6

Der Reiher trieb träge über den Sumpf und segelte durch die eisblaue Luft. Er sah zu groß aus, um sich dort oben halten zu können, ein Riese verglichen mit den kleineren Enten, über die sein Schatten glitt. Als er zum See hinabglitt, winkelte er seine Schwingen an und bremste seine Landung mit zwei Flügelschlägen ab. Mit einem arroganten Kopfschütteln stocherte er dann bedächtig durch die Untiefe, ehe er auf seinen spindeldürren Beinen reglos wie eine versteinerte Statue stehen blieb.

Ich wandte mich widerstrebend von ihm ab, als ich Mackenzie näher kommen hörte. »Hier«, sagte er und reichte mir eine versiegelte Plastiktüte. »Ziehen Sie das an.«

Ich nahm den weißen Papieroverall aus der Tüte und stieg vorsichtig hinein, um das dünne Material nicht zu zerreißen, als ich es über Schuhe und Hose zog. Kaum hatte ich den Reißverschluss geschlossen, begann ich zu schwitzen. Das feuchte, unbehagliche Gefühl war mir irritierend vertraut.

Es war wie ein Sprung in die Vergangenheit.

Ich hatte ein Déjà-vu-Gefühl nicht abschütteln können, seit ich Mackenzie genau an der Stelle getroffen hatte, zu der ich am gestrigen Tag die zwei Polizisten gebracht hatte. Jetzt war die Straße mit Polizeiwagen und großen Wohnwagen gesäumt, die als mobile Einsatzzentralen dienten. Nachdem ich den Overall und die Papierschuhe angezogen hatte, gingen wir schweigend auf dem Pfad durch das Sumpfgelände.

Unser Weg war von parallel gespannten Absperrbändern der Polizei gekennzeichnet. Ich wusste, dass er gerne gefragt hätte, was ich zu tun gedachte, und ich wusste auch, dass er es für ein Zeichen von Schwäche hielt, mir seine Neugier zu zeigen. Doch ich schwieg nicht aus dem unangebrachten Verlangen, meine Macht auszuspielen. Ich zögerte lediglich den Moment heraus, dem Grund meiner Anwesenheit hier ins Gesicht zu sehen.

Das Gebiet, in dem die Leiche gefunden worden war, war ebenfalls abgeriegelt. Hinter dem Absperrband schwärmten Beamte der Spurensicherung über das Gras. In ihren weißen Overalls sahen sie anonym und identisch aus, ein Anblick, der weitere unerfreuliche Erinnerungen auslöste.

»Wo ist das verdammte Wick?«, fragte Mackenzie in die Runde.

Eine Beamtin reichte ihm ein Glas Inhalationsbalsam. Er rieb sich etwas unter die Nase und bot es mir an.

»Obwohl die Leiche weg ist, riecht es noch immer ziemlich streng.«

Früher war ich so an die mit meiner Arbeit verbundenen Gerüche gewohnt gewesen, dass ich mich gar nicht mehr um sie kümmerte. Aber das war damals. Ich schmierte mir den nach Menthol riechenden Balsam auf die Oberlippe und zwängte dann meine Hände in ein Paar chirurgische Latexhandschuhe.

»Es gibt auch eine Maske, wenn Sie wollen«, sagte Mackenzie. Ich schüttelte automatisch den Kopf. Wenn es sich vermeiden ließ, hatte ich nie gerne Masken getragen. »Dann kommen Sie.«

Er bückte sich unter dem Band hindurch. Ich folgte ihm. Die Beamten der Spurensicherung durchkämmten das Terrain im Innenbereich der Absperrung. Ein paar kleine, im

Boden steckende Markierungen zeigten an, wo potenzielle Beweisstücke gefunden worden waren. Ich wusste, dass sich die meisten als irrelevant erweisen würden — Bonbonpapier, Zigarettenkippen und Splitter von Tierknochen, die am Ende nichts mit dem Fall zu tun hatten. In diesem Stadium hatte man jedoch noch keine Ahnung, was wichtig war und was nicht. Alles wurde eingetütet und zur Untersuchung fortgeschafft.

Wir wurden mit ein paar neugierigen Blicken bedacht, doch meine Aufmerksamkeit war auf den Bodenbereich in der Mitte der Absperrung gerichtet. Das Gras war schwarz verfärbt und tot, beinahe so, als hätte dort ein Feuer gebrannt. Aber nicht Hitze hatte das Gras abgetötet. Nun machte sich auch etwas anderes bemerkbar, ein unverwechselbarer Geruch, den selbst das intensive Mentholbalsam nicht übertünchen konnte.

