18. KAPITEL
Gegen zehn Uhr abends, gut eine Stunde, nachdem sie das Restaurant verlassen hatte, lenkte Daria den Wagen in die Auffahrt des Sea Shanty. Sie hatte Shelly mit Ellen und Ted nach Hause geschickt und war zu Meilenstein acht gefahren, zu der aufwühlenden Szenerie eines tödlichen Unfalls. Sie konnte nicht sagen, was sie dorthin gezogen hatte. Vielleicht glaubte sie, helfen zu können, doch das war nicht der Fall. Sie brauchten ihre Hilfe, in Ordnung. Doch wie all die anderen Schaulustigen blieb auch sie weitab vom Geschehen stehen; sie war unfähig, zum Rettungswagen zu gehen, um ihren ehemaligen Kollegen bei der Bewältigung des Chaos zu helfen. Das Gefühl, auf der Stelle festgefroren zu sein, in der Dunkelheit versteckt, weckte eine weitere Empfindung: Sie fühlte sich feige und nutzlos. So schnell sie konnte, war sie weinend nach Hause gefahren.
Als sie aus dem Wagen stieg, war sie überrascht, Rory auf den Verandastufen des Sea Shanty vorzufinden. Bei seinem Anblick ging ihr das Herz über. Sie hatte angenommen, Grace sei noch bei ihm. Er war während des Essens so besorgt um sie gewesen. Während sie auf ihn zuging, hoffte sie, dass die Nacht ihre Tränen verhüllen würde.
“Hallo”, begrüßte sie ihn in einem angestrengt fröhlichen Ton und setzte sich neben ihn. “Was machst du denn hier?”
“Auf dich warten.”
“Oh.” Sie freute sich. “Na ja, jetzt bin ich ja da.”
“Ellen hat gesagt, du bist zu der Unfallstelle gefahren.”
“Ja, stimmt. Ein Auto ist einem Fahrradfahrer ausgewichen und in ein anderes Auto hineingefahren. Der Radfahrer wurde trotzdem verletzt, und ich glaube, in einem der Autos ist jemand ums Leben gekommen. Beide Wagen brannten.” Sie beschrieb die Szenerie in nüchternem Ton, um jedes Gefühl im Keim zu ersticken.
Rory zuckte zusammen. “Klingt furchtbar.”
“Das war es auch.” Ihr war klar, dass in dieser Nacht noch ein weiterer Albtraum auf sie wartete: Obwohl sie im Hintergrund geblieben war, obwohl sie nicht einmal wusste, ob der Radfahrer männlich oder weiblich war, würde die Pilotin sie wieder heimsuchen.
“Ich bewundere dich aufrichtig”, sagte Rory. “Ich kann mir diese Arbeit für mich nicht vorstellen. Und dass du das Ganze ehrenamtlich machst, beeindruckt mich umso mehr.”
“Gemacht hast”, korrigierte sie ihn. Sie verdiente seine Anerkennung nicht. “Ich habe nicht geholfen, sondern nur zugesehen.”
“Das verstehe ich nicht. Du warst ganz offensichtlich bestürzt, als dein Freund Mike dich zum Mitkommen überreden wollte. Ich dachte, du und er … ihr hättet mal …” Seine Stimme verlor sich.
Sie brauchte einen Moment, ehe sie seine Andeutung begriff, und musste lachen. “Ich und Mike? Nein. Auf keinen Fall.”
“Aber was hat dich dann zurückgehalten? Und wenn du zum Unfallort gefahren bist, warum hast du nicht geholfen?”
“Das ist eine lange Geschichte, und spannend ist sie auch nicht gerade.” Ein anderes Thema musste her. “Also, erzähl mir lieber, wie dein Abend noch war.”
Rory zögerte, als wüsste er noch nicht, ob er diesen abrupten Themenwechsel gutheißen sollte. Dann gab er nach. “Ich muss zugeben, dass ich Grace nicht so recht verstehe”, sagte er. “Anscheinend will sie Zeit mit mir verbringen, aber trotzdem scheint sie nicht sonderlich an mir interessiert zu sein … im romantischen Sinne, wenn du verstehst, was ich meine.”
Daria versuchte, sich die Erleichterung nicht anmerken zu lassen. “Nein. Ich weiß nicht genau, was du sagen willst.” Sie wollte mehr hören.
“Na ja, anscheinend freut sie sich, wenn ich sie anrufe. Sie freut sich darüber, wenn ich sie einlade, etwas mit mir zu unternehmen. Aber sie will nicht … Ich habe nicht den Eindruck, dass sie eine Beziehung will. Jedenfalls nicht mit mir. Heute beim Abendessen habe ich zum ersten Mal ihre Hand gehalten.”
“Du machst Witze.”
“Nein, ehrlich! Und als wir wieder am Poll-Rory waren, ist sie aus dem Auto gesprungen, noch bevor ich … ihr irgendwie näherkommen konnte. Findest du das nicht auch seltsam?”
“Eigentlich nicht.” Dafür fand sie, dass Grace komplett verrückt war. “Ihre Ehe ist gerade erst gescheitert. Wahrscheinlich muss sie sich an die Vorstellung, mit jemand anderem zusammen zu sein, erst noch gewöhnen.”
“Ja, vielleicht. Ich bin das nur einfach nicht gewohnt. Normalerweise kommen die Frauen auf mich zu. Das soll keine Aufschneiderei sein. Mir ist schon klar, dass sie das machen, weil ich berühmt bin, und nicht, weil sie an mir als Mensch interessiert sind. Aber das macht Grace umso interessanter für mich. Sie ist so … zerbrechlich. Ist dir das auch aufgefallen?”
In der Tat. Ihr war nicht entgangen, dass Graces Hände gezittert hatten, und manchmal auch ihre Stimme. Sie hatte sie beim Essen zum ersten Mal aus der Nähe gesehen und musste zugeben, dass sie auf ihre blasse Art wirklich hübsch war.
“Ja, ist es, Mr. Beschützer”, frotzelte sie. “Hast du sie mittlerweile nach ihrer Krankheit gefragt?”
“Nein. Ich denke, sie wird mir davon erzählen, wenn sie so weit ist.”
“Ihr zwei müsst miteinander reden. Es hört sich nicht so an, als würdet ihr viel kommunizieren.”
Rory schwieg. Er blickte nach unten auf seine Hände, als inspizierte er sie im Verandalicht. Daria hätte sie gern berührt, wäre mit den Fingerspitzen gern die Linien seiner Handfläche entlanggefahren und ihnen bis zum Handgelenk gefolgt.
“Ich hatte den Eindruck, Zack hat sich gut mit Shelly verstanden”, sagte er unvermittelt.
“Das glaube ich auch.”
“Shelly ist toll mit ihm umgegangen. Aber kaum waren wir zu Hause, ist er noch vor Grace aus dem Auto gesprungen und mit Kara zum Minigolfplatz gegangen.” Er schüttelte den Kopf. “Die zwei bereiten mir Sorgen.”
“Warum?”
“Ich weiß nicht genau. Kara macht irgendwie einen frühreifen Eindruck auf mich.”
Daria lachte. “Wieso denn das?”
“Na ja, du weißt schon. Wie sie sich anzieht. Das Bauchnabelpiercing. Die blondierten Haare. Zu viel Augen-Make-up.”
