Kapitel 23
Als der Hammloh’sche Ochsenkarren auf den mit Kopf steinen gepflasterten Dorfplatz fuhr und zwischen den anderen anhielt, tanzten bereits in allen Fenstern von Willakhiep die Kerzen. Das Lagerfeuer loderte, und überall blakten Fackeln und vertrieben die eiskalte Finsternis, die für die Erdlin-Zeit typisch war. Bauern und Dorfbewohner, die sich auf dem Platz versammelt hatten, waren in dicke Wollkleidung gemummelt und hatten die reich bestickten Mützen tief über die Ohren gezogen. Unter den Mützen lugten die Zöpfe der Frauen hervor, in die sie bunte Bänder und Efeuzweige geflochten hatten. Die Männer hatten sich ordentlich geschrubbt und rasiert. Die Türen der beiden Tavernen standen offen, und ein unablässiger Strom von Feiernden drängte mit Krügen und Bechern in den Händen hinein und wieder heraus. Aus beiden Türen drang Musik, deren Melodien sich in der Mitte des Platzes mischten.
Lark kletterte von dem Karren und folgte Broh, der sich einen Weg durch die Menge zum Lagerfeuer bahnte. Nikh und Edmar eilten zur nächstgelegenen Taverne und lachten über die Schulter ihrem ruhigen Bruder zu. Einige Dorfbewohner grüßten Broh, wenn er an ihnen vorbeikam, und bedachten Lark mit einem Nicken. Sie erinnerte sich an jedes Gesicht und jeden Namen, doch seit ihr Schicksal einen anderen Lauf genommen hatte, waren sie schüchtern geworden. Selbst die Mädchen, die sie noch aus dem Schulunterricht kannte, wahrten respektvollen Abstand. Petal, die nur wenige Monate älter war als Lark, trug bereits ein Baby auf der Hüfte. Auch sie hob schüchtern eine Hand zum Gruß und wandte sich dann einer anderen Gruppe zu. Nur Peonie eilte ohne zu zögern auf Lark zu und rief: »Lark! Broh! Endlich. Wo steckt denn Nikh?«
Lachend deutete Lark auf die offene Tavernentür, stellte sich mit dem Rücken zum warmen Feuer neben Broh und beobachtete die Gesichter der Menschen, die ihr seit ihrer Kindheit vertraut waren. Obwohl sie erst knapp sechs Monate fort war, schien es, als kenne sie kaum noch einer.
Auf einer kleinen freien Fläche zu ihrer Rechten tanzten einige Leute einen der für das Hochland typischen Ringtänze, warfen Arme und Beine hoch in die Luft und drehten sich mit fliegenden Röcken und Mänteln. Lark kletterte auf den Bretterzaun, der das riesige Lagerfeuer umgab, damit sie zusehen konnte. Dann begannen alle zu singen. Lark erinnerte sich an die Worte des alten Liedes und stimmte mit ein:
Die Hand geht auf
Sie entlässt das Jahr
Tanze mit deinem Liebling
Erdlin ist da.
Die Faust des Winters wird sich früh genug schließen
Und der Frühling schnell und stürmisch folgen,
Der Sommer ist kurz, der Herbst ist lang,
Doch jetzt singen wir noch einmal das Lied von Erdlin.
Der Tanz endete in allgemeiner Heiterkeit, und als das Lied verstummt war, schlug die wetteifernde Musik aus den Tavernen über den Feiernden zusammen. Es war alles sehr vertraut, und Lark, deren Rücken nun schön warm vom Lagerfeuer war, zog ihren schweren Mantel aus. Broh legte ihn über den Zaun, und sie blieb sitzen, um den nächsten Tanz zu sehen. Die Spitzen ihrer Reitstiefel hatte sie in die Lücke zwischen den unteren Latten gesteckt, damit sie sicheren Halt hatte. Nikh und Edmar kamen aus der Taverne zurück. Peonie folgte Nikh auf den Fersen und erinnerte Lark an Molly, wenn sie hinter Tup herlief. Nikh grinste zu Lark hoch und reichte ihr einen Becher mit einer warmen, wohl riechenden Flüssigkeit. Sie nippte daran und stellte fest, dass es sich um starken Rotwein handelte, der mit Honig gesüßt und mit Zimt gewürzt war. Sie rümpfte die Nase, und Nikh lachte.
»Wenn du ihn nicht magst, Süße, dann halt ihn einfach für mich warm!«, erklärte er.
