12. KAPITEL

Alles beim Alten

Die Nächte, die Cyrus’ Verwandlung in einen Vampir folgten, waren fast unerträglich. Nach meiner ersten und letzten Weigerung, ihm nahe zu sein, schmollte Cyrus und wurde immer schwieriger. Auch wenn er mich nicht verbal attackierte, so benutzte er die Blutsbande doch zu seinem Vorteil, indem er mir Bilder sandte, die uns in blutrünstige Handlungen verwickelt zeigten. In den ersten Tagen konnte ich das tolerieren. Aber nach einer Weile wurden mir die Scherze zu blöd, und ich gab es auf, ihn zu ignorieren.

Nathan kehrte in die Wohnung zurück. Aber ich machte mir nichts vor: Er hatte mir nicht verziehen. In der Abstellkammer gab es kein Bett mehr, das hieß, er musste auf dem Boden geschlafen haben, und das war wahrscheinlich nicht sehr bequem. Wir sprachen kaum miteinander, und da Cyrus ebenfalls kühl schwieg, fand ich die Stimmung in der Wohnung mehr als frostig.

Ganz zu schweigen davon, dass wir nach stundenlanger Recherche keine weiteren Informationen über den Souleater oder was er mit dem Orakel vorhatte, entdecken konnten. Ich hatte das Bordell angerufen, in dem der Souleater vermutlich abgestiegen war. Das heißt, ich habe das einzige Bordell angerufen, in dem es für ihn sinnvoll gewesen wäre zu bleiben. Es überraschte mich nicht sonderlich, dass die Nummer von March’s nicht mehr existierte und dass ihr Etablissement aus der Liste der registrierten Bordelle in Nevada gestrichen worden war.

„Sie bleiben natürlich nicht an einem Ort und warten darauf, dass jemand sie findet“, hatte Cyrus spöttisch angemerkt. „Es sei denn, du willst noch eine Woche damit verschwenden, durch die Wüste zu fahren.“

Und das wollte ich natürlich nicht. Nathan auch nicht. Obwohl wir uns auf wenige andere Dinge einigen konnten, wussten wir, dass der Souleater zu viel unterwegs war, als dass es sinnvoll gewesen wäre, ihm nachzufahren. Außerdem war er viel schneller als wir.

Wenn der Souleater nicht gefunden werden wollte, würden wir ihn auch nicht finden können. Und ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass, wenn er es wollte, er uns aufsuchen würde.

„Mir fällt nichts mehr ein“, beschwerte ich mich bei Nathan, während ich eines Morgens neben ihm auf dem Bett saß. Wir hatten uns nach unserer Auseinandersetzung nicht wieder vertragen, aber in der Zwischenzeit waren wir höflich zueinander und ignorierten, was geschehen war. Es schien nicht so, als würde er überhaupt über eine Wiedergutmachung nachdenken. Wenn wir den Souleater besiegt haben würden, wäre es wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit, und Nathan würde mich und Cyrus vor die Tür setzen.

Nathan legte sich das Buch, in dem er gerade las, auf die Brust und rieb sich die Augen. Er las viel in letzter Zeit, bevor er einschlief. Wahrscheinlich, weil er damit vermied, mit mir reden zu müssen. „Mach dir darüber jetzt keine Sorgen, es war eine lange Nacht.“

„Aber ich mache mir darüber Sorgen. Wir haben nur noch wenig Zeit, bevor Max und Bella das Orakel finden.“

Max hatte uns an jenem Abend angerufen und uns über den Stand der Dinge informiert. Sie wollten Danvers gegen Sonnenaufgang erreichen, sich einen Ort suchen, wo sie erst einmal blieben, und dann damit beginnen, ein Netzwerk aufzubauen.

Nathan stimmte mir zu, dass es dann nicht mehr lange dauern würde, bis die Schergen des Orakels die beiden aufgespürt hätten.

Nathan seufzte. „Mir ist klar, dass uns die Zeit davonrennt, Carrie. Aber wir können im Moment nichts unternehmen.“

Mit einem unzufriedenen Grummeln drehte ich mich auf die andere Seite, damit ich ihn nicht anzusehen brauchte. Aber ich kam nicht zur Ruhe, und meine Gedanken kreisten immer wieder um dieselben Lösungen, die nicht funktionieren würden, bis ich es nicht mehr ertrug. „Was ist mit Dahlia?“

„Was soll mit ihr sein?“ Nathans Stimme klang überdrüssig, er hatte seine „Nun gib schon Ruhe“-Haltung perfektioniert. „Sie wird dich bestimmt töten, und wir wollen doch nicht, dass sie Cyrus erwischt.“

Hört endlich auf, so zu reden, als wäre ich nicht im Nebenzimmer.

