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Sonntags brachte ich Christian mit dem Mietwagen, den seine Eltern für die Zeit seines Aufenthalts organisiert hatten, zum Flughafen. Durch meine Grippe hatten wir in den paar Tagen nicht viel zusammen unternommen, außerdem musste er den ganzen Samstag mit seiner Familie verbringen und mit seinem Vater Geschäftsunterlagen durchgehen. Er wirkte mal wieder gestresst auf mich, und ich ließ ihn in Ruhe. Bei dem Kratzen in meinem Hals tat es mir vielleicht mal ganz gut, die Klappe zu halten.

Von Carolins möglicher Schwangerschaft hatte ich ihm ohnehin nichts erzählt. Er war mein bester Freund, aber es gab Dinge, die ich auch ihm nicht auf die Nase band, wenn mir dies nicht sinnvoll erschien. Die Sache mit Caro gehörte eindeutig dazu. Außerdem, hatte er sich nicht seinerseits heimlich und sozusagen hinter meinem Rücken mit ihr verabredet?

„Bis im Dezember dann“, sagte er zum Abschied.

„Ja, bis dann.“ Wir klopften uns zum Abschied wie Männer auf die Schultern, dann setzte ich mich wieder auf den Barhocker in dem kleinen Flughafencafé und sah ihm nach, während ich meinen Kamillentee zu zweiachtzig trank.

Christians Maschine ging eine halbe Stunde später, ich schlenderte durch den Terminal und ließ mir auf der Aussichtsterrasse den Wind um die Ohren wehen. Schließlich hatte mir der Arzt frische Luft verordnet, und ich trug ja ohnehin den ganzen Tag über einen wärmenden Schal.

Es war reiner Zufall, dass ich meinen Filialleiter sah, bevor er mich entdeckte. Er kam mit einer älteren Frau und seinen Kindern, sie postierten sich nur wenige Meter von mir entfernt an der dicken Scheibe, durch die man aufs Rollfeld hinuntersehen konnte. Ich wechselte meinen Platz und guckte in eine andere Richtung, dem Blödmann wollte ich nun wirklich nicht unbedingt begegnen.

Nach und nach bevölkerte sich die Terrasse, die Leute kamen, um ihren Verwandten und Freunden vorm Abflug nochmal zuzuwinken. Unten entdeckte ich Christian, aber er drehte sich nicht um, sondern ging schnurstracks auf die Maschine zu. Die Kinder des Filialleiters schrien „MAMAAA!“ und winkten wie verrückt.

Sein Schlitten stand auf dem Zebrastreifen direkt vorm Eingang, der fetteste Audi, den man sich vorstellen kann. Irgendwann hatte er mal in der Kantine davon erzählt, dass er das mit dem zentralen Parken immer so mache und erst zwei Mal dabei erwischt worden sei. Mir kam die Galle hoch bei solchen Geschichten, den anderen hatte das anscheinend imponiert.

In meiner Tasche klimperten die Schlüssel. Ein Mann mit einem Koffer hastete an mir vorbei, dann war ich allein. Was sollte ich machen, die Karre stand genau auf dem Weg zu dem Mietwagen, ich musste ja da vorbei.

In kleinen Spiralen schälte sich der Lack vom Blech, nur das Geräusch konnte einem auf die Eier gehen. Aber ich bin hart im Nehmen, ich hielt es lange genug aus, um mein Werk zu beenden. Etwas in der Art hatte mir schon lange auf der Seele gelegen. Diese Gelegenheit konnte ich mir einfach nicht entgehen lassen, schließlich wusste niemand, dass ich hier gewesen war. Ich bedauerte nur, dass mir in der Eile nichts Besseres als das Wort SITTENSTROLCH einfiel, einen gewissen künstlerischen Anspruch sollte man schließlich auch bei Vandalismus wahren.