DREI
Grayson betrat den gut beleuchteten, mit glänzendem Mahagoni ausgekleideten Korridor, der zu den Kabinen führte. Zwei Männer, achtzehn Meter voraus, einer in weißer Besatzungsuniform, der andere ein graumelierter Typ in Jeans, dunkles Hemd, eine Handfeuerwaffe im Gürtel am Rücken. Die Stone’s Throw wurde auf der anderen Seite der Welt gekapert und verfügte über eine vollständige Besatzung. Genau diese Leute waren noch immer an Bord, aber es war unwahrscheinlich, dass die unglückselige Besatzung irgendetwas Nützliches über Steinfisch wusste.
Kollateralschaden war unvermeidlich.
Mit einem gedämpften Schuss erledigte Grayson den einen; ein gut platzierter Schuss traf den Mann in Jeans direkt unter dem Schädel in den Nacken. Sein Gehirn spritze über die Mahagoni Paneelen vor ihm und er fiel wie ein gefällter Baum teilweise die mit Teppich ausgelegte Treppe hinauf. Das Besatzungsmitglied rannte ohne zu zögern los und verschwand die Treppe hinauf, wo der Rest von Graysons Team auf der Lauer lag. Sie würden ihn einsacken. Ruckzuck, erledigt.
Er nutzte den Dietrich und überprüfte systematisch jede Kabine. Er fand die Frau in der vorletzten Kabine am gegenüberliegenden Ende des Korridors, in dem der Mann die Treppe hinauf verschwunden war. Lange Beine und ein wohlgeformter, in Jeans verpackter Hintern waren alles, was er von ihr sehen konnte. Er war sich nicht sicher, ob sie tot oder bewusstlos war - oder ob sie auf dem Boden und halb unter dem Bett ein Nickerchen hielt.
Grayson durchquerte das Zimmer lautlos, zerrte sie mit wohldosierter Kraft am Knöchel, holte sie so unter der Tagesdecke hervor und stellte sie in einer geschmeidigen Bewegung auf die Beine. Er presste sie mit ihrem Rücken an seine Brust und legte ihr die Hand über den Mund, bevor der Schrei, den er in ihrer Brust vibrieren spürte, hervorbrechen konnte.
Er hatte schon Frauen in Ausübung seiner Pflicht getötet, aber er hasste es. Ein Schuss in den Hinterkopf, so wie bei dem Mann draußen im Korridor, und es würde vorbei sein. In seinem Beruf hatte er keine Zeit, sich aufzuhalten oder weich zu werden.
Sie war allerdings weich. Weich und duftend und teuflisch wild, wie sie sich mit all ihrer Kraft gegen ihn wehrte. Aber da er seine Arme über die ihren gelegt hatte, und er sie eng an sich hielt, konnte sie nichts bewirken. Sein Kopf zuckte zurück, als sie versuchte, ihm eine Kopfnuss zu verpassen, harmlos, außer dass ihr nach Blumen duftendes, honigblondes Haar über seine Wange peitschte.
Graysons Sinne wurden mit einer einzigartigen, durch den Duft ausgelöste Erinnerung überflutet – und durch eine zappelnde Frau, deren Körper sich genauso anfühlte, wie Hannahs. Seine kurzzeitige Unaufmerksamkeit war alles, was sie brauchte, um sich aus seiner Umklammerung zu winden und ihn mit ihrem ganzen Gewicht anzugreifen.
Scheiße.
Grayson kam es so vor, als hätte er gerade einen Schuss in die Brust abbekommen.
Er hoffte, dass ihm sein Verstand etwas vormachte, weil er, weiß Gott, genau diese spezielle Fantasie früher schon hatte. Ein- oder zweimal… oder tausendmal.
Er streckte seine Hand aus, griff nach ihr und drehte sich, damit er auf ihr auf dem Bett landete. Er umklammerte beide zarten Handgelenke mit einer Hand über ihrem Kopf. Er nutzte sein Gewicht, um ihre tretenden Beine mit seinen Füßen über ihren Knöcheln zu fixieren. Wütende, blaue Augen trafen seinen Blick, als sie sich unter ihm aufbäumte.