“Glaubst du vielleicht, Zack ist noch Jungfrau?”
Rory sah sie entgeistert an. “Natürlich”, behauptete er dann. “Er ist doch erst fünfzehn. Jetzt mach mich nicht schwach.”
“Die Fünfzehnjährigen von heute sind ganz anders als wir damals”, meinte Daria.
Rory sagte nichts.
“Hast du schon mal mit ihm darüber gesprochen? Ich meine, hattet ihr jemals ein offenes Vater-Sohn-Gespräch?”
“Nein. Aber ich wünschte, wir hätten.” Rory stöhnte und bettete den Kopf in seine Hände. “Ich schätze, ich muss mit ihm über Sex und Verantwortung sprechen. Ich habe gehofft, das hätte noch Zeit. Er und ich können noch nicht mal über das Abendessen sprechen, wie also über Sex?”
“Vielleicht sprichst du mal mit ihm, wenn ihr etwas zusammen unternehmt. Beim Sport kommt man an Männer immer noch am besten ran. Das müsstest du doch wissen.”
“Bist du auch so, jetzt, wo du ständig mit deinen Kumpels zusammen bist?”
“Ich bin immer noch eine Frau.” Sie war getroffen.
Er schenkte ihr ein Lächeln. “Das ist mir nicht entgangen. Vor allem heute Abend im Restaurant. Du hast dich wirklich hübsch zurechtgemacht.”
“Danke”, sagte sie ironisch. Das war vermutlich das größte Kompliment, das sie von ihm hören würde.
“Wie war das bei Shelly? Hat sie jemals rebelliert? Hattest du Probleme mit ihr, als sie in Zacks Alter war?”
“Shelly war sehr umgänglich. Wir sind nur ein paar Mal aneinandergeraten, als ich sie und diese Typen auseinandergebracht habe. Da hat sie mich angeschrien. Sie hat geweint und war traurig. Das war's mit Shellys Rebellentum.”
Die Sackgasse wurde von zwei Lichtkegeln erhellt, und ein Auto steuerte auf das Sea Shanty zu.
“Das ist Chloe”, bemerkte Daria. “Ist wohl spät geworden in St. Esther's.”
Chloe fuhr in die Auffahrt und stieg aus. Daria und Rory sahen die Überraschung in ihrem Gesicht, als sie sie erspähte.
“Oh, hallo”, begrüßte sie sie ohne ein Lächeln, und Daria wusste, dass es an Rory lag. Chloe wünschte sich, Rory wäre in Kalifornien geblieben. Dennoch setzte sie sich neben ihre Schwester auf die Stufen und bemühte sich, freundlicher zu schauen. “Wie war das Essen?”, fragte sie.
“Sehr schön”, antwortete Rory. “Hier wurden in den letzten zwanzig Jahren wirklich ein paar hervorragende Restaurants eröffnet.”
“Ja”, stimmte Chloe ihm zu. “Verhungern wird man hier nicht.”
Chloes Stimme klang gepresst, und Daria konnte das Unbehagen ihrer Schwester förmlich spüren. Da musste noch etwas sein, was sie beunruhigte. Daria legte eine Hand auf Chloes Arm.
“Was ist los?”, fragte sie leise, doch Chloe drückte nur beschwichtigend ihre Hand.
Rory schien Chloes Drangsal nicht zu bemerken. “Ich weiß, du bist nicht gerade davon begeistert, dass ich der Sache nachgehe”, sagte er zu ihr, “aber du bist ein wichtiger Mensch in Shellys Leben, und ich wüsste unheimlich gern, wie sie deiner Ansicht nach seinerzeit an den Strand geraten ist.”
Rorys Timing hätte schlechter nicht sein können und ließ Daria erschaudern. Er begriff einfach nicht, wie sehr Chloe ihm sein Eindringen in ihr aller Leben verübelte.
Chloe lehnte sich über Daria und legte Rory eine Hand aufs Knie. Sie sah ihn eindringlich an, ihre langen Wimpern warfen Schatten auf ihre Wangen. “Rory, es ist schlichtweg egal, wie Shelly an den Strand kam”, sagte sie. “Ich weiß, dass du das nicht verstehst. Ich weiß, dass es nicht in deine Pläne für die Sendung passt. Und ich weiß, dass du eine Antwort willst, die dramatisch ist; etwas, was du enthüllen und entlarven kannst. Aber es ist einfach nicht wichtig. Shelly war unser Geschenk des Meeres. Und das ist alles, was wir wissen müssen.”
Chloe erhob sich. Sie drückte zärtlich Darias Schulter. “Gute Nacht, ihr zwei.” Dann ging sie die letzte Stufe zur Veranda hoch und verschwand im Haus.
“Autsch”, sagte Rory, als sie weg war. “Ich glaube, Chloe mag mich nicht besonders.”
“Es liegt nicht nur an dir. Sicher, es passt ihr nicht, dass du Shellys Leben auf den Kopf stellen willst. Aber sie zieht sich in letzter Zeit sowieso zurück. Nur habe ich keine Ahnung, warum.”
“Und ich mache es mit Sicherheit nicht besser.”
“Sie glaubt eben, du willst Shelly nur ausbeuten.”
“Denkst du das auch?”
“Ich denke, deine Absichten sind ehrenhaft, aber ich fürchte, dass deine Schnüffelei mehr schadet als nutzt.”
Für ein paar Sekunden schwieg Rory, und als er dann endlich etwas sagte, schwang in seiner Stimme Verzweiflung mit. “Aber es ist doch Shelly selbst, die möchte, dass ich …”
“Shelly hat ein lausiges Urteilsvermögen, Rory”, unterbrach Daria ihn. Wie oft wollte er das wohl noch hören? Sie zögerte kurz, doch dann sprudelten die Worte über ihre Lippen, als führten sie ein Eigenleben. “Willst du wissen, warum ich nicht mehr als Sanitäterin arbeite? Willst du die Wahrheit wissen?”
Er sagte nichts, sah sie nur verwirrt und abwartend an. Daria zitterte. Der Gedanke, ihm alles zu erzählen, war zugleich beängstigend und verführerisch.
Dann holte sie tief Luft, presste ihre klammen Handflächen gegeneinander und begann zu sprechen.
“Vor einigen Monaten hatte ich einen großen Tischlerauftrag in einem alten Strandcottage, etwa eine halbe Meile von hier entfernt. Pete, Andy und ein Typ namens George halfen mir dabei. Andy und ich arbeiteten im Haus, Pete und George waren draußen beschäftigt. Auf einmal stürmte Pete zu uns herein und schrie, ein Flugzeug wäre ins Meer gestürzt.”
Sie erinnerte sich, wie sie zur Eingangstür gelaufen war und Richtung Strand geschaut hatte. Doch von ihrem Standort aus hatte sie das Flugzeug nicht sehen können, sondern nur ein paar Leute, die durch den Sand liefen. Deshalb hatte sie sich ihren Werkzeuggürtel von den Hüften gerissen und war aus dem Haus gerannt – Andy folgte ihr dicht auf den Fersen.
“Ich suche ein Telefon!”, rief George, während er schon in Richtung Hauptstraße lief. Denn in dem Cottage, das nur über die Sommermonate vermietet wurde, war jetzt, im April, die Telefonleitung noch nicht freigeschaltet.
