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Arcimboldis Freundschaften
Raymond Queneau, den er als seinen Lehrer ansieht und mit dem er sich bei mehr als zehn Gelegenheiten in der Wolle hatte. Fünfmal in Briefen, viermal am Telefon und zweimal von Angesicht zu Angesicht, davon das eine Mal beleidigend und fluchend, das andere Mal mit verächtlichen Blicken und Grimassen.
Georges Perec, den er zutiefst bewunderte. Von ihm hatte er irgendwann einmal gesagt, er sei zweifellos die Reinkarnation Christi.
Raoul Duguay, Dichter aus Quebec, mit dem er eine Beziehung gegenseitiger Gastfreundschaft pflegte: Wenn Duguay in Frankreich war, wohnte er bei Arcimboldi, und wenn dieser nach Kanada kam oder Vorlesungen an der Universität hielt, logierte er im Haus des Frankokanadiers. Was Duguays Arbeit betraf: Er konnte in einem Jahr Professor an einer Universität in Texas und ein Jahr darauf Kellner in einer Bar in Vancouver sein. Etwas, das in Amerika vielleicht normal erscheinen konnte, Arcimboldi aber immer wieder in Erstaunen versetzte.
Isidore Isou, mit dem er sich zwischen 1946 und 1948 regelmäßig traf und mit dem er wegen der Veröffentlichung seines Buchs Réflexions sur M. André Breton (Ed. Lettriste 1948) brach. Für Arcimboldi war Isou ein »dreckiges rumänisches Arschloch«.
Elie-Charles Flamand, mit dem er zwischen 1950 und 1955 in Verbindung stand. Schon damals war der junge Flamand äußerst interessiert an esoterischen Dingen, was ihm 1959 seitens der surrealistischen Gruppe die Exkommunikation eintrug. Mit Arcimboldi verband ihn das Vergnügen an gewissen poetischen und kabbalistischen Lektüren. Arcimboldi zufolge war Flamand so diskret, dass, wenn er sich setzte, es praktisch nicht anders war, als wäre er stehen geblieben. (Diese Beobachtung von Arcimboldi finden wir auch in einer Erzählung von Agatha Christie.)
Ivonne Mercier, Bibliothekarin aus Caen, mit der er zwischen 1952 und 1960 in Beziehung stand. Er hatte Fräulein Mercier während eines Ferienaufenthalts in der Normandie kennengelernt. Während eines Jahres beschränkte sich ihr Kontakt auf Briefe, die sie sich reichlich, zwei- bis dreimal wöchentlich, schrieben. Das Fräulein Mercier war damals verlobt und träumte von einer baldigen Vermählung. Der plötzliche Tod ihres Verlobten näherte sie einander an. Ivonne Mercier begab sich durchschnittlich sechsmal im Jahr nach Paris. Arcimboldi dagegen fuhr in seinem ganzen Leben nur noch ein einziges Mal nach Caen, im Sommer 1959, dem Jahr der Veröffentlichung seines Romans Hartmann von Aue und des Versromans Die Vollkommenheit auf Schienen oder Die Verdopplungen des Verfolgten. Im Jahr 1960 heiratete Ivonne Mercier einen Bauunternehmer von der normannischen Küste und stellte ihre Besuche in Paris ein. Ein paar Jahre lang schrieben sie sich noch, allerdings nur sporadisch.
René Monardes, Jugendfreund aus Carcassonne, den er jedes Mal besuchte, wenn er dorthin zurückkam. Der Weingroßhändler Monardes behielt Arcimboldi als ehrlichen, großherzigen Menschen in Erinnerung. Er las keines seiner Bücher, obwohl er einige auf der Anrichte im Esszimmer stehen hatte. Monardes behauptete, dass ihn Arcimboldi, auch nachdem er Frankreich verlassen hatte, ab und zu besuchen würde. Einmal alle zwei Jahre. Er kommt, trinkt mit mir ein Glas Wein, manchmal sitzen wir in der Weinlaube und essen Feigen, ich erzähle ihm die Neuigkeiten, jedes Mal weniger, und dann geht er wieder. Er ist immer noch ein netter Kerl. Wortkarg und nett.