Kapitel 38
Schröder hatte schon viermal versucht, Elin über Handy zu erreichen, doch vergebens. Das war ihm nicht geheuer. Es war nicht ihre Art. In ihrem Hotel fragte er nach und erhielt die Antwort, dass sie mit einem Taxi weggefahren sei. Schröder ließ sich den Namen des Taxiunternehmens nennen und setzte sich gleich in sein Auto. Er rief im Revier an.
»Hört zu, die Nowak ist heute früh mit einem Taxi weggefahren. Ich will, dass ihr bei City Taxi anruft und die Adresse herausfindet!«, sagte Schröder.
»Die haben eben bei uns angerufen und gesagt, einer ihrer Fahrer hätte eine junge Frau zu einem Haus gefahren, und er hatte unten auf sie warten sollen. Sie ist aber nicht wieder rausgekommen. Die Beschreibung passt auf die Nowak!«
»Wo hat er sie hingefahren?«
»In den Hasepark 4!«
Axel hatte Elin gefesselt und auf der Rückbank angeschnallt. Er musste nicht lange fahren. Mit seinem schwarzen Mercedes hielt er vor einem schweren Eisentor. Er stieg aus, entriegelte das schwere Schloss und fuhr den Wagen hinein. Das Tor war in eine rote, sehr hohe Backsteinmauer eingelassen, die ein großes Gelände einfasste. Wie ein schwarzer Schlund verschluckte der Eingang das Auto, Elin und Axel. Der eiserne Rachen schloss sich wieder und würde nicht wieder preisgeben, was in ihm verschwunden war.
Schröder war an dem leerstehenden Gebäude angekommen. Er klingelte bei Kramer, und als nichts passierte, schoss er kurzerhand mit seiner Pistole durch die Scheibe, schlug das Glas heraus und öffnete von innen. Im zweiten Stock sah er sofort das Blut auf den Stufen. Sie war ihm tatsächlich in die Falle gegangen. Warum hatte sie das getan, warum hatte sie ihn nicht eingeweiht und das alleine durchziehen wollen? Jetzt war sie in seiner Hand. Und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie sein nächstes Opfer werden würde. Schröder hastete die Treppe nach oben. Er wartete nicht lange, sondern schoss sofort zwei Kugeln in das Türschloss. Ein Tritt genügte, und die Tür flog auf und krachte gegen die Wand des Studios. Mit fest umklammerter Faust hielt er seine Waffe und betrat den Raum. Er war leer. Er sah die Scheinwerfer, die Kameras, die Couch und wusste, was der Mörder hier vorgehabt hatte. Als er das Blut auf der Couch entdeckte, rief er sofort Wegener an.
»Bernd, hier ist Schröder!«
»Schröder, wo bist du? Wir haben fünf Fabrikgelände gefunden, die auf die Beschreibung passen.«
»Bernd!«, rief er, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen, »Er hat Elin! Ich bin hier in einem Gebäude im Hasepark 4. Fotostudio Kramer. Findet heraus, wer der Mieter ist. Er ist der Mörder! Ruft mich an!« Er legte auf, ohne eine Antwort abzuwarten. Wie ein Tiger im Käfig lief er durch die Wohnung, suchte nach einem Anhaltspunkt, suchte nach einer Lösung.
»Wo hast du sie hingebracht? Wo hast du sie hingebracht!?« Er stoppte abrupt in seiner Bewegung, als ihm auffiel, dass die Videokamera ein sirrendes Geräusch von sich gab. Sie lief noch. Schröder griff nach dem Gerät und spulte zurück. Es musste alles aufgezeichnet haben. Gebannt stierte er auf den kleinen Bildschirm. Einige Zeit konnte man nur die leere Couch erkennen, bis plötzlich zwei Personen auftauchten. Er drückte die Stopp-Taste, und das Band wechselte in den Wiedergabemodus. Elin lag auf der Couch. Ein Mann ging zu ihr. Er hatte der Kamera den Rücken zugedreht. Er griff unter Elins schlaffen Körper und hob sie auf seine Arme. Dann drehte er sich um und ging aus dem Bild. Es war zu schnell, um ihn erkennen zu können. Schröder war so aufgeregt, dass er kaum die kleinen Knöpfe bedienen konnte. Er spulte erneut zurück, wartete den Moment ab, in dem man das Gesicht des Mannes sehen konnte und drückte dann die Pause-Taste. Was er nun sah, schrillte wie ein Schrei durch seinen Kopf. Ein Bild wie ein Kreischen. Es war Weise! Er war die ganze Zeit so nahe gewesen! Sie hatten neben ihm gestanden und ihm die Hand geschüttelt. Und er hatte alle seine Opfer selbst obduziert. Übelkeit überfiel Schröder. Benommen wählte er Wegeners Nummer.
»Wegener!«, meldete sich sein ehemaliger Partner energisch.
»Es ist Weise!«, sagte Schröder mit einer Stimme, die nicht wie seine eigene klang.