Ich schob Cyrus’ Gedanken beiseite.

„Ich weiß. Vielleicht könnte ich bei ihr einbrechen. Oder so etwas.“ An Cyrus gewandt fragte ich: Hast du noch Ideen?

Was ist mit Clarence?, hörte ich Cyrus’ Stimme in meinen Gedanken widerhallen. Er hat dir geholfen, mich zu hintergehen, und ich weiß genau, dass er Dahlia nicht ausstehen konnte. Jedenfalls tat er so, wenn ich dabei war.

„Das ist eine Idee“, murmelte ich aus Versehen laut.

„Was ist eine Idee?“ Nathan versuchte gelangweilt und desinteressiert zu klingen, aber wir waren immer noch durch die Blutsbande miteinander verbunden. Seine Genervtheit und seine Eifersucht hatten ihren Höhepunkt erreicht. Seitdem ich Cyrus verwandelt hatte, konnte er seinen Groll nur schlecht verbergen.

„Nichts.“ Ich machte eine wegwerfende Handbewegung, aber ich hörte mich hinterhältig sagen, „Ich dachte nur still in mich hinein.“

Nathan schloss die Augen und runzelte frustriert die Stirn. Einen Moment lang dachte ich, er würde einen Wutanfall bekommen. Cyrus musste meine Angst gespürt haben, denn ich bemerkte durch die Blutsbande, dass er mich beschützen wollte. Dieser Rollentausch verunsicherte mich. Ich hätte nie geglaubt, dass ich jemals den Tag erleben würde, an dem Cyrus sich um mein Wohlergehen Sorgen machte.

Aber Nathan ließ sich nicht ablenken. Er öffnete die Augen und sah mich an, sah mir seit Tagen zum ersten Mal direkt in die Augen. „Ich hasse es.“

Bevor ich fragen konnte, worüber er sprach, fuhr er fort: „Ich hasse es, dass er wieder in deinem Kopf ist. Im Prinzip hat es mir vorher nichts ausgemacht, aber jetzt nervt es mich richtig.“

Aus irgendeinem Grund berührte mich dieses Geständnis. „Dir war es egal, dass er mein Schöpfer war, als wir uns kennenlernten?“

Nathan zuckte mit den Schultern. „Nein, es war eher eine Erleichterung.“

„Für mich aber nicht. Wie du dich erinnerst, hast du mir damit gedroht, mich umzubringen.“ Die Spannung zwischen uns schien ein bisschen zu weichen. Aber ich verhielt mich weiter vorsichtig. „Warum macht es dir denn jetzt etwas aus?“

„Weil ich weiß, dass du ihn geliebt hast.“ Es klang so nüchtern, so trocken.

Auch ich hätte es nicht anders ausgedrückt. Allerdings hätte ich noch etwas hinzugefügt wie „… irgendwie“ oder „… ein bisschen“.

Stimmt das? Du hast mich geliebt?“

Ich versuchte, die Verbindung zu Cyrus für einen Moment auszuschalten. „Glaubst du, ich habe ihn dir vorgezogen? Geht es darum?“

„Wie könnte es denn um etwas anderes gehen?“ Nathan lächelte traurig. „Ich kann dir keine bedingungslose Hingabe versprechen. Ich kann dir nicht mein ganzes Herz geben. Nicht nach dem, was du getan hast. Aber ich will dich auch nicht verlieren.“

„Du kannst mich also nicht richtig haben, oder? Weil du mir nichts zurückgeben willst?“ Ich wollte mich ihm nähern, wollte ihn berühren, das bewirkte meistens, dass alles nicht mehr so schlimm war, wie es aussah. Aber es wäre eine Lüge gewesen. „Du wirst mich nicht verlieren. Cyrus ist jetzt … anders. Er braucht mich nicht.“

Da wäre ich mir nicht so sicher …

„Er braucht mich nicht“, wiederholte ich, eher zu meinem Besten als zu seinem.

„Ich glaube, deswegen war er früher so fordernd. Obgleich er mich benutzt und gequält hat, brauchte er jemanden, der ihn liebte. Das hat er jetzt gehabt, und er wird die Art Liebe, die ich ihm geben könnte, nicht wollen.“

Und die wäre?