»Komm, lass uns tanzen, Nikh!«, drängte Peonie. Ihre Grübchenwangen glühten, und ihre Augen leuchteten im Schein des Lagerfeuers. Als sie den Mantel ablegte, kamen darunter ein dunkelrotes Wams und ein weiter, weich fallender Rock zum Vorschein. In ihre Zöpfe hatte sie dunkelrote Bänder geflochten.
Nikh blickte zu Lark auf, die nur mit den Schultern zuckte und lachend sagte: »Das wird deinen anderen Verehrerinnen nicht gefallen.«
»Ja, richtig!«, rief er unbekümmert. »Wie könnte man Erdlin besser begehen als damit, erst einmal ein paar Herzen zu brechen?« Er packte Peonies Hand und zog sie durch die Menge zu den Tänzern.
Lark war jetzt wirklich warm, und so nahm sie ihre Kappe ab und fuhr sich durch die kurzen Locken. Broh lehnte neben ihr am Zaun und schien zufrieden, einfach zuzusehen und einen Krug Bier zu schlürfen, den Edmar ihm mitgebracht hatte. Zu Larks Erstaunen hatte Edmar seinen eigenen Krug ausgetrunken und sich aus der Menge eine dicke Frau zum Tanzen gegriffen. Lark machte Broh darauf aufmerksam, und er schenkte ihr ein seltenes Lächeln. Sie erwiderte es und betrachtete wieder die festliche Szenerie. Vermutlich hatten ihre Mitschülerinnen in ihren eleganten Häusern auch keine bessere Feier, und dort herrschte sicher auch keine bessere Stimmung als bei den Landbewohnern aus Willakhiep.
»Junge Dame? Oh, ja, ja, Sie sind die Fliegerin, nicht wahr?«
Lark sah nach unten und entdeckte eine Frau mit einem faltigen, runzligen Gesicht vor sich. Sie hatte den grauen Zopf um den Kopf geflochten, und ihr Wams und ihr Rock hatten einen rostroten, fast schwarzen Farbton. Sie blinzelte in das Feuer. »Ja, ja, das ist doch die Tracht der Akademie.«
»Das ist sie«, erwiderte Lark. Sie zog die Füße zwischen den Brettern hervor, glitt vom Zaun hinunter und nickte der älteren Frau freundlich zu. »Ich bin Larkyn Hammloh.«
Die Frau nickte ebenfalls, wobei sich die Haut über ihren Kragen legte. »Ach, ja, ich habe schon von Ihnen gehört.« Sie tippte mit einem braunen Finger an ihre Schläfe. »Das Mädchen aus Willakhiep. Das geflügelte Fohlen. Die Akademie.«
»Ja«, erwiderte Lark. Der Höflichkeit halber fügte sie noch hinzu: »Wir sind uns aber noch nicht begegnet, oder?«
Die Frau schüttelte verneinend den Kopf. Als sie grinste, entblößte sie dabei ihre kleinen, gelben Zähne. »Nein, nein, ich komme aus den Bergen. Aus Clellum, das liegt unter der Spitze der schwarzen Felsen.« Ihr Grinsen verstärkte sich, als sie sich noch näher zu Lark beugte. »Wenn Sie jemals irgendein Mittel brauchen sollten, kommen Sie einfach zu mir! Kommen Sie zur alten Dorsa!«
Lark wich angewidert zurück. Die alte Frau gackerte fast höhnisch. »Nein, nein, natürlich nicht, hm? Nicht die Larkyn aus Willakhiep! Niemals!« Sie beugte sich weiter vor. »Sag niemals nie, so heißt das Sprichwort.«
»Ich brauche keine Mittel«, sagte Lark steif. Sie wünschte, sie wäre nicht von dem Zaun hinuntergestiegen, aber sie konnte kaum wieder hinaufklettern, ohne unhöflich zu erscheinen. Sie fragte sich, was Hester wohl tun würde, wenn ein Kräuterweib in aller Öffentlichkeit auf sie zukäme. Hester wusste immer, was zu tun war.
»Nein, nein«, sagte die alte Frau wieder und schüttelte so heftig den Kopf, dass sich einzelne Strähnen aus ihren grauen Zöpfen lösten. Sie glänzten im Schein des Feuers silbern. »Doch falls Sie jemals etwas brauchen, etwas Einfaches oder eine kleine Zauberei, hm, dann kommen Sie nach Clellum! Ich werde mich Ihrer annehmen, so wie ich es bei der anderen auch getan habe!«
Gegen ihren eigenen Willen beugte sich Lark ein bisschen näher zu der Zauberin. Sie war nicht größer als Lark, und ihre Haut sah aus, als wäre sie auf den Knochen getrocknet. »Welche andere, Meisterin?«, fragte sie.
