25. Kapitel

Ein großer gelber Mond sah durchs Fenster. Wilma drehte sich auf die Seite und kuschelte ihren Kopf an Simons muskulöse Brust.

"Und du bist sicher, dass wir Roger nicht überfordern?" fragte sie skeptisch, während ihre Finger sanft über Simons warme Haut strichen.

Er schüttelte den Kopf.

"Der Junge liebt dich", murmelte er leise. "Mindestens genauso sehr wie ich. Er wird glücklich sein, wenn er erfährt, dass du bald für immer bei uns bleibst."

"Ach, Simon." Wilma hauchte einen Kuss auf seine Brust. "ich kann es irgendwie noch gar nicht glauben. Gestern waren wir uns noch spinnefeind und heute..."

"Sind wir verlobt", lachte Simon glücklich. Er zog Wilma noch ein Stückchen näher an sich. "Aber wenn ich ehrlich bin, dann habe ich mich schon vor einiger Zeit in dich verliebt."

"Wann?"

Er lachte leise.

"Ich weiß es nicht genau. Irgendwann, als du mich zum ersten Mal angefaucht hast, glaube ich." Seine Stimme wurde ernst. "Aber ich habe mich gegen die Gefühle in mir gewehrt. Wilma, ich muss dir etwas erzählen." Simon legte sich etwas bequemer zurecht und schloss Wilma erneut in die Arme. "Als ich Rogers Mutter heiratete, war ich sehr, sehr verliebt in sie. Aber unsere Ehe hielt nur ganze zwei Jahre. Sie lernte schon bald nach unserer Hochzeit einen anderen Mann kennen, mit dem sie mich monatelang betrog. Dann trennte er sich von ihr und wir versöhnten uns. Aber als Gina schwanger war, tauchte der Kerl wieder auf und von da an war alles aus. Gina hatte nur noch diesen Mann im Kopf."

Er unterbrach sich, um Luft zu holen.

"Ich hoffte, dass das Kind alles ändern würde", fuhr Simon mit leiser Stimme fort. "Aber nur zwei Tage nach Rogers Geburt ist Gina auf Nimmerwiedersehen aus dem Krankenhaus verschwunden. Sie hat mich vom Flughafen aus angerufen, dass sie mit diesem Mann ins Ausland geht und nie mehr zurückkehren wird. Danach habe ich nur noch sporadisch von ihr gehört. Sie lebt jetzt irgendwo in der Nähe von Madrid, ist verheiratet, aber nicht mit ihrer großen Liebe und scheint recht wohlhabend zu sein."

Wilma lauschte, ohne Simon zu unterbrechen. Das Gehörte entsetzte sie. Was musste das für eine Frau sein, die ihr neugeborenes Kind einfach im Stich ließ?!

"Ich habe lange unter der Trennung gelitten", eröffnete ihr Simon ehrlich. "Und dann habe ich mir geschworen, dass mir so etwas nicht noch einmal passieren sollte. Und auch mein Sohn sollte stark und unabhängig werden, damit er nicht von seinen Gefühlen, sondern von seinem Verstand geleitet wird. Niemand sollte ihm jemals so weh tun, wie es mir geschehen ist. Und auch ich wollte nicht noch einmal den Schmerz einer hoffnungslosen, enttäuschten Liebe durchleiden müssen."

Hier unterbrach ein Seufzer Simons Ausführungen. Er drehte den Kopf und presste seine Lippen auf Wilmas duftendes Haar.

"Ich hielt meinen Schwur. Aber dann kamst du", fuhr er schließlich fort. "Ich versuchte zwar, mich eisern an meine Vorsätze zu klammern, mir einzureden, dass Liebe nur ein Wort ist, das Romantiker verklären. Aber dann bist du in mein Büro gestürmt und hast mich ohne Vorwarnung geküsst. Und da brach mein ganzer schöner Zaun, den ich um mein Herz errichtet hatte, mit einem Mal zusammen."

"Gott sei Dank!" Wilma küsste ihn rasch auf die Wange. "Ohne Zaun gefällst du mir besser."

Simon drückte sie ganz fest an sich.

"Ach, Liebling, ich möchte dich am liebsten nie wieder loslassen."

Ein zaghaftes Klopfen unterbrach das zärtliche Geplänkel. Langsam, ganz behutsam wurde die Tür aufgezogen und dann tappte Roger ins Zimmer. Das Mondlicht ließ seinen sonnengelben Schlafanzug weiß leuchten. Er sah aus wie ein süßes, kleines Nachtgespenst.

"Papa, Wilma?" Roger blieb vor dem Bett stehen. "ich kann nicht schlafen."

"Du kannst nicht schlafen?" Simon streckte die freie Hand nach ihm aus. "Komm her, mein Junge. Erzähle mal, weshalb kannst du nicht schlafen?"

Roger kam zu ihm gelaufen und streckte sich neben seinem Vater auf dem Bett aus.

"Ich kann nicht schlafen, weil ich mich die ganze Zeit frage, ob Wilma jetzt bei uns bleibt." Er richtete sich auf, um seinem Vater etwas ins Ohr zu flüstern.

"Frag sie doch", lachte Simon leise, als sich Roger wieder ausstreckte.

"Nein, du." Roger verschränkte die Arme vor der Brust.

"Was wollt ihr fragen?" erkundigte sich Wilma neugierig.

Vater und Sohn wechselten einen schnellen Blick miteinander, dann drehte sich Simon zu ihr herum.

"Also gut, ich werde für meinen Sohn sprechen." Noch ein rascher Blick zu Roger, der eifrig nickte. "Frau Wilma Bogner, ich frage Sie im Namen meines Sohnes, ob Sie seine Stiefmutter werden möchten."

Jetzt fasste sich auch Roger ein Herz.

"Und ich frage für meinen Papa, ob du seine Frau werden möchtest?" trompetete er los. "Wir haben dich nämlich beide schrecklich lieb, weißt du und möchten, dass du immer bei uns bleibst."

Da konnte Wilma nicht widerstehen.

"Bei zwei so romantischen Anträgen kann ich einfach nicht nein sagen!" rief sie glücklich. "Ich sage mit Freunden 'ja'!"

"Hurra!" Roger sauste aus dem Bett und begann wie ein Gummiball im Zimmer herumzuhüpfen. "Wir heiraten, wir heiraten, wir heiraten!"

"Aber jetzt schlafen wir erst mal", unterbrach Simon den Freudentanz seines Sohnes. "Ab mit dir, auf dein Zimmer. Und dann Licht aus, unter die Decke und Matratzenhorchdienst antreten."

"Aye. Aye, Kapitän." Roger salutierte, dann hüpfte er aus dem Zimmer.

"Willst du wirklich zwei so verrückte Typen ein Leben lang um dich haben?" fragte Simon leise, nachdem Roger das Zimmer verlassen hatte.

"Ja", flüsterte Wilma selig. "Und ich hoffe, es werden noch mehr."

Da zog sich der Mond ganz schnell eine Wolke heran, hinter der er sich verstecken konnte. Es war ihm nämlich langsam peinlich, ständig in das Schlafzimmer des glücklichen Paares zu starren.