Prolog


 

 

Ihr Name war Chromis Anemone Laubenvogel, und sie hatte einen weiten Weg zurückgelegt, um ihr Anliegen vorzutragen. Dass sie scheitern konnte, war ihr stets als vage Möglichkeit bewusst gewesen, aber nachdem ihr Schiff sie nun tatsächlich auf der Hauptwelt des Kongresses abgesetzt hatte, nachdem sie per Frameshift über all die vielen schwindelerregenden Lichtjahre nach Neu-Florenz gekommen war, hatte sich die vage Möglichkeit zur körperlich spürbaren Überzeugung verstärkt, dass sie eine schnelle und erschütternde Niederlage erleiden würde. Es hatte schon immer Leute gegeben, die ihr unaufgefordert versichert hatten, dass ihr Ansinnen zum Scheitern verurteilt war, aber jetzt kam ihr zum ersten Mal in den Sinn, dass sie recht gehabt haben könnten. Schließlich musste Chromis selbst eingestehen, dass ihr Antrag im höchsten Grade ungewöhnlich war.

»Auf jeden Fall ist es ein schöner Tag«, sagte Rotfeder Indigo Mammatus, der zu ihr auf den Balkon trat, hoch über den von Wolken gesäumten Etagen und Gärten am Fuß des Kongressgebäudes.

»Für die totale Erniedrigung, meinst du?«

Rotfeder schüttelte freundlich den Kopf. »Es ist der letzte vollkommene Tag des Sommers. Ich habe nachgesehen. Ab morgen wird es kühler und stürmischer. Kommt dir das nicht als angemessene Verheißung vor?«

»Ich mache mir Sorgen. Ich glaube, ich werde mich da drinnen restlos blamieren.«

»Irgendwann hat sich jeder von uns schon einmal blamiert. In dieser Profession lässt es sich im Grunde gar nicht vermeiden.«

Chromis und Rotfeder waren befreundete Politiker aus verschiedenen Kongresswahlkreisen des Lindblad-Rings. Chromis vertrat eine verhältnismäßig kleine Gruppe von besiedelten Welten, gerade mal hundertdreißig Planeten, die sich innerhalb eines Raumvolumens von nur zwanzig Lichtjahren drängten. Rotfeders Wahlkreis lag am Rand des Ringes und streifte die aufsässigen Außenwelten des Schleife-II-Imperiums. Er umfasste ein wesentlich größeres Gebiet, doch die Anzahl der Einheiten von Planetenklasse machte nur ein Drittel aus. Politisch hatten sie wenig miteinander gemeinsam, aber aus den gleichen Gründen gab es nur wenig, worüber sie sich streiten konnten. Wenn alle fünfhundert Jahre die Abgeordneten nach Neu-Florenz gerufen wurden, trafen sich Chromis und Rotfeder, um lebensüberdrüssige Geschichten von Skandalen und Schikanen aus ihren jeweiligen Wahlkreisen auszutauschen.

Chromis betastete den Ring an ihrem rechten Zeigefinger und fuhr an den ineinander greifenden, hypnotisch komplexen Mustern entlang, die in die Oberfläche geprägt waren. »Glaubst du, dass sie sich darauf einlassen werden? Schließlich ist es achtzehntausend Jahre her. Es könnte etwas viel verlangt sein, in einem so großen Zeitrahmen zu denken.«

»Der eigentliche Sinn dieser kleinen Übung besteht darin, sich etwas zu erträumen, mit dem wir zehntausend Jahre unseres ruhmreichen Kongresses würdigen können.« In Rotfeders Worten lag nur eine winzige Spur von Ironie. »Wenn die anderen Abgeordneten ihre fetten Ärsche nicht hochkriegen und sich keine weiteren achttausend Jahre vergegenwärtigen können, kann man ihnen nur noch die Vögte an den Hals wünschen.«

»Mach darüber keine Witze«, sagte Chromis düster. »Ich habe gehört, dass man die Vögte erst vor vierhundert Jahren nach Hemlock schicken musste.«

»Auch das war eine widerwärtige Geschichte. Offenbar gab es mindestens ein Dutzend nicht wiederbelebbarer Tote. Aber es sollte gar kein Witz sein, Chromis. Wenn sie nicht anbeißen, werde ich persönlich zu einer polizeilichen Aktion raten.«

