13. KAPITEL

Der Wille der Macht

 

Als ihre Dienerin Moteé sie mit dem Hinweis weckte, dass C-3PO einen Jedi angekündigt hatte, der auf sie wartete, flog Padmé geradezu aus dem Bett, schlüpfte rasch in einen Umhang und eilte ins Wohnzimmer, mit einem Lächeln, das ihrem Gesicht Licht gab wie draußen die aufgehende Sonne dem Planeten…

Aber es war Obi-Wan.

Mit auf den Rücken gelegten Händen wanderte der Jedi-Meister ruhelos durch den Raum und betrachtete geistesabwesend ihre Skulptursammlung.

»Obi-Wan…«, sagte Padmé atemlos. »Ist…« Sie verschluckte die nächsten Worte, die Anakin etwas zugestoßen? gelautet hätten. Sie wollte nicht erklären müssen, wieso ihr das als Erstes in den Sinn kam.

»Ist C-3PO so aufmerksam gewesen, Euch etwas zu trinken anzubieten?«

Er drehte sich zu ihr um, und sie sah, wie Falten aus seiner Stirn wichen. »Senatorin…«, sagte er freundlich. »Es freut mich, Euch wieder zu sehen. Bitte entschuldigt, dass ich so früh komme, und ja: Euer Protokolldroide ist tatsächlich sehr darauf bedacht gewesen, mir Erfrischungen anzubieten.« Die Falten kehrten auf die Stirn zurück. »Aber Ihr könnt Euch sicher denken, dass dies kein Höflichkeitsbesuch ist. Ich bin gekommen, um mit Euch über Anakin zu sprechen.«

Die Jahre in der Politik waren Padmé eine gute Lehre gewesen. Zwar machte ihr Herz einen Sprung, und in ihrem Kopf schrillte es Woher WEISS er von uns?, aber ihr Gesichtsausdruck blieb neutral.

Die wichtigste Regel der Republikpolitik lautete: Sag so viel Wahrheit wie möglich. Insbesondere einem Jedi gegenüber. »Ich habe mich sehr gefreut, als ich von seiner Berufung in den Rat hörte.«

»Ja. Es ist vielleicht weniger, als er verdient – aber ich fürchte, es ist mehr, als er handhaben kann. Ist er bei Euch gewesen?«

»Mehrmals«, erwiderte Padmé ruhig. »Irgendetwas ist nicht in Ordnung, oder?«

Obi-Wan neigte den Kopf zur Seite, und ein reumütiges Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Ihr hättet Jedi werden sollen.«

Padmé lachte leise. »Und Ihr solltet Euch nie auf die Politik einlassen. Ihr versteht es nicht sehr gut, Eure Gefühle zu verbergen. Was ist los?«

Ein Schatten fiel auf Obi-Wans Gesicht, und er schien um Jahre zu altern. Plötzlich wirkte er müde und sehr besorgt. »Darf ich mich setzen?«

»Natürlich.« Sie deutete auf die Couch und nahm neben ihm auf der Kante Platz. »Ist Anakin wieder in Schwierigkeiten?«

»Ich hoffe nicht. Dies ist mehr eine… persönliche Angelegenheit.« Er rutschte voller Unbehagen zur Seite. »Als Repräsentant des Kanzlers ist er in eine schwierige Position geraten, aber ich glaube, das ist es nicht allein. Gestern haben wir… gestritten und gingen ohne Einigung auseinander.«

Padmé zuckte innerlich zusammen. Obi-Wan musste Bescheid wissen und war vermutlich gekommen, um sie zur Rede zu stellen. Sie befürchtete, dass ihre Welt unmittelbar vor dem Einsturz stand. Wie sehr sie sich nach Anakin sehnte… Doch ihr Gesicht zeigte nur höfliche Neugier.

»Worum ging es bei dem Streit?«, fragte sie behutsam.

»Das kann ich Euch leider nicht sagen«, erwiderte Obi-Wan in einem entschuldigenden Tonfall. »Es ist eine Jedi-Angelegenheit. Bitte habt Verständnis.«

Sie nickte. »Natürlich.«

»Ich… Nun, ich mache mir Sorgen um ihn. Ich habe gehofft, dass er vielleicht mit Euch gesprochen hat.«

»Warum sollte er mit mir über Jedi-Angelegenheiten sprechen?«, fragte Padmé mit einem freundlichen und gleichzeitig skeptischen Lächeln.