»Was ist los?«
»Es ist Weise aus der Gerichtsmedizin! Er ist unser Mann!«
Es folgte eine Stille, dass Schröder fast vermutete, die Verbindung sei getrennt worden.
»Bernd, ich will, dass ihr die Fabrikgelände alle mit Satellitenaufnahmen durchcheckt! Wenn man irgendwo eine Art Kerker erkennen kann, ruf mich sofort an. Beeil dich! Elin hat nicht mehr viel Zeit!«
»Bist du dir wirklich sicher?«, fragte Wegener.
»Er ist unser Mann! Ich habe ihn auf Video gesehen!«
Schröder war zurück in seinem Wagen und öffnete einen kleinen metallenen Koffer. Zwei automatische Pistolen lagen darin. Schröder überprüfte die Magazine und steckte sich dann eine Waffe in das Holster, die andere hinten in den Gürtel. Seinen Revolver legte er auf den Beifahrersitz. Dabei fiel ihm ein kleiner Zettel mit einer Telefonnummer aus der Jackentasche, dem er aber keine Beachtung schenkte. Jetzt war er vorbereitet, so gut es ging. Er brauchte nur noch einen Ort, eine Adresse, ein Haus, in dem der Mörder saß, wie die Spinne in ihrem Netz. Er hatte seine Beute bereits bei sich und würde sie einspinnen und verschlingen, bei lebendigem Leib verschlingen. Sein Blick fiel durch die regenverschwommene Scheibe auf eine Fabrik mit Schornstein. Sie lag direkt vor ihm. Schröder kannte sie. Es war eine Stahlfabrik, die jedoch noch in Betrieb war. Dennoch startete er den Wagen und fuhr los. Er verließ den Hasepark und bog auf die Mindener Straße. Dabei fiel sein Blick auf den kleinen Zettel im Fußraum, und diesmal griff er nach ihm. Die Nummer war ihm unbekannt. Eine Ahnung beschlich ihn. Wegener konnte allerdings jeden Moment anrufen, dann wäre er nicht erreichbar, wenn er jetzt telefonierte. Er griff trotzdem zu seinem Handy. Etwas sagte ihm, dass diese Nummer von Bedeutung war. Und er wollte sich nicht vorwerfen müssen, einen Hinweis ignoriert zu haben.
»Maslow?«, meldete sich eine Stimme.
»Oberkommissar Schröder! Ich hatte mir Ihre Nummer notiert, weiß aber nicht mehr, worum es ging!«
»Ach, Herr Schröder! Hier ist Maslow, das Aquariengeschäft! Sie hatten mich damals nach einer Spezialanfertigung gefragt.«
»Ja, richtig! Und?«
»Ich habe da etwas gefunden! Ist schon lange her. Eine Anfertigung bestehend aus fünf Aquarien aus Plexiglas. Jeweils zwei Meter hoch und vier Meter lang! Hat damals fast 20 000 Mark gekostet.«, sagte Maslow.
»War der Auftraggeber ein Arzt?«
»Nein, ein Künstler! Er sagte, es solle eine Installation werden. Ein Herr Kramer.«
»Wohin haben Sie geliefert?«, fragte Schröder.
»In die Brucknerstraße 13.«
Schröder legte auf und beschleunigte den Wagen, dass der Motor aufheulte. Die Brucknerstraße war nicht weit entfernt. Sie ging von der Mindener Straße ab und führte runter zu den Bahngleisen. Der Regen war so dicht und heftig, dass der Scheibenwischer es kaum schaffte, die Wassermassen von der Scheibe zu schieben. Es war, als schütte jemand beckenweise Wasser über dem Auto aus. Die Reifen pflügten sich durch tiefe Pfützen und warfen das Wasser lautstark in die Radkästen und an die Seite der Straße. Der Regen war unbändig. Er fiel nicht einfach nur, er wurde vom Himmel geschleudert und schlug auf die Dächer der Häuser ein. Er drohte die ganze Stadt zu ertränken.
Wegener stand hinter Petersen, dem Computerspezialisten. Sie hatten die Adressen bereits herausgesucht und mussten sie nur noch bei Google Earth eingeben. Sofort hatten sie Zugriff auf ein Satellitenbild. Petersen erhöhte den Zoom, und ein Fabrikgelände wuchs größer und größer auf dem Bildschirm. Sie erkannten zwei große Gebäudekomplexe, von denen eins einen Schornstein besaß. In einem Innenhof war ein Pool zu erkennen. Man konnte deutlich das bläulich schimmernde Wasser darin sehen. Petersen erhöhte den Zoom erneut. Für einen Pool war das Becken zu klein. Jetzt konnte man sogar die Gitterstäbe erkennen und zwei Personen, die auf das Becken zugingen. Eine Person war fast nackt. Wegener musste schlucken. Das war wie eine makabre Peepshow. Sie konnten nicht sagen, um wen es sich handelte, aber Weise führte gerade eins seiner Opfer zum Kerker. Nach dieser Aufnahme hatte die junge Frau nicht mehr lange zu leben. Wegener wählte Schröders Nummer.