»Wenn die anderen es doch nur genauso sehen würden.«

»Dann geh hinein und sorge dafür, dass sie es so sehen.« Rotfeder reichte ihr die Hand. »Außerdem wird es sowieso Zeit. Du solltest es tunlichst vermeiden, sie warten zu lassen.«

Sie nahm keusch seine Hand an. Rotfeder war ein attraktiver Mann, und Chromis wusste aus sicheren Quellen, dass sie im Kongress viele Bewunderer hatte, aber ihre Freundschaft war streng platonisch. Beide waren auf ihren Heimatwelten gebunden. Ihre Partner verbrachten die Zeit unter Stasishauben, bis sie von Neu-Florenz zurückkehrten. Chromis liebte ihren Mann, auch wenn gelegentlich viele Tage vergingen, bis sie wieder einmal an ihn dachte. Wenn er ihr nicht geholfen hätte, hundertdreißig Welten zu überzeugen, dass es sich lohnte, diese Sache zu unterstützen, hätte sie die geplante Gedenkaktion schon vor langer Zeit aufgeben können.

»Ich mache mir wirklich große Sorgen, Rotfeder. Dass ich kurz davor stehe, fast tausend Jahre Vorbereitungszeit zu vermasseln.«

»Behalt die Nerven und folge dem Drehbuch«, sagte Rotfeder ernst. »Nur keine genialen Ideen in letzter Minute!«

»Das Gleiche gilt für dich. Vergiss nicht den ›beabsichtigten Empfänger‹.«

Rotfeder lächelte beruhigend und führte sie in die stratosphärischen Ausmaße des Versammlungsraumes. Der Saal war in den frühen Jahrhunderten des Kongresses erbaut worden, als man den Ehrgeiz hatte, in Gebiete zu expandieren, die nun von benachbarten Staatswesen besetzt waren. Da Platz auf Neu-Florenz keine große Rolle spielte, verteilten sich die paar hundert Abgeordneten über eine sanft geneigte Fläche von fast einem Quadratkilometer Größe, und die Decke befand sich zehn Kilometer über ihren Köpfen. In der Mitte rotierte langsam ohne materielle Aufhängung der Sichtkubus, in dem ihre vergrößerten Abbilder erscheinen würden, wenn sie das Wort hatten. Vor Beginn der Sitzung projizierte der Kubus das uralte Emblem des Kongresses, eine dreidimensionale Umsetzung von Leonardo da Vincis Zeichnung eines nackten Mannes, der von Kreis und Quadrat umgeben war, während seine doppelt vorhandenen Gliedmaßen beide Formen berührten.

Chromis und Rotfeder nahmen ihre Plätze auf zwei Seiten der Grundfläche ein. Die letzten paar Delegierten trafen per Transithaube ein. Schwarze Hüllen in Menschengestalt tauchten aus dem Nichts im Saal auf, bevor sie sich auflösten und die Insassen sichtbar wurden. Die Femtotechnik der Hauben verschmolz nahtlos mit den Maschinen des Kongressgebäudes. Jedes künstliche Objekt im Kongress des Lindblad-Rings – vom größten Frameshifter bis zum kleinsten Medoroboter – bestand aus zahllosen Kopien eines universellen femtotechnischen Elements.

Routineangelegenheiten beanspruchten die erste Stunde der Sitzung. Chromis wartete geduldig, beschäftigte sich mit mentalen Permutationen und fragte sich, ob sie es lieber mit einem anderen Ansatz probieren sollte. Es war schwierig, die Stimmung der Versammelten einzuschätzen. Aber Rotfeder hatte ihr einen guten Rat gegeben. Sie behielt die Nerven, und als ihr das Wort erteilt wurde, hielt sie sich an die Rede, die sie sich schon vor der Abreise eingeprägt hatte.

