KAPITEL 31

Chapman setzte Stone vor seinem Häuschen ab und fuhr dann weiter zu ihrem Hotel. Stone schlenderte über den Friedhof und sammelte Müll ein, während er gleichzeitig über die Ereignisse des Tages nachdachte.

So ziemlich sämtliche Richtungen hatten sich als Sackgasse entpuppt. Alle Personen, die an dem Abend im Park gewesen waren, waren überprüft worden und hatten nichts mit der Bombe oder den Schüssen zu tun gehabt. Alfredo Padilla war versehentlich von der Bombe zerfetzt worden. Marisa Friedman arbeitete in der Nähe und hatte ihren Liebhaber angerufen. Fuat Turkekul war dort gewesen, um Adelphia zu treffen und über ihre sehr wichtige Operation zu sprechen. Der britische Polizist war auf Befehl des MI6 dort gewesen. Vier vielversprechende Spuren hatten sich als wertlos erwiesen.

Stone ging ins Haus und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Es war spät, und er sollte eigentlich schlafen, aber er war noch nicht müde. Sein Gehirn arbeitete zu schnell, um ruhen zu können. Er versuchte, ein Buch zu lesen und sich zu entspannen, doch seine Gedanken kamen immer wieder auf das zurück, was im Lafayette Park geschehen war.

Jemand hatte mitten in einer der am besten geschützten Gegenden der Welt einen terroristischen Anschlag durchgeführt, und das ohne jeden offensichtlichen Grund. Stone glaubte nicht an das Bekennerschreiben der Organisation im Jemen. Diese Operation musste lange vorbereitet gewesen sein und unglaubliche Ressourcen erfordert haben. Die Mittel islamischer Terroristen waren immens, aber nicht unbeschränkt. Sie konnten es sich nicht leisten, sie zu verschwenden. Daher würden sie solch einen Anschlag nicht aus symbolischen Gründen unternehmen, genauso wenig, wie sie sich die Mühe machen würden, einen Jumbojet zu entführen und ihn »symbolisch« in die Nähe eines hohen Gebäudes zu fliegen statt direkt hinein.

Stone glaubte auch nicht die Theorie, die ein paar »Experten« mittlerweile im Fernsehen verbreiteten: dass die Menschen jetzt Angst hätten, nach Washington zu kommen. Na und? Die Regierung war nicht arbeitsunfähig, nur weil ein paar Busladungen Touristen aus Iowa oder Maine jetzt anderswohin in Urlaub fahren würden. Das war kein »nachvollziehbarer Akt«, wie einige Terrorabwehr-Spezialisten es gern behaupteten. Der Anschlag hatte nicht in einem Einkaufszentrum oder auf einem Flughafen stattgefunden. Wenn man an solch einem Ort eine Bombe hochjagte, würde man die Menschen im ganzen Land in Angst und Schrecken versetzen, und sie würden Einkaufszentren und Flughäfen fernbleiben. Das wäre eine ernsthafte Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage. Aber es gab nur ein Weißes Haus, nur einen Lafayette Park.

Stone versuchte gerade, eine andere Herangehensweise zu finden, als er mit einer blitzschnellen Handbewegung die Schreibtischlampe ausschaltete und tiefer in den Stuhl glitt.

Draußen war jemand.

Er ließ sich auf die Knie nieder und drückte auf ein Holzbrett im Boden zwischen den Schreibtischbeinen. Das kurze Brett schwang auf einem Gelenk zurück. In einem Halfter, das an der Unterseite des Bretts befestigt war, befand sich die Sonderanfertigung einer Pistole, die Stone viele Jahre bei seinem Job mit sich geführt hatte. Damals war sie genauso Teil seines Körpers gewesen wie seine Hand.

Stone nahm die Waffe an sich und schob das Brett wieder zurück. Er kroch zum Fenster in der Rückseite des Häuschens und spähte hinaus. Es war fast Vollmond, und obwohl die Männer verstohlen durch das Unterholz schlichen, entdeckte Stone sie sofort, weil er wusste, wo und wie er nach ihnen Ausschau zu halten hatte.

Er zog sein Handy aus der Hemdtasche und wollte gerade eine SMS tippen, als er draußen die Stimme rufen hörte: »Stone? Ich würde gern mit Ihnen sprechen.«

Stones Finger schwebte über der »Senden«-Taste. Er erkannte die Stimme. Er dachte schnell über die möglichen Gründe nach, aus denen der Mann hergekommen sein konnte, um ihn zu sprechen.

»Worüber?«, rief er zurück.

»Ich glaube, das wissen Sie. Ich bin sicher, Sie haben eine Waffe, und man hat mir gesagt, dass Sie damit umgehen können. Und ich bin überzeugt, dass Sie meine Männer entdeckt haben, obwohl sie versucht haben, sich zu verbergen. Damit niemand verletzt wird, schlage ich vor, dass ich zu Ihnen reinkomme und mit Ihnen spreche. Unter vier Augen. Ist Ihnen das recht?«

»Und wenn nicht?«, rief Stone zurück.

»Dann gehen wir wieder.«

»Warum glaube ich Ihnen nicht?«

»Wir stehen hier beide auf derselben Seite.«

»Im Augenblick fühlt sich das aber nicht so an.«

»Ich gebe Ihnen mein Wort. Ich will nur mit Ihnen sprechen.«

»Warum kommen Sie dann spät am Abend mit einem ganzen Team?«

»So reise ich nun mal. Nehmen Sie es nicht persönlich. Ich will wirklich nur reden.«

Stone dachte schnell nach. Er hatte hier wirklich kein Druckmittel. Und Informationen konnten in beide Richtungen fließen.

»Nur Sie«, rief er. »Und ich habe eine Waffe. Wenn ich etwas sehe, von dem ich mich bedroht fühle, werden die Dinge ganz schnell sehr hässlich. Verstanden?«

»Verstanden. Ich komme rein.«

»Aber langsam.«

»Klar. Langsam.«

Einen Augenblick später erschien Riley Weaver, Chef des NIC, auf der Schwelle von Stones bescheidenem Häuschen, das von den Toten und nun mindestens einem Dutzend bewaffneter Lebender umgeben war.

Der Auftrag
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