DISKURS XCVI
Darin man den Tod von Hardouin und Pasqualini beweint, doch durch eine entscheidende Entdeckung ein wenig getröstet wird.
»Sie haben es nicht geschafft«, verkündete Kemal trocken. »Ich hätte ohnehin keinen Heller darauf gewettet, und ich hatte recht.«
»Der arme Hardouin, er wird sein Kind niemals sehen«, schluchzte Barbara. »Hatten sie denn wirklich gar keine Hoffnung?«
»Hoffnung hatten sie reichlich. Aussichten auf Erfolg dagegen sehr wenige, und das war ihr Pech, hahaha!« Der Korsar lachte gemein.
Wir drei, arme Nazarener, sahen uns betrübt an.
»Wie mag das passiert sein?«, fragtest du.
»Einen Sturm gab es in dieser Gegend nicht«, antwortete Kemal, »darum wird einer über Bord gefallen sein, vielleicht von einer Welle mitgerissen, weil er sich zu weit über den Rand gebeugt hatte. Der andere wird ins Wasser gesprungen sein, um ihn zu retten. Und wenn sie beide keine guten Schwimmer waren … Außerdem waren sie ein Italiener und ein Franzose, eine schlechte Paarung: Die Italiener sind zu listig, um vernünftig zu handeln, die Franzosen zu vernünftig, um listig zu handeln.«
|641|Wir schwiegen traurig. Nach Mustafa und Guyetus hatte der Tod uns zwei weitere Gefährten genommen. Waren sie die letzten?
»Ihr Landratten habt nicht genug Angst vor dem Meer. Stattdessen solltet ihr lernen, es zu fürchten, sonst werdet ihr immer enden wie die beiden.«
»Jetzt holen wir das Rettungsboot«, drängtest du.
»Können wir das nicht später machen?«, wandte ich ein.
»Aber nein, Signor Secretarius!« Du begehrtest auf. »Wenn der Wind dreht, könnten die Wellen es wieder aufs Meer treiben! Wir brauchen dieses verflixte Boot! Es ist unsere einzige Möglichkeit, wenn schon nicht Livorno, so doch wenigstens die vom Land aus unzugänglichen Stellen auf Gorgona zu erreichen! Es ist unser einziges Transportmittel, wollen wir es wegwerfen? Vergesst nicht, dass wir im Gegensatz zu Hardouin und meinem armen Lehrer mit Kemal wenigstens ein paar kräftige Arme zum Rudern haben.«
»Schon gut«, ergab sich der Korsar. »Lasst uns gehen, Signorino Atto, und machen wir schnell.«
»Barbello und ich bleiben hier«, wandtest du überraschend ein. »Was wollt ihr mit uns zwei Kastraten? Wir haben keine Muskelkraft, um das Boot an Land zu ziehen.«
Alis Statthalter und ich begriffen beide, dass du dich nicht von deiner verkleideten Frau trennen wolltest, und auch wir wollten Barbara natürlich nicht wieder der Gefahr des Ertrinkens aussetzen, wie in der Nacht, als wir das Boot für den armen Hardouin kalfatert hatten.
Die Bergungsaktion dauerte eine gute Stunde. Kemal musste sich Schuhe und Hose ausziehen und durch das eiskalte Wasser waten, das ihm bis zur Taille reichte. Er packte das Boot und zog es ans Ufer, wo wir es unter beträchtlichen Mühen aufs Trockene zogen.
Als wir die Stelle erreichten, wo wir uns von dir und Barbara getrennt hatten, sahen wir, dass ihr nicht auf uns gewartet hattet.
»Wo stecken die Schwachköpfe bloß?«, zischte Kemal zähneknirschend. Es war offensichtlich, dass ihn etwas bedrängte, eine heimliche Sorge, die jedoch niemand zu erraten vermochte.
Endlich sahen wir euch in einer Gasse auftauchen und Hals über Kopf auf uns zustürzen.
»Was ist los?«, fragte ich dich mit vorwurfsvoller Miene, während du im Ungestüm deiner letzten Laufschritte fast auf mich fielst.
|642|»Kommt schnell!«, sagtest du, hochrot vor Aufregung. »Wir haben alles gefunden.«
»Was alles?«
»Den Schatz von Philos Ptetès! Seine Papiere, die Handschriften, alles! Aber … fühlt Ihr Euch nicht wohl, Signor Secretarius? Ihr seid blass, Ihr wirkt sehr angegriffen.«
»Blass? Nun, das Bergen des Rettungsbootes war nicht so einfach, wie wir dachten. Seit Jahrhunderten habe ich nichts gegessen und seit vielen Nächten nicht genug geschlafen. Aber sagt doch: Wo ist dieser Schatz?«