FRANZÖSISCHE REVOLUTION
»Revolution« war ursprünglich überhaupt kein revolutionärer Begriff und hatte nichts mit Politik zu tun. In der Astronomie bezeichnete man damit seit der Zeit von Kopernikus, Kepler und Galilei die Umlaufbewegung der Planeten um die Sonne – nachdem man gerade erst entdeckt hatte, dass es eine solche Umlaufbewegung gab und auch die Erde auf solche Weise »revolucionierte«. Der Titel von Kopernikus’ wahrhaft revolutionärem Buch lautete: De revolutionibus orbium caelestium (»Über die Umläufe der Himmelskörper«). Später wurde daraus ein Alltagsbegriff (»Revolution des Geschmacks«) und erst danach ein politischer Begriff. Die Französische Revolution hatte viele Ursachen, aber vor allem zwei Anlässe: die schlechten Ernten der Vorjahre, die 1789 zu einem Höchststand der Getreidepreise führten, und die exorbitanten Staatsschulden.
Am 5. Mai 1789 versammelten sich die Generalstände in Versailles. Der Finanzminister wollte zur Überbrückung des Staatsdefizits eine 80-Millionen-Anleihe. Strittig zwischen Adel und Klerus auf der einen und (bürgerlichem) Dritten Stand auf der anderen Seite war der Abstimmungsmodus. Stimmte man nach Ständen ab, hätten Adel und Klerus die Mehrheit. Bei einer Abstimmung nach Köpfen war eine bürgerliche Mehrheit denkbar. Darüber wurde bis Mitte Juni keine Einigung erzielt. Der Moment der Revolution war gekommen, als sich am 17. Juni 1789 der Dritte Stand zur alleinigen Nationalversammlung erklärte. Mit dieser Erklärung, nicht mehr Vertreter eines Standes, sondern der gesamten Nation zu sein, war die »Verfassung« mit einem Schlag grundlegend verändert. Frankreich hatte einen neuen Souverän.
20. Juni 1789
BALLHAUSSCHWUR König Ludwig XVI. wollte weitere Zusammenkünfte des zur »Nationalversammlung« mutierten Dritten Standes verhindern, indem er den Versammlungssaal in Versailles sperren ließ. Die Abgeordneten trafen sich daraufhin im benachbarten Jeu de Paume. Die geräumige Mehrzweckhalle diente normalerweise dem Ballsport, nämlich der Jeu de Paume genannten Vorläuferform des Tennis. In diesem »Ballhaus« schworen die Deputierten, nicht mehr auseinanderzugehen, bis der Staat eine neue Verfassung hatte.
14. Juli 1789
DER STURM AUF DIE BASTILLE König Ludwig XVI. gibt zunächst nach und befiehlt Adel und Klerus, mit der Nationalversammlung zu kooperieren, doch am 11. Juli entlässt er den beim Volk beliebten Finanzminister Necker und zieht Truppen in Versailles zusammen. Als die Nachricht am 12. Juli das überbevölkerte Paris erreicht, fürchtet die hungernde Menge eine Gegenrevolution der Aristokraten. Drei Tage lang wogt die Volksmasse zwischen Hôtel de Ville und Hôtel des Invalides hin und her, auf der Suche nach Waffen. Auch in der Bastille soll es Waffen und Schießpulver geben. Das zinnenbewehrte Festungsbauwerk am Ostrand der Stadt, mitten im Arme-Leute-Viertel Faubourg St. Antoine, wurde im Hundertjährigen Krieg als Bollwerk gegen die Engländer errichtet und später als Gefängnis genutzt. Am Nachmittag des 14. Juli kann der Kommandant das Gebäude mit einer kleinen Garnison von Invaliden und 30 Schweizern kaum noch verteidigen. Eine Schießerei fordert ungefähr 100 Opfer, dann wird die Bastille von der aufgebrachten Menge zerstört. Der abgeschlagene Kopf des Kommandanten wird kurz darauf auf einem langen Spieß durch die Stadt getragen. Der Sturm auf die Bastille gilt als Rettung der Revolution durch das Volk von Paris; der ereignisreiche Tag ist der französische Nationalfeiertag.
