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Vom Strand aus beobachte ich, wie meine Mutter, die mittlerweile in den Leuchtturm zurückgekehrt ist, auf der Galerie herumläuft und in die Dunkelheit schaut.

Ich trommele mit den Fingern auf meine Schenkel und grabe vor Ungeduld die Zehen in den Sand, während ich darauf warte, dass sie weggeht, damit ich ihr Boot unbemerkt ins Wasser ziehen kann.

Ich denke an das universelle Gesetz der Schwerkraft – Wissen, das mir immer so nutzlos vorkam. An einem kurzen Wintertag hatte uns das Protektorat einen Lehrer in die Stadt geschickt, einen jungen Mann, der mit einem Leuchten in den Augen eintraf, das mit den Wochen matter wurde, in denen die Kälte uns bedrängte und es ununterbrochen schneite.

Alle Kinder der Stadt von sechs bis sechzehn waren zusammen in einem Klassenzimmer. Der Lehrer wollte den Unterricht für jeden von uns interessant machen. Die jüngeren Schüler ließ er Steine suchen, die Planeten repräsentieren sollten, während er versuchte, mit den älteren komplizierte mathematische Berechnungen durchzuführen.

Niemand glaubte ihm, als er den Begriff Masse erklärte, als er uns lehren wollte, was unsere Füße am Boden hielt. Einige der Eltern holten ihre Kinder sogar aus der Schule – ein zusätzliches Paar Hände zu Hause war wichtiger, als Naturwissenschaften zu lernen, für die wir niemals Verwendung haben würden.

Aber Cira blieb, weil sie ein Waisenkind war und Schulstunden den häuslichen Pflichten vorzog, und ich blieb, weil meine Mutter Bildung immer für wichtig gehalten hatte, besonders Naturwissenschaften. In ihrer Jugend hatte sie nie etwas darüber lernen können. Ich erinnere mich an die Verzweiflung im Gesicht des Lehrers, als er uns das alles zu erklären versuchte und uns beweisen wollte, dass die Erde, die wir kannten, eine gigantische Masse war, die im Weltraum kreiste.

Er besaß eine kleine Büchersammlung von vor der Rückkehr und zeigte uns Bilder, die wie Zeichnungen aussahen, und verblasste Fotos auf vergilbtem Papier von Welten in Welten in Welten.

Cira hielt das alles für einen Witz. Sie sah sich gern die Bilder an, versuchte aber gar nicht erst zu verstehen, was es damit auf sich hatte. Eines Tages hielt sie ihm ihre Superheld-Halskette hin und fragte ihn, wie es denn angehen konnte, dass Superhelden fliegen konnten, wenn die Schwerkraft doch immerzu wirkte. Der Lehrer hätte fast geweint, er wusste nicht, ob sie ihre Frage ernst meinte oder ihm nur einen Streich spielen wollte.

An Mittwinter verließ er uns ohne ein Wort, und das Protektorat schickte erst nach der Ernte im nächsten Jahr einen neuen Lehrer. Nach all dieser Zeit weiß ich immer noch nicht, was ich von der Schwerkraft halten soll, von Masse und Rotation und Kraft.

Doch jetzt in diesem Augenblick, als ich am Meer stehe, geht mir auf, dass mein Körper mit den Planeten durchaus zu vergleichen ist: Das Zentrum hält alle anderen darum kreisenden Teile in ihrer Bahn. Entfernt man das Zentrum, dann kollidiert alles andere und driftet auseinander.

Meine Mutter schaut weiterhin auf den Wald, und mir kommt es immer noch so vor, als ob sich jedes Teil von mir über alle Grenzen hinaus ausdehnt. Geschieht ihr recht, wenn sie sich meinetwegen Sorgen macht, denke ich. Sie soll begreifen, wie es für meine andere Mutter gewesen sein muss.

Als sie schließlich von der Galerie verschwindet, schleiche ich mich ans Haus heran und ziehe das Boot von seinem Gestell. Es schrammt lautstark über den Sand, ich zucke zusammen und hoffe, meine Mutter hört das Geräusch im Tosen der Wellen nicht. Jedes Mal, wenn das Licht über den Himmel schwenkt, fürchte ich, dass es mich verrät.