»Senatorin… Padmé. Bitte.« Obi-Wan sah ihr in die Augen, und sein Blick kündete von Anteilnahme und müder Sorge. »Ich bin nicht blind, Padmé. Obwohl ich versucht habe, es zu sein, um Anakins willen. Und um Euretwillen.«

»Was meint Ihr damit?«

»Auch Ihr beide versteht es nicht besonders gut, Eure Gefühle zu verbergen.«

»Obi-Wan…«

»Anakin liebt Euch seit dem Tag, als Ihr Euch begegnet seid, in jenem schrecklichen Schrottladen auf Tatooine. Er hat nie auch nur versucht, ein Geheimnis daraus zu machen, obwohl wir nicht darüber sprechen. Wir… tun so, als wüsste ich nichts davon. Und ich hatte nichts dagegen, weil es ihn glücklich machte. Ihr bringt Glück in sein Leben, zum ersten Mal.« Er seufzte und zog die Brauen zusammen. »Im Senat seid Ihr sehr geschickt, Padmé, aber Ihr könnt nicht das Licht verbergen, das jedes Mal dann in Euren Augen erscheint, wenn auch nur jemand seinen Namen erwähnt.«

»Ich…« Sie stand auf. »Ich kann nicht… Obi-Wan, bitte zwingt mich nicht, darüber zu reden…«

»Ich möchte Euch nicht verletzen, Padmé. Ich möchte Euch nicht einmal beunruhigen. Ich bin nicht hier, um Euch zu vernehmen; die Einzelheiten Eurer Beziehung interessieren mich nicht.«

Padmé wandte sich ab und ging fort, nur um in Bewegung zu sein. Sie merkte kaum, dass sie durch die Tür auf die Veranda trat. »Warum seid Ihr hier?«

Obi-Wan folgte ihr respektvoll. »Anakin steht unter großem Druck. Für einen so jungen Mann trägt er ungeheuer viel Verantwortung. Als ich in seinem Alter war, hatte ich noch einige Jahre als Padawan vor mir. Er… verändert sich. Schnell. Und meine Sorge gilt dem, wozu er werden könnte. Es wäre ein… großer Fehler… wenn er den Jedi-Orden verlassen würde.«

Padmé blinzelte so, als hätte Obi-Wan sie geschlagen. »Das… das ist… unwahrscheinlich, nicht wahr? Was ist mit der Prophezeiung, der die Jedi so große Bedeutung beimessen? Ist er nicht der Auserwählte?«

»Mit ziemlicher Sicherheit. Aber ich habe mich noch einmal mit der Prophezeiung befasst. Es heißt in ihr, dass ein Auserwählter geboren wird, um die Sith zu vernichten und die Macht ins Gleichgewicht zu bringen; nirgends wird darauf hingewiesen, dass er ein Jedi sein muss.«

Padmé blinzelte erneut und kämpfte gegen eine jähe Hoffnung an, die ihr den Atem raubte. »Er muss kein Jedi sein…?«

»Mein Meister Qui-Gon Jinn glaubte, dass Anakins Ausbildung zum Jedi dem Willen der Macht entspräche. Und außerdem gibt es bei uns eine Art Jedi-zentrische Befangenheit. Immerhin handelt es sich um eine Jedi-Prophezeiung.«

»Aber der Wille der Macht… Ist das nicht die Leitschnur der Jedi?«

»Ja. Aber denkt daran: Nicht einmal die Jedi wissen alles, was es über die Macht zu wissen gibt. Kein Sterblicher verfügt über ein solches Wissen. Wir sprechen so vom ›Willen der Macht‹ wie jemand, der nichts von Gravitation weiß und meint, es sei der Wille des Flusses, ins Meer zu fließen: Es ist eine Metapher, die unsere Ignoranz beschreibt. Die einfache Wahrheit – wenn eine Wahrheit jemals einfach sein kann – lautet: Wir wissen nicht, was der Wille der Macht sein könnte. Wir können es nie wissen. Er erstreckt sich so weit jenseits unseres begrenzten Verstehens, dass wir nur vor seinem Mysterium kapitulieren können.«

»Was hat dies mit Anakin zu tun?« Padmé schluckte, aber ihre Stimme blieb fest. »Und mit mir?«

»Ich fürchte, einige seiner gegenwärtigen… Schwierigkeiten… könnten mit Eurer Beziehung in Zusammenhang stehen.«