»Ehrwürdige Abgeordnete«, begann sie, als ihr vergrößertes Gesicht im Bildschirmkubus erschien, »wir stehen kurz vor dem zehntausendsten Jahr seit Gründung unserer ersten Kolonie, dem Anfang dessen, was wir heute als Kongress des Lindblad-Rings kennen. Ich glaube, dass wir uns in einer Hinsicht einig sind. Etwas muss geschehen, um diesen Meilenstein würdig zu begehen, etwas, das ein gutes Licht auf unser Staatswesen wirft, vor allem in Anbetracht ähnlicher Jubiläen, die kürzlich in zwei benachbarten Staatswesen gefeiert wurden. Es hat viele Vorschläge gegeben, was zu diesem Anlass geschehen sollte. Vielleicht ein Entwicklungsprojekt, ein lohnenswertes Terraformen oder eine rechtzeitige stellare Verjüngung. Die Errichtung einer Dyson-Sphäre, nur zum Spaß, oder der Frameshift eines ganzen Planeten in ein anderes System. Oder etwas so Bescheidenes wie den Bau einer Gedenkkuppel oder eines Springbrunnens.« Chromis machte eine kurze Pause und sah die Delegierten an, die die letztgenannten Projekte vorgeschlagen hatten, in der Hoffnung, sie schämten sich nun für ihren bestürzenden Mangel an Weitsicht.

»Es gab viele wunderbare Anregungen, und zweifellos werden noch weitere hinzukommen, aber ich möchte etwas in einer gänzlich anderen Größenordnung vorschlagen. Statt etwas für uns selbst zu schaffen, ein Denkmal in unserem eigenen galaktischen Hinterhof, mache ich den bescheidenen Vorschlag, über eine Idee nachzudenken, die wesentlich uneigennütziger wäre. Ich schlage eine kühne Geste unserer kosmischen Dankbarkeit vor – die Übersendung einer Botschaft, eines Geschenks durch Zeit und Raum. Der Empfänger dieses Geschenks wird jene Person sein – oder die Nachkommen jener Person –, ohne die unsere Gesellschaft eine Struktur angenommen hätte, die für uns nicht wiederzuerkennen wäre.«

Wieder machte Chromis eine Pause, und sie war immer noch nicht in der Lage, die Stimmung der Abgeordneten einzuschätzen. Sie konnte nicht erkennen, ob die ausdruckslosen Gesichter jener, die ihr nahe genug waren, Zustimmung oder Missbilligung zeigten. Sie atmete tief durch und fuhr fort. »Zweifellos hätten wir auch ohne sie einige Fortschritte gemacht, aber wer will behaupten, dass es nicht Jahrzehntausende gedauert hätte statt der wenigen Jahrtausende, die tatsächlich nötig waren? Vielleicht gäbe es kein Mosaik aus Staatswesen, die sich über fast zwölftausend Lichtjahre in der Galaxis ausgebreitet haben, sondern wir wären auf eine Handvoll Sonnensysteme beschränkt, mit all den Risiken, die eine so enge Ballung unvermeidlich mit sich bringen würde. Und wir wollen nicht die Erkenntnisse vergessen, die es uns erlaubt haben, Jahrhunderte langsamer Entwicklung zu überspringen, ein Geschenk, das wir ohne Erwartung einer Gegenleistung erhalten haben. Unsere Wohltäterin schickte die Daten zur Erde zurück, weil es einfach das Richtige war.« An dieser Stelle schluckte Chromis, da nun manche – nicht ungerechtfertigt – denken mochten, dass die Menschheit durch genau diese Daten beinahe ausgelöscht worden wäre, als sie sich bemühte, das gefährliche neue Wissen zu assimilieren. Aber aus einer Entfernung von achtzehntausend Jahren waren solche Gedanken einfach nur unangemessen. Die Menschen hatten sich zweifellos etliche Male die Finger verbrannt, bevor sie gelernt hatten, mit Feuer umzugehen.

Chromis hörte widerwilliges Murren, doch niemand rang sich dazu durch, sie zu unterbrechen. Sie wappnete sich und sprach weiter. »Ich weiß, dass manche von uns vergessen haben, worin genau dieser wohltätige Akt bestand. Ich hoffe, dem kollektiven Gedächtnis in wenigen Augenblicken nachhelfen zu können. Aber zuerst möchte ich detailliert darlegen, was ich im Sinn habe.«

Sie reckte den Hals, um einen Blick zum Bildkubus zu werfen. Auf dieses Stichwort wurde ihr Gesicht von einer Simulation der Galaxis ersetzt, wie sie aus weiter Entfernung aussehen würde – uralt und gewaltig, übersät mit den ehrfurchtgebietenden Relikten der Spicaner, doch ansonsten, soweit bekannt war, bar jeden Lebens, abgesehen vom Tintenklecks der Menschheit, der sich über einen Spiralarm ausbreitete.