Das Handy klingelte, als Schröder gerade das alte Wasserwerk passiert hatte.
»Schröder, es ist die Brucknerstraße 13! Hast du verstanden?«, rief Wegener ins Telefon.
»Hab ich!«, rief Schröder zurück, warf das Handy auf den Beifahrersitz und hupte sich seinen Weg über eine große Kreuzung frei. Hinter der Tankstelle bog er rechts ab. Das Heck brach aus auf dem wassergefluteten Asphalt. Er steuerte dagegen und schoss eine kleine Straße hinunter. Da konnte er den Schornstein bereits sehen. Er erreichte die rote Backsteinmauer mit dem eisernen Tor.
Kapitel 39
Elin saß bekleidet und gefesselt auf einem Stuhl in einem weißen Lichtkegel, als sie aufwachte. Um sie herum war Finsternis. Sie hörte Schritte, die sich ihr näherten. Mit Todesangst starrte sie in die sie umgebende Schwärze, bis Axel aus dem Schatten trat. Sein Gesicht tauchte in das Licht ein wie in eine Flüssigkeit. Er grinste.
»Da sind wir nun! Sie haben gute Arbeit geleistet, Frau Nowak! Sie haben mich analysiert bis ins kleinste Detail. Ich bin erstaunt über Ihre Fähigkeiten, das muss ich schon sagen. Aber ich werde Sie für Ihre Arbeit belohnen! Sie werden alles erfahren, was Sie wissen wollten! Sie werden es sehen, hören und fühlen!«
Elin wusste, dass sie ihm hilflos ausgeliefert war. Sie hatte keine Möglichkeit, sich zu schützen. Er würde tun, was er tun wollte mit ihr, und es würde furchtbar werden. Die Angst vor den Schmerzen lastete wie ein tonnenschweres Gewicht auf ihrem Körper. Sie dachte, sie würde zerquetscht. Wie tief unten im Ozean, verloren in der schwarzen Kälte, umgeben von nichts als schwarzem Wasser, das sie unbarmherzig erdrücken würde.
Axel zog eine Fernbedienung aus der Innentasche, richtete sie nach rechts und drückte einen Knopf. Eine große Lichtquelle begann zu flackern. Ein riesiger Kubus aus Glas, gefüllt mit einer klaren Flüssigkeit, erhellte die Fabrikhalle. In der Vorderseite des Würfels befand sich eine Aussparung. Darin stand ein roter, lederner Sessel wie ein Thron aus Blut. In der Flüssigkeit erkannte Elin die abgetrennten Zungen der Opfer.
»Ist er nicht wunderschön?«, fragte Axel. »Da sind sie alle. Jede hat ihren Platz. Können Sie sich auch nur im Ansatz vorstellen, was ich empfinde, wenn ich dort sitze? Nein, das können Sie nicht. Dafür kann ich nicht nachempfinden, wie es ist, auf Ihrem Stuhl zu sitzen. Wollen Sie sehen, was Sie als Nächstes erwartet? Natürlich wollen Sie. Neugier ist ein Teil Ihrer Natur, nicht wahr?«
Axel drückte einen weiteren Knopf auf der Fernbedienung, und eine in den Stein eingelassene Videoanlage mit drei Überwachungsmonitoren sprang an. Die Monitore zeigten Bilder von der Straße und von dem Gebäude. Auf dem Kubus stand ein Beamer, der einen Lichtkegel auf die Wand gegenüber warf. Ein riesiges Bild von Annette Krüger erschien. Sie saß auf dem Stuhl, genau wie Elin jetzt, nur dass sie nackt war. Elin blickte entsetzt auf das Bild. Alles, was sie sich versucht hatte auszumalen, was sie sich vorgestellt hatte, lief plötzlich so real vor ihren Augen ab, dass etwas in ihr zerbrach. Es war, als würde ihr Herz brechen. Sie weinte, als Annette Krüger anfing, um ihr Leben zu betteln.
»Bitte, bitte, tun Sie mir nichts! Bitteee! Ich will nach Hause! Bitte, bitte! Ich will zu meiner Mama, meine Mama, Mama, Mamaaaa!«
Das Bild verschwamm vor Elins Augen. Ihre Lippen zitterten.
»Faszinierend, nicht? Alle werden wieder zu Kindern, zu Babys im Angesicht des Todes. Sie schreien nach ihrer Mutter. Alle tun das! Ist das nicht unglaublich? Wie wichtig muss eine Mutter für einen Menschen sein?«
Er beugte sich zu Elin herunter. Sein Gesicht war ganz nah an ihrem. Sie spürte seinen Atem auf ihrer nassen Haut. Er war kalt. Eiskalt. Plötzlich dröhnte ein lautes Donnern wie ein Kanonenschlag durch das Gebäude. Axels Kopf fuhr herum. Auf einem der Monitore sah man ein Auto, das gegen das Haupttor gefahren war. Es setzte wieder zurück.