„Und welche Sorte Liebe wäre das?“, wiederholte Nathan Cyrus’ telepathische Frage.

Ich stellte sicher, dass die Verbindung zu meinem Zögling sehr durchlässig war, als ich fortfuhr. „Die falsche Art. Die mitleidige Art.“

Süßes Mädchen.

Nathan lächelte. „Das ist die Sorte Liebe, von der du glaubst, ich gäbe sie dir.“

„Vielleicht ist es eher so, dass ich dich bemitleide“, entgegnete ich sanft. „Jedenfalls, er wird mich nicht wollen, nicht so, wie er mich früher begehrte. Also wird er mich nicht mehr verfolgen, wie er es sonst getan hat.“

Und ich würde auch nicht mehr wie früher Gefahr laufen, seine unwahre zweifelhafte Liebe, die er mir angeboten hatte, zu wollen.

Ich wollte nie mehr die Lückenbüßerin für eine verlorene Liebe sein.

Nathan hörte den letzten Satz, den ich nicht ausgesprochen hatte. „Warum willst du dann, dass ich dich liebe?“

Warum? In dem Moment, als ich Nathan begegnet war, fand ich ihn attraktiv. Ich war beeindruckt von seiner Hingabe zu seiner toten Frau und seinem inoffiziell adoptierten Sohn. Dann wurde er mein Schöpfer, und diese Tatsache brachte wiederum ganz andere Gefühle mit sich. Aber warum liebte ich Nathan?

Vorsichtig öffnete ich den Mund, weil ich nicht wusste, was ich sagen wollte. „Weil ich weiß, wie sehr du Marianne geliebt hast. Ich verstehe, warum Cyrus Mouse liebte. Und ich frage mich …“ Ich hielt inne, denn überraschend musste ich schluchzen. „Ich frage mich, ob jemand mich jemals so lieben wird.“

Schweigend nahm er mich in den Arm.

Ich konnte nicht aufhören zu weinen. Auch wenn ich immer glaubte, ganz gut zu wissen, was ich fühlte, gab es offensichtlich einige emotionale Themen, die ich verdrängt hatte. Jetzt brachen meine Frustration und mein Kummer durch. Ich konnte mich nicht länger zurückhalten.

Jemand wird dich so lieben können. Ich hätte es getan, wenn du mir dazu die Chance gegeben hättest. Cyrus’ Gedanken lösten in mir Bilder aus von Dingen, die wir nie zusammen erlebt hatten: Er und ich lagen in seinem riesigen Bett in seinem Haus. Er hielt mich im Arm, während ich zufrieden lächelte. Cyrus sah mir stolz nach, während ich in einem Designer-Kleid elegant und wunderschön durch den Ballsaal schritt. Dasselbe Kleid lag in einem Haufen auf dem Fußboden, während ich mit einem unbekannten jungen Mann ins Bett stieg, dann sah ich seine toten Augen, während ich mich an seiner Kehle labte.

Würgend setzte ich mich auf.

„Carrie, was ist?“ Nathan, der mich eben noch getröstet hatte, war jetzt aufrichtig um mich besorgt.

Sag es ihm, Carrie. Sag ihm, was los ist.

Blut rann in schmalen Bächen von meinen tiefroten Lippen meinen Hals hinab bis zu meinen Brüsten. Cyrus legte seine eiskalten Hände auf meine Schultern, während er mit rauer Zunge das Blut von meiner Haut leckte.

„Nein!“ Ich hielt mir den Kopf und versuchte verzweifelt, diese Bilder zu stoppen, aber Nathan würde wahrscheinlich die Ursache dieser Visionen erraten und Cyrus etwas antun.

Er ahnte es tatsächlich, aber anstatt ins Arbeitszimmer zu laufen und Cyrus in Stücke zu reißen, hielt er mich an den Schultern fest und schüttelte mich sanft. „Carrie, komm schon. Du kannst das verhindern. Du hast die Kontrolle. Konzentriere dich einfach und schließe ihn von deinen Gedanken aus.“

Ich hatte viel Übung darin, die Blutsbande zwischen Nathan und mir zu kappen oder wiederherzustellen. Und es schien viel leichter zu sein, wenn man auf der Seite des Erschaffers war. Ich holte tief Luft und stellte mir vor, wie ich eine Mauer errichtete. Nathan hatte mir einmal vorgeschlagen, mir einen Ball aus weißem Licht vorzustellen, aber mir schien die Idee einer starken Mauer für diesen Zweck sinnvoller. Ich war froh, als Cyrus’ Schwall widerlicher Visionen dünner wurde und schließlich ganz verschwand.