»Die Wohltäterin und ihre Leute sind immer noch irgendwo da draußen«, sagte Chromis, »mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit außerhalb der Datengrenze, vielleicht sogar außerhalb der Galaxis. Aber sofern das Universum nicht mehr Tricks im Ärmel hat, als wir vermuten, können sie nicht weiter als achtzehntausend Lichtjahre entfernt sein, selbst wenn sie sich immer noch von uns fortbewegen. Vielleicht haben sie sogar schon das Ziel ihrer Reise erreicht. Auf jeden Fall geziemt es sich für uns, zu versuchen, ihnen eine Botschaft zu schicken. Aber nicht in körperloser Form, auch wenn diese Lösung am einfachsten und billigsten wäre, sondern als materielles Artefakt, ein Objekt, das wir mit Daten vollstopfen, bis wir an Heisenbergs Hintertür anklopfen. Natürlich gibt es ein unübersehbares Problem mit einem materiellen Artefakt im Gegensatz zu einem ungerichteten Signal. Wir wissen nicht, wohin wir das Objekt schicken sollen. Aber dann bringen wir einfach eine große Zahl von Artefakten auf den Weg. Wir werden sie zu Milliarden herstellen und in alle Himmelsrichtungen verstreuen. Und hoffen, dass eins von ihnen eines Tages den beabsichtigten Empfänger erreicht.«

Das war das Stichwort für Rotfeders Einwurf. »Auf dem Papier klingt das alles schön und gut, Abgeordnete Chromis, und ich bezweifle auch nicht, dass wir die industriellen Kapazitäten haben, um so etwas zu verwirklichen. Aber ich frage mich, ob Sie die Gefahr bedacht haben, dass ein solches Objekt in die falschen Hände gelangen könnte. Nicht alle unsere Nachbarn sind so aufgeklärt, wie wir hoffen. Wir haben auch so genug Schwierigkeiten, das Moratorium zur Unterbindung schädlicher Technik durchzusetzen. All unser weltliches Wissen in eine Flaschenpost zu stecken und sie ins große blaue Meer zu werfen, wäre in meinen Augen nicht unbedingt die klügste Vorgehensweise, mag die Geste noch so gut gemeint sein.«

»Daran haben wir gedacht«, sagte Chromis.

»Aha? Und was ist Ihnen dazu eingefallen?« Rotfeder täuschte unbedarftes Erstaunen vor.

»Die Artefakte werden so konstruiert, dass ihr Inhalt vor nicht befugten Empfängern geschützt ist. Sie werden sich erst dann öffnen, wenn sie die Anwesenheit von Mitochondrien-DNS der Wohltäterin registrieren. Natürlich werden wir eine geringfügige Abweichung dulden, denn wir wollen nicht die Kinder oder Enkel der Wohltäterin ausschließen – auch nicht noch entferntere Nachkommen. Aber niemand sonst wird in der Lage sein, an den Schatz zu gelangen.«

Wieder spielte Rotfeder gekonnt seine Rolle. »Eine hübsche Idee, Chromis, aber ich bin immer noch nicht überzeugt, dass Sie wirklich gründliche Vorarbeit geleistet haben. In den Archiven des Kongresses ist keine DNS der Wohltäterin gespeichert. Sämtliche biologischen Daten gingen im Jahrhundert nach ihrem Aufbruch verloren.«

»Wir haben ihre DNS«, sagte Chromis.

»Das ist allerdings eine Neuigkeit. Woher, wenn ich fragen darf?«

»Es war ein langer Weg, der uns bis zum Mars führte. Aber wir sind zuversichtlich, dass die geborgene Probe ausreicht, um alle nicht befugten Empfänger auszuschließen.«

»Ich dachte, wir hätten bereits auf dem Mars gesucht und nichts gefunden.«

»Das hat man. Wir haben tiefer gegraben.«

Rotfeder ließ sich auf seinen Sitz fallen, als wäre ihm sämtlicher Wind aus den Segeln genommen worden. »In diesem Fall … muss ich Ihnen meine Anerkennung für Ihre Voraussicht aussprechen.«

»Danke«, sagte Chromis liebenswürdig. »Haben Sie noch weitere Fragen, Abgeordneter Rotfeder?«

»Nicht die leiseste.«

Von einigen Delegierten kam mürrisches Gemurmel, aber nur wenige konnten Chromis und Rotfeder diese kleine Theaterinszenierung zum Vorwurf machen. Die meisten hatten bei verschiedenen Gelegenheiten schon selbst ähnliche Farcen zum Besten gegeben.