Mackenzie warf einen Minzbonbon in den Mund und steckte die Packung weg, ohne sie anzubieten. »Das ist Dr. Hunter«, erklärte er den umstehenden Beamten und zerkaute den Bonbon. »Er ist forensischer Anthropologe und wird uns helfen, die Leiche zu identifizieren.«

»Na, dann wird er sich aber ziemlich anstrengen müssen«, sagte einer von ihnen. »Die ist nämlich nicht mehr hier.«

Es gab Gelächter. Dies war ihr Job, und sie hatten gegen jeden eine Abneigung, der sich einmischte. Besonders gegen einen Zivilisten. Eine Haltung, die mir schon früher begegnet war.

»Dr. Hunter ist auf Wunsch von Detective Superintendent Ryan hier. Sie werden ihm selbstverständlich alle Hilfe leisten, die er benötigt.« Mackenzies Stimme klang scharf. An den plötzlich verschlossenen Gesichtern konnte ich sehen, dass seine Worte nicht gut angekommen waren. Es störte mich nicht. Ich hatte mich bereits neben dem abgestorbenen Gras niedergekauert.

Der Fleck hatte ungefähr die Form der Leiche, die darauf gelegen hatte, eine Silhouette der Fäulnis. Ein paar Maden wanden sich noch in den schwarzen und platt gedrückten Halmen, zwischen denen wie Schnee weiße Federn verstreut waren.

Ich untersuchte eine der Federn. »Stammten die Flügel definitiv von einem Schwan?«

»Nehmen wir an«, sagte einer der Beamten der Spurensicherung. »Wir haben sie an einen Ornithologen geschickt, um es zu klären.«

»Wie sieht es mit Bodenproben aus?«

»Sind bereits im Labor.«

Man konnte den Eisengehalt des Bodens überprüfen, um festzustellen, wie viel Blut er aufgesogen hatte. Wenn die Kehle des Opfers hier durchtrennt worden war, wo man die Leiche gefunden hatte, dann würde der Eisengehalt hoch sein. Wenn der Eisengehalt niedrig war, dann war die Wunde entweder nach Eintritt des Todes zugefügt worden oder die Frau war irgendwo anders getötet und ihre Leiche erst später hier abgelegt worden.

»Was ist mit Insekten?«, fragte ich.

»Wir machen das nicht zum ersten Mal, wissen Sie.«

»Ich weiß. Ich versuche nur herauszufinden, wie weit Sie gekommen sind.«

Er seufzte übertrieben auf. »Ja, wir haben Insektenproben genommen.«

»Was haben Sie gefunden?«

»Man nennt die Viecher Maden.«

Damit löste er ein wenig Gekicher aus. Ich sah ihn an.

»Was ist mit Puppen?«

»Was soll damit sein?«

»Welche Farbe hatten die Maden? Blass? Dunkel? Gab es leere Hüllen, Schalen?«

Er blinzelte mich nur mürrisch an. Jetzt lachte niemand mehr.

»Was ist mit Käfern? Gab es viele Käfer auf der Leiche?«

Er starrte mich an, als wäre ich verrückt. »Das ist eine Morduntersuchung und keine Biologiestunde!«

Er war einer von der alten Schule. Die neue Generation der Beamten der Spurensicherung war darum bemüht, neue Techniken zu lernen, und jedem Wissensgebiet gegenüber offen, das ihnen weiterhelfen konnte. Aber es gab noch ein paar von denen, die gegen alles resistent waren, was nicht in ihren eingeschränkten Erfahrungshorizont passte. Ich war diesem Typus gelegentlich über den Weg gelaufen. Anscheinend war er immer noch nicht ausgestorben.

Ich wandte mich an Mackenzie. »Jedes Insekt hat einen anderen Lebenszyklus. Diese Larven hier sind hauptsächlich Fliegen der Unterordnung Deckelschlüpfer. Schmeißfliegen. Angesichts der offenen Wunden der Leiche können wir davon ausgehen, dass die Insekten sofort angezogen worden sind. Bei Tageslicht werden sie innerhalb einer Stunde mit dem Eierlegen begonnen haben.«

Ich stocherte im Boden herum, hob eine reglose Made auf und legte sie auf meine Hand. »Diese Made steht kurz vor der Verpuppung. Je älter sie sind, desto dunkler werden sie. So, wie diese aussieht, würde ich sagen, dass sie sieben oder acht Tage alt ist. Ich kann hier keine Schalenteile herumliegen sehen, was bedeutet, dass sich die Puppen noch nicht gehäutet haben. Der volle Lebenszyklus der Fliege dauert vierzehn Tage, es liegt also die Vermutung nahe, dass die Leiche nicht so lange hier gelegen hat.«

Ich ließ die Larve ins Gras fallen. Die anderen Beamten hatten jetzt mit der Arbeit innegehalten und hörten zu.