„Was hat er dir gezeigt?“ Nathan runzelte die Stirn, bis die Furchen nicht tiefer sein konnten. Das war ein sicheres Zeichen dafür, dass er vor Zorn kurz davor war durchzudrehen.

Ich hatte keineswegs vor, ihm zu sagen, was ich soeben gesehen hatte. Vor allem nicht, da er Cyrus gestern noch am liebsten umgebracht hätte. „Ich kümmere mich morgen darum.“

Er starrte mich an, als würde ich jeden Augenblick wahnsinnig werden. „Bist du sicher?“

Ich nickte und versuchte, optimistisch zu lächeln. „Ja. Nimmst du mich einfach wieder in den Arm?“

Nathan strich mir übers Haar, während wir miteinander unter der Decke lagen. Ob er dachte, ich sei eingeschlafen, konnte ich nicht sagen, aber nach langer, langer Zeit küsste er mich aufs Ohr und flüsterte: „Tut mir leid, dass wir uns gestritten haben, Liebling. Das bedeutet zwar nicht, dass ich im Unrecht war, aber ich bedaure, dass wir wieder dieselben Diskussionen führen.“

Mit einem bittersüßen Lächeln schlief ich ein. Mein Kopf war leer, und Gott sei Dank blieben weitere Schreckensvisionen aus.

Ich wachte davon auf, dass zwei Hände meine Brüste und meinen Bauch streichelten und dann zwischen meine Beine tauchten. Als mich ein Mund küsste, lächelte ich und streckte mich faul. Ich freute mich über die Aufmerksamkeiten. Indem ich meine Arme um Nathans Hals legte, schmiegte ich mich gegen seinen kalten muskulösen Körper.

Er schob mein Bein über seine Hüfte, sein Schwanz drängte hart und gierig gegen meine Öffnung. Ich war feucht und bereit, ihn aufzunehmen. Mühelos drang er in mich ein. Ich schrie vor Wonne auf. Seine Finger zogen entlang meiner Arme und meinem Nacken Spuren hinauf.

Eine weitere Hand schob sich zwischen unsere Körper. Ich öffnete sofort die Augen und schrie entsetzt auf.

Nathan lächelte und schien sich nicht daran zu stören, dass eine weitere Person mit uns im Bett war. Ich spürte, wie ein kalter Bauch gegen meinen Rücken drückte, und als ich mich umdrehte, erkannte ich Cyrus, der hinter mir lag. Als er mich an meinen sensibelsten Stellen streichelte, lächelte er mich ebenso wissend an, wie Nathan es gerade getan hatte. Ich lehnte mich gegen Cyrus und schloss genießend die Augen.

Das ist nicht richtig, protestierte eine Stimme in mir. Das darf nicht wahr sein.

Aber es war auch nicht real. Es war ein Trick, ein Traum.

Es fühlte sich aber so real an.

Wieder öffnete ich die Augen und sah hinunter, wo Nathan in mich hinein- und herausglitt. Cyrus umspannte mit seinen Fingern Nathans Schwanz, der feucht und glänzend von meinen Sekreten war. Nathan vergrub mit einem Stöhnen seinen Kopf an meinem Nacken. Ich spürte, wie sein Gesicht sich verwandelte, als er mit den Lippen meinen Hals berührte und mich mit seinen Reißzähnen neckte. Cyrus’ Erektion stieß gegen meinen Rücken, während er mir spielerisch mit den Fingern über die Haut strich. Der Druck in meinem gequälten Körper wurde fast unerträglich. Ich bettelte wie von Sinnen und presste Nathans Mund gegen meinen Hals. Cyrus führte seinen Schwanz zu meinem Po und stieß in demselben Augenblick hinein, in dem Nathans Reißzähne meine Haut am Nacken durchstießen.

Ich schrie vor Überraschung auf, denn als Cyrus in mich eindrang, war das Gefühl zugleich schön und schmerzhaft. Aber seine gekonnten Bewegungen in meinem überreizten Körper, dazu noch Nathans Mund, der das Blut aus meinem Nacken saugte, und sein Schwanz, der in mir pulsierte, ließen mich alles vergessen. Zwischen den beiden aufgespießt, schrie ich befreit auf.