»Ach, dieses andere Mädchen aus Oscham! Jedenfalls …« Die Frau legte den Kopf auf die Seite, und ihre kleinen schwarzen Augen leuchteten wie bei einem Vogel. »Zumindest bin ich mir ziemlich sicher, dass sie aus Oscham war. Wissen kann ich es nicht. Sie sagte kein Wort.«
»Was sollte ein Mädchen aus Oscham in Clellum wollen?«
»Ich habe ihr ein Mittel gegeben, ein gutes Mittel«, erklärte die Frau, als hätte sie nichts gehört. Dann zog sie ratlos die grauen Brauen zusammen. »Doch es hat nicht funktioniert. Oder aber sie hat es gar nicht genommen. Na, nein, nein, egal, ist egal.« Sie zuckte mit den Schultern und grinste wieder. »Wo ist Ihr Pferd, Kindchen? Die alte Dorsa würde gern einmal einen Blick auf das geflügelte Pferd werfen!«
»Er steht über Nacht im Stall.« Lark lief ein kalter Schauer über den Rücken, und sie nahm gedankenverloren einen Schluck von dem Wein. Er war abgekühlt und schmeckte widerlich süß. Nikh kam mit Peonie im Schlepptau angewankt, nahm ihr den Becher ab und rief etwas, das sie nicht verstand. Broh drehte sich zu ihr und fragte, ob sie etwas wolle. Als sie ihm geantwortet und Nikh auf Edmars ungeschickten, aber bemühten Tanz aufmerksam gemacht hatte, war die Frau verschwunden. Langsam kletterte Lark wieder hoch auf den Zaun und beobachtete die Feiernden. Doch den ganzen, lauten Abend hindurch ärgerte sie sich über die unsinnigen Worte der alten Zauberin. Was für eine alberne Frau, dachte sie. »Sag niemals nie« war ein so dummes Sprichwort.
 
»Sie wollen dich Schwarz nennen?«, erkundigte sich Broh und starrte Lark über den Frühstückstisch hinweg an. »Larkyn Schwarz?«
Peonie war früh gekommen, hatte ein reichhaltiges Frühstück zubereitet und Lark schlichtweg verboten, ihr zu helfen. Lark saß am einen Ende des Tisches, als wäre sie nur ein Gast. Sie war bockig und enttäuscht.
»Bleib bei Hammloh.« Die Äußerung kam von Edmar, der nicht vom Teller hochsah, als er sprach.
»Das würde ich ja gern«, erklärte ihm Lark, »aber Pferdemeisterinnen bekommen ihren Nachnamen von dem Namen ihres Pferdes … und Tup heißt jetzt offiziell Schwarzer Seraph.«
»Oh, das ist aber schön!«, rief Peonie. »Das gefällt mir! Gefällt es dir denn nicht, Lark?«
»Ich weiß noch nicht. Ich bin es einfach gewohnt, ihn Tup zu rufen.«
Broh lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme. »Nur weil sie Schwarzer Seraph in ihr Buch schreiben, musst du den Namen ja nicht gebrauchen«, sagte er.
»Du weißt von dem Buch? Das auf dem Schreibtisch der Leiterin liegt?«, erkundigte sie sich erstaunt.
»Ich habe es gesehen, als ich da war, um ihnen von dem Sattel zu berichten«, entgegnete er.
»Und das war in der Tat sehr wirkungsvoll, nicht wahr, Broh?«, meinte Nikh mit gutmütigem Spott. »Du bist mitten in der Ernte den weiten Weg dorthin gefahren, aber niemand hat irgendwas unternommen! Sie wissen immer noch nicht, wo Char herkam.«
»Ich wünschte, man würde endlich damit aufhören. Tup ist Tup, und er ist das beste Fohlen der Akademie. Welchen Unterschied macht das schon?«
Broh griff nach Messer und Gabel. »Es spielt eine große Rolle, Lark. Weil Oc eine große Rolle für uns spielt«, erklärte er.