Wenn Ihr nur wüsstet, wie sehr, dachte Padmé. »Was erwartet Ihr von mir?«

Obi-Wan senkte den Blick. »Ich kann Euch nicht sagen, was Ihr tun sollt, Padmé. Ich kann Euch nur bitten, daran zu denken, was für Anakin das Beste ist. Ihr wisst, dass Ihr beide nie zusammen sein könnt, solange er dem Orden angehört.«

Kälte breitete sich in Padmés Brust aus. »Ich kann nicht darüber sprechen, Obi-Wan.«

»Na schön. Aber erinnert Euch daran, dass die Jedi seine Familie sind. Der Orden gibt seinem Leben Struktur. Er gibt ihm Richtung. Ihr wisst, wie… undiszipliniert er sein kann.«

Und deshalb war er der einzige Jedi, den sie jemals lieben konnte. »Ja. Ja, natürlich.«

»Wenn ihn dieser Pfad von den Jedi fortbringt… So sei es. Aber bitte, um Eurer selbst willen: Seid vorsichtig. Überlegt gut. Manche Entscheidungen können nicht rückgängig gemacht werden.«

»Ja«, sagte Padmé langsam und voller Gefühl. »Das weiß ich nur zu gut.«

Obi-Wan nickte so, als verstünde er, obwohl das natürlich nicht der Fall war. »Das gilt in diesen Tagen für uns alle.«

Ein leises Zirpen kam aus seinem Umhang. »Bitte entschuldigt«, sagte er, wandte sich ab und zog ein Komlink aus einer Innentasche. »Ja…?«

Die Stimme eines Mannes kam dünn aus dem Komlink, tief und knapp. »Wir rufen den Rat zu einer Sondersitzung zusammen. General Grievous ist lokalisiert.«

»Danke, Meister Windu«, sagte Obi-Wan. »Ich bin unterwegs.«

General Grievous? Unvergossene Tränen brannten in Padmés Augen. Man würde ihr Anakin erneut wegnehmen…

Sie fühlte eine plötzliche Bewegung unter ihren Rippen. Uns, dachte sie, und in ihr wirbelten so viel Liebe, Furcht, Freude und Verlust durcheinander, dass sie nicht zu sprechen wagte.

Sie starrte nur blind über die in Dunstschwaden gehüllte Stadtlandschaft, als Obi-Wan näher trat.

»Padmé…«, sagte er leise. Sanft. Fast bedauernd. »Ich werde dem Rat nichts hiervon sagen. Nichts. Es tut mir sehr Leid, Euch mit diesen Dingen zu belasten, und ich… ich hoffe, ich habe Euch nicht zu sehr beunruhigt. Wir sind seit so langer Zeit befreundet… und ich hoffe, dass wir auch weiterhin Freunde sein können.«

»Danke, Obi-Wan«, erwiderte sie schwach und brachte es nicht fertig, seinem Blick zu begegnen. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie er sich respektvoll verneigte und sich zum Gehen wandte.

Für einen Moment schwieg sie, doch als sich seine Schritte entfernten, sagte sie: »Obi-Wan?«

Sie hörte, wie er stehen blieb.

»Er liegt Euch ebenfalls am Herzen, nicht wahr?«

Als er nicht antwortete, drehte sie den Kopf. Obi-Wan stand reglos da, mitten auf dem Teppich.

»Ja, ich weiß es. Er liegt Euch ebenfalls am Herzen.«

Er senkte den Kopf und wirkte sehr allein.

»Bitte versucht alles, ihm zu helfen«, sagte er und ging.

 

Das Holobild von Utapau rotierte lautlos in der Mitte des Ratszimmers. Anakin hatte den Holoprojektor aus dem Büro des Kanzlers mitgebracht. Obi-Wan fragte sich kurz, ob der Projektor auf Wanzen untersucht worden war, mit denen der Kanzler die Tagung belauschen wollte. Er schob den Gedanken sofort beiseite. Palpatine brauchte gar keine Wanzen; er hatte Anakin.

Und das ist unsere Schuld, dachte er.

Abgesehen von Obi-Wan und Anakin waren nur Mace Windu und Agen Kolar physisch zugegen. Eine beschlussfähige Mitgliederzahl erreichte der Rat durch die projizierten Holopräsenzen von Ki-Adi-Mundi, unterwegs nach Mygeeto, Plo Koon auf Cato Neimoidia und Yoda, der sich anschickte, auf Kashyyyk zu landen.

