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Garcia beschloss, Hunters Rat zu befolgen, und hielt auf dem Nachhauseweg bei Markey’s, einem kleinen Laden am North Rampant Boulevard. Hier gab es fast alles zu kaufen, von Blumen bis Schnaps, und die selbstgemachten Sandwichs mit Hackfleischbällchen und der Kaffee dort waren auch nicht zu verachten. In seinen Tagen als Detective beim LAPD hatte er hier oft vorbeigeschaut. Jetzt war es zwar ein kleiner Umweg, doch Anna würde sich über die Aufmerksamkeit freuen.
Die große, ziemlich hübsche Blondine hinter der Ladentheke begrüßte Garcia mit einem breiten Lächeln, das ihre makellos geformten Zähne entblößte. Garcia erwiderte das Lächeln und fuhr sich mit der Hand durch die Haare in der Hoffnung, halbwegs vorzeigbar zu erscheinen.
Garcia beschloss, zusätzlich zu den Blumen noch eine schöne Flasche Rotwein mitzunehmen. Es war schon eine ziemliche Weile her, seit Anna und er zu zweit eine Flasche getrunken hatten. Rioja mochte sie besonders. Die Blumen standen direkt am Eingang des Ladens, doch Garcia kümmerte sich erst einmal um den Wein.
»Entschuldigen Sie, wo ist bitte das Weinregal?«, fragte er.
»Ganz hinten«, sagte die blonde Verkäuferin mit einem erneuten Lächeln.
Die Auswahl war zwar nicht grandios, andererseits war Garcia ohnehin kein Experte auf diesem Gebiet. Er traf seine Wahl nach dem Preis. Je teurer, umso besser sollte er sein, dachte er sich. Dann ging er zu den Blumen zurück und suchte einen schönen Strauß mit Rosen aus.
»Das wäre alles«, sagte er und legte die Sachen auf die Theke.
»Das macht dann bitte 40,95 Dollar.«
Garcia reichte ihr drei Zwanzig-Dollar-Scheine.
»Sie ist eine beneidenswerte Frau«, sagte die blonde Verkäuferin, als sie ihm das Geld reichte.
»Wie bitte?«
»Die Dame, für die die Blumen sind … sie ist zu beneiden.« Sie lächelte erneut, und Garcia fiel auf, wie jung und hübsch sie aussah.
»Oh! Danke!« Er errötete.
»Wohnen Sie hier in der Gegend?«
»Ähm … nein, ich musste nur noch schnell ein paar Sachen besorgen. Das hier liegt auf dem Heimweg«, log er.
»O … wie schade, aber vielleicht kommen Sie ja wieder einmal vorbei?«
Garcia hatte keine Antwort darauf, also lächelte er nur verlegen.
Als er zu seinem Wagen ging, sinnierte er über die kleine Begegnung gerade eben nach. Er konnte kaum glauben, dass die Verkäuferin ihn angemacht hatte. So etwas war ihm seit einer Ewigkeit nicht mehr passiert.
Außer einem nagelneu aussehenden Chevy-Van war sein Wagen der einzige auf dem Parkplatz. Er machte die Beifahrertür auf und deponierte die Rosen vorsichtig auf dem Sitz. Seine Gedanken kehrten zu den Ereignissen des Tages zurück. Er konnte es noch immer nicht richtig fassen, dass Jenny Farnborough und Victoria Baker sich derart ähnlich sahen. Garcia glaubte nicht an Zufälle, aber er glaubte auch nicht, dass das gleichzeitige Verschwinden der beiden Frauen geplant gewesen war. Der Killer behielt seine Opfer nicht lange. Wenn er sie verschleppt hatte, tauchten sie binnen weniger Tage verstümmelt und tot wieder auf. Vicki Baker war sein Opfer gewesen, Jenny Farnborough war vermutlich nur verschwunden.
Auf einmal fiel Garcia ein, dass sie D-King immer noch beschatten ließen. Angesichts der sich überstürzenden neuen Erkenntnisse der letzten Stunden hatte er komplett vergessen, die Beschattung abbrechen zu lassen. Sie war ja jetzt nicht mehr nötig. Er griff zu seinem Handy, um die Sache sofort zu erledigen, und suchte im Adressbuch nach der Nummer. So vertieft, wie er war, bemerkte er nicht, wie jemand hinter ihn trat. Als er die Spiegelung der dunklen Gestalt auf seinem glänzenden Wagen wahrnahm, war es bereits zu spät. Bevor Garcia sich herumdrehen und seinem Angreifer stellen konnte, spürte er einen scharfen Stich seitlich im Hals.
Das Mittel wirkte fast sofort. Garcia verschwamm alles vor den Augen, und er spürte, wie seine Knie unter ihm nachgaben. Sein Handy fiel zu Boden – er hörte noch den krachenden Aufschlag. Er versuchte, sich an seinem Wagen festzuhalten, doch es war schon zu spät. Der Fremde zog ihn bereits zu dem parkenden Van hinüber.