Verdammte Scheiße! Kein Irrtum. „Oh Gott. Hannah?“
Sie sah mit dem verwuschelten, honigblonden Haaren um Kopf und Schultern, und mit ihren Brüsten, die sich gegen seine Brust drückten, perfekter aus, als jedes typische ‚Mädchen von nebenan‘. Sie war noch atemberaubend schöner, als sie es in jener Sommernacht am See gewesen war, wo er sie entjungfert hatte. Und schien nur ein bisschen weniger sauer, als damals, als er am Jahrestag ihrer Hochzeit nach Hause zurückgekommen war, um Ansprüche auf sie zu erheben.
Sie verfiel in eine Totenstille und starrte ihn schockiert und verängstigt aus großen blauen Augen an. „Grayson?“ Sie lachte bitter auf. „Oh, dieser Albtraum wird einfach immer besser.“ Sie zappelte mit beiden Händen gegen seine Umklammerung. Als er sich nicht rührte, hörte sie auf, sich zu wehren und lag einfach da, blickte ihn finster an, ihren weichen Mund zu einer flachen, wütenden Linie zusammengepresst.
Er dachte an die beiden Männer im Korridor. „Bist du allein hier rein gekommen?“
„Nur ich und die Chicago Blackhawks.“ Trockener Ton, flammender Blick, sie hielt sich an dem tiefen Gefühl fest, dass sie gerade fühlen mochte. Eine neue Fähigkeit. Früher war sie wie ein offenes Buch. Er war eigentlich derjenige, der miserabel kommunizierte. Außer wenn sie im Bett waren. Dort konnte er ganz gut kommunizieren.
Er konnte beinahe spüren, wie ihm ihre Wut entgegen peitschte, fast wie eine schneidende, neunschwänzige Katze, die ihm das Fleisch, das Herz und das Gehirn aufriss.
Ihre Brust hob und senkte sich wieder, während sie einen beruhigenden Atemzug nahm. Ihre Augen waren unerhört blau und so kalt wie die Tundra. Er kannte diesen Ausdruck nicht, und ihre Angst und ihre Verachtung ließen etwas Heißes und Enges in ihm verkrampfen.
„Um Himmels willen, Bims, ich gehe alleine ins Bad, seit ich drei geworden bin. Ich bin runtergekommen, um mir vor dem Abendessen Insulin zu spritzen.“ Sie musterte ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Warum bist du wie ein riesiges schwarzes Spermium angezogen?“
Ihre Anwesenheit inmitten dieses wilden Durcheinanders war so unerwartet, dass es ihm schwer fiel, es zu verarbeiten. „Wurdest du gezwungen?“, fragte er direkt. „Entführt?“ Aus Erfahrung wusste er, dass es nichts gab, dass zu unwahrscheinlich war, zu gefährlich, zu widerwärtig, um eine Möglichkeit darzustellen.
„Ich könnte dir die gleiche verfluchte Frage stellen. Warum bist du hier, Bims? Denn wie wir beide wissen, tust du niemals etwas, dass nicht völlig zu deinem eigenen Vorteil ist. Darin gleichst du deinem Bruder wie ein verdammtes Ei dem anderen.“
Weil seine Freunde und Familie nicht wussten, dass er für T-FLAC arbeitete, nahmen sie an, dass er eine Art Krimineller in der Unterwelt war. Es brachte Gray fast um, aber so war es nun einmal. Er hatte sich damit abgefunden. Und diese Frau mit dem weichen, unverschämten Mund, deren liebevolles Herz von einem Augenblick zum nächsten zu Stein geworden war, machte ihn fertig, weil er wusste, dass allein seine Anwesenheit hier soeben bestätigte, was sie die ganze Zeit über ihn gedacht hatte. „Beantworte die verdammte Frage, Hannah.“ Seine Stimme blieb schroff und ernst.
„Pass mal auf, Grayson Burke. Rede noch einmal in diesem Ton mit mir und ich schneid‘ dir deine Eier ab, und servier‘ sie dir als kleinen Imbiss.“ Ihm entging nicht, wie sie das Wort kleinen betonte.
Er lächelte sie überlegen an. „Ziemlich schwer, all das zu tun, wenn besagte Eier eng an dich gedrückt sind.“
„Irgendwann musst du aufstehen“, antwortete sie zuckersüß. „Ich kann warten.“
„Nein, die Vergangenheit beweist, dass du nicht wartest.“
Sie machte einen undeutlichen, wütenden Laut und ihre Wangen erröteten. „Du hast beschlossen, mich um die halbe Welt zu verfolgen und mich anzugreifen, damit du alte Geschichten aufwärmen kannst? Schlimmer noch. Anzudeuten, dass ich etwas falsch gemacht habe? Fahr zur Hölle, Gray, fahr einfach zur Hölle.“
„Beantworte die verdammte Frage. Was tust du hier, Hannah?“, wiederholte Grayson grimmig. Über sein Komm konnte er hören, dass sich seine Männer vor dem Salon versammelten, bereit einzufallen. Er sollte oben bei ihnen sein.