»Warum Utapau?«, fragte Mace Windu. »Ein neutrales System mit geringer strategischer Bedeutung und praktisch keiner planetaren Verteidigung…«

»Vielleicht ist genau das der Grund«, sagte Agen Kolar. »Leicht einzunehmen. Und die auf Schlundlöchern beruhende Kultur kann eine große Anzahl von Droiden vor einem Langstreckenscan verbergen.«

Falten bildeten sich in Ki-Adi-Mundis hoher Stirn. »Unsere Agenten auf Utapau haben nichts davon berichtet.«

»Vielleicht sind sie gefangen oder tot«, sagte Obi-Wan.

Mace Windu wandte sich ernst an Anakin. »Wie kam der Kanzler an diese Informationen, ohne dass wir etwas davon erfuhren?«

»Der Klongeheimdienst empfing das Fragment einer Nachricht, übermittelt in einem diplomatischen Paket von Utapaus Vorsitzenden«, antwortete Anakin. »Erst vor einer Stunde ist es uns gelungen, die Authentizität zu bestätigen.«

Obi-Wan fühlte Unbehagen, als er von Anakin das Uns hörte, das sein Wirken im Kanzlerbüro unterstrich.

»Wir nehmen die Berichte des Klongeheimdienstes entgegen«, sagte Mace mit schwerer Stimme.

»Tut mir Leid, Meister Windu, aber das ist nicht mehr der Fall.« Zwar blieb Anakins Gesicht ausdruckslos, aber Obi-Wan entdeckte einen Hauch von Zufriedenheit in der Stimme seines jungen Freundes. »Ich dachte, inzwischen wäre alles klar. Der Zusatzartikel zur Verfassung, der die Jedi dem Büro des Kanzlers unterstellt, bezieht sich natürlich auch auf von den Jedi kommandierte Truppen. Palpatine ist jetzt der Oberbefehlshaber der Großen Armee der Republik.«

»Sinnlos ist es, über Zuständigkeit zu streiten«, sagte Yodas Holobild. »Handeln wir müssen.«

»Ich glaube, da sind wir uns alle einig«, bekräftigte Anakin. »Kommen wir zur Planung des Einsatzes. Der Kanzler möchte, dass ich diese Mission übernehme, und…«

»Darüber entscheidet der Rat«, warf Mace streng ein. »Nicht der Kanzler.«

»Gefährlich Grievous ist. Einen ruhigen Geist die Konfrontation mit ihm erfordert. Meister wir schicken sollten.«

Vielleicht entdeckte nur Obi-Wan den Schatten von Enttäuschung und Schmerz, der durch Anakins Augen huschte. Er verstand den Grund dafür und brachte sogar Mitgefühl auf: Der Einsatz hätte es Anakin ermöglicht, dem Druck zu entkommen, dem er sich durch seine gegensätzlichen Pflichten ausgesetzt sah.

»Derzeit sind unsere Ressourcen beschränkt«, sagte Mace Windu. »Ich schlage vor, dass wir nur einen Jedi schicken: Meister Kenobi.«

Was bedeutete, dass Mace und Agen Kolar, die beide zu den besten Schwertkämpfern zählten, die der Orden je hervorgebracht hatte, auf Coruscant blieben und bereit waren für den Fall, dass Sidious aktiv wurde. Ganz zu schweigen von Anakin, der allein schon eine ganze Armee aufwog.

Obi-Wan nickte. Absolut logisch. Alle würden zustimmen.

Bis auf Anakin. Er beugte sich vor, und seine Wangen färbten sich rot. »Bei der letzten Begegnung mit Grievous war er nicht sehr erfolgreich.«

»Anakin…«, begann Obi-Wan.

»Nichts für ungut, Meister. Ich weise nur auf eine Tatsache hin.«

»Oh, schon gut. Du hast völlig Recht. Aber inzwischen habe ich ein Gefühl dafür, wie Grievous kämpft – und wie er wegläuft. Ich bin sicher, dass ich mit ihm fertig werden kann.«

»Meister…«

»Und du, mein junger Freund, hast Pflichten hier auf Coruscant. Sehr wichtige Pflichten, die deine volle Aufmerksamkeit erfordern«, betonte Obi-Wan. »Drücke ich mich klar genug aus?«

Anakin antwortete nicht. Er lehnte sich zurück und drehte den Kopf zur Seite.