Schröder war einfach aus voller Fahrt gegen das Tor gerast. Die Airbags waren ausgelöst worden, und Schröder musste das weiße Kissen zerschneiden, um wieder etwas sehen zu können. Er legte den Rückwärtsgang ein und fuhr zurück bis auf den anderen Gehweg. Dann schoss er wieder auf das Tor zu. Doch auch bei diesem Versuch konnte er das Tor nicht brechen. Mit quietschenden Reifen setzte Schröder erneut zurück, warf den ersten Gang ein und drückte das Gaspedal durch. Die Reifen drehten durch, bekamen Asphalt zu fassen, griffen, und das Auto beschleunigte. Diesmal sprang das Tor auf. Schröder raste in eine Halle und rammte Weises Wagen. Mit vorgehaltener Waffe stieg er aus seinem zerbeulten Auto.
Die Halle war leer, doch da war eine Tür. Sie führte in die zweite Halle, in der der Kubus stand. Schröder wuchtete die Stahltür auf und sicherte den Raum. Er wollte Elin finden, musste Elin finden, deshalb registrierte er nur beiläufig den Wasserwürfel und dessen Inhalt. Auch dem Video, in dem Axel gerade Annette in den Kerker stieß und das Gitter schloss, schenkte er nur wenig Aufmerksamkeit. Hinter dem Stuhl, an dem noch die abgetrennten Fußfesseln Elins hingen, entdeckte er eine weitere Tür. Das war die einzige Fluchtmöglichkeit aus dieser Halle. Er lief hinüber und drückte die schwere Eisentür auf.
Es goss in Strömen. So sehr, dass der gesamte Hof zentimeterdick unter Wasser stand. In der Mitte des Hofes stand Axel Brender. Auch Schröder musste erkennen, dass es Weise nicht mehr gab. Dieser Mann hatte niemals existiert, war nie etwas anderes als eine Illusion gewesen. Die Wahrheit wartete dort im Hof auf ihn. Doch was ihn beunruhigte, war, dass nirgends eine Spur von Elin zu sehen war.
Schröder fixierte Axel über den Lauf seiner Waffe hinweg. Mit ausgebreiteten Armen stand er da, als wolle er sich stellen oder Schröder wie einen alten Freund empfangen.
»Ich weiß, dass jetzt alles vorbei ist! Sie haben mich gefunden! Hier endet alles!«, sagte Axel.
Schröder machte vorsichtig einen weiteren Schritt nach vorn.
»Wo ist sie?«, fragte Schröder. Er musste fast schreien, um gegen das Rauschen des Regens anzukämpfen.
»Es war mein Pech, dass das Schicksal zwei Menschen wie Sie und Frau Nowak zusammengeführt hat! Es gibt Dinge, die kann man nicht kalkulieren. Sie ist eine sehr starke Person, wissen Sie, aber auch gleichzeitig so schwach!«
»Wo ist sie?«, schrie Schröder noch lauter und streckte Axel seine Waffe entgegen. Axel schloss die Augen und lächelte genussvoll. Schröder hielt das nicht aus. Er sprang nach vorn, packte Axel an der Kehle und drückte ihm den Lauf seiner Waffe an die Schläfe.
»Wo ist sie?«
Axel hielt immer noch seine Augen geschlossen, auch sein Lächeln, dieses verfluchte Lächeln wollte nicht aus seinem Gesicht verschwinden. Schröder wollte ihn schlagen, wollte ihm wehtun, ihn quälen. Er wollte, dass er endlich leiden musste. Da fiel sein Blick auf den Boden hinter Axel. Die prasselnden Regentropfen hatten es unmöglich gemacht ins Wasser zu schauen. Doch jetzt erkannte Schröder eine Stelle im Boden, die anders auf den Regen reagierte. Er stieß Axel beiseite und sah das Gitter. Der Kerker stand komplett unter Wasser, wie der Rest des Hofes auch. Schröder fiel schreiend auf die Knie, packte die Gitterstäbe und riss daran. Nichts bewegte sich. Er wühlte mit seinen Händen im Wasser herum und suchte nach dem Schloss. Endlich bekam er es zu fassen, entriegelte es und warf mit aller Kraft das Eisengitter auf. Im Wasser blähte sich ein Stück Stoff auf, auf dem die Regentropfen hohl zerplatzten. Schröder griff mit beiden Armen ins Wasser und spürte Elins kalten Körper. Er zog sie heraus. Leblos lag sie in seinen Armen. Das Leben war aus ihr gewichen, Schröder fühlte es deutlich. Panisch robbte er zurück und legte Elin auf den Rücken. Sie atmete nicht mehr, und er konnte keinen Puls fühlen. Sie war ihm entglitten. Er hätte auf sie aufpassen müssen, doch er war zu spät gekommen. Er wollte ihren Tod nicht akzeptieren, alles in ihm bäumte sich dagegen auf. Er musste sie beatmen. So lange, bis Hilfe kam.
In diesem Moment sprang die eiserne Tür auf, und ein Einsatzkommando stürmte den Hof. Schwarze, maskierte Männer schwärmten aus, sicherten mit Gewehren das Gelände und das Dach. Der Hof füllte sich mit Menschen. Nur einer fehlte. Axel Brender. Er war spurlos verschwunden.
