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Lorna Tem hörte sich die Botschaft einmal an, dann noch ein zweites Mal.
Zuerst hatte der kindliche Klang der Stimme gegen die Möglichkeit gesprochen, dass dies der Falcon war, den sie kannte. Aber was war das gegen die absolute Unmöglichkeit der Tatsache, dass eine menschliche Stimme einem modulierten Neutrinostrom aufgeprägt war, der aus dem Herzen der Sonne hervorbrodelte?
Sie klammerte sich fast bis zum Ende an ihrer Skepsis fest. Falcon und die Maschine – diejenige, die Adam hieß – legten ihre gemeinsamen Bedingungen für ein Ende des Krieges dar. Sie hatte nichts daran auszusetzen.
Dann kam jener Teil der Botschaft, der ihre letzten Zweifel ausräumte.
»Oh, und Surgeon-Commander Tem? Mir ist, wenn auch ein wenig spät, wieder eingefallen, wo wir uns zum ersten Mal begegnet sind, vor vielen Jahren. Sie waren dieses tapfere kleine Mädchen auf der Hindenburg. Tut mir leid, dass unsere zweite Begegnung nicht unter angenehmeren Umständen stattfand. Aber Sie haben Ihr Bestes getan, um mich zu warnen, dass ich zur Waffe umfunktioniert worden war. Ich bedaure es, wenn meine Enthüllung Sie jetzt in Schwierigkeiten bringt, aber ich wollte Sie wissen lassen, wie dankbar ich Ihnen bin, und es kann sein, dass ich keine weitere Gelegenheit mehr habe, das zum Ausdruck zu bringen.«
Als die Botschaft endete, brauchte sie Boss lediglich zu versichern, dass diese durchaus authentisch war, soweit es sie betraf – dass dies der Falcon war, den sie gekannt hatte.
Boss setzte erneut das breite Schimpansenlächeln auf. »Viel Glück, Surgeon-Commander – Sie werden es vielleicht brauchen, nachdem Ihr exotischer Freund Sie hat auffliegen lassen. Wenn Sie ihn wiedersehen, erinnern Sie ihn an mich. Huu! Aber heute beginnt eine neue Zeit für uns alle.« Und damit unterbrach er die Verbindung.
Es dauerte nur Sekunden, bis der Türsummer ertönte.
»Herein«, sagte Tem. Sie verspürte weder Angst noch Neugier.
Natürlich war es ein Springer-Soames, Bodan Severyn, begleitet von zwei Wachleuten.
»Ich dachte, Sie wären so vernünftig gewesen, inzwischen abzureisen«, sagte Tem.
»Wir haben ein letztes Shuttle startbereit gehalten – für uns selbst und alle anderen, die noch evakuiert werden müssen. Und dann haben wir diese Botschaft gehört.«
Sie lächelte. »Natürlich. Da kommt also eine Botschaft vom Himmel, aus dem Herzen der Sonne – ein unbegreifliches Ereignis, eine Offenbarung. Und Ihre erste Reaktion besteht darin, mich holen zu kommen.«
»Sie stehen unter Arrest, Surgeon-Commander. Die Anklagepunkte sind so zahlreich, dass sie noch nicht alle einzeln aufgelistet worden sind, aber sie beinhalten auf jeden Fall Sabotage der Falcon-Operation gegen die Maschinen, Verrat militärischer Geheimnisse, Spionage, Verschwörung mit bekannten regimekritischen Elementen …« Er warf den Wachleuten einen Blick zu. »Nehmt sie fest. Bringt sie zum Shuttle. Sie darf keinen der anderen Bereiche des Komplexes betreten.«
Nachdem er sein Sprüchlein aufgesagt und Tem vollständig gedemütigt hatte, machte Bodan kehrt und wollte hinausmarschieren.
Aber die Wachleute an der Tür zögerten. Sie sahen einander an, dann Tem und schließlich Bodan.
Und Tem spürte, wie sich im Bauch der Welt etwas veränderte. Eine gewaltige Maschine war verstummt.
»Ergreift sie!«
Die Wachleute zögerten immer noch.
Tem lächelte. »Ihre Wachleute haben die Botschaft sicher gehört. Jeder muss sie gehört haben. Sie haben meinen Namen in einer Kette von Neutrinos gehört, die aus dem Herzen der Sonne strömten. Und Ihre Schwester auch, Bodan. Hören Sie’s nicht, spüren Sie’s nicht? Sie weiß, dass sich alles geändert hat – offenbar hat sie die Impulspumpe bereits abgeschaltet und diesem absurden Akt der Dummheit ein Ende gemacht. Alles ist jetzt anders – das müssen Sie doch erkennen.« Sie wandte sich an die Wachleute. »Was euch betrifft – fragt euch selbst. Auf welcher Seite steht ihr?«
Endlich bewegten sich die Wachleute. Aber sie kamen nicht auf Tem zu.
Bodan Severyn versuchte zu fliehen.