»Obi-Wan meine Wahl ist«, sagte Yoda.

Ki-Adi-Mundis Holobild nickte. »Ganz meine Meinung. Stimmen wir ab.«

Mace Windu zählte die nickenden Köpfe. »Sechs dafür.«

Er wartete und sah Anakin. »Weitere Kommentare?«

Anakin starrte nur an die Wand.

Nach einem Moment zuckte Mace mit den Schultern.

»Einstimmig.«

 

Senatorin Chi Eekway nahm ein Röhrchen mit aqualishanischer Hoi-Brühe von C-3POs Tablett mit Erfrischungen. »Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich ebenfalls hier sein darf«, sagte sie, und ihre Hautlappen wackelten, als sie den blauen Kopf drehte und zu den anderen Senatoren sah, die sich in Padmés Wohnzimmer versammelt hatten. »Ich spreche natürlich nur für meinen Sektor, aber ich kann Ihnen sagen, dass in letzter Zeit viele Senatoren nervös geworden sind. Vielleicht wissen Sie noch nicht, dass die neuen Gouverneure mit voll ausgerüsteten Klonregimentern eintreffen. Angeblich handelt es sich bei den Truppen um Sicherheitsstreitkräfte. Doch wir alle beginnen uns zu fragen, ob uns jene Regimenter vor den Separatisten schützen sollen… oder die Gouverneure vor uns.«

Padmé sah von dem Textreader in ihrer Hand auf. »Ich weiß aus… zuverlässiger Quelle… dass General Grievous lokalisiert worden ist und die Jedi bereits gegen ihn aktiv werden. Der Krieg könnte in einigen Tagen zu Ende sein.«

»Aber was dann?« Bail Organa beugte sich vor, die Ellenbogen auf die Knie gestützt und die Finger aneinander gepresst. »Wie bringen wir Palpatine dazu, seine Gouverneure zurückzubeordern? Wie hindern wir ihn daran, Truppen in allen unseren Systemen zu stationieren?«

»Wir müssen ihn gar nicht veranlassen, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen oder rückgängig zu machen«, sagte Padmé im Tonfall der Vernunft. »Der Senat hat ihm die Sondervollmachten nur für die Dauer des Notstands erteilt…«

»Doch nur Palpatine selbst hat die Befugnis, das Ende des Notstands zu erklären«, sagte Bail. »Wie bringen wir ihn dazu, seine Macht an den Senat zurückzugeben?«

Chi Eekway lehnte sich zurück. »Es gibt viele von uns, die dazu bereit sind«, sagte sie. »Nicht nur meine eigenen Leute. Viele Senatoren. Wir sind bereit, den Kanzler zu zwingen, seine Macht abzugeben.«

Padmé klappte den Textreader zu. Mit ausdrucksloser Miene blickte sie von Senator zu Senator. »Möchte jemand noch eine Erfrischung?«

»Senatorin Amidala«, sage Eekway, »ich fürchte, Sie haben nicht verstanden…«

»Senatorin Eekway. Noch eine Hoi-Brühe?«

»Nein, ich…«

»Na schön.« Padmé sah C-3PO an. »Das ist alles. Bitte richte Moteé und Ellé aus, dass ich sie heute nicht mehr brauche. Anschließend kannst du dich ebenfalls zurückziehen.«

»Danke, Mistress«, erwiderte C-3PO. »Obwohl ich sagen muss, dass die Gespräche sehr interessant gewesen…«

»C-3PO.« Padmés Stimme gewann an Schärfe. »Das ist alles.«

»Ja, Mistress. Natürlich. Ich verstehe.« Der Droide drehte sich steif um und verließ den Raum.