Fünf Versuche brauche ich, bis mir wieder einfällt, wie man die morschen Leinen an Mast und Auslegern festmacht. Der Bug des kleinen Bootes ruht an der Wasserkante, und ich starre es mit den Händen auf den Hüften an. Meine Brust hebt und senkt sich heftig, nachdem ich es über den Strand gezerrt habe.

Mit dem Zeh stoße ich den Schiffsrumpf an und bemerke ein paar Risse, wo das Holz sich verworfen hat, aber offensichtliche Schäden gibt es nicht. Das Segel ist allerdings kaum noch brauchbar, es hat einen großen Riss in der Mitte, und ein paar der alten Flicken sind ziemlich fadenscheinig.

Ich könnte zurückgehen, die Treppe hochsteigen und in mein Bett schlüpfen. Ich könnte die Luft anhalten und hoffen, dass meine Mutter kommt und mir mit den Fingern durchs Haar fährt, so als hätte sich nichts geändert. Ich könnte alles vergessen, was meine Mutter mir vorhin erzählt hat. Ich könnte versuchen, alles zu vergessen, was letzte Nacht passiert ist – und es tief in mir vergraben. Ich könnte meiner Mutter vergeben, dass sie mir nicht die Wahrheit gesagt hat.

Aber sie ist nicht meine Mutter, fällt mir ein. Ich kneife die Augen zu. Eine andere als sie habe ich nicht gekannt, in jeder Beziehung ist sie eine Mutter für mich. Nur dass ich irgendwo, zu einer anderen Zeit, eine andere Mutter gehabt habe. Ich hatte eine andere Familie, von der ich nichts weiß.

Was ist ihr zugestoßen? Warum hat man mich allein im Wald zurückgelassen? Warum hat sie mich verlassen? Warum hat sie mich gehen lassen? Könnte sie es absichtlich getan haben?

Licht und Dunkel wirbeln um mich herum. Der Himmel über mir wirkt grenzenlos, es scheint, als würde nichts mich am Boden halten. Zu viele Fragen. Zu viele Möglichkeiten. Ich hole mir eine Sichel und schiebe das Boot ins Wasser, ich will vor all dem flüchten. Der Bootsrumpf schabt über den Sand, eine Welle klatscht ans Holz, ich werde mit Wasser bespritzt. Ich werfe die Waffe klappernd ins Boot, in ihrer Klinge spiegelt sich schwach der Mond am Himmel. Und dann schiebe ich das Boot, bis ich schenkeltief im Wasser bin, ehe ich hineinspringe und das Schot ergreife. Die alte Leine ist hoffentlich noch nicht so verrottet, dass sie dem Zug nicht standhält. Das Mondlicht zieht einen Streifen übers Wasser, der beinahe aussieht wie ein Pfad; ich starre ihn an und frage mich, was ich hier eigentlich mache. Werde ich es wirklich fertigbringen, die Regeln noch einmal zu brechen und mich der Welt jenseits der Barriere zu stellen?

Keuchend atme ich durch, zerre an der Leine, bis das Segel sich bläht und mich die Strömung schräg vom Strand wegzieht. Ich bilde mir ein, ich würde nur zum Spaß mit dem Boot durch die Wellen kreuzen, bilde mir ein, ich würde gar nicht weglaufen, Vista nicht hinter mir lassen.

Tropfen der Brandung klatschen mir ins Gesicht, als ich Fahrt aufnehme, um mich herum herrscht tiefe Dunkelheit. Wellen lauern, krachen ans Boot, bringen es ins Wanken. Schon sickert Wasser durch den Rumpf, das sich zu meinen Füßen sammelt.

Das Boot hüpft über die Wellen, die letzten Lichter von Vista blinken hinter mir, dann kreuze ich an den dunklen mächtigen Steinen des Hafendamms vorbei. Es war ein Fehler zu versuchen, die Barriere zu umsegeln. Ich schaffe das nicht. Ich kann die Regeln nicht noch einmal brechen. Also reiße ich die Pinne herum, ducke mich, als der Baum übers Boot schwenkt und drehe bei – nach Hause. Aber dann sehe ich meine Mutter auf der Galerie stehen. Jedes Mal, wenn das Licht sie streift, fällt ihr Schatten auf den Wald. Der Wald, aus dem wir beide kommen.

