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Gregory Gannons großes Apartment lag in einem Gebäude an der sogenannten Museumsmeile. Denn von der Fifth Avenue war es nicht weit zum Metropolitan Museum of Art, zum Guggenheim und mehreren anderen Museen. Die Wohnung verfügte über mehrere Terrassen, die in allen vier Himmelsrichtungen den Blick über Manhattan gestatteten, eine grandiose Aussicht auf eine der berühmtesten Inseln der Welt.

Vor seiner zweiten Ehe, die er acht Jahre zuvor eingegangen war, hatte Greg im Eckgebäude nebenan gewohnt, in einem komfortablen Zwölf-Zimmer-Apartment, in dem immer noch seine erste Frau Caroline lebte. Dort waren auch seine beiden Söhne aufgewachsen. Aidan arbeitete mittlerweile in Manhattan als Anwalt für einen Rechtshilfeverein. Der andere, William, war Lehrer und unterrichtete seit seinem Studienabschluss in Soziologie in einer Schule im Stadtzentrum. Nach der Scheidung hatte keiner von beiden mit ihm noch Kontakt. »Du hast in den Medien verkündet, du würdest dich von Mom scheiden lassen und Pamela heiraten, und Mom hatte noch nicht einmal den blassesten Schimmer, dass du fremdgehst«, hatte ihm Aidan damals gesagt. »Na, schön für dich. Du hast jetzt ja Pamela. Außerdem hast du gesagt, ich zitiere, ›zum ersten Mal in meinem Leben weiß ich, was wirkliches Glück ist‹. Also, vergiss uns. Du brauchst uns nicht mehr, und wir wollen dich nicht mehr.«

Die Jungs waren jetzt Ende zwanzig. Gelegentlich, wenn er zu Fuß in sein Büro ging, begegnete er einem von ihnen, wenn sie ihre Mutter besuchten. Greg gestand sich nur ungern ein, dass er hauptsächlich deswegen an Carolines Gebäude vorbeiging, weil er hoffte, seine Söhne zu sehen. Aber wenn es geschah, erwiderte keiner der beiden seinen Gruß.

Hin und wieder hatte er Caroline auf Benefizveranstaltungen gesehen. Ihm war zu Ohren gekommen, dass sie eine wohl ernsthafte Beziehung zu Guy Weatherill unterhielt, dem Vorstandsvorsitzenden eines internationalen, auf Straßen und Brücken spezialisierten Baukonzerns. Weatherill war Witwer und nach allem, was Greg gehört hatte, ein sehr ehrenwerter Bürger. Es hoffte es jedenfalls für Caroline. Sie hatte einen guten Menschen verdient. Und sie hatte bei der Scheidung von ihm eine Menge bekommen, wie er sich immer ins Gedächtnis rief, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen.

All das ging Greg durch den Kopf, als er zu Hause in der Bibliothek saß, an einem Wodka nippte und durch die Terrassentür in den düsteren Abendhimmel sah.

Wie viel würde diese Wohnung noch bringen?, fragte er sich. Vor acht Jahren, als Pamela und ich geheiratet haben, musste ich achtzehn Millionen Dollar dafür hinlegen. Und dann hat Pam sie völlig auseinandergenommen, so dass für die Umbauten weitere acht Millionen fällig wurden. Aber sechsundzwanzig Millionen werde ich unter den gegenwärtigen Bedingungen kaum herausholen können. Wie soll ich Pam gegenübertreten und ihr sagen, dass ich meine Verluste ausgleichen muss?

Mit den Tipps, die ich bekommen habe, ist immer alles glatt gelaufen. Ich habe mich nie auf Transaktionen eingelassen, die Verdacht erregt hätten ... bis auf die letzten Jahre, als ich zu gierig geworden bin. Das Kundengespräch heute ist hervorragend gelaufen. Dieser Typ hat immer ein tolles Leben geführt, aber der Treuhänder, der sein Vermögen verwaltet hat, hielt ihn an der kurzen Leine. Jetzt, nach dem Tod seiner Mutter, will er sein Erbe investieren, damit er endlich selbst ans große Geld kommt. Er hat nur Gutes über mich gehört, außerdem sind viele seiner Freunde Kunden von mir. Wenn ich sein Portfolio verwalten könnte, könnte ich so lange liquide bleiben, bis mir selbst wieder ein paar große Dinger gelingen.

Die Stiftung. Jeder weiß, dass es mit den Einnahmen bergab geht. Die Patentrechte sind ausgelaufen, es kommt kein Geld mehr herein. Schon seit Jahren nicht mehr. Trotzdem, wir haben das Kapital zu aggressiv investiert, überlegte er. Ich habe mich selbst bei Geldern bedient, die eigentlich für wohltätige Zwecke vorgesehen waren, die allerdings keinerlei Zukunft hatten. Die Gelder für Peters Theaterprojekte sind, genau betrachtet, äußerst fragwürdig. Wenigstens Clay als Kardiologe und Doug als vielbeachteter Psychiater verhelfen uns durch die von uns unterstützten Projekte noch zu einigem Ansehen.

Ich muss der Stiftung Geld entnehmen, viel Geld. Aber eigentlich gibt es dort nichts mehr zu holen.

»Greg?«

Wie immer ließ sich Greg Gannon von der betörenden Stimme verzaubern, der er von Anfang an erlegen war. »Hier«, rief er.

»Versteckst du dich wieder in deinem dicken Ledersessel?«, spöttelte seine Frau. »Du versuchst dich doch nicht vor mir zu verstecken, oder?«

Greg Gannon spürte, wie ihre Arme über die Sessellehne strichen und sich dann um seinen Hals schlangen. Schwach nahm er das exquisite, atemberaubend teure Parfüm wahr, das Pamela immer trug. Er musste sie gar nicht sehen, um ihre hinreißende Schönheit wahrzunehmen. Es passierte häufig, dass sie für Catherine Zeta-Jones gehalten wurde.

Nur schwer konnte er die Dämonen verscheuchen, die ihn davor warnten, dass er seine finanziellen Probleme nicht mehr lösen konnte und ihm wie so vielen anderen eine lange Haftstrafe bevorstand. Er hob die Hände und legte sie auf Pamelas Arme. »Vor dir verstecken? Niemals. Pam, du liebst mich doch, oder?«

»Was für eine dumme, dumme Frage.«

»Egal was, du würdest mich doch nie verlassen, oder?«

Pamela Gannon stieß ein tiefes, amüsiertes Lachen aus. »Warum sollte ich den großzügigsten Mann auf der ganzen weiten Welt verlassen?«

Flieh in die dunkle Nacht
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