Als C-3PO außer Hörweite war, hielt Padmé den Textreader wie eine Waffe. »Dies ist ein sehr gefährlicher Schritt. Wir können dies nicht zu einem weiteren Krieg werden lassen.«

»Das ist das Letzte, was wir wollen«, sagte Bail mit einem missbilligenden Blick auf Senatorin Eekway. »Alderaan hat keine bewaffneten Streitkräfte; wir haben nicht einmal ein planetares Verteidigungssystem. Für uns kommt nur eine politische Lösung infrage.«

»Darin besteht der Zweck dieser Petition«, sagte Mon Mothma und legte ihre weiche Hand auf die von Padmé. »Wir hoffen, Palpatine an weiteren Verfassungsänderungen hindern zu können, indem wir im Senat Solidarität zeigen. Mit den Unterschriften von zweitausend Senatoren…«

»… haben wir immer noch weniger, als wir brauchen, um Palpatines Mehrheit daran zu hindern, die Verfassung so zu ändern, wie es ihm beliebt«, beendete Padmé den Satz. Sie wog das Lesegerät in der Hand. »Ich bin bereit, dem Kanzler die Petition zu präsentieren, aber ich verliere allmählich den Glauben an die Bereitschaft oder auch nur die Möglichkeit des Senats, Palpatines Macht zu beschneiden. Ich denke, wir sollten uns an die Jedi wenden.«

Weil ich glaube, dass sie helfen können, oder weil ich die Vorstellung nicht ertrage, meinen Mann zu belügen? Padmé wusste es nicht. Sie hoffte, dass beides stimmte, obgleich sie nur beim zweiten Punkt sicher war.

Bana Breemu betrachtete ihre langen, elegant manikürten Fingerspitzen. »Das wäre gefährlich«, sagte sie leise.

Mon Mothma nickte. »Wir wissen nicht, wo die Jedi bei dieser Sache stehen.«

Padmé beugte sich vor. »Die Jedi sind über die Situation nicht glücklicher als wir.«

Senatorin Breemus hohe Wangenknochen ließen den Blick, mit dem sie Padmé bedachte, noch distanzierter und skeptischer erscheinen. »Sie scheinen in Hinsicht auf die Jedi-Angelegenheiten… erstaunlich gut informiert zu sein, Senatorin Amidala.«

Padmé spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss, und sie wagte nicht zu antworten.

Giddean Danu schüttelte den Kopf, und deutlicher Zweifel zeigte sich in seinem dunklen Gesicht. »Wenn wir ganz offen gegen den Kanzler opponieren wollen, brauchen wir die Unterstützung der Jedi. Wir benötigen ihre moralische Autorität. Was hätten wir sonst?«

»Die moralische Autorität der Jedi ist großzügig in diesem Krieg eingesetzt worden«, sagte Bana Breemu. »Ich fürchte, für die Politik ist kaum mehr etwas übrig.«

»Dann ein Jedi«, wandte sich Padmé an die anderen. Bitte lasst mich wenigstens meinem Mann gegenüber ehrlich sein. »Es gibt einen Jedi, von dem ich weiß, dass wir ihm vorbehaltlos vertrauen können…«

Sie unterbrach sich erschrocken, als sie begriff, dass sie nicht von Anakin sprach.

Zu Anfang war es allein um ihn gegangen – um ihre Liebe, ihr Bedürfnis, ihm gegenüber ehrlich zu sein, um den stechenden Schmerz, den ihr die Wahrung dieses Geheimnisses bei jedem Herzschlag bescherte. Aber als sich ihre Gedanken um Vertrauen drehten, als es um jemanden ging, den sie kannte und der uneingeschränktes Vertrauen verdiente…

Da stellte sie fest, dass sie von Obi-Wan sprach.

Anakin… Etwas zerbrach in ihr. Oh, Liebling, was tut man uns an?

Chi Eekway schüttelte den Kopf. »Geduld, Senatorin.«

Fang Zar zog die Finger aus seinem buschigen Bart. »Wir können die Mehrheit des Kanzlers nicht blockieren, aber wir sind sehr wohl in der Lage, ihm zu zeigen, dass die Opposition gegen seine Methoden wächst. Vielleicht lässt er sich dazu bewegen, seine Taktiken zu mäßigen.«

Bana Breemu betrachtete erneut ihre Fingerspitzen. »Wenn die Petition der Zweitausend präsentiert wird, könnten sich viele Dinge ändern.«

»Aber werden sie sich zum Besseren wenden?«, fragte Giddean Danu.

Bail Organa und Mon Mothma wechselten einen Blick, der von einem geteilten Geheimnis kündete. »Warten wir ab, was wir im Senat bewerkstelligen können, bevor wir die Jedi konsultieren«, sagte er langsam.

Während die Senatoren nacheinander zustimmten, saß Padmé stumm da und trauerte.

Um den plötzlichen Tod einer Illusion.

