Als ich aufwache, weiß ich im ersten Moment gar nicht, warum ich so glücklich bin. Aber ich erinnere mich, noch bevor ich die Augen aufschlage. Alex.

Irgendwann, als gegenüber die ersten zeitigen Familien zum Freibad aufbrachen, habe ich mich doch noch ins Bett gelegt – ich bin ja keine Comic-Actionheldin – und mich an den schlafenden Alex gekuschelt. Ich mache erst gegen Mittag die Augen wieder auf, mit einer sprudelnden Freude im Bauch. Weil es einfach herrlich ist, wenn jemand neben dir liegt, der offenbar im Schlaf merkt, dass du da bist und, ohne dabei aufzuwachen, die Arme um dich schlingt. Als hätte er im Traum nach dir gesucht.

Ich liege noch eine Viertelstunde still neben Alex und genieße es, dann scheucht mich das Klappern aus der Küche doch auf und ich befreie mich vorsichtig aus seiner Umarmung.

Isa ist schon mit ihren Büchern beschäftigt. Kein Wunder, dass sie überarbeitet ist. Jenny kommt wenig später heim – höchste Zeit, wir müssen in einer Stunde wieder in der Klinik sein.

Die beiden merken es erst, als ich mit einer zweiten Kaffeetasse zurück in mein Zimmer schleichen will.

»Wer ist es?«, fragt Jenny, als hätte ich jemals fremde Herren in meinem Zimmer nächtigen zu lassen. »War nur Spaß«, grinst sie, als ich sie vorwurfsvoll ansehe, »ich weiß doch, dass es Alex ist. Dr. Thalheim würde niemals in einer PJler-WG übernachten.«

Tobias. Seit wie vielen Stunden habe ich nicht mehr an ihn gedacht?

Ich kehre zu Alex zurück, der meine Munterkeit bewundert und verschlafen fragt, was ich mit meiner unendlichen Energie heute unternehmen möchte.

Mir fiele eine Menge ein – aber alles fällt aus wegen Lernzwangs. Ich erkläre Alex, dass er gern noch hierbleiben kann, ich aber gleich in die Klinik muss und wir uns heute wieder nur nachts sehen können.

Er zwinkert. »Dann geh Leben retten und Handstände vorführen«, grinst er. »Berlin ist im Sommer sowieso nur nachts schön.«

Ein Kuss, dann stehe ich ganz schnell wieder auf, um nicht der Versuchung zu erliegen.

Auf dem Weg zur PJ-Fortbildung bin ich vollkommen gelassen. Ich übernehme ohne Zögern den Beifahrerplatz in Jennys Ente, den Isa und ich hinter Jennys Rücken den Todessitz nennen, weil Jenny geflissentlich die »rechts-vor-links«-Regel ignoriert und man deshalb als Beifahrer auf dem gefährlichsten Platz sitzt. Aber heute kann mir nichts passieren.

Wir betreten die Klinik, ich bin ganz ruhig. »Wo willst du sitzen?«, fragt Isa vorsichtig im Schulungsraum und ich zucke die Achseln, weil es mir wirklich völlig egal ist. (Okay, FAST egal, ich möchte nicht unbedingt ganz vorne sitzen, direkt vor Tobias, und nicht ganz hinten, damit er nicht denkt, dass ich jetzt irgendwelche Umgangs-Scheu habe. Aber alles andere ist mir wirklich recht.)

Als Tobias den Raum betritt, sucht er nicht zuerst meinen Blick. Das kommt mir gelegen, denn ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht, ob ich ihm besser direkt in die Augen schaue – oder gerade nicht. Aber trotzdem bleibe ich absolut gelassen.