Benommen öffnete ich die Augen. Obwohl ich allein im Bett war, zitterte mein Körper noch von der Intensität des Traumes, und die Feuchtigkeit zwischen meinen Schenkeln bestätigte, was für eine enorme physische Wirkung er auf mich ausgeübt hatte. Ich drehte mich auf die Seite und schob mir eine schweißnasse Strähne von der Stirn. Dann las ich den Notizzettel, den Nathan auf sein Kissen gelegt hatte. „Bin arbeiten. Nathan.“

Ich ging in die Küche und setzte den Kessel auf den Herd, um eine Portion Blut für Nathan und mich aufzuwärmen. Die Becher würde ich mit nach unten nehmen und ihm im Laden helfen, ob es nötig war oder nicht. Alles, was die sensible Waffenruhe zwischen uns verstärken konnte, war mir recht. Und ich hätte einen Grund, mich von meinem perversen Zögling zu entfernen.

Während sich das Blut erwärmte, zwang ich mich, nicht mehr an meinen Traum zu denken. Natürlich hatte Cyrus ihn geschickt, um mich auch nachts mit Beleidigungen zu quälen, wie er es auch tagsüber schon tat. Was hatte diese böse Rückkehr des Mannes bewirkt, der mich noch vor vier Monaten missbraucht und gequält hatte? Er hatte behauptet, dass die Zeit, die er mit Mouse verbrachte, ihn gerettet hätte, aber er schien wieder seine alten Verhaltensweisen aufzunehmen, als hätte ich einen Schalter bei ihm umgelegt. War es einfach die Tatsache, untot zu sein, dass Vampire böse wurden? Oder lag es an Cyrus?

Oder lag es an mir? Als er mein Schöpfer wurde, war es sein Blut gewesen, das mich zur Selbstzerstörung verführt hatte. War es jetzt mein Blut, das ihn dazu brachte, sich so zu benehmen?

Der Kessel gab kleine Dampfwölkchen ab, als Cyrus aus dem Wohnzimmer herüberschlenderte. Er war entspannt und trug nichts außer Pyjamahosen aus Leinen. „Dieses wunderbare Gedankenspiel und jetzt Frühstück? Ich bin geschmeichelt.“

„Das ist nicht für dich“, gab ich zurück, während ich den Kessel von der Flamme nahm.

„Also muss ich hungern? Bis ich mich benehme?“ Er stand direkt hinter mir. Zu nah, denn seine Lippen berührten mein Ohr, während er sprach. „Ich hatte gehofft, die Strafe wäre eher körperlich.“

Ich stieß ihm einen Ellenbogen in den Magen. Er hatte sich zwar dagegen gewappnet, krümmte sich aber dennoch vor Schmerzen.

„Fass mich ja nie wieder an!“ Ich riss mir die nächstliegende Waffe von der Leiste über dem Herd, es war eine Grillgabel, und ich hielt sie drohend in die Höhe.

Sofort floh der alte Cyrus. Der reformierte, sterbliche Cyrus blieb an Ort und Stelle stehen und hob schützend die Arme. „Carrie, ich habe doch nur Spaß gemacht!“

„Das ist kein Spaß. Du schleichst dich in meine Träume, du hast mir perverse Gedanken gesandt, du …“

Ich habe dir perverse Gedanken geschickt?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein. Ich war derjenige, der heute Morgen von deinen lüsternen Fantasien geweckt worden ist.“

Oh nein. „Das ist verrückt. Auf keinen Fall hätte ich dir …“

Geduldig nickte er. „Und du glaubst, das würde ich jemals tun? Habe ich dich jemals mit ihm teilen wollen? Habe ich jemals toleriert, dass er dich anfasst? Warum sollte ich das jetzt tun? Warum wohl?“ Gemein lächelnd schüttelte er den Zeigefinger, als wolle er mich belehren. „Ich bin vielleicht ein bisschen eigenartig, aber ich kann nicht zur Rechenschaft dafür gezogen werden, was sich in deinem Kopf abspielt. Du hast mich mit diesem Traum gequält, nicht umgekehrt.“

Mit zitternden Knien setzte ich mich an den Küchentisch. Cyrus hatte einen Stuhl für mich herangezogen, aber ich achtete darauf, ihn nicht zu berühren. „Das ist unmöglich. Ich würde nie … so etwas tun.“

