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Oberinspektor Chen erwachte mit einem Gedanken, der mindestens ebenso unangenehm war wie das schrille Klingeln, das vom Nachttisch herüberschallte. Er gab sich geschlagen, noch zu verschlafen, um zu ahnen, wem.
Er stand auf und rieb sich die Augen. Draußen herrschte graues Morgenlicht.
Es war nicht sein Fall, sagte er sich einmal mehr. Yu hatte alles Notwendige unternommen. Zum jetzigen Zeitpunkt würde auch sein Eingreifen keinen Fortschritt bringen. Er mußte sich auf die Übersetzung des Projektentwurfs für die New World konzentrieren, der vor ihm auf dem Tisch lag.
Gu hatte ihn weniger unter Druck gesetzt, als Parteisekretär Li dies im Hinblick auf die Übernahme des Falls Yin getan hatte, zumindest war er dabei nicht so offensichtlich vorgegangen. Chen konnte sich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, daß Weiße Wolke nicht nur seine Assistentin sein sollte, sondern auch eine subtile Erinnerung daran, daß er mit der Übersetzung vorankommen mußte.
Dennoch empfand Chen die Verpflichtung, bei den Ermittlungen zu helfen. Dafür gab es eine Reihe guter Gründe. Er sollte sich vor allem für Yang einsetzen, einen Schriftstellerkollegen, dessen Karriere auf tragische Weise behindert und beendet worden war und dessen Werke er schon längst hatte lesen wollen.
Während der Schulzeit hatte Chen den Roman Martin Eden in Yangs Übersetzung gelesen und kannte Yang als einen der angesehensten Vermittler englischer Prosa. Später hatte Chen dann Englisch studiert und die Bücher im Original gelesen. Und als er schließlich selbst Gedichte schrieb, hatte er noch keines von Yangs Gedichten, die damals schwer greifbar waren, zur Kenntnis genommen. Als dann endlich ein Gedichtband von Yang herauskam, war Chen bereits ein aufstrebender Parteikader, der viel zu beschäftigt war, um allen seinen Lektürewünschen nachzugehen.
Sogar sein eigenes Schreiben war, wie er sehr wohl wußte, mittlerweile in eine Krise geraten. Und viel zu viele Bücher warteten darauf, gelesen zu werden. Wie sollte er das zwischen einem Mordfall und dem nächsten alles bewältigen?
Er fühlte sich Yang, der sowohl Dichter wie Übersetzer gewesen war, irgendwie verbunden. Ein erneuter Kurswechsel in der Politik, und Chen könnte dasselbe Schicksal ereilen, wie Yang es durchlitten hatte.
Chen war nicht bekannt gewesen, daß Yang auch vom Chinesischen ins Englische übersetzt hatte. Er selbst hatte das, abgesehen von ein paar Gedichtzeilen für einen Freund in den Staaten, bislang noch nie getan.
Er kochte sich einen Kaffee, echte brasilianische Bohnen, die ein Geschenk der fernen Freundin waren. Er nahm das Konvolut mit Gedichten zur Hand, das Yu ihm gegeben hatte. Statt auf den Computerausdruck konzentrierte er sich auf Yangs handschriftliches Manuskript. Beide waren praktisch identisch, doch bei einer wissenschaftlichen Arbeit über Eliot’s Waste Land, die er vor Jahren geschrieben hatte, war ihm klar geworden, daß einem das handgeschriebene Manuskript eines Autors Zugang zu dessen kreativer Persönlichkeit eröffnen konnte.
Offenbar hatte Yang bewußt versucht, die Texte einem zeitgenössischen, englischsprachigen Lesepublikum verständlich zu machen, auffallend jedoch waren die sonderbaren Abkürzungen an den Rändern der Seiten.
»Kapitel 3«, »KU«, »K8 oder K26«, »K12 oder K15«, »für das Schlußwort«.
Nur Yang schien die Bedeutung dieser Anmerkungen zu kennen.
Vielleicht bezogen sie sich auf Sekundärliteratur, die er während der Übersetzung zu Rate gezogen hatte, vermutete Chen. Klassische chinesische Dichtung eröffnete ein weites Feld der Interpretation. Als anerkannter Wissenschaftler hatte Yang vermutlich gründliche Forschungen betrieben, bevor er sich auf seine Version festlegte.