Und da weiß ich, ich kann nicht zurück. Nicht jetzt gleich. Ich kann Catcher nicht so vergessen wie meine Mutter die Menschen, die sie liebte. Ich gebe der Pinne einen Stoß und lasse den Leuchtturm hinter mir, mit angehaltenem Atem treibe ich an der Barriere vorbei. Alles wirkt so friedlich, man kann so leicht vergessen, dass die Barriere der Grund für so viel Leid ist.

Ich schlucke, wische mir den salzigen Film vom Gesicht und streiche mein Haar zurück. Zu meiner Linken, hinter den Reihen von Schaumkronen, die sich vom Strand abheben, ragen die Konturen des Vergnügungsparks auf, der Mond schimmert auf den rostigen Schienen. Ich zurre am Schot und steuere aufs Ufer zu, doch die Strömung ist stärker als erwartet und drückt mich weiter die Küste hinauf. Das schlaffe Segel kommt nicht gegen die Gezeiten an, und mein Herzschlag pocht in den Fingern, als ich das kleine Boot ans Ufer dränge. Schließlich, ein ganzes Stück hinter der Achterbahn und weit in den alten Ruinen jenseits des Vergnügungsparks, schleift der Kiel über Sand.

Eine Weile hüpft das Boot nur auf und nieder, wird ans Ufer gespült, dann weggezogen und wieder angespült. Das Wasser im Rumpf bedeckt meine Knöchel und macht das Boot träge. Doch ich kann mich nicht dazu aufraffen, meinen Platz zu verlassen. Ich bin zu ängstlich. Am liebsten würde ich ewig so weitertreiben, da, wo die Flut auf den Sand trifft, an diesem Zwischenort.

Der Strand ist unbewacht. Hier könnten überall Mudo sein, die sich in einer Art Winterschlaf befinden, bis sie einen lebenden Menschen wittern.

Ehe ich es mir anders überlege, springe ich aus dem Boot und ziehe es so weit wie möglich aus der Brandung heraus. Ich gehe neben ihm in die Hocke, schaue geradeaus auf den breiten Dünenstreifen und umklammere dabei den Griff der Sichel. Auf der anderen Seite der Dünen sind alte Uferbefestigungen, die noch aus der Zeit stammen, bevor sich die Stadt an ihren gegenwärtigen Standort zurückgezogen hat. Hinter diesen Wällen liegen reihenweise zerfallende Gebäude, bis hin zu der Straße, die die Überreste der zerstörten Stadt und den Wald voneinander trennt.

Jedes Mal, wenn das Licht vom Leuchtturm herüberschwenkt, werden die Windungen der Achterbahn angestrahlt, die sich links von mir aus den Überresten der alten Stadt erheben. Wie weit mein Boot vom Kurs abgekommen ist, merke ich erst jetzt. Ich bin viel weiter hinter dem Vergnügungspark, als mir lieb ist, doch nun bleibt mir nichts anderes übrig, als voranzustapfen. Auch wenn alles in mir schreit, dass ich das Boot wieder ins Wasser schieben und mich schnell nach Hause aufmachen sollte, weiß ich, dass ich das nicht kann. Nicht nur, weil Blane mich anzeigen wird und weil ich es Cira versprochen habe, sondern auch, weil ich es Catcher schuldig bin. Er soll das hier nicht allein bewältigen müssen.

Ich zwinge mich, das Boot zurückzulassen und über den Strand zu gehen. Ich muss schnell auf die andere Seite der Uferbefestigung gelangen. Hier draußen bin ich schutzlos. Wenn hier irgendwo Mudo sind, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass sie ans Ufer angespült worden sind und diesen Strand nicht verlassen haben. Der Sand, noch warm von der Hitze des Tages, ist von einem dicken Gewirr aus Seetang und Treibholz bedeckt. Als ich die Dünen erreiche, sinken meine Füße tief in den Sand ein, ich stolpere und verliere meine Waffe. Ich liege auf den Knien, als ich das Stöhnen höre.

