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Ich schlief bis zum Morgen durch, wohl aus dem Bedürfnis heraus, die mich bestürmenden, niederdrückenden Gedanken abzuwehren. Doch mein Schlaf wurde von wüsten Alpträumen gestört, in denen mir Novas Körper wie der einer Schlange erschien, die sich um mich herumringelte. Als ich die Augen öffnete, war Nova bereits wach. Sie hatte sich ein wenig von mir weggeschoben und betrachtete mich mit ihrem unverändert leeren Blick.

Unser Wagen verlangsamte die Fahrt, und ich bemerkte, dass wir durch eine Stadt fuhren. Die Gefangenen waren inzwischen alle erwacht und hockten sich nun vor das Gitter. Was sie unterhalb der Plane sahen, versetzte sie erneut in große Aufregung. Ich drückte ebenfalls das Gesicht an die Stäbe und betrachtete zum ersten Mal eine zivilisierte Stadt des Planeten Soror.

Wir fuhren auf einer ziemlich breiten, von Gehsteigen eingefassten Straße. Beklommen sah ich mir die Passanten an – es waren Affen. Ich erblickte einen Kaufmann, eine Art Lebensmittelhändler, der gerade seinen Laden öffnete. Er drehte sich neugierig nach uns um – es war ein Affe. Ich versuchte, die Insassen und die Fahrer der Fahrzeuge zu erkennen, die uns überholten. Sie waren nach unserer Mode gekleidet – und sie waren Affen.

Meine Hoffnung, eine zivilisierte Menschenrasse anzutreffen, zerplatzte wie eine Seifenblase. Den Rest der Fahrt verbrachte ich in tiefster Niedergeschlagenheit. Unser Wagen wurde noch langsamer. Ich hatte inzwischen festgestellt, dass sich unsere Transportkolonne während der Nacht aufgelöst hatte, denn sie bestand nur noch aus zwei Fahrzeugen. Nachdem wir einen Torweg passiert hatten, kam der Wagen in einem Innenhof zum Stehen. Sofort wurden wir von Affen umringt, die sich daranmachten, die zunehmende Unruhe der Gefangenen mit ihren Schlagstöcken gewaltsam unter Kontrolle zu halten.

Der Hof wurde ringsum von mehrgeschossigen Gebäuden mit Reihen gleichförmiger Fenster begrenzt. Das Ganze erweckte den Eindruck eines Krankenhauses, und dieser Eindruck wurde bestätigt, als sich zu unseren Wächtern neue Gestalten gesellten, die weiße Kittel und kleine Mützen trugen, wie Krankenwärter. Auch sie waren Affen.

Affen, nichts als Affen – Gorillas und Schimpansen. Sie halfen unseren Bewachern beim Ausladen. Wir wurden einer nach dem anderen aus dem Käfig geholt, in einen großen Sack gesteckt und ins Innere des Gebäudes transportiert. Ich leistete keinen Widerstand und ließ mich von zwei dicken, weiß gekleideten Gorillas mitnehmen. Mir war, als ginge es durch lange Korridore und über eine Treppe hinauf. Schließlich wurde ich unsanft auf den Fußboden gesetzt und, nachdem der Sack geöffnet war, in einen anderen Käfig gestoßen, dessen Boden mit Stroh bestreut war – ein Käfig ganz für mich allein. Einer der Gorillas verriegelte sorgfältig die Tür.

Der Raum, in dem ich mich befand, enthielt eine große Anzahl dieser Käfige, in zwei Reihen aufgestellt, mit einem langen Gang dazwischen. Die meisten waren bereits belegt, manche mit meinen Leidensgenossen, die man gerade hierher gebracht hatte, andere mit Männern und Frauen, die offenbar schon längere Zeit gefangen gehalten wurden und die man an einer gewissen Apathie erkannte – sie blickten teilnahmslos drein und hörten kaum hin, wenn einer der Neuankömmlinge laut stöhnte. Mir fiel auf, dass alle Neuzugänge in Einzelzellen untergebracht wurden, wogegen die älteren Insassen paarweise hausten. Das Gesicht zwischen zwei Gitterstäbe gepresst, erblickte ich am Ende des Ganges einen sehr großen Käfig, der zahlreiche Kinder enthielt. Im Gegensatz zu den Erwachsenen verfolgten diese die Ankunft unserer Gruppe mit höchster Erregung. Sie gestikulierten, knufften einander und rannten gegen die Stäbe an. Dabei stießen sie schrille Schreie aus wie junge, ungezügelte Äffchen.