Daria sah das Flugzeug erst, als sie den kleinen Sandhügel erreichte, der den Anfang des Strandes markierte. Und selbst da hatte sie noch Schwierigkeiten, Modell oder Größe des Flugzeugs auszumachen. Die Sonne stand hinter ihr tief am Himmel und wurde vom Wasser stark reflektiert.
Pete, der bereits die halbe Strecke zum Meer zurückgelegt hatte, drehte sich um und winkte ihnen. “Es ist ein Wasserflugzeug!”, rief er.
Gut, dachte Daria, ebenfalls auf dem Weg zum Wasser. Wenn die Schwimmer nicht beschädigt waren, würden sie das Flugzeug über Wasser halten. Ansonsten war die Chance, jemanden lebend zu bergen, äußerst gering.
Am Strand versammelten sich die Schaulustigen, die meisten in Straßenkleidung, und zitterten in der kühlen Abendluft. Sie zeigten auf das Flugzeug und sprachen aufgeregt miteinander. Daria und Andy bahnten sich ihren Weg durch die schnell wachsende Menge. “Hat jemand 911 gerufen, den Rettungsdienst?”, rief Daria.
Mehrere Leute bejahten ihre Frage.
“Ich habe von meinem Mobiltelefon aus die Rettung angerufen”, sagte ein Mann, der neben ihr stand.
“Wie lange ist das her?”
“Ein paar Minuten”, antwortete er. “Gleich nachdem das Flugzeug ins Wasser gestürzt ist. Es ist einfach vom Himmel gefallen. Ich dachte …”
Daria wollte nicht mehr hören. Sie schloss zu Pete auf, der am Wasserrand stand und mit zusammengekniffenen Augen zum Flugzeug starrte.
“Die Seerettung müsste gleich da sein”, informierte sie ihn. Das Team der Seerettung käme mit einem Boot. Und ohne Boot konnten sie selbst nur wenig tun.
“Gleich reicht aber nicht”, entgegnete Pete und zog währenddessen sein Hemd aus. “Sieht so aus, als hätte einer der Schwimmer was abbekommen.”
Wieder schaute Daria aufs Meer, und diesmal sah sie, dass eine Seite der Maschine aus dem Wasser ragte. Irgendjemand – ob Mann oder Frau, wusste sie nicht – hämmerte verzweifelt gegen eines der Seitenfenster.
“Du kannst da nicht rausschwimmen”, warnte Daria, obwohl sie selbst kurz davor war. Das Flugzeug war nicht allzu weit draußen, und sie und Pete waren gute Schwimmer. “Was, wenn Treibstoff ausgelaufen ist?”
“Ich werde nicht hier stehen bleiben und zusehen …”
“He! Wir haben ein Boot!”
Daria wirbelte herum, und ihr Blick fiel auf zwei Jungen, die an einem Seil ein Boot quer über den Strand zogen. Es war kaum mehr als ein Schlauchboot, aber es musste reichen, bis ein robusteres ankäme.
“Super!”, sagte Pete. Er lief auf die beiden zu, griff nach dem Seil und zog das Boot zum Wasser. Seine tätowierten Muskeln schienen sich dazu kein bisschen anstrengen zu müssen.
Andy und Daria halfen ihm, das Boot ins Wasser zu ziehen, und Daria wollte gerade hineinklettern, als sie den sehnsüchtigen Ausdruck in Andys Augen wahrnahm. Er wollte helfen; er wollte Leben retten.
“Komm mit”, forderte sie ihn auf. “Wir können da draußen ein zusätzliches Paar Hände gut gebrauchen.”
Andy stieg ins Boot und schnappte sich die Ruder. “Ich rudere”, sagte er, und schon legte er los. Obwohl er schlank war, hatte er viel Kraft, und das Boot durchschnitt die Brecher mühelos.
Daria drehte sich um. War am Strand schon der erste Rettungswagen eingetroffen? Sie konnte nichts sehen, nur eine weiter wachsende Menschentraube – und Shelly. Die hochgewachsene Shelly hob sich durch ihr blondes Haar und die entschlossene Art, mit der sie sich durch die Menge zum Wasser kämpfte, deutlich von den anderen ab. Daria sah, wie sie ihren Wickelrock öffnete, in den Sand fallen ließ und ins Wasser lief. Sie wollte zu ihnen hinausschwimmen!
“Shelly!”, rief Daria. “Bleib da! Das Wasser ist zu kalt! Der Treibstoff könnte ausgelaufen sein!”
Natürlich wusste sie, dass Shelly sie nicht hören konnte. Das Tosen der Wellen verschluckte jedes Wort. Doch Pete hörte sie und drehte sich um, um den Grund für ihr Geschrei auszumachen.
“Shelly ist im Wasser”, sagte sie.
“Was hat sie denn vor?”, fragte Andy.
Noch einmal wandte sich Pete nach hinten und blickte auf das dunkler werdende Wasser, richtete seine Konzentration dann aber schnell wieder nach vorn – jedoch nicht, ohne dass Daria seinen angewiderten Gesichtsausdruck bemerkte. Sie konnte seine Gedanken lesen.
Im nächsten Moment bemerkte sie ein weiteres kleines Boot, das etwa zehn Meter neben ihnen im Wasser lag. Zwei Männer waren an Bord. Daria konnte in der Dämmerung keinen von ihnen erkennen, doch sie war froh, dass sie da waren. Beim Blick nach hinten erspähte sie Shelly, die jetzt nur noch wenige Meter von ihnen entfernt war und mit gleichmäßigen, eleganten Zügen durchs Wasser glitt. Ein Schauder der Bewunderung lief ihr über den Rücken, als sie die kraftvollen Bewegungen ihrer Schwester sah – auch wenn ihre Entscheidung, überhaupt ins Wasser zu kommen, sehr fragwürdig war. Wenn Treibstoff ausgetreten war, konnte er ihre Haut verätzen, oder – noch schlimmer – sich entzünden. War das Wasser aber sauber, könnten sie Shellys Hilfe vielleicht gut gebrauchen.
Während sie sich dem Flugzeug näherten, trafen die zwei Boote aufeinander.
“Die Seerettung hat noch in einer kleinen Bucht zu tun”, informierte sie einer der Männer aus dem anderen Boot. “Ein gekentertes Fischereifahrzeug. Keine Ahnung, wann sie kommen.”
Seite an Seite glitten die Boote an das Flugzeug heran, und augenblicklich wurde allen der Ernst der Lage klar. Auf dem Rücksitz saßen zwei Frauen. Eine war bewusstlos. Sie hatte eine Schnittverletzung an der Schläfe, und Blut lief über ihr Ohr. Die andere Frau schrie, hämmerte panisch gegen die Scheibe und flehte sie an, sie zu retten. Die Tür neben der Pilotin war durch die Wucht des Aufpralls weggerissen worden, die Pilotin selbst war offensichtlich nicht bei Bewusstsein. Zuerst dachte Daria allerdings, ein Mann säße im Cockpit. Alle dachten sie das. Ein Mann, der vollkommen verdreht im Sitz saß, den Kopf nach vorn gebeugt, das lange dunkle Haar vor dem Gesicht. Daria war nicht sicher, ob er lebte.