Zu meiner Linken gerät der Sand in Bewegung, ein kleiner Erdrutsch. Eine Hand wird sichtbar, krallt sich in die Luft. Blankes Entsetzen zuckt mit solcher Gewalt durch mich hindurch, dass ich das Gefühl habe, von Stahl zerschnitten zu werden. Ich falle hintenüber, rutsche die Düne hinunter. In meinem Körper krampft sich alles zusammen, in meinem Kopf blitzen Bilder der letzten Nacht auf: Mudo, Blut, Bisse, Ansteckung. Ich reagiere langsam, bin zu träge zu begreifen, was los ist. Wild taste ich um mich, meine Hände sind leer, und dann sehe ich, dass meine Waffe außer Reichweite liegt.

Über den weichen Boden kletternd, robbe ich auf meine Sichel zu, während ein fetter Mudo-Mann sich unter Mühen ausgräbt. Er ist unbeholfen, noch viel unkoordinierter als ich, aber trotz allem zu nah.

Schreie ersticken mich, ich schnappe nach Luft. Schließlich streifen meine Finger den Griff meiner Waffe. Ich versuche die Ruhe zu finden, die ich zu meiner Verteidigung brauche, doch ich kann immer nur an die letzte Nacht denken. Zweifel überfallen mich, mein Kopf sagt mir, dass ich wieder versagen werde.

Ich habe vergessen, wie man sich hinstellen, wie man sich verteidigen muss. Ich sehe nur das Blut, das Catchers Arm hinunterläuft.

Plötzlich weiß ich, dass ich nicht dazu fähig sein werde, mich zu wehren. Ich begreife, dass ich gleich gebissen, angesteckt werde. Genau wie Catcher.

Ich fange an, wild herumzufuchteln, warte nicht, bis der Mudo in Reichweite ist. Meine Augen wollen sich so gern schließen, aber ich zwinge sie, offen zu bleiben. Irgendwie fährt die Klinge in den Hals des Toten, aber ich habe sie nicht kräftig genug geschwungen, und sie bleibt stecken, ehe ich sein Rückgrat durchtrennen kann.

Meine Hände sind verschwitzt, die Finger rutschen beim Versuch, die Sichel freizubekommen, vom hölzernen Griff ab. Ich schreie, kreische um Hilfe, obwohl ich weiß, dass hier draußen niemand ist. Ich bin völlig allein.

Der Sand rutscht weg, und ich verliere wieder den Halt, doch ich will meine einzige Waffe nicht loslassen. Ich falle den Hang hinunter und ziehe den Mudo-Mann mit, meine Sichel steckt noch immer in seinem Hals.

Unsere Beine verhaken sich kurz, und ich schreie wieder auf. Noch nie habe ich einen Mudo berührt, noch nie sein Fleisch gefühlt. Es ist wie die Haut eines Apfels, der wochenlang in der Sonne gelegen hat. Es ist leblos, sitzt zu stramm und ist doch irgendwie schlaff. Galle steigt mir die Kehle hoch, und ich würge – ich kann nicht fassen, dass ich so dumm sein konnte, hierherzukommen. Es wird so einsam sein, allein zu sterben.

Wir landen am Fuß der Düne, und ich wälze mich auf den Rücken, dränge mich weg von seinen geifernden Händen. Nun kann ich noch andere Mudo stöhnen hören, andere Gestalten sehen, die sich in den Sandhaufen regen.

Mein einziger Gedanke ist, dass ich umkehren und zu meinem Boot zurückrennen muss, aber der fette Mudo rappelt sich hoch und kommt auf die Beine. Meine Sichel steckt noch immer in seinem Hals. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mein Boot schnell genug ins Wasser ziehen und fliehen kann.

Ich erstarre. Die Welt, die so ruhig wirkte, bewegt sich jetzt im Mondschein. Ringsherum schleppen sich Mudo aus den Dünen, zwischen mir und der Uferbefestigung. Ohne Waffe bin ich vor den Wellen gefangen.

Gedanken rasen durch meinen Kopf, zu schnell, um sie zu erfassen. Ich muss rennen, flüchten, mich verteidigen. Ich werde nie gegen alle kämpfen können.

