh... du wirst nicht gerade jünger, und du trinkst zuviel und...«

»Ich bin noch jung! Zweiundvierzig ist doch schließlich nicht alt

»Aber der viele Alkohol.« Sie schüttelte zweifelnd den Kopf.

»Den vertrage ich sehr gut«, schrie er aufgebracht. »Ich trinke doch bloß französischen Champagner. Bei dem muß der Alkohol nicht durch den Blutstrom, sondern...«

»Das brauchst du mir nicht zu erklären«, unterbrach sie ihn sanft.

»Verdammt! Ich bin in den besten Jahren! Mit mir verheiratet zu sein, wäre für jede Frau das Aufregendste, was ihr passieren kann! Ich bin der beste Liebhaber, den du je gehabt hast. Und das weißt du

»Da würde ich nicht so sicher sein«, versetzte sie mit einem Augenzwinkern in meine Richtung.

»Du eingebildete, dumme Gans brüllte er aus vollem Hals. »Was denkst du dir eigentlich, mir einen Korb zu geben

»Nur eine kleine Frage, Craig«, sagte sie plötzlich lebhaft werdend. »Machst du mir etwa einen Heiratsantrag

»Selbstverständlich tu ich das brüllte er. »Heiratest du mich nun oder nicht

»Ich werde darüber nachdenken«, erwiderte sie kühl, »und dir dann Bescheid sagen

Die Adern auf seiner Stirn schwollen an. »Wann?«

»In ein paar Minuten«, sagte sie. »Sobald Rick sich verabschiedet hat

»Ja, da fällt mir ein, daß mir eine Mitarbeiterin der Trushman-Agentur die Rechnung vorbeibringen wollte«, reagierte ich schnell. »Bis demnächst einmal.«

»Wenn es nach mir geht, nicht so bald, Sie Halunke sagte Craig mit Nachdruck.

Ich fuhr zu mir nach Hause zurück. Es war ein schöner Nachmittag. Die Sonne hatte sich durch den Smog gekämpft, und der Himmel leuchtete blau. Ich zog mir eine Badehose an, sprang in den Swimming-pool und schwamm ein paar Längen. Dann legte ich mich an den Beckenrand und ließ mich von der Sonne trocknen.

Es war gegen halb sechs, als es an der Haustür klingelte. Die Mitarbeiterin der Trushman-Agentur war pünktlich.

Sie ging an mir vorbei ins Wohnzimmer, und ich folgte ihr. Sie trug dasselbe rohseidene Kostüm, das sie bei ihrem ersten Besuch angehabt hatte, mit einer weißen Bluse darunter. Diesmal ließ sie sich auf der Couch nieder, preßte die Knie zusammen und stellte ihre Aktentasche darauf.

»Ich habe die Abrechnung mitgebracht, Mr. Holman«, sagte sie lebhaft. »Sie beläuft sich auf zweitausendeinhundertundfünfzig Dollar

»Ich werde Ihnen einen Scheck ausschreiben

»Vielen Dank.« Ihre braungesprenkelten Augen betrachteten mich nachdenklich. »Ich nehme an, Sie haben absichtlich darum gebeten, daß ich Ihnen die Abrechnung vorbeibringen soll

»Ihre Annahme ist richtig«, bestätigte ich. »Und ich freue mich besonders, daß Sie gekommen sind, Ellen. Ich hatte die unangenehme Befürchtung, Sie würden einen Besuch bei mir vielleicht ablehnen

»Es ist, wie ich Ihnen schon gesagt habe«, erwiderte sie. »Sexuelle Besessenheit ist ansteckend. Können Sie sich vorstellen, wie langweilig es ist, den ganzen Tag lang in einem Büro Fakten zusammenzustellen

»Trostlos. Das glaube ich Ihnen

»Sie waren im Schwimmbecken fragte sie.

»Man merkt Ihnen doch gleich die Mitarbeiterin einer Auskunftei an«, versetzte ich. »Diese Leute können nie ganz abschalten

»Sie haben einen schönen Körper«, bemerkte sie. »Das heißt, er wird wieder schön sein, wenn die blauen Flecken weg sind

»Besten Dank«, erwiderte ich.

»Ich würde auch ganz gern einen Sprung ins Wasser machen«, sagte sie. »Und dann anschließend essen

»Es ist alles vorbereitet«, sagte ich. »Fasan in Gelee. Das ist das einzige Geflügel zum Mitnehmen, das wir hier in Beverly Hills haben

»Vorher einen kleinen Drink vielleicht? Etwas Exotisches, wenn möglich?«

»Campari-Soda? «

»Wenn Sie nichts Exotischeres haben, werde ich mich damit begnügen müssen

Ich füllte die Gläser, dann wandte ich mich wieder zu der Couch um. Ellen Grant stellte die Aktentasche auf die Erde und stand auf.

»Ich weiß, es beschäftigt Sie«, sagte sie beiläufig. »Deshalb sollte ich wahrscheinlich erst Ihre Neugier befriedigen, Mr. Holman

»Rick«, verbesserte ich.

»Rick.«

Sie zog die Jacke aus und knöpfte dann ohne Eile ihre Bluse auf. Sie trug keinen Büstenhalter darunter, wie ich feststellte, als sie die Bluse auf die Couch fallen ließ. Nur Ellen Grant. Ihre Brüste waren klein und fest und niedlich gerundet. Dann zog sie am Reißverschluß ihres Rockes, und ließ den Rock zu Boden gleiten. Sie trug ein schwarzes Höschen, das ganz eindeutig durchsichtig war.

»Sie mit Ihren kindischen Phantasien über reizvolle Unterwäsche sagte sie etwas gepreßt. »Soll ich Ihnen einmal etwas verraten? Schon seit meinem fünfzehnten Lebensjahr habe ich mir heimlich vorgestellt, wie es sein würde, wenn ich mich vor einem Mann ausziehe, der nach hübscher Unterwäsche verrückt ist! Und Sie sind der erste, dem ich begegnet bin

»Das beweist, daß wir füreinander bestimmt sind«, sagte ich entschieden. Ich stellte mein Glas aus der Hand und ging mit bedeutungsvollem Blick auf sie zu.

»Hier?«

»Warum nicht?«

»Und jetzt?«

»Aber sicher!«

»Ich kann ja auch hinterher noch schwimmen«, meinte sie.

»Aber nicht mit diesem hübschen, kleinen Höschen. Ich möchte nicht, daß es unter der Nässe leidet

»Dann zieh es mir doch am besten aus«, bat sie leise.

Und das tat ich dann auch. Ich beeilte mich nicht dabei, weil wir sehr viel Zeit hatten.