Pete kämpfte mit dem Sicherheitsgurt des Piloten. “Ich kann seinen Puls fühlen”, rief er Daria und Andy über die Schulter zu. “Aber ich kriege ihn hier nicht raus. Los, wir kümmern uns zuerst um die Passagiere.”
Mit einem Werkzeug – ein Stemmeisen hätte schon gereicht – hätten sie die Fluggäste problemlos befreien können, da die Haut des Flugzeugs dünn und biegsam war. Doch sie hatten nur ihre bloßen Hände und die Ruder, und obwohl das Meer dort draußen ruhiger war, erschwerte das Schaukeln des Flugzeugs und der Boote die Arbeit erheblich.
Da tauchte auf einmal Shelly an der Seite des Bootes auf. Andy entdeckte sie als Erster. “Shelly!”, sagte er. “Was machst du hier draußen, du verrücktes Ding?”
“Komm ins Boot, Kleines”, forderte Daria ihre Schwester auf. “Du unterkühlst dich sonst.”
“Es geht mir gut”, erwiderte sie. Sie trat unaufhörlich Wasser, und ihre Haare wallten im Meer wie blasses Seegras. Zwar war das Wasser dunkel, doch konnte Daria sicher ausschließen, dass Treibstoff ausgelaufen war. Shelly war also nicht in Gefahr.
Pete schien Shelly kaum wahrzunehmen. Ist vielleicht auch besser so, dachte Daria. Er griff nach einem Ruder.
“Ziehen Sie den Kopf ein!”, rief er der Frau zu, die noch bei Bewusstsein war. “Ich schlage jetzt das Fenster ein!”
Die Frau kauerte sich zusammen und legte schützend die Arme über ihren Kopf. Sekunden später rammte Pete das Ruder in die Plexiglasscheibe. Sie zerbarst, und die Frau stieß einen schrillen Schrei aus, bevor sie zu schluchzen begann. Durch das scheibenlose Fenster sah Daria, dass sich das Flugzeuginnere mit Wasser füllte.
“Wir rudern auf die andere Seite”, sagte einer der anderen Helfer. Drüben angelangt, schlugen sie auch dort die Scheibe ein. Pete schaffte es, die wimmernde Frau durch das Fenster ins Boot zu ziehen, und die Männer auf der anderen Seite holten die bewusstlose Frau zu sich an Bord.
“Sie ist schwer verletzt”, rief einer von ihnen. “Und den Schwimmkörper hier hat's erwischt. Der auf eurer Seite ist das Einzige, was diese Blechbüchse noch über Wasser hält.”
“Bringt sie rüber”, schrie Daria. Im selben Moment hörte sie Sirenen und drehte sich um. Am Strand stand ein Rettungswagen, das Blaulicht noch eingeschaltet. Es kam ihr unendlich weit weg vor.
Die Frau in ihrem Boot stand unter Schock. “Die Pilotin ist ohnmächtig geworden, glaube ich”, stammelte sie. “Wir sind einfach abgestürzt, und sie hat nichts dagegen getan.”
“Sie?”, fragte Daria und sah sich den Flugzeugführer noch einmal genauer an. Lange Haare, schlanker Körperbau. Es handelte sich tatsächlich um eine Frau.
Das zweite Boot hatte sich wieder zu ihnen gesellt, doch es war in der Dunkelheit kaum zu erkennen.
“Ich gehe besser in das andere Boot zu der verletzten Frau”, sagte Daria zu Pete.
“Nein, bleib hier”, entgegnete er. “Hilf mir mit der Pilotin. Die Rettungswagen sind jetzt am Strand.” Er wandte sich an die Männer im anderen Boot. “Ihr nehmt die zwei Ladies mit, okay?”, rief er. “Und bringt uns ein Messer oder so was, damit wir den Sicherheitsgurt durchschneiden können.”
Eigentlich war Daria die Gruppenführerin, die die Kommandos gab. Aber das hier war kein offizieller Einsatz, und so befolgte sie Petes Anweisungen ohne Murren. Sie half Pete und Andy, die verstörte Frau sicher in das andere Boot zu setzen, und als die zwei Männer mit den Verletzten in Richtung Strand ruderten, richteten die drei ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Pilotin.
Daria streckte einen Arm ins Flugzeug, um an der Halsschlagader der jungen Frau den Puls zu fühlen.
“Lebt sie?”, fragte Shelly vom Wasser aus.
“Ja.” Der Puls ging zwar schnell, war aber kräftig. Plötzlich ließ die Frau den Kopf nach hinten gegen den Sitz fallen und öffnete die Augen. Im Nu sah man ihr die Panik an.
“Bleib ganz ruhig”, sprach Daria auf sie ein. Sie erschrak, als sie erkannte, wie jung die Pilotin war – höchstens achtzehn oder neunzehn. Sie hatte einen herzförmigen Haaransatz, der die Schönheit ihres Gesichts nur noch unterstrich. Wie die bewusstlose Passagierin hatte auch sie eine Kopfverletzung. Sie verlief quer über die Stirn und blutete heftig. “Gleich bist du draußen”, beruhigte Daria sie, während sie ihr T-Shirt auszog und es dann gegen den Kopf der Frau presste. Es war eine Lüge, aber eine notwendige. Das Wasser reichte der Frau bis zur Taille, und Petes Arme waren unter Wasser, als er sich aus dem Boot lehnte und am Gurt der Pilotin zerrte.
“Der Türrahmen hat sich irgendwie verbogen”, sagte er leise zu Daria. “Und jetzt klemmt der Gurt fest. Mist, ich kann überhaupt nicht sehen, was ich hier mache.”
“Ich bin im Wasser, Pete”, rief Shelly. “Vielleicht schaffe ich es von hier unten.”
“Du bist mir nur im Weg, Shelly”, blaffte Pete sie an, und für ein paar Sekunden empfand Daria ihm gegenüber nichts als Hass. Das war also der Mann, den sie schon bald heiraten wollte? In diesem Moment konnte sie es sich beim besten Willen nicht vorstellen.
“Ob sie überhaupt schon einen Flugschein hat, so jung, wie sie aussieht?”, meinte Andy.
“Vom Boot aus können wir nichts ausrichten”, sagte Daria. Sie hatte Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten, und die Hand, mit der sie das T-Shirt auf die Wunde der Frau presste, rutschte immer wieder ab.
“Nein. Und rausziehen können wir sie so auch nicht”, fügte Pete hinzu. “Wir müssen ins Wasser.”
Daria bemerkte, dass das Flugzeug allmählich sank und das Meerwasser am Körper der Pilotin emporkroch.
“Andy”, befahl Pete, “du bleibst im Boot. Sorg dafür, dass es dicht am Flugzeug bleibt. Und halt die Augen nach Tanklecks offen.” Dann zog er seine Shorts aus und sprang ins Wasser.
Daria tat es ihm gleich. Das Wasser nahm ihr den Atem, so kalt war es. “Hast du nicht gesagt, es ist nicht kalt?”, sagte sie zu Shelly und zog sich dabei näher an das Flugzeug heran.
“Du gewöhnst dich daran”, antwortete ihre Schwester mit klappernden Zähnen.