»Ich verstehe immer noch nicht …«
Es überraschte sie, dass Nikh sich Brohs Meinung anschloss. »Hör zu, kleine Schwester. Wir reden uns hier oben im Hochland vielleicht gern ein, dass wir unabhängig wären, aber das sind wir nicht. Wir meckern über den Zehnt-Eintreiber des Fürsten und rümpfen über die überhebliche Art in der Weißen Stadt die Nase, aber wir brauchen sie genauso sehr, wie sie uns brauchen. Isamar beschützt Oc zum Großteil wegen der geflügelten Pferde. Wenn das nicht so wäre, würden viele Königreiche, wie Klee zum Beispiel, nicht länger zögern, im Osten oder in Marin einzufallen und sich Oc anzueignen!«
»Es geht um Macht«, setzte Broh hinzu. »Und Oc selbst besitzt kläglich wenig davon. Der alte Fürst weiß, was er tut. Und er und der Rat der Edlen sind einer Meinung, obwohl sie uns mit sehr hohen Steuern belasten.«
Lark starrte ihre Brüder verwundert an. Sie hatte sie noch nie in ihrem ganzen Leben über Politik reden hören oder überhaupt mitbekommen, dass sie etwas diskutiert hatten, das außerhalb der kleinen Welt des Unteren Hofes oder Willakhieps lag oder über die seltenen Neuigkeiten hinausging, die aus Park Dikkers bis zu ihnen drangen.
»Es geht ums Geschäft, Lark«, meinte Nikh. »Broh und ich arbeiten beide auf dem Markt. Wenn Oc in Schwierigkeiten ist, leidet das Geschäft.«
»Dann sollte ich wohl selbst nach Moosberg reisen«, erklärte Lark. »Ich sollte herausfinden, wem der Sattel gehörte und wer zuließ, dass Char allein am Fluss entlanggelaufen ist.«
»Wieso solltest du mehr Glück als deine Freifrau Flachbrust haben?«, fragte Nikh.
»Nenn sie nicht so, Nikh. Sie ist … sie wirkt streng, ich weiß, aber sie ist …«
»Eine intelligente, hart arbeitende Frau«, sprang Broh ihr zu Hilfe.
Alle hörten auf zu essen und starrten ihn an. Broh legte die Gabel neben den Teller und erwiderte ihre Blicke. »Du magst sie nur nicht, Nikh, weil sie wie die besseren Leute redet. Zuerst hat mich das auch gestört.« Er nahm den Becher mit Tee, der neben seinem Teller stand. »Jetzt weiß ich es besser. Also lass es.«
Nikh lachte auf. »Bei Zitos Ohren, Broh! Bist du etwa scharf auf Freifrau Dünnbein?«
»Nikh!«, rief Lark tadelnd.
Broh blickte seinen Bruder finster an und antwortete nicht.
Nikh kicherte. »Schon gut. Tut mir leid. Ist eine nette Frau und überhaupt … Aber das beantwortet meine Frage nicht. Pferdemeisterin Winter hatte in Moosberg kein Glück; wieso glaubst du also, dass du mehr Erfolg haben könntest?«
»Meisterin Winter hat aufgegeben, nachdem sie erfahren hat, dass der Sattel weg war. Ich würde den Dorfbewohnern mehr Fragen stellen.«
»Du kennst die Leute doch gar nicht.«
»Ich bin aus dem Hochland und die Leute dort auch. Mit mir würden sie bestimmt reden.«
So wie die alte Frau letzte Nacht, dachte Lark, aber sie sagte es nicht. Sie wollte nicht über die Zauberin und ihr Geplapper über irgendwelche Tränke sprechen.
»Die Reise nach Moosberg im Winter ist sehr anstrengend«, überlegte Broh laut. »Die Wege sind vollkommen vereist.«
 
Der Morgen graute in der Erdlin-Woche erst spät. Obwohl der Winter laut Kalender erst zu Erdlin begann, hatte er das Hochland längst erreicht.
Lark stand auf, bevor die schwachen Sonnenstrahlen durch ihr Fenster schienen und zog sich in der winterlichen Dämmerung an. Tup witterte offensichtlich, dass sie wach war und wieherte ihr von der Scheune aus zu.
Die Ferien waren fast vorbei. Sie waren viel zu schnell vergangen. Sie hatte ihren Besuch in Petals neuem Haus und ihrem Baby immer wieder verschoben, aber jetzt konnte sie ihn nicht länger hinauszögern. Sie wäre viel lieber mit Tup hinauf zu den schneebedeckten Wiesen am Fluss entschwunden, um ein bisschen zu laufen, zu reiten, Schnee von den Zweigen zu pusten und Steine auf die Eisschollen zu werfen, die den Schwarzen Fluss hinuntertrieben. Doch Nikh hatte sie gescholten und sie hatte versprochen, Petal heute zu besuchen. Sie würde zuerst im Dorf ein kleines Geschenk für das Baby besorgen und sich dann an den Aufstieg zum Hof am Kurzen Damm machen, wo Petal mit der Familie ihres Mannes lebte.