»Okay, ausgehend vom Entwicklungsstadium der Insekten kann man also vorläufig feststellen, dass die Todeszeit zwischen einer und zwei Wochen zurückliegt. Ich nehme an, Sie wissen, was das für ein Zeug ist?«, fragte ich und zeigte auf die Spuren einer gelb-weißen Substanz, die an manchen Grashalmen klebte.

»Das ist ein Nebenprodukt der Verwesung«, sagte der Beamte der Spurensicherung steif.

»Richtig«, sagte ich. »Man nennt es Adipocire, auch bekannt als Leichenwachs. Im Grunde eine Seife, die sich aus den Fettsäuren der Leiche bildet, wenn die Muskelproteine zerfallen. Dringt sie in den Boden ein, wird dieser äußerst alkalihaltig, wodurch das Gras abgetötet wird. Und wenn Sie sich dieses weiße Zeug anschauen, dann werden Sie bemerken, dass es spröde und krümelig ist. Das lässt auf eine ziemlich rasche Verwesung schließen, denn wenn sie langsamer verläuft, ist die Adipocire eher weicher. Was man wiederum bei einer Leiche nicht anders erwarten sollte, die bei der Hitze im Freien liegt und eine Menge offener Wunden aufweist, in die Bakterien eindringen. Doch selbst unter diesen Bedingungen gibt es in unserem Fall noch nicht viel Adipocire, ein weiterer Hinweis darauf, dass die Todeszeit weniger als zwei Wochen zurückliegt.«

Schweigen. »Wie viel weniger?«, fragte Mackenzie und brach das Schweigen.

»Ohne mehr zu wissen, kann man das unmöglich sagen.« Ich betrachtete die verkümmerte Vegetation und zuckte mit den Achseln. »Unter Berücksichtigung des schnellen Verlaufs der Verwesung würde ich grob geschätzt von neun, zehn Tagen ausgehen. Wenn die Leiche wesentlich länger in

dieser Hitze gelegen hätte, dann wäre sie mittlerweile vollständig skelettiert gewesen.«

Während ich sprach, hatte ich das tote Gras in Augenschein genommen, um zu suchen, was ich dort zu finden hoffte. »Wie war die Leiche ausgerichtet?«, fragte ich den Beamten der Spurensicherung.

»Wie?«

»Auf welcher Seite war der Kopf?«

Mürrisch zeigte er es mir. Ich sah im Geiste die Fotos vor mir, die ich betrachtet hatte, sah die über dem Kopf ausgestreckten Arme, und begann, den Boden in diesem Bereich zu untersuchen. Da ich im toten Gras nicht finden konnte, was ich wollte, dehnte ich meine Suche darüber hinaus aus und teilte vorsichtig die Grashalme, um zu sehen, was an ihrer Wurzel lag.

Als ich schon zu glauben begann, dass ich nichts finden würde und dass irgendein Aasfresser entdeckt hatte, wonach ich suchte, sah ich es.

»Kann ich einen Beweisbeutel haben?«

Ich wartete, bis einer gebracht wurde, griff dann ins Gras und hob behutsam einen verschrumpelten, braunen Fetzen auf. Ich steckte ihn in die Tüte und versiegelte sie.

»Was ist das?«, fragte Mackenzie und reckte den Kopf.

»Wenn ein Körper ungefähr eine Woche tot ist, beginnt sich die Haut zu lösen. Deswegen sieht die Haut einer Leiche so verschrumpelt aus, als würde sie nicht richtig passen. Besonders an den Händen. Am Ende fällt die obere Schicht vollständig ab, wie ein Handschuh. Das wird häufig übersehen, weil die Leute nicht wissen, was es ist, und es für Laub halten.«

Ich hielt den durchsichtigen Plastikbeutel hoch, der den pergamentartigen Gewebefetzen enthielt.