“Es sinkt ziemlich schnell”, stellte Andy fest.
“Verdammt noch mal! Wir brauchen ein Messer!”, fluchte Pete. Dann tauchte er unter und bemühte sich, den Gurt freizubekommen. Daria wusste um die Aussichtslosigkeit seiner Anstrengung. Bei der Dunkelheit würde er unter Wasser nichts sehen können. Sie gab sich alle Mühe, den Druck auf der Stirn der Pilotin nicht zu verringern und zugleich mit ihrem Körper außerhalb des Flugzeugs zu bleiben, um Pete nicht in die Quere zu kommen. Sie fragte sich, wie lange die Pilotin in dem kalten Wasser überleben würde. Wie lange jeder Einzelne von ihnen überleben würde …
“Shelly, Andy”, prustete Pete, als er auftauchte, um Luft zu holen. “Dieses Ding sinkt wie ein Anker. Tut alles, was ihr könnt, um es über Wasser zu halten, während Daria und ich versuchen, sie da irgendwie rauszuholen.”
“Alles klar.” Andy umschiffte das Flugzeug mit dem Boot, um zu dem beschädigten Schwimmkörper zu gelangen. Währenddessen schwamm Shelly zur Flugzeugnase, die sich bereits unter der Wasseroberfläche befand, und drückte sie mit ganzer Kraft ein Stückchen nach oben. Daria warf einen Blick über die Schulter zum Strand. Hoffentlich kommt bald jemand mit Werkzeugen, betete sie.
Die Augen der Pilotin waren jetzt offen. Weit aufgerissen. Die junge Frau blickte angestrengt in Darias Augen. Daria bemühte sich indes weiter, das T-Shirt auf die Wunde zu pressen. Nur einmal wagte sie, es für einen Augenblick anzuheben, und da lief auch schon das Blut über das Gesicht der verängstigten Frau. Sie konnte nicht einschätzen, wie viel die Pilotin von dem Treiben um sie herum mitbekam. Ob sie realisierte, dass sie in Lebensgefahr schwebte? Sie sagte nicht einen Ton, doch ihre Augen waren angsterfüllt.
“Keine Sorge”, versuchte Daria sie zu beruhigen. “Wir holen dich hier raus. Alles wird gut.”
Pete tauchte wieder auf und schleuderte mit einer schnellen Kopfbewegung die Haare aus seinem Gesicht. “Vielleicht komme ich von der anderen Seite besser an sie ran”, keuchte er.
“Ich habe schon versucht, die Tür hier drüben zu öffnen”, rief Andy ihnen zu. “Fehlanzeige.” Er war außer Atem. Daria blickte hinüber zu ihrer Schwester, um sich zu vergewissern, dass es ihr gut ging. Shelly befand sich direkt vor dem Propeller und trat Wasser, ihre Hände verschwanden unter der Flugzeugnase im Wasser. Ihre Kraft schien nicht nachzulassen.
Die Pilotin stieß einen dünnen Schrei aus. Das Wasser hatte nun ihre Brust erreicht, und Daria wurde kurz von Panik gepackt. Was, wenn sie es nicht schafften? Allmählich zweifelte sie an ihrem Erfolg, und wenn sich das Flugzeug erst einmal fürs Sinken entschied, würden Andy und Shelly es nicht mehr oben halten können. Mit der freien Hand versuchte sie, den Schultergurt der Pilotin zu lösen, natürlich ohne Pete bei seiner Arbeit zu behindern. Sie spürte die Erschöpfung und hätte nur zu gern für einen Moment mit dem Wassertreten aufgehört. Doch sie wusste, dass ihr Gewicht das Flugzeug nur noch schneller nach unten ziehen würde.
Zum dritten Mal streckte Pete den Kopf aus dem Wasser und schnappte nach Luft. In seinen Augen sah Daria Angst und Entschlossenheit. Sie wollte mit ihm reden, die beste Vorgehensweise absprechen, doch noch ehe sie ein Wort sagen konnte, war er schon wieder abgetaucht.
“Bitte, helft mir.” Die Stimme der Pilotin war kaum zu hören, und die junge Frau umklammerte Darias Handgelenk.
Daria löste sich behutsam aus dem Griff. “Ich brauche meine Hand, um dich hier rauszuholen”, erklärte sie.
Das Wasser stieg jetzt schneller, es stand der Pilotin bis zum Kinn. Die Frau riss den Kopf zurück, als könnte sie so das Wasser daran hindern, weiter zu klettern. Wenn sie es doch nur schaffen würde.
Pete tauchte auf, diesmal zu Darias Rechten. Er sah zum Strand, wo mittlerweile ein zweiter Rettungswagen eingetroffen war. “He!”, rief er vergeblich gegen das Tosen der Wellen an. “Hierher! Wir brauchen Hilfe!”
Wieder griff die Frau nach Darias Handgelenk, und dieses Mal zog sie die Hand nicht weg. Machtlos sah sie mit an, wie das Flugzeug weiter sank und die Pilotin vollständig unter Wasser zog. Ihre Augen waren noch immer weit aufgerissen und starrten Daria flehend an.
“Oh Gott!”, rief Daria. “Pete! Was können wir bloß tun?”
Pete wandte sich ihr zu. Doch dann sah er an ihr vorbei, und sein Gesicht erstarrte vor Schreck.
“Shelly, verdammt!”, rief er. “Weg da!”
Voller Furcht wirbelte Daria zu Shelly herum. Doch die befand sich nach wie vor wohlbehalten am Propeller, trat Wasser und war bemüht, das Flugzeug über Wasser zu halten. Man sah ihr die Verwirrung über Petes Geschrei deutlich an. Daria hatte keine Ahnung, warum Pete sie so angefahren hatte, aber jetzt war nicht der Moment, um es herauszufinden. Auf einmal trieb das Flugzeug wieder ein Stückchen nach oben. Ein weiteres, diesmal motorisiertes Boot fuhr direkt auf sie zu.
“Die Seerettung kommt!”, sagte sie, und dann mehr zu sich selbst: “Schnell. Beeilt euch.”
Der Kopf der Pilotin tauchte wieder aus dem Wasser auf, das glatte Haar wurde aus ihrem Gesicht gespült. Ihre Augen waren noch immer weit geöffnet, doch sie atmete nicht mehr. Auf dem Bauch im Wasser liegend mühte sich Daria gerade ab, die junge Frau durch Mund-zu-Mund-Beatmung wiederzubeleben, als das Rettungsboot neben ihnen auftauchte. Einer der Männer von der Seerettung gab Pete ein Messer, sodass er die Frau endlich befreien konnte.
“Ins Boot mit ihr!”, schrie Pete. Daria und er zogen sie mit vereinten Kräften aus dem Flugzeugwrack und übergaben sie den Männern von der Seerettung. Dann sauste das Boot auch schon davon. Andy bugsierte sein kleines Gefährt wieder neben Daria.
“Hol zuerst Shelly rein”, forderte Daria ihn auf. “Sie ist schon am längsten im Wasser.”
Auch Shelly hatte inzwischen die Kraft verlassen, und Andy musste ihr ins Boot helfen.