Schließlich schleppten die beiden Gorillas einen weiteren Sack an, dem meine Freundin Nova entstieg. Ich empfand es als sehr tröstlich, dass man ihr den Käfig mir direkt gegenüber zuwies. Sie widersetzte sich dem allerdings auf die ihr eigene Weise, versuchte zu kratzen und zu beißen, und sobald der Käfig geschlossen war, warf sie sich gegen das Gitter, rüttelte daran, fletschte die Zähne und schrie markerschütternd. Nachdem sie eine Weile so getobt hatte, erblickte sie mich, erstarrte und warf den Kopf zurück wie ein überraschtes Tier. Ich lächelte sie schwach und vorsichtig an und winkte ihr leicht zu. Ungeschickt bemühte sie sich, es mir nachzumachen – was mich mit großer Freude erfüllte.

Dann kehrten die zwei weißbekittelten Gorillas zurück. Offenbar war die ganze Fracht nun ausgeladen, denn sie brachten keinen Gefangenen mehr mit. Stattdessen schoben sie einen Wagen vor sich her, mit Futter und Wassereimern beladen, und jeder der Käfiginsassen bekam seine Portion. Bald war auch ich an der Reihe. Während einer der Gorillas Wache hielt, betrat der andere meinen Käfig und stellte eine Schüssel voll Brei, ein paar Früchte und einen Eimer Wasser vor mich hin. Ich hatte mich entschlossen, mein Möglichstes zu tun, um Kontakt mit den Affen aufzunehmen, die ganz offensichtlich die einzigen zivilisierten und intelligenten Wesen auf diesem Planeten waren. Derjenige, der mir das Essen brachte, sah ziemlich freundlich aus. Als er meine kühle Gelassenheit bemerkte, klopfte er mir sogar zutraulich auf die Schulter. Ich blickte ihm in die Augen, dann drückte ich die Hand auf die Brust und verbeugte mich feierlich. Als ich den Kopf wieder hob, erhaschte ich auf seinem Gesicht einen Ausdruck tiefster Überraschung. Also bedachte ich ihn auch noch mit einem Lächeln, in das ich meine ganze Seele hineinlegte. Er war schon am Hinausgehen gewesen – nun blieb er verdutzt stehen und stieß einen Laut aus. Endlich war es mir gelungen, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Um meinen Erfolg zu steigern und mit all meinen Fähigkeiten zu prahlen, äußerte ich die erstbeste Phrase, die mir einfiel.

»Wie geht es Ihnen? Ich bin ein Mensch des Planeten Erde. Ich habe eine lange Reise hinter mir.«

Auf den Sinn der Worte kam es ja nicht an. Ich wollte nichts anderes, als ihm durch das Sprechen meine wahre Natur zu enthüllen. Und das war mir gelungen. Noch nie hatte die Miene eines Affen eine ähnliche Verblüffung ausgedrückt. Ihm und seinen Kollegen verschlug es den Atem. Sie glotzten mich mit offenem Mund an, dann begannen sie gedämpft und hastig miteinander zu sprechen. Das Ergebnis dieser Unterredung allerdings fiel nicht so aus, wie ich es erwartet hatte. Nachdem er mich argwöhnisch gemustert hatte, drehte sich der Gorilla schnell um, verließ den Käfig und verschloss ihn mit noch größerer Sorgfalt als vorhin. Dann blickten sich die beiden Affen einen Moment lang an und brachen in dröhnendes Gelächter aus. Ich musste wahrhaftig ein Unikum darstellen, denn ihre Erheiterung wollte kein Ende nehmen. Sie lachten Tränen, und einer von ihnen sah sich genötigt, den Napf, den er trug, abzusetzen, um ein Taschentuch herauszuholen.

Ich war so enttäuscht, dass mich plötzlich entsetzliche Wut überfiel. Nun begann auch ich an den Stäben zu rütteln, die Zähne zu fletschen und sie in allen mir geläufigen Sprachen zu beschimpfen. Als mein Vorrat an Flüchen erschöpft war, begnügte ich mich mit unartikulierten Lauten, was auf Seiten der Gorillas lediglich ein Achselzucken hervorrief.

Aber es war mir dennoch gelungen, die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Beim Hinausgehen drehten sie sich noch einige Male nach mir um. Als ich mich, völlig erschöpft, wieder beruhigte, sah ich, wie einer von ihnen ein Notizbuch aus der Tasche zog und etwas hineinschrieb, nachdem er aufmerksam das Zeichen auf einer oben an meinem Käfig angebrachten Tafel gelesen hatte. Ich vermutete, dass es sich um eine Nummer handelte.

Sie gingen hinaus. Die anderen Gefangenen, die mein Ausbruch vorübergehend in Aufregung versetzt hatte, widmeten sich wieder der Nahrungsaufnahme. Auch mir blieb nichts anderes übrig, als zu essen, mich hinzulegen und eine günstigere Gelegenheit abzuwarten, um meine edle Abstammung kundzutun. Ich verzehrte den Getreidebrei und einige saftige Früchte. Nova, im Käfig mir gegenüber, hielt bisweilen im Kauen inne und warf mir verstohlene Blicke zu.