Was danach geschah: Beschlüsse zur Abschaffung des Adels und der feudalen Standesrechte, zur Einziehung der Kirchengüter und der Einteilung Frankreichs in 83 Departements folgten im Sommer und Herbst. Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte wurde am 28. August verkündet, die formelle schriftliche Verfassung 1790 verabschiedet. Die Revolution pflanzte sich auch in der Provinz fort, die Aristokraten verließen scharenweise Frankreich. Die Staatsverfassung, zunächst als konstitutionelle Monarchie geplant, wurde nach der vereitelten Flucht der königlichen Familie von 1791 im Jahr darauf in eine Republik umgewandelt. Ludwig XVI. war abgesetzt. Er und seine Frau Marie Antoinette wurden noch im gleichen Jahr 1792 zum Tod verurteilt und 1793 mit der Guillotine hingerichtet.
1792
JAKOBINER UND GIRONDISTEN Die Entscheidung im französischen Nationalkonvent von 1792, die Jakobiner aus der Sicht der Rednertribüne links und die Girondisten rechts zu platzieren, ergab in den Staaten mit parlamentarischen Demokratien eine nachhaltige und wirksame Möglichkeit zur politischen Orientierung. Die Girondisten, die »Rechten«, repräsentierten die gemäßigten Republikaner, die Jakobiner, die »Linken«, hingegen die Radikaldemokraten, die in der Folgezeit (1793–1794) die Schreckensherrschaft in Frankreich errichteten. Der »politische Klub« der Jakobiner, der die Interessen der kleinen Leute vertrat, hieß nach seinem Versammlungsort, dem ehemaligen Kloster St. Jacques in Paris. Der Kern der gemäßigten Girondisten stammte aus der Gegend von Bordeaux (Gironde).
Die heute weit verbreitete Anordnung der Abgeordnetensitzplätze wie in einem Amphitheater hat historische, symbolische und praktische Gründe. Das erste moderne republikanische Parlament, der französische Nationalkonvent, tagte im Theatersaal des (1882 abgebrochenen) Tuilerien-Palastes in Paris. Das Parlament sollte die Einheit der Nation und des Volkes, das es repräsentierte, zum Ausdruck bringen, was in der Halbkreisform besser deutlich wird, als wenn sich die Abgeordneten gegenübersitzen wie in England. Dort versammelten sich die Abgeordneten in der Frühzeit in einer Kirche und wurden im Chorgestühl platziert. Als Symbol der Einheit der Nation fungiert in England der Monarch auf seinem Thron und die Abgeordneten sprechen nicht von einem Rednerpult, sondern von ihrem Platz aus.
1792/1793
TERROR Schon 1792 wurden Gemäßigte, Unabhängige oder Gegner der Revolution als »Royalisten« und »Volksfeinde« von jakobinischen Politikern wie Jean-Paul Marat und Georges Danton gebrandmarkt und von aufgepeitschten Volksmassen hingerichtet. Pierre V. Vergniaud sprach unmittelbar vor seiner Hinrichtung Ende Oktober 1793 die berühmten Worte: »Die Revolution, wie Saturn, frisst ihre Kinder.« Marat wurde im Juli 1973 in der Badewanne ermordet, Danton 1974 von dem neuen jakobinischen Anführer Maximilien de Robespierre entmachtet und im April hingerichtet.
Robespierre, seit Juli 1973 Mitglied des »Wohlfahrtsausschusses« des Nationalkonvents, exekutierte die denunziatorische und radikale jakobinische Politik mit gnadenloser Härte. Er war von der Idee besessen, der »tugendhaften« Rousseauschen Volonté générale zum Durchbruch zu verhelfen. Robespierres Schreckensherrschaft war eine reine Willkürherrschaft. Jeder konnte denunziert – und geköpft – werden. Im Juli schlossen sich seine Gegner und Rivalen zusammen, Robespierre wurde verhaftet und am 28. Juli 1794 seinerseits guillotiniert. Damit war der Terror beendet. Insgesamt sind den verschiedenen Hinrichtungswellen der Französischen Revolution etwa 20000 Menschen zum Opfer gefallen.
1799
VIVE L’EMPEREUR! Wegen der Französischen Revolution befand sich Frankreich seit 1792 im Krieg mit ganz Europa. Erfolgreichster General auf französischer Seite war der Korse Napoleon Bonaparte (1769–1821), der sich auf den italienischen Schlachtfeldern gegen Österreich auszeichnete.