Daria war noch weniger in der Lage, allein ins Boot zu klettern. Ihre Füße waren taub, und ihr gesamter Körper zitterte vor Erschöpfung und Angst. Pete schob sie an, Andy zog sie an den Armen. Mit letzter Kraft hievte sich schließlich auch Pete ins Boot. Er war völlig außer Atem.
Andy ruderte das Boot zurück zum Ufer, wo die Brecher sie in Empfang nahmen und an den Strand spülten. Sie hörten Rufe und in der Ferne das Geräusch eines Helikopters.
Zu spät, dachte Daria. Sie zitterte vor Kälte, und ihre Beine drohten unter ihr nachzugeben, als sie aus dem Boot kletterte. Sie war nur mit ihrer durchnässten Unterwäsche bekleidet und stakste bibbernd zu der Krankenbahre, wo sich der Notarzt gerade um die Pilotin kümmerte. Man hatte die junge Frau intubiert, warm eingepackt und an ein EKG-Gerät angeschlossen. Daria spähte über die Schulter des Arztes und sah auf dem Monitor eine gerade Linie. Die Elektroden des Defibrillators lagen im Sand, offenbar wurden sie nicht mehr gebraucht. Die Pilotin war tot, ihre braunen Augen immer noch geöffnet. Mit den Tränen kämpfend, wandte Daria sich ab, doch selbst mit geschlossenen Augen sah sie noch den flehenden Blick dieser jungen Frau.
“Tut mir leid, Dar.” Mike, der mit einem der Rettungswagen gekommen war, reichte ihr eine Decke. “Wir übernehmen jetzt. Brauchst du ein Formular für deinen Einsatzbericht?”
Papierkram. Wie konnte Mike ausgerechnet jetzt daran denken? “Ich habe welche im Auto”, antwortete sie mechanisch. Bei dem Versuch, sich die Decke enger um den Körper zu wickeln, streikten ihre eiskalten Finger, und Mike half ihr.
“Du bist unterkühlt”, sagte er. “Geh schnell ins Warme.” Er ging zurück zum Rettungswagen, und sie entfernte sich langsam von dem Schauplatz. Sie fühlte sich benommen und schwindelig. Wo war Pete? Wo Shelly und Andy? Die Luft brannte beim Ein- und Ausatmen wie Feuer in ihrer Brust, und ihre Kehle war durch das übergroße Bedürfnis zu weinen wie zugeschnürt. Mitten in der Menge erblickte sie einen Mann, der Andy gerade einen Stapel Handtücher in die Arme drückte. Der gab ein paar davon weiter an Shelly, die direkt neben ihm stand. Sie presste sich die Handtücher an die Brust, und selbst im spärlichen Licht der Rettungswagen konnte Daria ihr heftiges Zittern sehen.
“Brauchen Sie auch welche?” Eine Frau kam zu Daria und legte ihr einige Handtücher in die Arme.
“Danke”, murmelte Daria. Dann drehte sie sich wieder um, immer noch auf der Suche nach Pete. Schließlich fand sie ihn. Er stand nur wenige Meter von ihr entfernt mit dem Rücken zu ihr. An der Art, wie er sich übers Wasser beugte, erkannte sie, dass er sich übergab. Sie ging zu ihm hinüber und legte ihm eines der Handtücher um die Schultern. Er zitterte unkontrolliert und sah sie nicht an. Nicht einmal, als sie ein neues Handtuch nahm und ihm den Mund abwischte.
Sie spürte sein Bedürfnis nach dem Alleinsein, danach, keine Fragen beantworten und sich keine leeren Mitleidsfloskeln anhören zu müssen. Also rubbelte sie durch das Handtuch hindurch nur seinen Rücken und ließ ihn zu Boden starren. Sein Atem ging unregelmäßig.
Endlich sah er sie an. Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu, ehe er aufs Meer hinausschaute. Die barmherzige Dunkelheit hatte das Flugzeug verschluckt. “Weißt du, was da draußen passiert ist?”, fragte er.
Die Frage verwirrte sie. “Meinst du … Ich verstehe deine Frage nicht.”
Er sah ihr jetzt direkt in die Augen, sein Blick war kalt. “Weißt du, warum ich Shelly so angeschrien habe?”
Sie schüttelte den Kopf. “Nein, keine Ahnung.”
“Deine Schwester”, sagte er langsam und wohlüberlegt, “hat sich auf den Propeller gelehnt, um ins Flugzeug hineinsehen zu können. Deshalb ist es so schnell untergegangen. Deshalb ist die Pilotin jetzt tot.”
Daria fehlten die Worte. “Aber als ich mich umgedreht habe, hat sie nur Wasser getreten. Sie hat versucht, dem Flugzeug Auftrieb zu geben.”
“Nachdem ich sie angeschrien habe, ja.”
“Ja”, gab Daria zu. Sie war starr vor Entsetzen, und das Gewicht der Worte hing wie Blei an ihr. “Das glaube ich nicht”, sagte sie. Shelly hatte doch sicher gewusst, dass sie alles nur noch schlimmer machen würde, wenn sie sich auf den Propeller stützte.
“Glaub's einfach”, sagte Pete kühl. “Ich war so nah dran”, er hielt Daumen und Zeigefinger einen Zentimeter auseinander. “Fast hatte ich diese Frau – dieses Mädchen – befreit, doch dann ging das Flugzeug unter. Shelly besitzt keinen gesunden Menschenverstand.”
“Oh Gott. Das ist furchtbar.” Daria dachte an den Einsatzbericht, den sie zu dem Unfall würde schreiben müssen, und an die Einsatzbesprechung am nächsten Tag. Wie sollte sie das Geschehen bloß erklären? Es würde Shelly umbringen, wenn sie wüsste, welche Rolle sie beim Tod der Pilotin gespielt hatte.
Pete schien angesichts Darias Bedrängnis weich zu werden. Er nahm sie in den Arm. “Sieh mal”, begann er. Den Blick hatte er wieder aufs Meer gerichtet, und Daria konnte das Spiel seiner Kiefermuskulatur sehen. “Niemand weiß, was da draußen geschehen ist. Nur du und ich. Shelly hat keinen blassen Schimmer, was sie angerichtet hat, und ich glaube nicht, dass Andy etwas mitbekommen hat. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Flugzeug sowieso gesunken wäre”, gestand er mit einem Schulterzucken ein. “Und vielleicht wäre die Pilotin so oder so gestorben. Ich finde, wir sollten die Sache für uns behalten.”
“Aber ich muss den Bericht schreiben”, protestierte Daria.
“Dann schreib ihn so, wie du es getan hättest, wenn ich dir nichts erzählt hätte. Tu so, als hätte ich nichts gesagt.”
“Shelly würde es nicht verkraften, wenn sie …”
“Ich weiß. Deshalb … solltest du meine Worte einfach vergessen.”
Sie nickte wie betäubt. Sie hatte keine Wahl, und welchen Unterschied würde es jetzt noch machen? Die Pilotin war tot. Nichts würde sie wieder lebendig machen.
Sie entdeckte Shelly in der sich allmählich lichtenden Menge, ging zu ihr hinüber und legte den Arm um ihre zuckenden Schultern. “Komm, Liebes”, sagte sie. “Mein Auto steht an dem Cottage, wo ich gearbeitet habe. Ich schreibe kurz den Bericht, und dann fahren wir nach Hause.”