Sie starrte grimmig zurück und sah kein bisschen glücklicher aus, als er. Weiche Brüste drückten gegen seine Brust, als sie seufzte. „Colton ist oben.“
„Verdammt.“
Natürlich war sein Bruder in diesen Scheissdreck verwickelt. Hannah half ihm immer aus irgendeiner verfluchten Klemme heraus.
Sie bewegte sich nicht, aber die unterdrückte Wut in ihrer Stimme war wie eine dritte Person mit ihnen im Raum. „Geh runter von mir. Du tust mir weh.“
„Wenn ich dir weh tun wollte, würdest du jetzt nicht sprechen können.“ Gray atmete ihr leichtes, zitrusartiges Parfüm ein, das ihn noch immer so berührte, wie früher. Dieses Parfüm und seine Reaktion auf sie, hatten sich nicht verändert. Zumindest war er beständig.
Diese appetitliche, eins-fünfundsechzig große, kratzbürstige Fee von einer Frau war seine Achillessehne. War sie schon immer gewesen, würde sie immer sein. Ihr Puls schlug schnell unter der Fessel seiner Finger um ihre Handgelenke. Er wollte mehr berühren, als nur ihre nackten Handgelenke.
Tausend und fünfundneunzig Tage, seit dem er sie im Arm gehalten hat. Lieber Gott, den schmerzlich vertrauten Duft ihrer Haut zu riechen, nahm ihm den Atem. Seine Augen brannten, während die Sehnsucht wuchs. Ihr Haar zu riechen, ihre seidige Haut zu berühren… sie wiederzusehen, nachdem er davon geträumt hatte, machte ihm höllisch Angst. Die Wirklichkeit ließ die Erinnerung in Bedeutungslosigkeit verblassen.
Trotz der gefährlichen Situation drückte sein Schwanz schrecklich hart gegen den beengenden LockOut und sein Herz schlug heftig in seinem Brustkorb. Heftig genug, dass sie es auch fühlen musste.
Er musste zurück zu seiner Mission, er wusste, dass es Zeit war, aber seine gesamte Welt konzentrierte sich auf die Frau unter ihm. Sie hatte einen unglaublichen Mund, weich und wunderbar geformt, er erinnerte sich daran, wie sich diese Lippen überall auf seinem Körper anfühlten.
Der Atem stockte ihr und ein Zittern durchlief sie, als sie seine Absichten ganz deutlich erkannte. „Oh nein, das tust du nicht! Ich warne dich, Bims…“ Sie wappnete sich, ihre Augen, die lebendigen, blauen Vergiss-mein-nicht, funkelten gefährlich.
Er musterte ihren vollen Mund. Die dunklen Längen ihrer Wimpern. Die blütenzarten, rosigen Wangen. Seine Erinnerung war ihr nicht gerecht geworden. Alles an Hannah war grazil, ihr schlanker Körper, die anmutige Länge ihres Halses, ihre graziösen Hände. Aber ihre innere Stärke hatte nichts Zerbrechliches an sich. Sie konnte dickköpfig und widerspenstig sein, wenn sie glaubte, sie war im Recht, und er wusste, dass diese Begegnung in beide Richtungen gehen konnte. Nach ihrer ersten Überraschung – so etwa eine Nanosekunde später – war sie höllisch wütend gewesen.
Dennoch. Wenn sich ihre Augen verdunkelten – so wie jetzt, und ihre rosa Zunge einen sexy Schlag machte, wusste er, dass er die halbe Schlacht schon gewonnen hatte.
„Wage es ja nicht!“, warnte sie ihn mit düsterer Stimme.
Ihr warmer, intensiv fraulicher Duft, mit nur einem Hauch von Orangenblüten, stieg aus dem samtigen V des Kragens ihres einfachen, weißen Shirts auf und ihm entgegen. Er wollte sich in dem Duft baden, wollte ihn abfüllen und für später aufheben. Das Herz vor Erwartung schlagend, senkte er seinen Kopf die letzten Zentimeter hinab, bedeckte ihren Mund mit seinem, und strich über ihre weichen Lippen hinweg. Einmal. Zweimal.