„Das ist nicht wahr, denn du hast einige dieser Sachen mit mir gemacht.“ Ich hörte, wie er tief Luft holte. Dann entschuldigte er sich schnell. „Es tut mir leid. Ich hatte nicht das Recht …“

„Du weißt, was ich meinte“, unterbrach ich ihn, an damals wollte ich nun wirklich nicht erinnert werden, schon gar nicht an die grauenhaften Dinge, die er mit mir angestellt hatte. „Ich würde Nathan niemals darum bitten … das würde ich einfach nicht tun.“

Cyrus schenkte mir einen Becher Blut ein und setzte sich mir gegenüber. Er sah mich mit aufrichtigem Mitleid an. „Du musst es mir nicht erklären. Es ist dein Unterbewusstsein, das diese Sachen in dir heraufbeschwört.“

„Unbewusst will ich einen flotten Dreier mit dir und Nathan schieben?“

Cyrus verdrehte die Augen. „Hör mal, wenn du nicht willst, dass ich dir helfe, dann sag es einfach. Aber hör auf, auf mich böse zu sein, nur weil ich in deinem Traum aufgetaucht bin. Gegen meinen Willen, wie ich hinzufügen möchte.“

Ich seufzte und legte meine Stirn auf die Tischplatte. „Es tut mir leid. Bleib hier.“

Zögernd berührte er meine Haare, legte seine Hand auf meinen Hinterkopf und bewegte die Finger, als wolle er mir Trost zusprechen. „Verzweifle nicht. Ich bin mir sicher, dass es schwierig für dich ist, Blutsbande mit zwei Männern zu haben, mit denen du eine Beziehung geführt hast.“

Seine verständnisvollen Worte waren wie Balsam für meine Seele, ich setzte mich auf und strich mir die Haare glatt. „Gleichgültig, wie krank diese Beziehungen waren.“

„Darauf würde ich trinken, wenn ich etwas zu trinken hätte.“ Er lächelte, als ich ihm meinen Becher zuschob. „Schön zu sehen, dass es dir nichts ausmacht, dein Frühstück mit mir zu teilen.“

„Was soll ich dazu sagen? Wenn es um dich geht, habe ich ein großes Herz.“ Ich dachte an Nathan und wie er im Laden arbeitete und fürchtete, dass er meinen Traum auch mit angesehen hatte.

Keine Sorge, meine Süße, ich habe die Blutsbande ausgeschaltet. Seine Gedanken waren unangenehm, aber nicht unfreundlich. Offensichtlich hatte er verstanden, dass ich keine Kontrolle über meine Träume hatte. Aber warum verstand ich es nicht?

„Also, planst du immer noch, dich mit Dahlia zu treffen?“ Cyrus schwenkte den Becher ein wenig und tauchte mit seinem kleinen Finger in die Flüssigkeit, um ein geronnenes Klümpchen Blut herauszufischen. „Du hättest das Blut länger auf dem Herd stehen lassen können.“

Ich verzog das Gesicht und holte mir meinen Becher wieder. „Auf jeden Fall wissen wir, dass sie Informationen hat, die für uns nützlich sind. Wahrscheinlich weiß sie noch mehr, als du bisher von ihr erfahren hast.“

„Viel Glück.“ Er klang ernüchtert, als würde er ihren Namen am liebsten nie wieder hören. „Dann solltest du lernen, ihre Gedanken zu lesen. Oder du machst sie betrunken. Wenn sie zu viel getrunken hat, liebt sie es, zu plaudern.“

„Das Problem ist, dass sie mit mir wahrscheinlich keinen Kneipenbummel unternehmen würde. Genauso wenig wie mit dir.“ Ich kaute auf meinem Daumennagel, während ich nachdachte.

„Nein“, stimmte mir Cyrus zu. „Unser letztes Rendezvous ist nicht sehr glorreich verlaufen.“

Unruhig klopfte ich mit meinen Fingern auf die Tischplatte. „Glaubst du, Clarence hilft mir, wenn ich ihn darum bitten würde?“

Cyrus atmete tief aus. „Wenn du ihn findest, macht er es vielleicht.“

„Und, wo ist er hingegangen, als er noch für dich gearbeitet hat? Welche Angewohnheiten hatte er?“ Schwach erinnerte ich mich daran, dass er in der Villa ein- und ausgehen durfte, aber woher er kam oder wohin er genau ging, das wusste ich nicht. „Ist er manchmal Lebensmittel einkaufen gegangen?“