Anakin… Anakin… ich liebe dich. Wenn doch nur…

Doch das Wenn doch nur würde sie zu einem Ort bringen, an dem unendliches Leid auf sie wartete. Letztendlich konnte sie nur zu dem Gedanken zurückkehren, von dem sie wusste, dass er für den Rest ihres Lebens in ihr widerhallen würde.

Es tut mir Leid, Anakin.

 

Der letzte Hovertank summte die Rampe hinauf und verschwand im wolkenverhangenen Keil des Angriffskreuzers. Es folgten Regimenter von Klonsoldaten, eins nach dem anderen, in präziser Marschordnung.

Anakin stand neben Obi-Wan auf dem Landedeck und beobachtete, wie die Soldaten an Bord gingen.

Es fiel ihm noch immer schwer, zu glauben, dass er auf Coruscant bleiben würde.

Eigentlich wollte er Obi-Wan gar nicht nach Utapau begleiten – obwohl es eine Erleichterung gewesen wäre, dem politischen Sumpf zu entkommen, in dem er immer mehr versank. Aber wie konnte er Padmé jetzt verlassen? Ihm lag nicht einmal mehr etwas daran, der Jedi zu sein, der Grievous besiegte, obwohl ihm ein solcher Triumph sicher den Status des Meisters eingebracht hätte. Er war nicht mehr sicher, ob er den Rang des Meisters brauchte.

Während der langen schwarzen Stunden der Meditation in der vergangenen Nacht – eine Meditation, die sich manchmal nicht von Grübeln unterscheiden ließ – hatte er eine tiefere Wahrheit in der Macht gespürt: eine verborgene Realität, die wie ein Sarlaac unter dem sonnenbeschienenen Sand der Jedi-Ausbildung lauerte.

Irgendwo dort unten befand sich all die Macht, die er brauchte.

Sein Wunsch bestand also nicht darin, an dieser Mission teilzunehmen. Er wünschte sich vielmehr, dass Obi-Wan blieb.

In seiner Brust gab es eine kalte Leere, und Anakin befürchtete, dass sie sich bald mit Reue und Kummer füllen würde.

Natürlich gab es nicht die geringste Möglichkeit, dass Obi-Wan auf Coruscant blieb; er war der letzte Jedi in der Galaxis, der einen Befehl des Rates missachten würde. Nicht zum ersten Mal bedauerte Anakin, dass Obi-Wan nicht ein wenig mehr wie der verstorbene Qui-Gon war. Zwar hatte er Qui-Gon nur einige Tage gekannt, aber Anakin glaubte ihn fast zu sehen: die Stirn gerunzelt, als er den Kopf über seinen kleineren Padawan neigte. Er glaubte fast, den sanften Bariton zu hören, der Obi-Wan anwies: Achte auf die Strömungen der lebenden Macht: Seine Pflicht zu erfüllen bedeutet nicht immer, das Richtige zu tun. Konzentriere dich auf das Richtige und überlass es der Pflicht, sich um sich selbst zu kümmern.

Aber das konnte er nicht sagen. Zwar hatte er die Prüfung vor Monaten bestanden, aber für Obi-Wan war er noch immer ein Lernender, kein Meister.

Er sagte nur: »Ich habe ein ungutes Gefühl bei dieser Sache.«

Falten entstanden in Obi-Wans Stirn, als er beobachtete, wie ein Klontrupp seinen blauweißen Sternjäger in den Hangar des Angriffskreuzers brachte. »Bitte entschuldige, Anakin. Hast du was gesagt?«

»Du wirst mich bei dieser Sache brauchen, Meister.« Und er fühlte eine unerwartete Wahrheit in diesen Worten: Wenn er Obi-Wan begleitet hätte, wenn es ihm gelungen wäre, Padmé für einige Tage zu vergessen, sich irgendwie von Palpatine, dem Rat, seinen Meditationen, der Politik und allen Dingen zu lösen, die ihn hierher und dorthin zerrten, wenn es für einige Tage nur Obi-Wan und ihn gegeben hätte – dann wäre vielleicht alles in Ordnung gekommen.

Ein Wunsch…

»Vielleicht finden wir Grievous gar nicht«, sagte Obi-Wan. »Deine Aufgaben hier sind viel wichtiger, Anakin.«

»Ich weiß: der Sith.« Das Wort hinterließ einen bitteren Geschmack in Anakins Mund. In den Aktivitäten des Rates roch er den Gestank von Politik.