Andererseits war diese Erklärung wenig überzeugend. Dazu hätte Yang sich Seitenzahlen und nicht Kapitelnummern notiert, was ihm das spätere Auffinden eines Zitats erleichtert hätte.
Die Sammlung enthielt eine Reihe von Gedichten, die Chen in der Mehrzahl sofort wiedererkannte, sogar auf englisch. Bei anderen konnte er sich nicht vorstellen, wie das Original lautete. Die Auswahl enthielt, wie Yin in ihrem Nachwort vermerkte, wundervolle Liebesgedichte, die zugleich die Erinnerung an ihre schönsten gemeinsamen Tage heraufbeschworen. In der Kaderschule hatten sie sich gemeinsam in die Gedichte in ihrer chinesischen und englischen Fassung vertieft und sich dabei an den Händen gehalten. An solchen Abenden glaubten sie fast, Su Dongpo hätte sein Gedicht allein für sie geschrieben und sie selbst schienen in seinen Zeilen auf immer vereint:
Zur Nacht schon die dritte Stunde schlägt.
Goldenes Mondlicht in Wellen verweht.
Die Deichsel des Wagens fährt den Himmel hinab.
Wir zählen dieweil an den Fingern ab, wann sich der Westwind wohl erhebt, und merken nicht, daß, wie Wasser im Dunkeln, die Zeit vergeht.
Das Nachwort war gut geschrieben. Yin hatte sich zurückgenommen und nicht zu viel gesagt, sondern lediglich die Situationen umrissen, in denen sie und Yang diese Gedichte in der Kaderschule gelesen und durchgesprochen hatten. Sie schloß mit einer Szene, in der sie allein ein Gedicht von Li Yu las, das Yang einst, tief in der Nacht, für sie rezitiert hatte:
Wann ist einmal ein Ende
Mit Frühlings Blüten, dem herbstenen Mond?
Wie vieles Vergangene mir in der Brust nur wohnt!
In mein kleines Gemach drang wieder
Der Ostwind gestern nacht:
Im Mondlicht heimwärts den Blick zu richten, hab ich nicht fertiggebracht.
Die Stufen von Jade muß es noch geben, die Geländer, kunstvoll gedrechselt, nur das Rot, das die Wange ziert, das wechselt.
Fragst du: Wieviel faßt der Mensch an Sorgen?
Wie ein Flußbett Frühlingswasser, das dort fließt gegen Morgen.
Das Manuskript mußte für sie von hohem emotionalen Wert sein. Chen strich behutsam über die Seiten. Kein Wunder, daß Yin es in ihrem Bankschließfach verwahrt hatte.
Er stand auf und trat ans Fenster; unter ihm erwachte die Straße zu morgendlichem Leben. Aus dem Haus gegenüber hastete mit schwerer Schultasche ein Junger Pionier, der mit einer Hand sein rotes Halstuch zu binden versuchte, während er in der anderen einen fritierten Reiskuchen hielt. Für einen flüchtigen Moment kam es Chen so vor, als sähe er sich selbst, dreißig Jahre früher, in die Schule eilen. Doch der Oberinspektor von heute riß sich zusammen und wandte sich wieder seinem mit Papieren und Lexika übersäten Schreibtisch zu.
Inzwischen hatte er eine weitere Aufgabe für Weiße Wolke in der Shanghaier Stadtbibliothek. Einige der von Yang übersetzten Gedichte waren möglicherweise zunächst in englischsprachigen Fachzeitschriften erschienen, und wenn, dann vermutlich vor der Anti-Rechts-Bewegung Mitte der Fünfziger. Vielleicht konnten dort abgedruckte Anmerkungen ein Licht auf die sonderbaren Abkürzungen in dem Manuskript werfen.