„Nein. Die Lebensmittel für die Wachen und die Lieblingszöglinge wurden von Lieferanten gebracht.“ Cyrus runzelte nachdenklich die Stirn. „Allerdings habe ich ihn einkaufen geschickt, wenn es um Dinge für meine Favoriten oder um meine Schokolade ging. Und all die anderen Kleinigkeiten, die ich mal gebraucht habe.“

„Ich frage jetzt lieber nicht nach.“

Cyrus zuckte mit der Schulter. „Zwangsmittel. Alkohol für die Mädchen, unanständige Magazine für die Jungen.“

„Ich will es nicht wissen. Hast du mich nicht verstanden?“ Während ich mir die Nasenwurzel massierte, schloss ich die Augen. „Was würde Dahlia ihn besorgen lassen?“

„Leichen ausbuddeln, um Ersatzteile zu sammeln“, brachte Cyrus hervor und schnaubte.

„Wenn das alles an Hilfe von deiner Seite ist, dann …“

„Vielleicht hab ich es …!“, unterbrach er mich. „Warum wartest du nicht in der Nähe des Hauses auf ihn und folgst ihm, um zu sehen, wohin er geht?“

Das klang sinnvoll. Cyrus brauchte sich zwar nicht so aufzuspielen, aber die Idee war gut. „Okay.“ Ich sah auf die Uhr. „Was du heute kannst besorgen …“

Er ging mir nach, als ich aufstand und den Becher in die Spüle stellte. „Kann ich dich nicht begleiten?“

„Glaubst du, das ist eine gute Idee?“ Ich zog eine Augenbraue hoch. „Ich meine, Clarence glaubt doch, du seist tot?“

„Vielleicht gerade deshalb?“ Cyrus sah mich an, als verstünde er wirklich nicht, was so ein Schock für Auswirkungen auf ein menschliches Wesen haben könnte. „Glaub’ mir, Carrie. Er kennt sich mit übernatürlichen Dingen aus.“

Ich überlegte. Es war wahrscheinlich wirklich klüger, ihn mitzunehmen, als ihn hier mit Nathan allein zu lassen. Gott weiß, was da alles passieren konnte!

„Okay, aber du bleibst im Wagen.“

Ich zog mich an und brachte Nathan das Frühstück, damit ich mit ihm alleine reden konnte. Gleichzeitig machte sich Cyrus fertig – ich kannte niemanden, der so lange duschte.

„Hm, Null negativ“, murmelte Nathan glücklich, nachdem er einen großen Schluck genommen hatte. „Womit verdiene ich diese Belohnung?“

Lächelnd schluckte ich den Kloß hinunter, der plötzlich in meinem Hals aufgestiegen war. „Cyrus und ich werden versuchen, Clarence zu finden.“

„Allein?“ Ich hörte, dass Nathan versuchte, unbeteiligt zu klingen, was ihm gründlich misslang.

Ich ließ ihn in dem Glauben, er könne mich hinters Licht führen. „Ist das ein Problem?“

„Vielleicht.“ Als die Türglocke läutete, richtete er sich auf und winkte dem Kunden zu, der gerade eintrat.

Geduldig wartete ich, bis der Mann hinter einem Bücherregal verschwand, und räusperte mich noch einmal, um Nathans Aufmerksamkeit auf unsere Unterhaltung zu lenken. „Also, gibt es ein Problem?“

„Ich finde, schon“, antwortete er und beobachtete den Laden dabei. „Es ist ein gefährlicher Stadtteil.“

Ist es nicht, fuhr ich ihn in Gedanken an. Nathan, hör auf, mich wie einen Teenager zu behandeln, den du nicht mit seinem Freund alleine lassen willst.

Nach diesem Traum, den du heute Morgen gehabt hast? Er starrte mich an, als er das dachte.

„Ach, ich bin ja nicht alleine unterwegs“, erinnerte ich ihn und versuchte, so gleichmütig wie möglich zu klingen, um die Fassade aufrechtzuerhalten. Ich hörte, wie der Kunde durch den Laden ging. Menschliche Wesen kannten vielleicht die Blutsbande nicht, aber sie spürten die Spannung, die sie erzeugten. „Ich werde Cyrus mitnehmen.“

„Ach ja, genau.“ Und wer beschützt dich vor ihm?

Ich verdrehte die Augen. „Genau.“ Ich brauche niemanden, der mich vor ihm beschützt. Er ist mein Blutskind. Und ich werde keine Dummheiten machen.