Tobias spricht über Herz-Kreislauf-Erkrankungen und in meinem Kopf sagt es die ganze Zeit: »Es ist vorbei, es ist vorbei, es ist vorbei.«

»Woran denken Sie, wenn ein Patient ohne bekannte Herzkrankheit und ohne kardiovaskuläre Risikofaktoren über Herzrasen klagt, das plötzlich beginnt und ebenso plötzlich endet?«, fragt er und ich denke »Es hat weder plötzlich begonnen, noch plötzlich geendet. Aber es ist vorbei. Kein Herzrasen mehr. Die Patientin wird entlassen«.

Es fühlt sich gut an, sicher. Ich bin darüber hinweg.

Und er ist es auch.

Er hat noch nicht einmal hergesehen, zumindest nicht länger, nicht mit mehr als einem Vorbei-Schweif-Blick, wenn er die Gruppe der Studenten überschaut. Auf seiner Stirn zeigt sich eine strenge Falte, das ist sein ernstes Das-ist-mir-wichtig-Gesicht. Ich glaube, fast alle seine Mienen zu kennen. Und nun muss ich sie nicht mehr deuten.

Das ist vielleicht das erste Mal, dass ich mit ihm in einem Raum bin, ohne mich komisch zu fühlen. Oder ohne mich zu fragen, was er denkt. Ohne weiche Knie. Das erste Mal, dass sich nicht alles um ihn dreht. Okay, dafür müsstest du nur noch aufhören, darüber nachzudenken, dass es nicht mehr um ihn geht.

Aber auch das ist kein Problem. »Alex, Alex, Alex«, denke ich konzentriert. »Was immer du machst, du wirst perfekt sein.« Und dann: »Ben-ja-min Blüm-chen, wir sa-gen Hal-lo!«

»Fräulein Weissenbach?« Tobias. Verdammt. Was hat er gefragt?

»Wir fragen uns, was wird wohl heut geschehn?«, spielt das blöde Lied in meinem Kopf weiter. »Benjamin Blümchen, deine Welt ist schön!« Raus! Hier werden ernsthafte medizinische Fragen gestellt! Die ich unbedingt beantworten muss!

»Kannstkönnen Sie die Frage noch mal …?« Jetzt hätte ich ihn beinahe geduzt. Dabei ist es peinlich genug nachzufragen. Weil man an einen sprechenden Elefanten gedacht hat. Um nicht an die strengen Stirnfalten des Dozenten zu denken.

»Der Patient muss am Kniegelenk operiert werden. Ich wollte wissen, welcher präoperativen Maßnahmen es bedarf«, wiederholt Tobias ohne jede Regung. Okay, das weiß ich. Ich kann darauf antworten. Sofort. Aufklärungsgespräch, Überprüfen der Blutwerte und Gerinnung. Röntgen-Thorax, EKG. Moment, da war doch noch irgendwas …

Los jetzt, Lena! Du kannst nicht 30 Minuten darüber nachdenken, dass er dich überhaupt nicht mehr nervös macht – und dann bei seiner ersten Frage fahrig losstottern.

Ich zähle also alles auf, was mir eingefallen ist, und verdränge das Da-fehlt-doch-was-Gefühl. Weil eine entschiedene Antwort tausendmal besser ist als unsicheres Gestotter, auch wenn sie nicht GANZ richtig sein sollte. Und weil ich mir doch fast sicher bin, dass ich an alles gedacht habe.

Er sieht mich an, ruhig. Und nickt. Geschafft. Ich lächle, lächle ihn an. Ein Wir-sind-beide-prima-Ärzte-Lächeln. Ein Ich-hoffe-wir-können-tolle-Arztfreunde-sein-Lächeln. Und er lächelt zurück. Hurra, Lena. Ihr werdet diese beiden sagenumwobenen Ärzte sein, die in stiller Eintracht gemeinsam Leben retten und sich in ruhigen Momenten amüsiert und friedlich-harmonisch-zufrieden daran erinnern, dass es da irgendwann mal ein Gefühlschaos gab, das beinahe ernste Schwierigkeiten gemacht hätte … und die dann zueinander sagen: »Wie gut, dass das damals nichts wurde, sonst wären wir sicher heute nicht so gute Freunde.« Hurra!