»Einen Krankenwagen! Einen Krankenwagen!«, schrie Schröder. Wegener, Keller und Trostmann betraten den Hof. Entsetzt sahen sie, was passiert war. Ein Notarzt und zwei Sanitäter stürmten an ihnen vorbei.
»Sie ist ertrunken!«, rief Schröder ihnen entgegen. Die Männer knieten nieder und begannen Elin zu reanimieren. Schröder stand auf und trat zurück. Ein Sanitäter beatmete sie mit einem Blasebalg. Der andere führte die Herzdruckmassage durch, während der Arzt einen Zugang für eine Infusion legte. Elin lag einfach nur da. Der Regen fiel auf ihre weiße Haut. Schröder nahm das alles wie in Zeitlupe wahr. Der Ton war abgestellt. Nur ein leichtes Rauschen füllte seine Ohren, wie wenn man an einer Muschel lauschte. Um ihn herum bewegte sich alles in Hektik. Wegener schrie Anweisungen heraus, und die Einsatzkräfte durchsuchten alles nach Axel Brender. Sie fanden ihn nicht.
Schröder beobachtete das Wasser im Hof. Die Wassermassen schoben sich auf ihn zu. Er stand wie in einer Strömung, einem Fluss. Er drehte sich um. Das Wasser lief auf eine Stelle zu und wirbelte sich um sie herum. Dort war ein Gully im Boden. Schwarz schimmerte er durch das Wasser. Schröder spürte, wie das Wasser an seinen Beinen zog, wie es ihn auf die Öffnung im Boden lenken wollte. Und er begriff, dass das Wasser ihn zu Axel führen würde. Das Wasser ging mit ihm. Es ließ ihn nicht mehr los.
Kapitel 40
Der Schmerz kam zurück. Reißend, mahlend, quetschend. Schröder hatte den Gullydeckel gegen den Sog des Wassers angehoben. Sein Rücken schrie auf und zwang ihn in die Knie. Doch Schröders Bewusstsein war nur auf eine Tatsache konzentriert. Er musste Axel Brender finden. Er musste hinter ihm her. So nah wie jetzt würde er ihm nie wieder kommen. Wenn er jetzt nicht dranblieb, wäre alles verloren. Mit letzter Kraft schob er das eiserne Gitter beiseite und blickte hinunter in den schwarzen Tunnel, in den sich die Wassermassen ergossen. Rostige Eisensprossen führten in die Kanalisation, und Schröder stieg hinab. Hinab in eine unterirdische Welt, hinab in die Dunkelheit, wo der Mörder auf ihn wartete.
Seine Füße tauchten in schmutziges, stinkendes Wasser. Wie ein Wasserfall prasselte der Regen auf seinen Kopf und seinen Körper, sodass er völlig durchnässt war, als er unten ankam. Ein dunkler, schwarz und feucht schimmernder Tunnel erstreckte sich hier. Ratten liefen herum und schwammen im Wasser. Es roch nach Exkrementen und Schimmel. Schröder entschied sich nach links zu laufen, mit dem abfließenden Wasser.
Er ging einer Welt entgegen, die tief unter der eigentlichen Welt lag, ein paralleles, finsteres Universum, nass und feucht und feindselig. Hier unten gab es kein Licht, hier unten war man gefangen. Eine Hölle aus Wasser, das Herz der Finsternis, und er lief durch die Adern dieses Systems, das das dreckige Blut zum Herzen pumpte, bis dahin, wo er ihm begegnen würde. Dem Kind dieser Finsternis, der sein Leben lang hier unten gelebt hatte, der für immer hier gefangen war.
Schröders Schritte wurden schneller. Axel war nicht zu sehen. Der Tunnel hatte ihn verschluckt. Seine Füße pflügten sich durch den dunklen Fluss, seine Arme ruderten wild, sein Atem keuchte. Er war völlig ungeschützt. Er würde direkt in sein Verderben laufen, wenn Axel hier irgendwo auf ihn lauerte. Aber Schröder glaubte nicht, dass er das tat. Die Polizei würde ihm bald folgen, bald wären Hunderte von Polizisten hinter ihm her. Axel musste flüchten, so schnell er konnte. Jetzt gab es keine Zeit mehr für ihn zu verlieren. Nicht einmal er konnte sich die Eitelkeit erlauben, über Schröder zu triumphieren.
Schröder entdeckte einen Gullyschacht. Eine matte Lichtsäule fiel durch ihn hindurch. In ihr schimmerten leuchtende Fäden aus Regen. Schröder zog seine Waffe aus dem Holster und näherte sich vorsichtig der Kanalöffnung. Er blickte in das kalte Licht und sah, dass die Gullyabdeckung fehlte. Axel musste hier aus dem Kanal gestiegen sein. Es wäre ein Leichtes für ihn, oben darauf zu warten, dass Schröder herauskam, und ihn dann zu töten. Es gab keine Möglichkeit für Schröder, sich gegen einen Angriff zu schützen. Er überlegte einen Augenblick, ob er das Risiko eingehen sollte, doch er wollte verdammt sein, wenn er es nicht versuchte. Axel hatte Elin getötet. Sie war jämmerlich ertrunken. Schröder würde ihn dafür bestrafen. Egal, was er dafür hinnehmen müsste. In diesem Moment fühlte Schröder sich unbesiegbar. Seine Wut war wie ein Schutzschild. Sie war stärker als alles, was ihm widerfahren konnte.