Als sie zur Scheune kam, um Tup und Molly zu füttern, melkte Peonie bereits die Kühe. Lark füllte Getreide für Tup ab und lauschte der Melodie der Milch, die in den Blecheimer spritzte. Sie bemühte sich wirklich, Peonie zu mögen. Das Mädchen machte sich gut auf dem Unteren Hof, und ihre Anwesenheit befreite Lark von dem schlechten Gewissen, das sie ansonsten an der Akademie mit sich herumgetragen hätte. Aber am liebsten hätte sie beides gehabt! Sie wollte, dass der Hof immer noch ihr gehörte, aber sie wollte auch die Akademie, die Gesellschaft der geflügelten Pferde und der Oc-Hunde. Sie vermisste Hester und Anabel und sogar die dünnen, anmutigen Pferdemeisterinnen, obwohl die Lehrerinnen sie immer so voller Zweifel beäugten.
Sie sah Tup und Molly beim Fressen zu und fuhr sich durch die kurz geschnittenen Locken. »Ich habe zwei Seelen, Tup«, murmelte sie. »Und das ist wirklich wahr.«
Er zuckte mit einem Ohr, und sie streichelte ihn. »Ich werde heute Abend zurück sein. Dann werden wir ein bisschen üben.« Er ließ den Futtereimer stehen, folgte ihr zum Tor, und als sie ging, legte er den Kopf darauf und wieherte.
Nikh machte sich gerade auf den Weg zu seiner Verkaufsrunde, so dass sie bis Willakhiep auf dem Ochsenkarren mitfahren konnte. Dort verabschiedete sie sich von ihrem Bruder und stapfte die kalten Steine der Straße zur Weberei hinunter, wo Meisterin Kateliss Pullover, Schals und Socken verkaufte und in einem Regal ausgestopfte Puppen mit gestrickten Gesichtern und Gliedern feilbot. Lark hatte Nikh um ein paar Münzen gebeten, damit sie ein Geschenk kaufen konnte.
Sie nickte einigen Leuten zu, die sie kannte, und wechselte ein paar Worte mit ihnen. Sie ging am Teeladen vorbei, wo Meister und Meisterin Bickel Teeblätter sowie gebrühten Tee und Kekse an ihre Kunden verkauften. Gerade kam sie an der Tür der Fleischerei vorbei, als sie plötzlich stehen blieb, als wären ihre Füße auf dem Kopfsteinpflaster festgefroren.
Ein Mann stand im Eingang der Weberei. Sein wehender Herrenmantel mit dem Umhang wies darauf hin, dass er nicht aus dem Hochland kam. Seine Schultern waren breit und auffällig krumm. Er hatte sein Pferd an einen Pfahl in der Straße gebunden und öffnete gerade Meisterin Kateliss’ Tür.
Lark kannte den Mann. Sie war ihm in Oscham begegnet, wo er ihr aus der Tür des Kräuterladens nachgeschaut hatte, nachdem ihr die Frau den Stein von Kalla geschenkt hatte.
Sie erinnerte sich daran, wie sie mit Hester, Anabel und Baronin Beeht im Ladenfenster der Hutmacherin gestanden und hinausgesehen hatte. Und Baronin Beeht hatte die Mädchen ein Stück weg vom Fenster gezogen und ihnen verboten hinauszugehen, bevor der Mann verschwunden war. Dann hatte sie ihnen von Prinz Wilhelm und den Geschichten über ihn erzählt und sie eindringlich gewarnt...
Dies hier war Prinz Wilhelms Diener, der Mann mit den fettigen Haaren und den schmalen Augen, von dem Schande und Gefahr ausgingen. Lark konnte sich nicht erklären, was er in Willakhiep suchte, wieso er mitten im Winter eine Weberei im Hochland aufsuchte … Bei Kallas Fersen, was hatte dieser Slathan hier vor?
Sie verschwand hastig in der Fleischerei. Der Fleischer begrüßte sie, und sie sah sich gezwungen, ihn nach etwas zu fragen. Sie entschied sich für etwas Außergewöhnliches, das er sicher nicht hatte, trödelte herum und betrieb unendlich lang Konversation, bis sie sah, dass dieser Slathan aus der Weberei herauskam, auf sein Pferd stieg und davonritt. Erst dann trat Lark bedrückt und unsicher wieder auf die Straße.
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