»Und dann lassen Sie ihn verbluten?«, fragt Tobias und sieht mir gerade in die Augen.

Moment, was soll das?! Erwachsene-Ärztin-Zukunfts-Lena tritt ihrem Möchtegern-Arztfreund gegen das Schienbein und sagt: »Hau ab und sei mit jemand anderem harmonische Freunde! Dass du mir damals vor allen diese fiese Frage gestellt hast, habe ich dir bis heute nicht verziehen!«

Leider kommt Zukunfts-Lenas Abfuhr entweder nicht durch die Zeiten bei ihm an … oder es ist ihm ganz egal und er WILL überhaupt nicht mit mir zukunfts-befreundet sein. Er steht jedenfalls immer noch da und schaut fragend. Okay, Lena. Zeig's ihm! Lass dich nicht vorführen!

Gute Vorsätze, die aber nicht ganz so leicht umzusetzen sind. Weil ich die Antwort schlicht nicht weiß.

Wieso verbluten? Hat er irgendwas über den Patienten gesagt, das ich wegen des Benjamin-Blümchen-Lieds verpasst habe?

Ich könnte raten. Ich könnte irgendwie an der Frage vorbeiantworten. Ich könnte das bescheuerte Benjamin-Lied singen, denn im Moment ist im Hirn nichts anderes verfügbar.

Hauptsache, du sitzt hier nicht länger sprachlos mit offenem Mund vor ihm.

Raten. Raten ist besser als das Benjamin-Lied. Für An-der-Frage-vorbei-antworten fehlt dir auch gerade die Eloquenz.

Wenn der Patient zu verbluten droht, weil ich etwas vergessen habe … dann wohl, weil irgendwas die Blutgerinnung beeinträchtigt. Es könnte sein, dass er zum Beispiel eine künstliche Herzklappe hat und deshalb regelmäßig einen Gerinnungshemmer nimmt. Den sollte er natürlich zur Operation nicht eingenommen haben.

»Falls er langfristig antikoaguliert ist, bekommt er möglicherweise Cumarine, die eine Halbwertszeit von bis zu acht Tagen haben können. Dieser Gerinnungshemmer müsste abgesetzt und durch Heparin ersetzt werden, das nur zwölf Stunden wirkt und dann direkt vor dem Eingriff abgesetzt werden kann«, antworte ich. »Mit Gerinnungshemmern darf er natürlich nicht operiert werden.«

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der Patient, dessen Diagnose ich verträumt habe, tatsächlich Cumarine nimmt, habe aber Hoffnung, dass wenigstens nicht alle merken, dass ich rate.

»Richtig«, sagt Tobias.

Pah. Ich kann es doch. Wenigstens rate ich prima. Alles ist gut, ausatmen.

»Aber in der Prüfung raten Sie besser nicht, Fräulein Weissenbach«, fährt Tobias fort. »Denn das provoziert die Prüfer weiterzuhaken, bis sie den Punkt erwischen, an dem Sie falsch raten.«

Ich will etwas antworten, doch er dreht sich weg und stellt einem anderen die nächste Frage.

Na gut, es ist nicht einfach für ihn. Dass du hier sitzt und überhaupt nicht mehr an ihn denkst. Sei nachsichtig, Lena. Und in Zukunft so aufmerksam, wie du nur irgend kannst!

Den Rest der Fortbildung überstehe ich prima. Ich schaffe es sogar, ihn freundlich anzulächeln. Nicht lieblich, nur Freund-freundlich. Ich-respektiere-dich-freundlich. Deine-Fragen-bringen-mich-nicht-aus-dem-Konzept-freundich. Das-ein-Freundschafts-Konzept-sein-kann-wenn-du-mich-nicht-noch-mal-so-vorführst-freundlich. Und ich glaube, er versteht es, denn er fragt mich wirklich nicht noch mal.