»Die vom Abgeordneten Rotfeder geäußerten Bedenken hinsichtlich der technischen Durchführbarkeit dieses Vorschlags sind gerechtfertigt«, sagte Chromis, »aber wir sollten uns dadurch nicht beirren lassen. Wenn sich das Projekt ohne Schwierigkeiten realisieren ließe, wäre es keiner weiteren Erörterung würdig. Hinter uns liegen zehntausend Jahre ohne größere Schwierigkeiten. Jetzt wollen wir uns an etwas Großes wagen und der Geschichte beweisen, aus welchem Holz wir geschnitzt sind. Wir wollen Raum und Zeit überwinden und der Wohltäterin etwas zurückgeben, zum Dank für das, was sie uns gegeben hat.«

Chromis gönnte sich eine kurze Pause, da sie erwartete, dass niemand sie in diesem entscheidenden Augenblick unterbrechen würde. Als sie fortfuhr, war ihr Tonfall gemessen und versöhnlich. »Ich bezweifle nicht, dass manche von Ihnen den Sinn dieses Vorschlags hinterfragen, auch wenn er bereits auf jede erdenkliche Weise durch die kollektive Intelligenz von hundertdreißig Welten geprüft wurde. Das Problem ist, dass die Wohltäterin für die meisten von uns nicht mehr als eine Gestalt aus ferner historischer Vergangenheit darstellt, einen Menschen, zu dem wir keine emotionale Verbindung haben. Aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie immer noch irgendwo lebt und atmet. Sie ist keine Göttin, keine mythische Gestalt, sondern ein Mensch, der genauso real wie jeder von uns ist. Es gab eine Zeit, in der es mir schwer fiel, so von ihr zu denken, aber diese Zeit ist vorbei. Und zwar seit wir dies geborgen haben und sie sprechen hörten.« Chromis antwortete mit einem ernsten Nicken auf das skeptische Raunen ihres Publikums. »So ist es. Wir konnten eine intakte Kopie der Sendung bergen, mit der alles angefangen hat. Die originale Absichtserklärung der Wohltäterin, ihr Versprechen, uns alles zu geben, was sie hatte. Die Rekonstruktion dieser Sendung war in gewisser Weise genauso schwierig wie die Suche nach einer DNS-Probe. Der Unterschied war der, dass die Aufzeichnung die ganze Zeit ein Teil unseres Datenerbes war, nur dass sie verlegt, verschüttet und bis zur Unkenntlichkeit verfälscht wurde. Jahrhundertelange Detektivarbeit war nötig, um sie Stück für Stück wieder zusammenzusetzen, aber ich glaube, dass sich die Mühe gelohnt hat.«

Chromis blickte sich zum Bildkubus um und schickte einen unterschwelligen Befehl, dass die Aufzeichnung abgespielt werden sollte. Musik ertönte, und ein uraltes Symbol drehte sich vor ihnen – ein Globus und drei Buchstaben eines Alphabets, das seit vierzehntausend Jahren niemand mehr benutzt hatte. »Bitte stellen Sie Ihre Sprachfilter ein«, sagte Chromis, »und zwar auf Englisch, Mitte einundzwanzigstes Jahrhundert. In wenigen Augenblicken werden Sie die Stimme der Wohltäterin hören.«

In diesem Moment sprach sie, während identische Kopien ihres Gesichts auf alle Facetten des Kubus projiziert wurden. Eine zierlich gebaute Frau, die eher wie ein Opfer der Geschichte wirkte und nicht wie jemand, der Geschichte gemacht hatte. Sie klang zurückhaltend, unsicher, als würde sie gezwungen, etwas zu sagen, das sie normalerweise nicht sagen würde.

»Ich bin Bella Lind«, sagte sie, »und Sie sehen CNN.«