Ein tiefer Laut des Verlangens und Begehrens entwich ihm. „Das etwa?“, flüsterte er und legte seine Hand an ihre gerötete Wange, während er ihre Handgelenke mit der anderen Hand festhielt. Er senkte seinen Mund über ihren Mund und führte seine Fingerspitzen über ihren Wangenknochen, machte sich wieder vertraut damit, wie sie sich anfühlte. So weich. Seidig. Er atmete tief ein und sog den betörenden Duft der Zitrusseife ein, die sie seit Jahren benutzte.
Für Grayson war Hannah der Inbegriff von allem, was gut war. Was rein war. Jede Freude und alle Hoffnung. Sie war immer ein Teil seines Lebens gewesen. Ein Teil von ihm.
Seine Finger fuhren über ihren Halsansatz, wo ihr Puls ungleichmäßig schlug. Die instinktive Reaktion seines Körpers auf ein einfaches Streichen über ihre Lippen war völlig unverhältnismäßig. Ein Hunger, der seit Jahren direkt unter der Oberfläche brodelte, brach in einer heißen Flamme der Lust hervor und war unmöglich zu deckeln.
Sie versuchte, ihre Lippen gegen seine vordringende Zunge eng zusammenzupressen, aber Gray griff zu unfairen Mitteln. Er wusste, dass sie dahinschmelzen würde, wenn er sie im Nacken streichelte, wusste, wie er seinen Kopf halten musste, so dass ihre Lippen wie Teile eines Ganzen zueinander passten. Sie ließ ihn ein, ihre geschmeidige Zunge rang mit seiner, war hungrig nach ihm, so wie sie es immer gewesen war. Himmel. Er schwelgte in ihrem Geschmack – Sonnenschein, Liebe, Versprechen – er wurde intensiver, als er sich in ihrem feuchten, nachgiebigen Mund verlor.
Er wollte sie so sehr, dass er nicht vernünftig denken konnte, und er schloss seine Augen, ergab sich dem Impuls, dem Bedürfnis. Er senkte seine Finger in die seidigen, duftenden Strähnen ihres Haares und küsste sie heißer und inniger.
Er legte seine Hand um ihren Hinterkopf, hielt ihn etwas schräger und knabberte an ihren Lippen, während die kühle Seide ihres Haares über sein Handgelenk strich. Er umspielte ihre Zunge mit seiner Zunge, bis ihr der Atem stockte und er ihren schnellen Puls hinter ihrem Ohr schlagen spürte. Ihr Duft wurde zu ihrem Geschmack, Orangen, eine geschickte Mischung aus Erotik, berauschender Beschaffenheit.
Sie wehrte sich gegen die Einschränkung seines Griffs, aber Gray ließ sie nicht los, auch nicht, als sie aus Ärger tief in ihrer Brust knurrte. Er spürte in seiner fesselnden Hand, wie sich ihre Hand zur Faust schloss, wieder öffnete und wieder zur Faust schloss, während sie von dem Kuss zehrte.
Er strich mit seiner Handfläche über ihren geschwungenen Hals, als Hannah in dem Kuss versank. Er positionierte seinen Oberkörper etwas um, um besser an sie heran zu kommen, und schob auf dem Weg zu ihren Brüsten seine Hand über die glatte Haut unter dem V ihres Shirts. Er glitt mit seinen Fingern unter die dünne Seide ihres BHs und legte sie um eine Brust. Sein Herz raste bei dem Gefühl des warmen und vertrauten Gewichts. Als er mit seinem Daumen über ihre harte Brustwarze strich, lockerte sich angesichts ihrer instinktiven Reaktion etwas in ihm.
Seine Brust war voll Sehnsucht. Sein Gehirn war voll Sehnsucht. Seine Eier waren verflucht voll Sehnsucht. Er dachte, er würde nie wieder an diesen Punkt gelangen. Sich dessen sicher sein. In jedem harten, schmerzvollen Schlag seines Herzens hallte ihr Name wieder. Hannah. Hannah. Hannah.
Die Realität schlug die Fantasie um Längen und er knabberte mit den Zähnen an ihren Lippen, bevor er in ihren Mund glitt, um die heiße, nasse Höhle zu erkunden.
Sie biss in seine Zunge. Kräftig.