Nach der Schulung allerdings tut Tobias etwas, das, sollte es Taktik sein, ein ziemlich fieser, doch durchschlagender Schachzug wäre: Er spricht Isa an. Und bietet eine private, prüfungsvorbereitende Konsultation an. (Nein, Lena, er hat keine Schachzüge nötig! Sei nicht so eingebildet; er fängt nicht das schwächste Glied in der Kette, um dich mitzuverhaften! Isa stand einfach am nächsten bei ihm – und wenn er es DIR angeboten hätte, hättest du doch noch wilder interpretiert!)

Isa ist jedenfalls gebannt. Ein unsicherer Blick zu mir; ich sehe, wie sie mit ihrer Loyalität kämpft und mich stumm, aber inbrünstig um ein Zeichen bittet. Sie will eine Konsultation, unbedingt! Aber der Hundeblick ist gar nicht nötig; natürlich habe ich nichts dagegen.

»Sie sollten alle drei kommen«, sagt Tobias. »Nicht, weil ich keine Konsultation für einen einzigen Studenten abhalte. Aber Sie können es alle brauchen.«

Jetzt sieht mich auch Jenny fragend an. In ihrer stummen Blick-Botschaft lese ich kein Bitte-darf-ich, sondern eher Neugierde. Aber auch sie scheint ihre Entscheidung von meiner abhängig machen zu wollen.

»Na hört mal, Mädels!«, sende ich zurück. »Erstens werde ich euch keine Konsultation verderben. Zweitens ist zwischen Tobias und mir alles klar. Ja, vielleicht gehe ich sogar selbst mit. Und denkt nicht, er bietet das meinetwegen an, das hat er echt nicht nötig.«

Entweder war das zu schnell zu viel Text oder meine Blick-Botschaften brauchen doch Untertitel – meine Freundinnen wirken verwirrt. »Geht’s dir gut?«, fragt Isa.

Natürlich. Mir geht’s blendend. Nur das wortlose Kommunizieren üben wir noch mal. Ich gebe dazu eine Privatkonsultation.

»Klar«, antworte ich. Und »Danke« in Tobias’ Richtung.

Woraus Isa schließt, dass sie das Angebot meinetwegen gern annehmen darf und sofort einen Termin vereinbaren möchte. Jenny grinst mir zu und öffnet ebenfalls den Handy-Kalender. (Wow, ist der voll! Moment – steht da »Anruf DJ Geburtstag«? Wieso brauchen wir zu sechst einen DJ?!)

»Passt dir das?«, reißt mich Tobias’ Stimme aus der Fremd-Kalender-Forschung.

Ich zögere. Soll ich wirklich hingehen? Zu jeder anderen Konsultation würde ich mich als Allererste in die Schlange stellen. Er ist ein hervorragender Arzt, ein ausgezeichneter Lehrer. Und zwischen uns ist ALLES KLAR.

Warum guckt er denn so? Wieso sind SEINE Blicke niemals untertitelt?! Und spielt es nicht doch noch eine Rolle, dass er damals in der Cafeteria gesagt hat, eine Privatkonsultation von ihm für mich wäre nicht … das Adjektiv fehlt übrigens bis heute, Herr Doktor! (Nein, das darf keine Rolle mehr spielen. Oder nur eine winzige Nebenrolle. Aber die können einen ganzen Film entscheiden. Nicht umsonst kriegen die die besten Oscars.)

»Ich hoffe, du kannst dir die Zeit nehmen«, sagt Tobias. »Immerhin bist du noch nicht mal beim Thema präoperative Maßnahmen wirklich sattelfest. Und das wird bei jeder Lernschwester vorausgesetzt.«

Davon fühle ich mich sofort so herausgefordert, dass ich zusage.