Wieder denke ich, dass ich hier sterben werde. Gebissen, infiziert. Dass ich mich wandeln werde. Keiner wird wissen, was mir passiert ist. Diese Erkenntnis schießt mir durch den Kopf und reißt jede dunkle Ecke meiner Ängste auf. Meine Beine werden taub, mein Verstand versagt, ich erstarre.

»Stopp!«, schreie ich mich an und vertreibe diese sinnlosen Gedanken.

Entgegen dem Willen meines Körpers zwinge ich mich, auf mein Boot zuzuhalten, doch ich weiß, ich werde es nicht schaffen. Es sind zu viele. Ich wende mich zum Zaun um, aber diesen Ausgang haben sie auch blockiert. Es gibt nur eine schmale Lücke zwischen den Toten um mich herum; in die stürze ich mich und fange an zu rennen. Das Meer liegt zu meiner Rechten, die Dünen zu meiner Linken und hinter mir her schleppen sich Mudo.

Ich keuche. Ich muss schneller sein als die Mudo, so hat man es uns beigebracht. Mudo können nicht rennen. Ich drossele mein Tempo und hole tief Luft. Ich kann es schaffen, sage ich mir. Ich kann überleben. Bei jedem Schritt auf dem nassen Sand wiederhole ich diese Worte.

Bis ich mich an das Mädchen von gestern Nacht erinnere – den Breaker. Und da fällt mir Mellie wieder ein und das Geräusch, als Catcher ihren Hals zertrümmert hat. Woraufhin ich wieder an ihr verzweifeltes Stöhnen kurz vor ihrem Tod denken muss.

Mudo soll so viel heißen wie das englische Wort »mute«, also sprachlos, es ist ein Wort, das von Händlern und Piraten übernommen wurde, die früher den Hafen bevölkert haben. Aber die Kreaturen, die mir folgen, die Leute-die-einmal-waren, sind alles andere als stumm. Sie bestehen nur noch aus Geräusch, aus Hungerstöhnen.

Schweiß tropft mir in die Augen, und alles um mich herum verschwimmt, nur nicht die Erinnerung an letzte Nacht. Ich blicke über die Schulter – die Mudo fallen weiter zurück – und schätze die Entfernung zwischen uns ab, dann schaue ich prüfend vor mir den Strand entlang in die Dunkelheit.

Ich muss nur so weit laufen, bis ich durch die Dünen und über die Uferbefestigung gelangen kann. Meine Beine brennen vor Verlangen zu fliehen, sind begierig darauf, auf den Sand zu hämmern und für immer weiterzurennen, wollen der Küste folgen – bis ich die Dunkle Stadt finde. Da möchte ich mich im Gedränge der Menschen verlieren, die nicht wissen werden, wer ich bin, wo ich herkomme und was ich getan habe.

Doch ich weiß, dass ich nie so weit laufen könnte. Und selbst wenn, ich hätte nie den Mut, Vista endgültig zu verlassen. Wenn es irgendetwas gibt, das ich nach der letzten Nacht gelernt habe, dann, dass ich mich nur noch tiefer in den Kokon meiner Stadt, in ihre Sicherheit einspinnen möchte.

Ich muss nur heute Nacht überleben, Catcher finden, Cira beruhigen, und dann kann ich die Bruchstücke meines Lebens wieder zusammensetzen.

Zum ersten Mal, seit alles angefangen hat, auseinanderzufallen, habe ich die Hoffnung, dass ich etwas reparieren kann. Wenn ich es schaffe zu überleben, dann kann ich vielleicht eine neue Art Normalität finden, eine neue Art Sicherheit. Und gerade als ich schon glauben will, dass sich die Dinge vielleicht regeln könnten, entdecke ich eine Gestalt oben auf den Dünen, nicht allzu weit vor mir den Strand hinauf. Es ist ein junger Mann mit rasiertem Kopf, der einen weißen Kittel trägt. Er kämpft sich durch den Sand und sprintet über den Strand.

Er läuft direkt auf mich zu, sein Mund ist geöffnet, die Zähne schimmern im Mondschein. Mein Herz erstarrt, meine Füße kommen stolpernd zum Stillstand. Noch ein Breaker, genau wie letzte Nacht.