»Sie wollten doch Fingerabdrücke.«

Mackenzie zog seinen Kopf schroff zurück. »Sie machen Witze!«

»Nein. Ich weiß nicht, ob dies von der rechten oder von der linken Hand stammt, aber das Gegenstück müsste auch noch irgendwo zu finden sein, wenn es kein Tier gefressen hat. Die Suche überlasse ich Ihnen.«

Der Beamte der Spurensicherung schnaubte. »Und wie soll man davon Abdrücke nehmen?«, ereiferte er sich. »Schauen Sie sich das an! Das Ding ist hart und wellig wie ein Kartoffelchip!«

»Ach, das ist ganz einfach«, erklärte ich ihm. Langsam genoss ich die Situation. »Wie auf der Packung angegeben: Nur Wasser hinzufügen.« Er schaute mich verdutzt an. »Weichen Sie es über Nacht ein. Es wird rehydrieren und Sie können es sich über die Finger ziehen wie einen Handschuh. Dann müssten Sie einen anständigen Satz Fingerabdrücke erhalten.«

Ich reichte ihm den Beutel. »Aber wenn ich Sie wäre, würde ich es von jemandem mit kleinen Händen machen lassen. Und erst Gummihandschuhe anziehen.«

Er starrte auf den Beutel, und ich ließ ihn stehen und bückte mich unter dem Absperrband hindurch. Die Reaktion ließ bestimmt nicht lange auf sich warten. Ich zog den Overall und die Papierschuhe aus, froh, beides los zu sein.

Mackenzie kam zu mir, als ich die Schutzkleidung gerade zusammenknüllte. Er schüttelte den Kopf. »Tja, man lernt nie aus. Wo haben Sie sich das bloß angeeignet?«

»Drüben in den Staaten. Ich war ein paar Jahre im anthropologischen Forschungsinstitut in Tennessee. Die Leichenfarm wird es inoffiziell genannt. Es ist der einzige Ort auf der Welt, wo man die Verwesung an menschlichen Leichen erforscht. Wie lange sie unter bestimmten Bedingungen dauert, welche Faktoren sie verursachen und so weiter. Das FBI trainiert dort, wie man Leichen birgt.« Ich deutete mit einem Nicken zu dem Beamten der Spurensicherung, der dem restlichen Team schlecht gelaunt Anweisungen gab. »Hier könnten wir auch so etwas gebrauchen.«

»Da können wir lange drauf warten.« Er zwängte sich aus seinem Overall. »Ich hasse diese Scheißdinger«, brummte er und schälte sich heraus. »Sie glauben also, dass das Opfer seit ungefähr zehn Tagen tot ist?«

Ich streifte die Handschuhe ab. Der Geruch nach Latex und feuchter Haut brachte mehr Erinnerungen hoch, als mir lieb war. »Neun oder zehn. Was aber nicht heißt, dass die Leiche die ganze Zeit hier gelegen haben muss. Sie könnte erst später hergebracht worden sein, aber das werden Ihre Fachleute Ihnen bestimmt sagen können.«

»Sie könnten ihnen helfen.«

»Tut mir Leid. Aber ich hatte Ihnen nur versprochen, bei der Identifizierung der Leiche zu helfen. Morgen um diese Zeit müssten Sie schon genauer wissen, wer es ist.« Oder wer es nicht ist, dachte ich, behielt es aber für mich. Doch Mackenzie konnte offensichtlich Gedanken lesen.

»Wir haben jetzt intensiv begonnen, nach Sally Palmer zu suchen. Niemand, mit dem wir bisher gesprochen haben, hat sie seit dem Grillfest im Pub gesehen. Am nächsten Tag wollte sie eine Lebensmittelbestellung abholen, ist aber nie im Laden aufgetaucht. Und normalerweise kauft sie jeden Morgen beim Zeitschriftenhändler ihre Tageszeitung. Anscheinend ist sie eine passionierte Guardian-Leserin. Aber da ist sie auch nicht mehr gewesen.«

Ein dunkles, hässliches Gefühl begann in mir zu wachsen. »Und das hat bis heute niemand gemeldet?«

»Anscheinend nicht. Sieht so aus, als hätte sie niemand vermisst. Jeder glaubte, sie müsste verreist oder mit ihrer Schreiberei beschäftigt sein. Der Zeitschriftenhändler sagte mir, sie wäre ja keine Einheimische. So viel dazu, in einer kleinen, netten Gemeinde zu wohnen, wo jeder jeden kennt.«