»Sehr schön«, sagt Tobias, »dann sehe ich Sie alle übermorgen. Gut vorbereitet und ausgeschlafen.«

Isa nickt brav, Jenny frech – und ich nicke ebenfalls und lächle ihn knapp an, um zu zeigen, dass ich sein Angebot schätze (auch wenn er mich dabei ein bisschen provozieren musste), dass alles ganz unkompliziert ist und wir vielleicht doch noch Zukunfts-Freunde werden.

»Sehr edel«, sagt Isa, als wir die Klinik verlassen. »Dass er so nett ist, obwohl du ihm eine Abfuhr erteilt hast.« Sie klingt so dankbar, als habe sie tatsächlich befürchtet, dass meine Absage an Tobias ihr die Prüfung erschweren könnte.

»Oder sehr berechnend«, hält Jenny dagegen. Aber ich bin entschlossen, Tobias nur Gutes zu unterstellen – so emotionsgesteuerte, hintersinnig-berechnende Aktionen passen doch auch gar nicht zu ihm – und deshalb Isas Meinung.

»Apropos Was man für berechnend halten könnte«, lächle ich Jenny direkt in die Augen. »Warum brauchen wir zu sechst einen DJ?«

»Was braucht ihr?«, fragt Isa irritiert, die von der Geburtstagsplan-Änderung noch nichts weiß – und dann ergänzt sie, als ginge es um die Frage, wer noch etwas in der Drogerie besorgen möchte: »Also ich brauch keinen DJ.«

»Doch«, erklärt Jenny, »der ist für unseren Geburtstag.«

Isa schüttelt den Kopf. »Wir feiern nicht Geburtstag.«

»Doch«, widerspreche nun ich, »wir feiern. Aber nur ganz klein.«

Isa runzelt die Stirn. »Wieso brauchen wir dann einen DJ?!«

»Genau.« Endlich wendet sich das Gespräch wieder Jenny zu. Die stöhnt; sie hat wohl schon gehofft, dass diese Frage irgendwie in Vergessenheit gerät. »Ein DJ ist eben immer gut.«

Damit steigt sie ins Auto und blinzelt uns herausfordernd an. »Können wir dann jetzt?!«

Isa und ich klettern in die Ente, Jenny gibt Gas und dreht die Musik auf. Aber so leicht kommt sie mir nicht davon.

»Was hast du noch geplant?«, frage ich. »Eine Hüpfburg in unserer Küche? Clowns? Einen für jeden? Warum nicht eine Band, das würde sich für sechs Leute doch lohnen.«

»Konzerte in kleinem Rahmen können sehr schön sein«, faucht Jenny und gibt noch mehr Gas.

»Wir wollten die Feier doch verschieben«, lässt sich Isa von der Rückbank vernehmen. »Wann wurde denn dieser Plan geändert?«

»Gestern«, erkläre ich nach hinten. »Wir haben uns gestern überlegt, dass eine kleine, feine Feierei doch schön wäre. Sie darf nur nicht zu viel Zeit kosten. Wir dachten an ein gemütliches Essen. Oder dass wir zusammen ausgehen. Nur nichts zu Aufwendiges und nichts in unserer Wohnung, wonach wir drei Tage aufräumen müssen.« Dabei sehe ich Jenny streng an.

»Ja ja«, murmelt sie. »Aber es kann sein, dass die Party jetzt doch ETWAS größer wird.«

Genau das habe ich mir gedacht. »Wie viele?«, frage ich ahnungsvoll. »20? 30?« Herrje, wie viele Menschen kann sie denn von gestern auf heute eingeladen haben?

Zwei umgedrehte rote Dreiecks-Verkehrszeichen später – die für Jenny offenbar Hier darfst du extra schnell drüberbrettern bedeuten – fängt sie langatmig an zu erklären, dass sie gestern Abend bei Felix nur mal so überschlagen hat … und sie dann nur ein bisschen telefoniert haben, wer überhaupt Zeit hätte …

»50?«, frage ich besorgt. »Sag, dass du nicht schon 50 Leute eingeladen hast!«

»Nein!«, entgegnet sie empört. Aber ich kenne sie nun lange genug. »48?«, rate ich.