Womöglich war das Ganze ja auch völlig unwichtig und irrelevant, doch Chens Neugierde war geweckt. Außerdem mußte die Bibliothek Kataloge von chinesischen und fremdsprachigen Verlagen haben. Er könnte einige von ihnen anrufen und fragen, ob sie an einer Publikation der Gedichtsammlung interessiert waren. Damit hatte es keine Eile, aber der Gedanke, etwas für den Toten tun zu können, befriedigte ihn.
Außerdem würde er Weiße Wolke auf diese Weise beschäftigen und sie von seiner Wohnung fernhalten. Jetzt erst fühlte er sich innerlich bereit für seine Übersetzungsarbeit, und tatsächlich kam er gut voran, bevor Weiße Wolke für ihr Tagwerk erschien. Der Laptop war wirklich eine große Hilfe.
Er hatte bereits mehrere Seiten übersetzt, als Weiße Wolke das sonnendurchflutete Zimmer betrat, eine Tüte mit gebratenen Fleischtäschchen in der Hand. Er erklärte ihr die neue Aufgabe: von Yang übersetzte Gedichte in Fachzeitschriften suchen und Verlage ausfindig machen, die eventuell an der Veröffentlichung einer solchen Gedichtsammlung interessiert wären. Er hatte ein vages Gefühl, daß dabei vielleicht noch etwas anderes zutage kommen würde, konnte aber nicht sagen, was. Doch es war einen Versuch wert. Er selbst hätte aufgrund einer solch vagen Vermutung nicht in die Bibliothek gehen können, aber für Weiße Wolke war es möglich.
»Eigentlich müßte ich Hauptwachtmeister Yu bei seinen Ermittlungen helfen«, erklärte ihr Chen, »aber das würde mir die Zeit für Herrn Gus Übersetzung rauben. Ich wäre Ihnen daher sehr dankbar, wenn Sie mir das abnehmen könnten.«
»Eine kleine Sekretärin hat zu tun, was ihr Chef von ihr verlangt«, sagte sie mit hintergründigem Lächeln. »Egal was. Sie brauchen sich also nicht zu rechtfertigen. Herr Gu hat das mehrfach betont. Aber was wird aus Ihrem Mittagessen?«
»Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Ihr Auftrag wird vermutlich mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Lassen Sie sich Zeit in der Bibliothek.«
Erstaunlicherweise klingelte das Telefon den ganzen Vormittag kein einziges Mal, und die Arbeit ging ihm flott von der Hand. Vor seinem Fenster tschilpten die Spatzen trotz des kalten Windes, der durch die kahlen Zweige fuhr. Er versank so sehr in der Glitzerwelt der dreißiger Jahre, daß er darüber sein Mittagessen vergaß; »trunken vor Geld und geblendet vom Gold«, wie es die Besucher der New World eines Tages sein würden.
Als das Telefon schließlich doch klingelte, riß es ihn aus einer Szene, in der eine französische Tänzerin mit nackten Füßen wie eine Schneeflocke über die rotausgelegte Bühne in einem postmodernen shikumen-Haus wirbelte. Es gelang ihm nicht sofort, in die Realität zurückzukehren. Der Anrufer war Yu. Er hatte kaum Neues über seine Ermittlungen zu berichten, und Chen verwunderte das nicht. Er hatte eine hohe Meinung von Yu, aber solche Ermittlungen brauchten nun mal ihre Zeit.
»Ich weiß wirklich nicht, ob uns diese Befragungen weiterbringen«, sagte Yu.
»Immerhin können wird dabei etwas über Yin erfahren.«
»Das ist es ja gerade. Ihre Nachbarn scheinen kaum etwas über sie zu wissen. Sie war Schriftstellerin, sie hat ein Buch über die Kulturrevolution geschrieben. Aber das war’s dann auch schon. In ihrem Haus war sie eine Außenseiterin.«
»Und wie steht’s mit ihren Kollegen?«
»Ich habe mit dem Abteilungsleiter gesprochen, aber auch dort war nichts wirklich Informatives zu erfahren. Die Akte, die von der Universitätsleitung über sie geführt wurde, enthielt bloß die üblichen offiziellen Phrasen.«
»Über eine Dissidentin redet man nicht gern«, sagte Chen. »Jeder verhält sich nach dem Motto: Je weniger ich sage, desto besser. Das ist verständlich.«
»Aber um die Theorie vom Nachbarschaftsmord zu untermauern und die Leute auszuschließen, die sie an der Uni kannten, hätte ich gerne mit ein paar ihrer Kollegen gesprochen.«
»Aus denen werden Sie, vermute ich, kaum etwas herausbringen. Aber es ist noch zu früh, um Möglichkeiten auszuschließen.«
Als sie ihr Gespräch beendeten, zeigte die Uhr halb zwei.