»Ich…« Anakin zuckte hilflos mit den Schultern. »Es gefällt mir nicht, dass du ohne mich aufbrichst. Es ist keine gute Idee, das Team zu teilen. Ich meine, denk daran, was beim letzten Mal geschah.«

»Erinnere mich nicht daran.«

»Möchtest du erneut einige Monate mit jemandem wie Ventress verbringen? Oder mit einer Person, die noch schlimmer ist?«

»Anakin.« Anakin hörte ein sanftes Lächeln in Obi-Wans Stimme. »Mach dir keine Sorgen. Ich habe genug Klonsoldaten dabei, um drei Systeme in der Größe von Utapau unter Kontrolle zu bringen. Ich glaube, dass ich mit der Situation fertig werden kann, auch ohne deine Hilfe.«

»Es gibt immer ein erstes Mal«, erwiderte Anakin.

»Das Team existiert nach wie vor, Anakin«, sagte Obi-Wan. »Wir sind öfter auf uns allein gestellt gewesen, zum Beispiel als du Padmé nach Naboo gebracht hast, während ich nach Kamino und Geonosis unterwegs war.«

»Und denk nur daran, was daraus geworden ist.«

»Na schön, ein schlechtes Beispiel«, räumte Obi-Wan ein, und sein Lächeln wurde reumütig. »Doch Jahre später sind wir hier: noch am Leben, und noch immer Freunde. Ich meine dies, Anakin: Wir arbeiten selbst dann zusammen, wenn wir an verschiedenen Orten tätig sind. Wir haben die gleichen Ziele: den Krieg zu beenden und die Republik vor den Sith zu bewahren. Solange wir auf der gleichen Seite stehen, wird schließlich alles gut. Da bin ich mir sicher.«

»Nun…« Anakin seufzte. »Ich schätze, da könntest du Recht haben. Das geschieht gelegentlich: dass du Recht hast.«

Obi-Wan lachte und klopfte ihm auf die Schulter. »Lebe wohl, alter Freund.«

»Warte, Meister.« Anakin wandte sich ihm zu. Er konnte nicht einfach hier stehen und schweigend zusehen, wie Obi-Wan fortging. Nicht jetzt. Er musste etwas sagen…

Er hatte das unangenehme Gefühl, dass er keine zweite Chance bekommen würde.

»Meister…« Er zögerte. »Obi-Wan… Ich weiß, dass ich dich in den vergangenen Tagen enttäuscht habe. Ich bin arrogant gewesen. Ich… habe deine Ausbildung und, schlimmer noch, deine Freundschaft nicht sehr zu schätzen gewusst. Dafür habe ich keine Entschuldigung. Mein Ärger mit dem Rat… Ich weiß, dass nichts davon deine Schuld ist, und ich bitte um Verzeihung. Für alles. Deine Freundschaft ist mir wichtiger als alles andere.«

Obi-Wan ergriff Anakins mechanische Hand, und mit der anderen drückte er Anakins Arm über der Stelle, an der sich Fleisch und Metall trafen. »Du bist klug und stark, Anakin. Du bringst dem Jedi-Orden Ehre und hast große Fortschritte gemacht, weit über meine bescheidenen Versuche hinaus, dich auszubilden.«

Anakin lächelte melancholisch. »Erst vor kurzer Zeit hast du mir zu verstehen gegeben, dass ich noch viel lernen muss.«

»Ich spreche von deinem Herzen, Anakin. Die Größe in dir ist eine Größe des Geistes. Mut und Großzügigkeit, Anteilnahme und Engagement. Das sind deine Tugenden«, sagte Obi-Wan sanft. »Du hast Großes geleistet, und ich bin sehr stolz auf dich.«

Anakin wusste nicht, was er sagen sollte.

Obi-Wan sah nach unten, lachte leise und gab Anakins Hand und Arm frei. »Ich glaube, ich höre, wie General Grievous meinen Namen ruft. Auf Wiedersehen, alter Freund. Möge die Macht mit dir sein.«

Anakin konnte dem Meister nur ein Echo seiner eigenen Worte anbieten.

»Möge die Macht mit dir sein.«

Still und stumm stand er da und beobachtete, wie Obi-Wan fortging. Dann drehte er sich langsam um und ging mit gesenktem Kopf zum Speeder.

Der Kanzler wartete.