Ihr Schweigen – und die Tatsache, dass sie aus der alten Ente noch fast 20 km/h mehr rausholt, als hier erlaubt sind – genügen als Antwort. Ich bin offenbar sehr dicht dran.

»Lena«, kommt Isas ängstliche Stimme von der Rückbank, »könnten wir das besprechen, wenn wir wieder festen Boden unter den Füßen haben?«

Sie hat recht. Und in den folgenden Minuten, während die Ente halsbrecherisch gen Heimat schlingert, ändere ich meine Meinung. Weil vor meinem inneren Auge meine letzten Geburtstage vorbeiziehen – die in den Studienjahren habe ich immer in eine Lernpause gequetscht, als ginge es bereits ums Examen – und die Feiereien des letzten Jahres, unsere Einzugsparty, das OP-Fest, die verrückte Weihnachtsfeier … Dies hier ist mein großartigstes Jahr, dies sind meine besten Freundinnen … und wer weiß, wohin es uns alle nach den Prüfungen verschlägt. Die Erinnerungen, an denen man sich morgen wärmen möchte, muss man heute pflanzen. Sagt Omi. Und schließlich ist mir das Lernen in den letzten Tagen so leicht gefallen: Wer sagt, dass ich es nicht auch noch fertigbringe, mir zwischen Tortenreste-Aufkratzen und Bad-Schrubben eine bomben- und prüfungsfeste Radiologie anzulernen.

Diese Gedankenkette bringt mich auf eine perfekte Idee.

»Wir feiern!«, sage ich entschieden, als wir uns aus der Ente winden. »Wer weiß, was nächstes Jahr ist. Und wir haben wirklich den ultimativen Geburtstag verdient.«

Es dauert einen Moment, bis ich die Mädels davon überzeugt habe, dass ich (was Jenny lieber selbst tun würde) für uns eine Party organisiere (was Isa immer noch Sorgen macht). Aber schließlich erklären sie sich einverstanden.

»Du kannst mir deine Gästeliste geben«, lächle ich Jenny an, »und dann geht ihr beide hübsch wieder lernen. Ihr werdet keinen Tag verlieren, das verspreche ich hoch und heilig. Also vertraut mir … ach, und vertraut mir euer Budget an.«

Damit schwebe ich zur Haustür und lasse meine Freundinnen in Sprachlosigkeit vereint zurück. Denn eins steht fest: Ich werde nichts, nichts, nichts verraten.

Isa hält sich einen Moment an der Haustür fest. Sie atmet mühsam und wirkt ein bisschen grün im Gesicht. Ach, du meine Güte, sie wird sich doch nicht übergeben? Schwach lächelt sie mich an. »Du musst wirklich einen stählernen Magen haben, Lena«, haucht sie. »Aber ICH würde echt gern mal wieder S-Bahn fahren.«

Alex holt mich am Abend ab und findet meine Party-Idee großartig. Er verspricht, mir zu helfen und hat noch etwa hundert Einfälle, die mein Konzept vervollkommnen.

Wir liegen in einem großen Park auf der Wiese und der Nachthimmel über uns strahlt die Stadtlichter zurück. »Richtige Sternbilder gibt’s hier nicht zu sehen«, sagt Alex, »aber dafür blinkt der Fernsehturm doch ganz beruhigend, oder?«

Er hat recht, Sommer-Berlin ist nachts schöner als bei Tag. Es ist nicht still, aber die Geräusche sind gedämpft. Alles ist weicher, die Hitze einer angenehmen Wärme gewichen. Kein Abgas-Geruch mehr, man riecht sogar die Blumen. Irgendwann schlafe ich ein und mein letzter bewusster Gedanke ist die Frage, ob es noch normal ist, sich dermaßen glücklich zu fühlen.

Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern
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