Schröder ergriff die erste Sprosse. Gerade als er den Fuß heben wollte, nahm er eine minimale Reflektion an der Wand wahr. Ein kleiner Lichtpunkt huschte über den schwarzen Stein. Schröder drehte seinen Kopf, und hinter ihm in einem Schatten blitzte ein Stück Metall auf. Ein blankes, poliertes Stück Metall. Eine Klinge. Die Klinge eines Skalpells. Da traf ihn auch schon ein harter Tritt in den Rücken. Der Schmerz explodierte in alle Richtungen. Er prallte gegen die rostigen Sprossen und verlor dabei seine Pistole, die sogleich im dunklen Wasser verschwand. Ein weiterer Tritt schleuderte ihn zu Boden. Axel Brender löste sich aus dem Schatten, als sei er ein Teil der Dunkelheit, und stellte sich über den im Wasser liegenden Schröder. In seiner linken Hand hielt er das Skalpell. Schröder dachte an die Waffe hinten in seinem Gürtel. Sicher hatte Axel sie gesehen, doch jetzt war sie unter Wasser. Er musste schnell sein. Er schleuderte herum und griff gleichzeitig nach hinten in seinen Gürtel, doch da hatte Axel schon seinen Arm gepackt und entriss ihm die Waffe. Mit dem Ellbogen schlug er Schröder ins Gesicht, der darauf nach vorn fiel und Blut spuckte.
»Nun sieht es schlecht aus für dich, Schröder! Hättest du gedacht, einmal so zu enden? So würdelos? Ja? Würde ist etwas, das man schnell verliert hier unten. Und man verliert sie für immer. Sie kehrt nicht zurück. Nie mehr. Du warst ein guter Gegner! Ich mochte dich! Vielleicht hätten wir Freunde werden können, unter anderen Umständen. Aber was nützt es, zu träumen? Träume sind Betrügereien! Man betrügt sich selbst, wenn man träumt! Ich muss mich jetzt von dir verabschieden!«
Axel packte Schröder an der Schulter und drehte ihn auf den Rücken. Schröders Wirbelsäule fühlte sich an, als sei er von einem rostigen Speer durchbohrt worden. Er schrie jämmerlich auf. Seine Stimme hallte durch den endlosen Tunnel. Axel drückte ihm ein Knie auf die Brust und stellte den anderen Fuß auf Schröders Gesicht und drückte es zu Boden. Schröders Oberkörper überstreckte sich, und seine Arme suchten verzweifelt nach Halt in dem dunklen Wasser. Sein nackter Hals leuchtete weiß im einfallenden Licht. Seine Halsschlagader trat dick und bläulich hervor. Man konnte sie pulsieren sehen. Axel hob das Skalpell.
»Der ideale Ort, um zu verbluten, findest du nicht?«, sagte Axel. Seine Hand näherte sich Schröders schutzlosem Hals. Die glänzende Klinge wollte sich gerade auf die aufgewölbte Ader legen, als Schröder im Wasser seine Waffe zu fassen bekam. Blitzschnell schoss sein Arm aus dem Wasser, drückte Axel den Lauf auf die Brust, und er zog den Abzug. Axel wurde nach hinten geschleudert und fiel rücklings ins Wasser. Leblos blieb er im Wasser liegen. Das Skalpell löste sich aus seinen Fingern und versank. Die Strömung nahm Axels Körper mit sich. Schröder zielte noch immer auf ihn. Er wartete und wartete, doch Axel regte sich nicht mehr. Er trieb davon wie ein Stück Holz. Schröder senkte seinen Arm und lehnte sich erschöpft gegen die Wand. Es war vorbei.