Die Revolution hatte binnen kürzester Frist eine neureiche Klasse von Spekulanten, Armeelieferanten, Kanonengießern und Finanziers hervorgebracht, die sich bereits wieder auf luxuriösen Bällen vergnügte und mit einigen versprengten Adligen ins Bett gingen. Die Finanziers erhielten für ihre dringend benötigten Kredite Staatsvermögen, was ihnen enorme Gewinne bescherte.
Bekanntester Repräsentant dieser Parvenü-Schicht war Napoleon. Als das jakobinische, sozialrevolutionäre Element in der französischen Politik wieder stärker hervortrat, machte sich Napoleon in einem Staatsstreich am 18. Brumaire im Jahre VIII des französischen Revolutionskalenders (9. November 1799) zum »Ersten Konsul«. Seitdem regierte er Frankreich faktisch alleine, schuf dessen straffes, zentralistisches Verwaltungssystem und mit dem Code civil das erste Bürgerliche Gesetzbuch. Am 2. Dezember 1804 krönte er sich zum Kaiser.
1805–1815
AUSTERLITZ – TRAFALGAR – LEIPZIG – WATERLOO Nach seiner Kaiserkrönung begann Napoleon mit der zügigen Eroberung Europas, die ihm auf dem gesamten Kontinent für rund zehn Jahre die Vorherrschaft brachte und dessen Landkarte umwälzte. Diese Epoche wird hauptsächlich markiert von den Namen dreier Schlachtorte: Austerlitz (1805), Trafalgar (1805) und Waterloo (1815). Austerlitz wurde als Ort der »Dreikaiserschlacht« berühmt, auch wenn nur Zar Alexander I. (Regierungszeit 1801–1825) und Napoleon selbst anwesend waren. Die Schlacht fand auf dem Territorium des mit dem Zaren verbündeten österreichischen Kaisers Franz II. statt. Preußen war nicht beteiligt, wurde aber im Jahr darauf bei Jena und Auerstedt vernichtend geschlagen. Am 26. Juni 1806 zog Napoleon durch das Brandenburger Tor in Berlin ein und war nun der Herr Europas.
Ganz Europas? Nein, ein Inselvolk im äußersten Westen leistete hartnäckigen Widerstand. Napoleon plante auch eine Invasion Englands. Nach einer Verfolgungsfahrt quer über den Atlantik in die Karibik und wieder zurück stellte eine englische Flotte unter dem Kommando von Admiral Nelson die Franzosen vor Trafalgar beim südspanischen Cádiz. Nelson starb in dieser Schlacht, aber die Engländer versenkten die französische Flotte, ohne selbst ein einziges Schiff zu verlieren. Seit Trafalgar hatte Großbritannien keinen Gegner mehr auf See. Damit begann der Aufstieg des Vereinigten Königreichs zur Weltmacht des 19. Jahrhunderts.
Über England verhängte Napoleon anschließend eine Handelsblockade, die Kontinentalsperre. Beim Marsch seiner Grande Armée (fast 700000 Mann) auf Moskau im Sommer 1812 erlitt er dann eine seiner verlustreichsten Schlachten. Als Napoleon endlich in Moskau einzog, steckten die Moskauer ihre Stadt selbst in Brand. Der Zar bot keine Verhandlungen an, der Kaiser musste den Rückzug antreten. Nur noch 18000 Franzosen überschritten im Dezember 1812 die preußische Grenze an der Memel.
Preußen schmiedete nun eine Koalition, um eine erneute Invasion Napoleons in Deutschland abzuwehren. In der dreitägigen Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813 wurde er gestoppt. Die Uniformfarben des Lützowschen Freikorps Schwarz, Rot und Gold wurden später die Symbolfarben der nationalen, republikanischen und demokratischen Bewegung in Deutschland und die Nationalfarben der drei deutschen Republiken.
Nach Leipzig verlor Napoleon den Rückhalt seiner Armee, dankte 1814 ab und wurde nach Elba verbannt. Von dort kehrte er noch einmal für 100 Tage nach Frankreich zurück, und es gelang ihm noch einmal, eine Armee zusammenzustellen. Die bereits in Wien zum Kongress versammelten europäischen Großmächte beschlossen sogleich den militärischen Widerstand. Bei Waterloo griff Napoleon eine englische Armee unter Feldmarschall Wellington an, der die Stellung halten konnte, bis die Preußen unter Blücher auf dem Kampfplatz erschienen. (Wellington: »Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen.«) Danach war Napoleon endgültig besiegt und wurde nach St. Helena im Südatlantik verbannt, wo er 1821 starb.