Ich konnte schlecht etwas sagen. Mir war ihre Abwesenheit auch nicht aufgefallen. »Das muss nicht heißen, dass sie es ist. Das Grillfest war vor fast zwei Wochen. Wer hier gefunden wurde, ist noch nicht so lange tot. Und was ist mit Sallys Handy?«

»Was soll damit sein?«

»Es war noch in Betrieb, als ich anrief. Wenn sie schon so lange vermisst wäre, müsste der Akku längst leer gewesen sein.«

»Nicht unbedingt. Es ist ein neues Modell mit einer Stand-by-Zeit von vierhundert Stunden. Das sind ungefähr sechzehn Tage. Vielleicht nicht ganz, aber wenn es nur in ihrer Tasche lag, ohne benutzt zu werden, könnte der Akku so lange halten.«

»Es könnte trotzdem jemand anderes sein«, beharrte ich, ohne mir selbst zu glauben.

»Vielleicht.« Sein Tonfall deutete an, dass er Informationen hatte, die er nicht mit mir teilen wollte. »Aber egal, wer es ist, wir müssen herausfinden, wer die Frau umgebracht hat.«

Dagegen gab es nichts einzuwenden. »Glauben Sie, es ist ein Einheimischer? Jemand aus dem Dorf?«

»Noch glaube ich gar nichts. Das Opfer könnte ebenso gut eine Tramperin gewesen sein, und der Mörder könnte sie einfach abgeladen haben, als er hier vorbeigekommen ist. Es ist noch zu früh, um etwas Genaues zu sagen.« Er holte Luft. »Hören Sie …«

»Die Antwort ist immer noch nein.«

»Sie wissen doch noch gar nicht, was ich fragen wollte.«

»Doch, weiß ich. Nur noch eine kleine Gefälligkeit, um Ihnen zu helfen. Und dann noch eine und noch eine.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich mache diese Arbeit nicht mehr. Dafür gibt es in diesem Land andere Leute«

»Nicht viele. Und Sie waren der Beste.«

»Jetzt nicht mehr. Ich habe getan, was ich kann.«

Seine Miene wurde kalt. »Wirklich?«

Er drehte sich um und marschierte davon und ließ mich allein zurück zum Landrover gehen. Ich fuhr los, aber nur, bis ich außer Sichtweite war. Meine Hände zitterten unkontrolliert, als ich am Straßenrand anhielt. Mit einem Mal konnte ich nicht mehr atmen. Ich legte meinen Kopf auf das Lenkrad und versuchte, nicht hektisch nach Luft zu schnappen, weil ich wusste, dass alles nur noch schlimmer wurde, wenn ich hyperventilierte.

Schließlich legte sich die Panikattacke. Mein Hemd klebte schweißnass an mir, aber ich rührte mich erst wieder, als ich hinter mir eine Hupe hörte. Ein Trecker tuckerte auf mich zu, ich blockierte die Straße. Als ich aufsah, bedeutete mir der Fahrer wütend, dass ich den Weg frei machen sollte. Ich hob entschuldigend meine Hand und fuhr los.

Als ich das Dorf erreichte, wurde ich langsam ruhiger. Ich hatte keinen Hunger, wusste aber, dass ich etwas essen sollte, ich hielt vor dem Laden an, der für Dorfverhältnisse fast ein Supermarkt war. Ich wollte mir ein Sandwich kaufen und es mit nach Hause nehmen und ein oder zwei Stunden ausruhen, um meine Gedanken zu ordnen, bevor die Abendsprechstunde begann. Als ich an der Drogerie vorbeiging, kam eine junge Frau heraus und stieß beinahe mit mir zusammen. Ich erkannte sie als eine von Henrys Patientinnen, eine von den treuen, die es immer noch vorzogen zu warten, bis sie zu ihm konnten. Ich hatte sie einmal behandelt, als ich Henry vertreten hatte, musste aber dennoch nach ihrem Namen suchen. Lyn, glaubte ich. Lyn Metcalf.

»Oh, entschuldigen Sie«, sagte sie und umklammerte ein Päckchen.

»Kein Problem. Wie geht es Ihnen?«

Sie schenkte mir ein breites Lächeln. »Großartig, danke.«

Ich erinnere mich, dass ich dachte, wie schön es war, jemanden zu treffen, der so offensichtlich glücklich war, als sie sich auf der Straße entfernte. Und dann dachte ich nicht mehr an sie.