Die Kälte machte die Schmerzen nur noch schlimmer. Schröder zitterte am ganzen Körper. Kraftlos zog er sein Handy aus der Tasche. Es funktionierte noch. Trotz der Nässe. Er wählte Wegeners Nummer. Es tutete. Einmal, zweimal. Dann hörte Schröder, wie sich etwas im Wasser aufbäumte. Wie ein Krokodil, das aus dem Fluss schoss, um seine Beute anzugreifen, zu packen und mit sich in die Tiefe zu ziehen. Schröder riss seine Waffe hoch, noch bevor er Axel sehen konnte. Doch Axel war schneller. Er griff nach dem Lauf der Waffe und schlug mit der anderen Hand in Schröders Gesicht. Er fiel auf die Knie und war ihm jetzt ganz nah. Seine Augen waren weit aufgerissen, jeglicher Verstand war aus ihnen gewichen. Es waren die Augen eines Irren, die Augen eines verrohten menschlichen Geistes. Und kaum hatte Schröder diesen Gedanken beendet und dabei mit aller Kraft versucht, sich gegen den Angreifer zu wehren, versuchte dieser ihn auch schon zu beißen. Er bleckte seine Zähne wie ein wildes Tier, sein Kopf schnellte vor, und seine Kiefer schlugen zusammen. Ihre Hände rangen um die Waffe. Wieder schoss Axels Kopf vor. Er wollte ihn in die Gurgel beißen. Ein tödlicher Biss, wie von einem Wolf. Schröder zuckte zurück, und Axel verpasste seinen Hals nur knapp. Schröder konnte Axels Kraft nicht länger Stand halten. Seine Arme wurden schwächer, seine Muskeln versagten. Er spürte, wie ihm die Waffe entglitt. Jetzt war es aus. Jetzt würde er sterben. Es gab nichts mehr, das er Axel hätte entgegensetzen können. Schröders Körper war zu schwach. Er gab auf und ergab sich seinem Schicksal. Sie hatten gekämpft, und nun würde der Unterlegene den Todesstoß bekommen. Schröder atmete aus und entspannte sich. Axel schleuderte die Waffe mit einer wuchtigen Armbewegung nach hinten. Er kniete sich über ihn. Seine Hände wurden zu Klauen, sein Gesicht zu einer Fratze des Bösen. Er fletschte seine Zähne, packte Schröder am Haarschopf und an der Brust und riss seinen Kopf nach hinten. Er wollte ihm die Kehle herausbeißen. Er wollte das Leben aus ihm herausbeißen. Er wollte es fühlen zwischen seinen Zähnen, auf seiner Zunge und dann ausspucken. Es würde wunderbar schmecken.
»Axel!« Ein kläglicher Schrei hallte durch den Tunnel. Keiner von ihnen hatte bemerkt, dass sie nicht mehr allein waren. Sie hatten die Schritte nicht gehört, die Lichtkegel der Taschenlampen nicht gesehen. Axel sah auf. Vier Männer der Einsatzpolizei standen im Tunnel und zielten mit Gewehren auf ihn. Vier Laserpointer ihrer Zielfernrohre trafen sich in einem Punkt auf Axels Brust. Hinter den Männern waren Wegener, Keller und Trostmann zu erkennen, doch die Stimme, die Axel gehört hatte, gehörte einem anderen.
»Nicht schießen, bitte!« Da war sie wieder, diese Stimme, die Axel ganz tief in seinem dunklen Herzen gespeichert hatte. Er erkannte sie sofort, und sein Herz schlug augenblicklich schneller. Sein Vater tauchte hinter den Männern auf. Er ging an Wegener vorbei und kam durch die Barriere der vier Polizisten auf sie zu. Schröder blickte nur auf Axel. Wenn er überleben wollte, durfte er ihn nicht aus den Augen verlieren. Axel war wie erstarrt.
Schröder sah einen Tropfen, der sich aus einer zitternden Haarsträhne an Axels Kopf löste.
»Axel! Axel, mein Junge!«, sagte der Vater. Diese Worte waren wie ein Zauberwort, eine Zauberformel, die Axel plötzlich verwandelte. Er wurde wieder zum Kind. Seine Gesichtszüge verjüngten sich, der Ausdruck in seinen Augen wich einer naiven, hilflosen Verletzlichkeit. Seine Lippen zogen sich breit und breiter, die Unterlippe stülpte sich um, die Mundwinkel zogen sich nach unten. Er weinte, er weinte wie ein kleines Kind.