Während er sich einen Becher Sojamilch eingoß, überlegte Chen, daß eigentlich besser er einige der Wissenschaftler hätte aufsuchen sollen, die Yin oder Yang gekannt hatten. Aber da war sein Übersetzungsauftrag, also griff er zum Hörer und wählte die Nummer von Professor Zhou Longxiang, der an derselben Universität lehrte wie Yin. Chen hatte ihn einmal wegen eines klassischen chinesischen Gedichts um Rat gefragt, und sie waren in Kontakt geblieben.
Professor Zhou, der sich seit seiner Emeritierung ganz offensichtlich einsam fühlte, schien erfreut über Chens Anruf. Prompt ließ er sich eine Viertelstunde lang über den Niedergang der Dichtkunst aus, bevor es Chen gelang, auf Yin zu sprechen zu kommen. Sofort nahm Zhous Stimme einen gereizten Ton an. »Diese Yin Lige war eine schamlose Opportunistin. Ich sollte nicht schlecht reden über eine Tote, aber als sie noch Rotgardistin war, zeigte sie keinerlei Mitleid für andere.«
»Vielleicht war sie damals einfach noch zu jung.«
»Das ist keine Entschuldigung. Eine Landplage von einer Frau! Sie hat nichts als Unheil über ihre Nächsten gebracht, Yang inbegriffen, den ich als Wissenschaftler sehr geschätzt habe.«
»Das ist ein interessanter Punkt, Professor Zhou«, sagte Chen. »Sie sind ja wohl nicht abergläubisch. Bitte erzählen Sie mir mehr darüber.«
»Das ist ganz einfach. Hätte er nicht diese Affäre mit ihr gehabt, dann wäre er nicht in die Kritik der Kaderschulbehörde geraten«, sagte Zhou. »Karma. Ihre Handlungsweise während der Kulturrevolution ist am Ende auf sie selbst zurückgefallen.«
Es war grausam, so etwas zu sagen, ganz gleich ob man Buddhist war oder nicht. Die Meinung des alten Professors mußte sich unter dem Eindruck der Kulturrevolution gebildet und verhärtet haben. Dies brachte die Ermittlungen zwar nicht weiter, bestätigte aber, daß Yin auch unter Kollegen nicht beliebt gewesen war.
Ein Blick auf die Uhr sagte Chen, daß er sich nicht viele solcher Telefongespräche leisten konnte. Doch dann hatte er eine andere Idee: Er könnte Weiße Wolke einspannen. Es war bemerkenswert, wie sie wolkengleich in seine Gedanken schwebte und während seiner Arbeit immer präsent zu sein schien, und das nicht nur beim Übersetzen. Befriedigt spann er diesen Gedanken weiter. Er könnte sie zu Yins früheren Kollegen schicken. Nun fühlte er sich wie der Feldherr in dem Sprichwort: Ein General, der in seinem Zelt Pläne macht, entscheidet die Schlacht, die tausend Meilen entfernt tobt. Selbst während seines Urlaubs konnte er die Ermittlungen voranbringen.
Kurz vor vier kam Weiße Wolke mit zwei Plastiktüten zurück. Sie hatte sich umgezogen und trug jetzt Jeans und eine Lederjacke über einem tief ausgeschnittenen weißen Pullover, dazu ein Paar schwarzglänzende Stiefeletten.
»Ich habe etwas für Sie«, sagte sie und stellte eine der Plastiktüten auf den Tisch.