Schweigend gingen sie zum Auto. Ein paar Häuser weiter stand Petes Pritschenwagen, und Daria fragte sich, wie lange er wohl noch bliebe. In die Decke gehüllt setzte sie sich hinters Steuer und angelte ihr Notizbuch mit den Berichtformularen von der Rückbank. Sie legte es auf die Knie und fing an zu schreiben. Das Flugzeug begann plötzlich zu sinken, und die Retter konnten nichts dagegen tun, schrieb sie. In der Einsatzbesprechung am nächsten Tag würde sie dieselbe Geschichte erzählen müssen. Das war das erste Mal, dass sie in ihrer Laufbahn als freiwillige Rettungsassistentin log, und sie fragte sich, ob irgendetwas jemals das Schuldgefühl lindern könnte, das sie bis in die Eingeweide spürte.
Als sie mit dem Bericht fertig war, klappte sie ihr Notizbuch zu und blickte auf die Straße. Petes Wagen war weg. Er musste unmittelbar an ihrem Auto vorbeigegangen sein und hatte es nicht einmal für nötig gehalten, sich von ihr zu verabschieden. Sie machte sich Sorgen um ihn, genauso wie um sich selbst.
Weder sie noch Shelly sprachen auf der Heimfahrt ein Wort. Das einzige Geräusch im Wagen war das Geklapper von Shellys Zähnen.
Nachdem sie und Shelly an jenem Abend in der Küche des Sea Shanty still zu Abend gegessen hatten und danach erschöpft ins Bett gefallen waren, rief Pete an. Daria stellte das Telefon vom Nachttisch auf ihr Kopfkissen.
“Wie geht es dir?”, fragte Pete.
“Nicht so besonders”, antwortete sie. Alles schien falsch. Sie hatte im Bericht gelogen, Shelly hatte ahnungslos einen schrecklichen Fehler gemacht, und eine junge Frau war vor ihren Augen einen grausamen Tod gestorben. Sie blickte zur dunklen Decke und hielt den Hörer ans Ohr.
“Ich weiß”, sagte Pete. “Das war eine grässliche Sache.”
“Mmmm.”
Sie hörte, wie Pete Luft holte. “Ich finde, wir sollten über Shelly sprechen.”
Ihre Muskeln spannten sich an. Dies wäre nicht ihre erste Diskussion über Shelly, aber diesmal hatte er die besseren Karten. “Ich will nicht”, erklärte sie.
“Aber wir müssen”, entgegnete Pete. “Das heute war der eindeutige Beweis, dass sie mehr braucht, als du ihr geben kannst, Daria. Ich weiß, du willst das nicht hören, aber du musst den Tatsachen ins Auge sehen. Ihr Urteilsvermögen ist armselig. Sie braucht eine betreute Wohngruppe. Das siehst du jetzt doch auch ein, oder? Daria?”
Daria schloss die Augen. “Shelly bleibt bei mir.”
Pete seufzte.
“Ich weiß genau, warum du sie abschieben willst”, sagte Daria. “Wenn sie irgendwo in einer … betreuten Wohngruppe, wie du es nennst, lebt, bin ich frei und kann mit dir nach Raleigh gehen.” Man hatte Pete eine Verwaltungsstelle in einer großen Baufirma in Raleigh angeboten, einen Job, den er gern annehmen wollte, und er hatte Daria bekniet, mit ihm zu gehen. Doch als sie vor Kurzem seinen Heiratsantrag angenommen hatte, hätte sie nie gedacht, dass dies den Abschied von den Outer Banks bedeuten würde. Den Abschied von Shelly. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Shelly jemals allein würde leben können, aber diese Betreutes-Wohnen-Kiste, zu der Pete sie ständig drängen wollte, stand nicht zur Debatte. In den vergangenen Wochen hatte sie sich zerrissen gefühlt – auf der einen Seite ihre Schwester, auf der anderen der Mann, den sie heiraten wollte. Sie konnte nicht ohne Shelly nach Raleigh ziehen, und Shelly würde die Outer Banks – den einzigen Ort auf der Welt, an dem sie sich geborgen fühlte – nie und nimmer verlassen.
“Nun ja”, meinte Pete, “das wäre natürlich ein schöner Nebeneffekt. Aber es geht mir wirklich nur darum, was das Beste für Shelly ist.”
“Genau wie mir.”
Pete versuchte es aufs Neue. “Was würde passieren, wenn ich damit einverstanden wäre, dass Shelly bei uns lebt, und …”
“Sie würde nie im Leben nach Raleigh gehen.”
“Ich weiß, ich weiß. Aber rein hypothetisch. Sagen wir, ich wäre damit einverstanden, dass sie bei uns wohnt, und wir bekommen irgendwann Kinder. Nach dem heutigen Vorfall könnte ich sie niemals ruhigen Gewissens mit den Kindern allein lassen.”
Das ist doch lächerlich, dachte Daria. Shelly ist doch keine Gefahr für die Allgemeinheit. Und außerdem: Nach all dem, was heute passiert war – wie sollte sie da mit ihm diskutieren?
“Sieh mal, Daria”, hob Pete mit einem weiteren Seufzer an. “Ich wollte dir nie ein Ultimatum stellen. Aber je mehr ich darüber nachdenke, und vor allem nach dem heutigen Tag, umso mehr habe ich das Gefühl, etwas mehr Druck machen zu müssen. Ich will diesen Job in Raleigh wirklich. Und ich will dich wirklich heiraten. Aber wenn du nicht mit mir – und ohne Shelly – nach Raleigh gehen willst, weiß ich nicht, wie das funktionieren soll.”
Einen Moment lang war sie still. “Willst du damit sagen … du beendest deswegen unsere Beziehung? Nach fast sechs Jahren?”
“Ich sehe einfach keinen anderen Ausweg”, gestand Pete. “Du lässt mir keine andere Wahl, als im Sea Shanty oder irgendwo anders auf den Outer Banks zu leben. Mit dir und Shelly. Aber ich will dich heiraten, Daria. Nicht Shelly. Und ich brauche den Job in Raleigh. Ich kann in meinem jetzigen Beruf nicht ewig arbeiten. Allein körperlich nicht. Ich will diesen Verwaltungsjob.”
Wenn er es so darstellte, hatte sie das Gefühl, ihre Forderungen seien unzumutbar. Aber trotzdem, unzumutbar hin oder her – sie konnte ihm seinen Wunsch nicht erfüllen. Zum zweiten Mal an diesem Tag schnürten ihr unvergossene Tränen die Kehle zu.
“Ich liebe dich”, sagte sie. “Aber ich kann nicht tun, was du von mir verlangst.”
“Mensch, Daria!”, explodierte Pete plötzlich. “Du lebst dein Leben nur für Shelly. Ihre Bedürfnisse stehen immer – immer – an erster Stelle. Nie stellst du meine Bedürfnisse – geschweige denn deine eigenen – vor ihre.”
“Pete …”
“Ich muss der Wahrheit endlich ins Gesicht sehen.” Sie hörte die Wut in seiner Stimme. “Ich wünsche dir Glück, Daria. Viel Glück für dein weiteres Leben.”
