Du Glückliche darfst hierbleiben und mit deinen Freundinnen lernen«, grinst Alex. »Und ich muss 600 Kilometer fahren und mit meiner Familie Omas Goldene Hochzeit feiern.«

»Das ist doch rührend«, finde ich, »sie sind 50 Jahre verheiratet …« ER hört sich doch in letzter Zeit so nach Bindungswunsch an!

»Gar nicht«, schnaubt Alex, »Opa ist seit fünf Jahren tot.«

Er erklärt, seine Oma würde die Familie nur versammeln, um sie alle zu schikanieren, und hat keine Lust, dafür die weite Fahrt nach Leverkusen auf sich zu nehmen – aber offenbar gibt es kein Entkommen.

»Ich werde dich vier Tage nicht sehen und die ganze Zeit Sehnsucht haben«, klagt er, »während du in den vier Tagen hervorragend vorankommst.«

Ich werde ganz gewiss ebensolche Sehnsucht nach ihm haben. Aber hervorragend vorankommen will ich trotzdem.

»Du fehlst mir so«, sagt Tobias, »ich komme überhaupt keinen Schritt mehr voran. Ich stehe immer noch in meinem Büro und warte, dass du zurückkommst. 6000 Kilometer können für dich doch kein Problem sein.«

Autsch. Schon wieder das Bücherregal. Diesmal mit voller Wucht.

Wenn Tobias mir noch öfter im Traum erscheint, sollte ich das Zimmer umräumen. Diesmal weiß ich genau, was ich projiziert habe. Ich habe einiges dabei durcheinandergebracht. Nicht 6000 Kilometer, nur 600. Und der mich so vermisst und mir so fehlt, ist Alex.

Alex.

Tobias aber ist es, den ich nach meiner letzten Nachtschicht vor den Prüfungen auf dem Gang treffe.

»Alles in Ordnung?«, fragt er. Und nicht, ob ich 6000 Kilometer zu ihm zurückkomme. Nur, ob es in der Nachtschicht auch keine Probleme gab. Ich nicke.

»Danke«, sage ich leise. »Ich hab mich noch gar nicht für dein Geburtstagsgeschenk bedankt. Du warst nicht da, als ich Chirurgie-Konsultation hatte … und …«

»Schon gut«, unterbricht er.

»Also danke«, beende ich mein Gestotter. »Ich habe mich wirklich riesig gefreut.«

Ist ihm das peinlich? ER hat doch MIR ein Geschenk gemacht! Da werde ICH mich doch wohl bedanken dürfen!

»Der Kittel allein macht es nicht«, sagt Tobias. Und macht MIR damit irgendwie das schönste meiner Geburtstagsgeschenke kaputt.

»Natürlich nicht. Ich hab mich trotzdem gefreut.« Das wird man doch wohl sagen dürfen.

Tobias sieht auf die Uhr. »Geh nach Hause, Lena. Geh schlafen. Du siehst müde aus.«

Ich nicke. Ich gehe ja schon. Dass ich nicht wie sonst widerspreche, lässt ihn offenbar glauben, dass er noch nachlegen darf. Oder muss.

»Du musst für die Nachtschichten vorschlafen«, sagt er. »Du kannst hier nicht unausgeschlafen Dienst tun.«

Ach! Dann halt du dich doch mal eine Nacht aus meinen Träumen raus!

»Ich kann ja nicht schlafen!«, entfährt es mir – vorwurfsvoll, als könnte er irgendetwas dafür, dass er des Nachts in meinen Träumen Rabatz macht.

»Geh heim und leg dich hin, dann wird es schon gehen«, sagt er unwirsch. »Man darf nur nicht die ganze Zeit mit den Augen rollen.« Es wirkt, als verkneife er sich mal wieder ein Lächeln dabei.

Ich HABE nicht mit den Augen gerollt. Das hab ich doch grade absolut nicht getan, oder?!

Ich habe ein fast komplettes Medizinstudium geschafft. Ich habe drei Tertiale PJ absolviert. Und den Großteil der Prüfungsvorbereitung überstanden. Aber ich schaffe es nicht, ein einziges Mal in einer einzigen Unterhaltung mit Tobias eine souveräne Antwort zu geben! Was müsste man dafür studieren – und wie lange?

Ich gehe heim. Auf der Stelle. Und rolle den ganzen Heimweg mit den Augen. Extra.

Am nächsten Vormittag sitzt Isa nicht am Küchentisch, als ich aufstehe. Ich koche Kaffee, ich warte, irgendwann erscheint die verschlafene Jenny in der Küchentür, Isa kommt nicht.

Schließlich gehe ich nach ihr sehen. Sie wacht grade auf.

»Ich habe geschlafen, Lena«, sagt sie. »Zum ersten Mal seit Wochen acht Stunden lang.« Sie sieht auf die Uhr und lächelt. »Elf Stunden.«

Sie setzt sich auf und sieht aus wie ein kleines Mädchen in ihrem Karo-Schlafanzug und mit den verstrubbelten Haaren.

»Ich habe bis um eins mit Tom telefoniert, der Arme kam heute sicher vollkommen übermüdet zur Arbeit.«

»Und du?«, necke ich sie. »Du kommst wohl heute gar nicht?!«

Sie schüttelt den Kopf. »Nein, Lena. Ich komm nicht mehr.«

Bis zum Nachmittag bleibt sie im Schlafanzug im Bett. Jenny und ich sitzen bei ihr und sind sprachlos. Als ob wir es nicht geahnt hätten.

Isa erklärt uns, dass sie den Plan ändert. Sie haben es gestern Nacht entschieden, gemeinsam. Dass Dr. Gode recht hat. Dass sie realistisch sein muss. Und will.

Sie wird die Prüfung aufschieben. Stattdessen heiratet sie jetzt – wenn auch ungeplant mit dickem Bauch – und wird erst mal Mutter. »Alles andere wird man dann sehen …«, lächelt sie. Und wirkt mit ihrer Entscheidung tatsächlich vollkommen glücklich.

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Einerseits kommt es mir so richtig vor … und gleichzeitig so falsch.

Jenny ist nicht um einen Kommentar verlegen. »Das ist furchtbar, Isa«, sagt sie, »einfach schrecklich. Denn jetzt müssen wir Johanna und Patrick zum Lernen einladen.«

Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern
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