»Mein Junge!«, sagte Brender erneut und streckte seine Arme aus. Axels kindliches Gesicht verwandelte sich immer weiter. Der Ausdruck von Schmerz und Qual ließ das Gesicht zu einer schrecklichen Grimasse werden. Sein Mund öffnete sich zu einem stummen Schrei, so weit, dass seine Haut zu reißen drohte. Ein heiserer, krächzender Laut entfuhr seiner Kehle. Seine Augen glänzten in heißen Tränen, und er begann zu heulen. Er heulte wie in einem Krampf. Zuckungen ruckten durch seinen Körper. Seine Brust hob und senkte sich wie in einem Spasmus. Jetzt streckte auch er seine Hände aus. Er wollte die Hände seines Vaters nehmen und sich von ihnen halten lassen. Er wollte zurückkehren nach Hause. Brender ging auf die Knie und berührte die Finger seines Sohnes. Die Berührung durchfuhr beide wie ein Stromschlag. Schröder lag jetzt zwischen ihnen wie eine Barriere. Er wollte sich dem entziehen, wollte aus der Gefahrenzone heraus. Es war jetzt eine Sache zwischen Vater und Sohn, ihnen und ihrer Vergangenheit. Schröder winkelte sein Bein an und wollte sich nach oben schieben, doch sein Körper war taub. Taub vor Erschöpfung und taub vor Kälte. Er rutschte herunter. Eine kurze Bewegung, ein kleines Geräusch, und schon fuhr ein anderer Mensch zurück in Axels Körper wie eine Hand, die sich in einen Handschuh schob. Sein Blick war wieder wach, die Grimasse fiel von ihm ab. Er blickte zu Schröder, blickte zu seinem Vater und den Männern, die hinter ihm standen. Dann explodierte seine Bewegung förmlich. Er schoss nach vorn und griff das Gesicht seines Vaters mit beiden Händen. Und er begann zu schreien. Brender verlor das Gleichgewicht und fiel nach hinten um. Sein Sohn drückte ihn unter Wasser. Und schon fielen die Schüsse. Sie waren so laut, dass Schröder glaubte, der Tunnel bräche zusammen. Axels Hemd platzte an mehreren Stellen auf. Die Kugeln durchschlugen seinen Körper und warfen ihn nach hinten. Brender tauchte wieder auf, und die Schützen hoben ihre Gewehrläufe in die Luft. Die Schüsse hallten noch durch die Kanalisation, als Brender zu seinem Sohn kroch und ihn an sich riss. Er hielt seinen Kopf und wiederholte immerzu ein Wort, wie in einem endlosen Gebet. »Nein, nein, nein!« Seine Stimme wurde immer lauter und steigerte sich zu einem Schreien. Jedes Mal, wenn der Körper seines Sohnes ihm zu entgleiten drohte, hob er ihn wieder auf seine Beine und hielt ihn fester. Es war, als wolle Brender seinen Sohn dem Tod entreißen, dem Wasser entreißen, dem dunklen Gewölbe entreißen, seiner Mutter entreißen. Er wollte ihn retten, endlich retten, endlich das tun, was er sein Leben lang hatte tun wollen. Doch es war zu spät. Es gab kein Zurück mehr. So sehr er sich auch dagegen wehrte.
Die Stimme Brenders hallte durch die Adern der Stadt. Tief unter ihrer Haut breitete sich sein Schreien aus, füllte jede Ader, jede Vene, jede Kapillare. Seine Stimme war überall zu hören. Traber hörte sie, Marie hörte sie, Mike hörte sie, Annettes Eltern hörten sie. Sie hörten die Stimme und wussten, was sie bedeutete.
Kapitel 41
Schröder erwachte in einem Krankenzimmer. Er war in ein Stufenbett gelagert, in dem seine Beine im Neunzig-Grad-Winkel auf einem Schaumstoffwürfel lagen. Eine Infusion hing an seiner linken Hand. Karl saß an einem kleinen Tisch vor dem Fenster und las in der Tageszeitung.
»Papa?«
Karl fuhr herum und sah seinen Sohn mit großen Augen an.
»Junge!«, sagte sein Vater und kam zu ihm ans Bett.
»Du bist wach! Wie kann man eigentlich so lange schlafen?«, fragte Karl und legte Schröder eine Hand auf die Wange.
»War ziemlich müde.«, sagte Schröder.
Ein zweiter Stuhl wurde nach hinten geschoben. Er stand verdeckt hinter dem Stufenbett, sodass Schröder nicht sehen konnte, wer sich noch im Raum befand.
Als Elins Gesicht plötzlich auftauchte, durchfuhr Schröder ein Stromstoß. Es war, als schlüge ihm eine riesige Faust auf die Brust und sein Herz bliebe plötzlich stehen.
»Hallo, Schröder!«
Schröder war zu keiner Antwort fähig. Er war einfach nur unendlich erleichtert, dass er ihr Gesicht sah, auch wenn er nicht verstand, wie das sein konnte.
»Ich war tot und bin schneller wieder auf den Beinen als Sie!«, sagte Elin.
»Zähes Frauenzimmer, was?«, sagte Karl und stand auf. Elin setzte sich auf das Bett.
»Wir sind Flurnachbarn«, erklärte Elin, »Ich wohne drei Türen weiter.«
»Sie sind ein dummes Ding!«, sagte Schröder.
»Sie haben recht!«
»Ich weiß!«
»Ich werde morgen entlassen.«
»Ich bringe Sie zum Bahnhof.«
»Gut!«, sagte Elin und grinste.
Schröder schloss die Augen.
Der Regen hatte eine Menge Leid mit sich gebracht und über der Stadt abgeworfen. Diesen Sommer würde man nicht vergessen. Dieser Sommer war der wichtigste Sommer seit Langem gewesen. Er hatte Regen mit sich gebracht, eine Unmenge an Regen. Doch er hatte auch etwas beendet, dieser Sommer. Und auch der Regen hatte irgendwann aufgehört. Die Häuser und Straßen, Parks und Plätze trockneten langsam. Das Wasser versickerte im Boden. Es tropfte nun nur noch in die dunkle Tiefe unter der Stadt. Unter der Stadt floss das dunkle Wasser unaufhörlich weiter. Es nahm alles auf, was von oben durch die Gullys, Schächte und Abflüsse kam. Hier unten, im Keller der Stadt, wurde es aufgefangen.
Im Keller hatte man immer Wasser.