Das heißt aber nicht, dass er keine Dummheiten im Sinn hat. Nimm auf alle Fälle zumindest einen Pflock mit. „Viel Spaß.“

Ich schnaubte verächtlich. „Ja, werde ich haben.“

Der Kunde kam mit einem Buch über Geisterbeschwörung zur Kasse, und ich sah zu, dass ich wegkam, damit Nathan keine Chance mehr hatte, mit mir zu streiten.

Als ich wieder zurück in die Wohnung kam, befand sich Cyrus in seinem Zimmer und war wahrscheinlich immer noch dabei, sich anzuziehen. Ich dachte darüber nach, was Nathan vorgeschlagen hatte, um mich gegen Cyrus zu schützen. Obwohl ich bezweifelte, dass mein Zögling – wow, das war immer noch ungewohnt – mir etwas zuleide tun könnte, gab ich zu, dass es dumm wäre, ihm blind zu vertrauen. Ich zog die Schiebetür von Nathans Kleiderschrank auf, in dem er seine Waffen aufbewahrte, und holte einen seltsam gebogenen Pflock aus der Reisetasche, die auf dem Schrankboden stand.

„Was machst du da?“ Cyrus hörte sich zugleich amüsiert und neugierig an, aber ihm fiel die Kinnlade herunter, als er den Pflock in meiner Hand sah. „Oh.“

„Es hat … hat nichts mit dir zu tun“, stammelte ich. Seufzend ließ ich den Pflock wieder in die Tasche gleiten. „Doch. Es tut mir leid. Nathan dachte bloß, dass …“

Mit einem Schulterzucken lachte Cyrus in sich hinein. „Ja, natürlich.“

Ich trat von einem Bein auf das andere. Dieser Moment war mir schrecklich unangenehm. „Es ist nur … weil du ja vorher ein Vampir warst und …“

„Stopp!“ Durch die Blutsbande spürte ich seine Scham und seine Wut wie eine Welle durch mich hindurchspülen. „Du bist nie zufrieden, oder?“

„Wie bitte?“ Meine Finger kribbelten, ich wollte den Pflock wieder aus der Tasche hervorholen. Nicht, dass ich in der Lage gewesen wäre, ihn gegen ihn anzuwenden. Der Gedanke, mein eigen Fleisch und Blut zu töten, machte mich krank. Dennoch wäre es ein beruhigender Gedanke gewesen, zu wissen, dass ich etwas zu meiner Verteidigung dabeihätte. „Warum bin ich nie zufrieden?“

„Alles, was ich mache. Dir reicht es nie. Du wirst mich immer noch für das Ungeheuer halten, das dich in jener Nacht in der Leichenhalle attackiert hat, für den Vampir, der dich benutzt und herabgewürdigt hat. Aber seitdem bin ich ein Mann gewesen. Ich war ein guter Mensch, Carrie. Und jetzt bin ich dein Zögling. Alles, was mir jetzt möglich ist, liegt daran, dass du mich verwandelt hast.“ Ungeduldig stemmte er seine Fäuste in die Hüften.

Traurig sah ich auf den Boden. „Und wenn ich dir das angetan hätte, was du mir angetan hast, dann würdest du mir auch nicht trauen.“

Ich hörte seine Schritte näher kommen. Als ich aufsah, war sein Gesicht direkt vor meinem. Mein Herz schlug, als er sich zu mir hinunterlehnte. „Wenn ich dich töten wollte, dann würde ich das jederzeit können. Wir müssten dazu noch nicht einmal allein sein.“ Seine Stimme war ein tödliches Flüstern. „Und du hast mir angetan, was ich dir angetan habe.“

Er ging an mir vorbei, und ich schluckte schwer.

„Ich sehe dich unten im Wagen.“ Seine Worte waren harsch, und er ließ mir keine Zeit, mich bei ihm zu entschuldigen, wenn es auch eine schwache Entschuldigung gewesen wäre. Laut schlug er hinter sich die Wohnungstür ins Schloss, was die Stille noch beunruhigender machte.

Ich ließ mich gegen die Wand sinken und konzentrierte mich darauf, die Anspannung aus meinem Körper zu verbannen. Dann bemerkte ich, dass es nicht meine Nervosität war, sondern Cyrus’. Ich schloss die Augen. Es schmerzte mich, mir einzugestehen, dass ich ihn verletzt hatte.

Dennoch verstaute ich den Pflock in meiner Handtasche, bevor ich zum Wagen ging – für alle Fälle.