»Sie waren aber schnell. Vielen Dank. Ich weiß, daß ich mich auf Sie verlassen kann, Weiße Wolke.«
»Hier sind Photokopien von Yangs Gedichtübersetzungen. Sie werden sie selbst lesen wollen.« Mit der anderen Tüte wandte sie sich der Küche zu. »Ich mache Ihnen etwas zu essen.«
»Was haben Sie denn da in der Hand?«
»Überraschung.«
Er hatte keine Ahnung, was in der zweiten Tüte war. Es war groß und schwarz und gab ein schwaches, unbestimmtes Geräusch von sich.
Er vertiefte sich in die Lektüre der Gedichte. Yangs Übersetzungen waren in verschiedenen englischsprachigen Fachzeitschriften erschienen, allerdings erst in den letzten Jahren. Solche Publikationen hatten in China hohe Auflagen, da mittlerweile viele Leute Englisch lernten.
Zu Chens Erstaunen hatten die Herausgeber oftmals in Kommentaren erläutert, warum die Leute Yangs Übersetzungen lesen sollten. Einer schrieb sogar, man könne damit Amerikaner beeindrucken, andere prophezeiten, daß es jetzt in Mode komme, an dem inzwischen auch in China populären Valentinstag seiner Liebsten solche Gedichte aufzusagen. In einigen Fällen hatte Yin kurze Einleitungen geschrieben. Sie handelten vom Handwerk des Lyrikübersetzens, was vor allem für Anfänger hilfreich sein mochte. Er fand allerdings keinen Hinweis darauf, was die mysteriösen Abkürzungen in dem Manuskript bedeuten konnten.
Weiße Wolke werkte geräuschvoll in der Küche. Offenbar kochte sie, wenngleich es noch etwas früh fürs Abendessen war.
Schließlich erschien sie mit einem großen Tablett und einem strahlenden Lächeln. »Vom Dynasty Club«, verkündete sie und stellte auf dem Beistelltischchen ein Festmahl von Delikatessen ab, die er nie zuvor gesehen hatte. Ein kleiner Teller enthielt gebratene Spatzenmägen. Wie viele Spatzen hatten wohl für dieses Gericht ihr Leben lassen müssen, fragte er sich. Ein anderes Gericht war ebenfalls sehr originell, es bestand aus Entenköpfen, deren Schädelknochen entfernt worden waren, so daß der Esser besser an die Zunge gelangen und die Hirnmasse aussaugen konnte. Doch es waren die »Sauna-Shrimps«, die ihn am meisten beeindruckten. Lebende Flußkrabben wurden in einer Glasschale an den Tisch gebracht, dazu ein kleiner hölzerner Eimer, dessen Boden mit glühendheißen Steinen bedeckt war. Weiße Wolke goß Wein in die Schale mit den Krabben, dann nahm sie die betrunkenen Krabben heraus und legte sie in den Eimer. Ein schrilles Zischen ertönte, und nach zwei, drei Minuten war eine Platte mit Sauna-Shrimps fertig.
Gu mußte ihr jede Menge Anweisungen gegeben haben, die unter anderem die Zubereitung dieses Gerichts betrafen. Sie war vielleicht keine wirklich gute Köchin, verstand es aber dennoch, delikate Mahlzeiten zu zaubern. Für Chen war das allemal genug.
»Haben Sie gefunden, was Sie suchten?« fragte sie und griff nach einer der photokopierten Seiten.
»Dies könnte ein Teil des Puzzles sein. Ich muß es nur am richtigen Platz einfügen.«
»Das werden Sie«, sagte sie. »Ich hoffe, daß Ihnen die Krabben geschmeckt haben.«
»Ja danke. Sie verwöhnen mich.«
»Wirklich nicht. Es ist eine große Ehre für mich, für Sie zu arbeiten. Das sagt mir auch mein Chef immer wieder.«
In Chens Ohren klang das wie eine Erinnerung – an die Arbeit, die am Schreibtisch auf ihn wartete, und an die Tatsache, daß sie in einer Geschäftsbeziehung zueinander standen.
Er dachte zurück an ihre erste Begegnung in einem Separee des Dynasty Clubs. Auch damals hatte sie eine professionelle Funktion ausgeübt, die eines K-Mädels. Das mindeste, was er tun konnte, war, ihre Arbeit zu würdigen. Mit den Fingern nahm er sich eine weitere Krabbe.