Dann war die Leitung tot, und Daria brauchte ein paar Sekunden, ehe sie den Hörer auf die Gabel legte. Warum war ihr nur nicht nach Weinen zumute? Wieso verspürte sie diese seltsame Erleichterung? Sie war es so dermaßen leid, sich mit Pete über Shelly zu streiten.
“Daria?” Zaghaft öffnete Shelly Darias Zimmertür einen Spalt. “Schläfst du?”
“Nein. Komm rein”, antwortete Daria und setzte sich auf.
“Ich kann nicht schlafen.” Im Nachthemd und mit offenen Haaren kam Shelly herein.
“Ich auch nicht.” Daria rückte ein Stück, um ihrer Schwester auf dem breiten Bett Platz zu machen.
“Wegen der Pilotin?”, fragte Shelly.
“Ja.” Unter anderem.
“Ich muss die ganze Zeit daran denken, wie sie gestorben ist. Wie grausam ihr Tod war.”
“Ja, das war er”, stimmte Daria ihr zu.
“Wie alt war sie?”
“Ich meine gehört zu haben, dass sie achtzehn war.”
“Achtzehn.” Shelly blinzelte, und Daria konnte im Mondlicht Tränen in ihren Augen glitzern sehen. “Drei Jahre jünger als ich. Das ist einfach nicht gerecht.”
“Ich weiß. Viele Dinge im Leben sind nicht gerecht.”
“Ich wünschte, ich wäre an ihrer Stelle gewesen.”
Darias Alarmglocken schrillten. “Was meinst du damit?”
“Ich meine nicht, dass ich sterben will”, sagte Shelly schnell. “Es tut mir nur so leid, dass sie drei ganze Jahre weniger auf der Welt war als ich.”
Daria lächelte und zog ihre Schwester nah an sich heran. “Du bist wirklich ein Goldstück.” Shellys Argumentation rührte sie. Sie war froh darüber, im Einsatzbericht gelogen zu haben. Und sie würde auch in der Besprechung am nächsten Tag lügen. Wie konnte Pete nur von ihr verlangen, ihre Schwester alleinzulassen?
Rory legte den Arm um Daria. “Was für ein entsetzliches Erlebnis”, sagte er. “Ich nehme an, du hast Shelly nie erzählt, was wirklich passiert ist?”
“Du kennst Shelly zwar noch nicht lange, aber sicher kennst du sie gut genug, um zu wissen, dass sie damit nicht fertig werden würde.” Sie lehnte den Kopf an die Fliegengittertür hinter sich und sah in den Sternenhimmel. Rorys Arm fühlte sich auf ihren Schultern warm und beschützend an. “Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich diesen falschen Bericht geschrieben habe. Ich habe gelogen.” Sie schlug sich mit der Faust aufs Knie. “Ich habe bei einer so wichtigen Sache noch nie gelogen, aber ich konnte Shelly in diesen Schlamassel einfach nicht mit reinziehen. Pete hat gesagt, die Pilotin wäre vielleicht auch so gestorben, aber ich weiß nicht …”
“Was für ein Albtraum.”
“Deshalb habe ich die Arbeit als Sanitäterin an den Nagel gehängt. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wieder zu einem Einsatz zu fahren. Ich konnte die Vorstellung, noch ein Unfallopfer zu verlieren, einfach nicht ertragen. Und ich habe mich … nein, ich hasse mich immer noch dafür, weil ich Shelly erlaubt habe, zu uns rauszuschwimmen; und weil ich ihren Fehler vertuscht habe. Die Leute hier sehen zu mir auf, und ich fühle mich wie eine elende Betrügerin.”
“Ich finde, du hast das einzig Richtige getan. Was hätte es denn gebracht, Shelly an den Pranger zu stellen? Es hätte sie bloß verletzt, aber geändert hätte es rein gar nichts.”
“Ich hätte sie erst gar nicht zum Flugzeug schwimmen lassen dürfen.”
“Aber du dachtest doch, sie könnte euch helfen. Hat sie dir jemals zuvor einen Anlass gegeben zu glauben, dass sie einen Fehler von dieser Tragweite machen könnte?”
“Nein”, gestand sie ein. “Deshalb war ich ja auch so erschrocken. Es war so kalt im Wasser. So versuche ich, es mir schönzureden. Vielleicht haben die Kälte und die Aufregung sie so verwirrt, dass sie die Situation nicht mehr richtig einschätzen konnte. Wir alle waren durcheinander. Ich glaube, keiner von uns konnte noch klar denken.”
“Wie ist die Sache zwischen dir und Pete ausgegangen?”
“Pete war so enttäuscht, dass er praktisch schon am nächsten Tag nach Raleigh gezogen ist. Auch er hat bei der Rettung aufgehört; vermutlich aus demselben Grund wie ich. Trotzdem – mir fehlt die Arbeit so.” Wieder brach ihre Stimme.
Für einen Moment schwiegen sie beide und lauschten nur dem Meeresrauschen.
“Warum hast du das heute Abend gemacht?”, fragte Rory schließlich. “Wieso bist du zur Unfallstelle gefahren?”
“Ich hatte gehofft, ich würde irgendeine Kraft in mir finden und helfen können. Sie sind wirklich stark unterbesetzt, das weiß ich. Aber als ich dort ankam und sah, wie schwer der Unfall war, bin ich zur Salzsäule erstarrt. Ich würde es einfach nicht verkraften, wenn noch mal jemand in meinen Armen stirbt. Und ich fühle mich dabei so egoistisch.” Wieder schlug sie sich mit der Faust aufs Knie. “Egoistisch. Schuldig. Feige …”
“Shhh.” Rory zog sie behutsam noch näher an sich heran und legte seine Arme fester um sie.
Ihr Kopf sank an seine Brust. “Entschuldige”, sagte sie dann und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen ab.
“Was denn?”
“Dass ich das alles auf dir ablade. Du bist der Einzige, dem ich es erzählt habe.”
“He, ich freue mich darüber”, sagte er mit weicher Stimme. “Auch wenn ich weiß, dass du mir eigentlich nur davon erzählt hast, um mir klarzumachen, wie schlecht es um Shellys Urteilsvermögen bestellt ist. Aber es ist doch ein riesiger Unterschied, ob man in einer Extremsituation den Überblick verliert oder ob man wissen möchte, wer die eigenen Eltern sind. Stimmst du mir da zu?”
Daria schloss die Augen. Natürlich hatte er recht. “Ich schätze schon”, sagte sie schwach.
Sie spürte, wie er den Kopf zur Sackgasse drehte. Zack und Kara schlenderten über die Straße. Sie sahen fast aus wie eine Person, so eng schmiegten sie sich aneinander.
“Sie sehen uns nicht”, flüsterte Rory.
Zack und Kara blieben vor dem Cottage der Wheelers stehen, wandten sich einander zu und verharrten in einer langen und innigen Umarmung.
“Ich mache mich wohl besser mal bemerkbar”, sagte Rory. Bevor er aufstand, drückte er noch einmal sanft ihre Schultern. Dann fragte er: “Kann ich dich allein lassen?”
“Ja. Es geht mir gut.” Sie lächelte ihn an. “Danke fürs Zuhören.”
“Jederzeit.” Er beugte sich zu ihr hinunter und gab ihr einen Kuss auf die Wange. “Dafür sind Freunde doch da.”