15. KAPITEL

Tod auf Utapau

 

Wenn man eine wirkungsvolle Jedi-Falle konstruieren will – im Gegensatz zu einer, die nichts weiter bewirkt als einen peinlich kurzen Eintrag im Tempelarchiv –, so sollte man mehrere Dinge beachten, um das gewünschte Resultat zu erzielen.

Erstens: ein unwiderstehlicher Köder. Ideal ist der kommandierende General einer geächteten Nation, der persönliche Verantwortung für den Tod von Milliarden Wesen überall in der Galaxis trägt.

Zweitens: ein ferner, fast unzugänglicher Ort, der leicht übernommen und verteidigt werden kann, mit einem stark begrenzten Aktionsbereich. Er sollte jemand anders gehören, am besten einem Feind, denn Orte mit Jedi-Fallen kommen nie ungeschoren davon; manche werden vollkommen vernichtet. Eine ausgezeichnete Wahl wäre ein öder Wüstenplanet im Äußeren Rand, mit friedlichen Eingeborenen, deren wenige Städte in einigen Schlundlöchern erbaut wurden. Eine Stadt in einem Schlundloch ist wie ein riesiges Fangglas: Wenn ein Jedi hineinfliegt, braucht man nur noch den Deckel draufzusetzen.

Drittens: Da es immer eine gute Idee ist, ein ganzes Stück außer Reichweite zu sein, wenn man Pläne gegen einen Jedi schmiedet – ein Ort auf der anderen Seite der Galaxis wäre am besten –, sollte man einen geeigneten Bevollmächtigten haben, der sich um den eigentlichen Mord kümmert. Ein zuverlässiger Bevollmächtigter wäre zum Beispiel der erfolgreichste lebende Jeditöter, unterstützt von einer Gruppe leistungsfähiger Kampfdroiden, die extra für den Kampf gegen Jedi ausgerüstet sind. Den Bevollmächtigten gleichzeitig als Köder einzusetzen, ist ein besonders eleganter Schachzug, wenn es sich bewerkstelligen lässt. Es würde bedeuten, dass der Jedi aus eigenem Antrieb den Kontakt mit seinem Mörder sucht, selbst dann noch, wenn er begriffen hat, dass er in einer Falle steckt – aus reinem Pflichtbewusstsein und nicht ganz ungerechtfertigter Arroganz.

Das vierte wichtige Element einer wirkungsvollen Jedi-Falle besteht aus einer großen, überwältigenden Streitmacht, die bereit ist, nötigenfalls den ganzen Planeten zu verbrennen, auch sich selbst, um sicherzustellen, dass der betreffende Jedi nicht entkommt.

Das Paradebeispiel einer idealen Jedi-Falle erwartete Obi-Wan Kenobi auf Utapau.

 

Als Obi-Wan seinen Sternjäger spiralförmig zu einem Landedeck steuerte, das aus der steilen Sandsteinwand der größten von Utapaus Schlundlochstädten ragte, rief er sich ins Gedächtnis zurück, was er über den Planeten und seine Bewohner wusste.

Es war nicht viel.

Er wusste, dass Utapau trotz seines äußeren Erscheinungsbilds kein wirklicher Wüstenplanet war: Es gab reichlich Wasser in einem subplanetaren Ozean, der um den ganzen Globus reichte. Die Erosion hatte weite Bereiche der Oberfläche instabil werden lassen, und durch häufige Erdbeben entstanden an jenen Stellen Schlundlöcher, die einem Sternzerstörer der Victory-Klasse genug Platz boten. Dort konnte sich die Zivilisation entwickeln, geschützt vor den Hyperwinden an der Oberfläche. Obi-Wan wusste auch, dass es auf Utapau nur wenig Hightech gab und die Energiewirtschaft auf Windkraft basierte. Erst vor einigen Jahrzehnten hatte ein begrenzter interstellarer Handel begonnen, als Außenweltfirmen entdeckten, dass das Wasser des subplanetaren Meeres viele Spurenelemente enthielt. Die Bewohner des Planeten ähnelten Menschen und bildeten zwei unterschiedliche Spezies; die großen, stolzen und langsamen Utapauner, die man wegen ihrer erstaunlichen Langlebigkeit auch »Uralte« nannte; und die untersetzten Utai, »Kurze« genannt, was sich nicht nur auf ihre Statur bezog, sondern auch auf ihr kurzes, geschäftiges Leben.

Und Obi-Wan wusste, dass Grievous auf Utapau weilte.

Woher er das wusste, konnte er nicht sagen. Soweit er das feststellen konnte, hatte seine Überzeugung nichts mit der Macht zu tun. Doch schon wenige Sekunden nach der Rückkehr der Vigilance in den Realraum war er sicher. Die Entscheidung stand bevor. So oder so, dies war der Ort, an dem die Jagd auf General Grievous enden würde.

Obi-Wan spürte es in den Knochen: Utapau war ein Ort des Todes.

Er war allein unterwegs. Commander Cody und drei Bataillone Klonsoldaten warteten in für schnelle Einsätze bestimmten Einheiten, in LAAT/i-Einheiten und Landeschiffen der Jadthu-Klasse, direkt hinter dem Horizont. Obi-Wans Plan sah vor, Grievous’ Position festzustellen und den Biodroiden-General beschäftigt zu halten, bis die Klonsoldaten angreifen konnten. Er war eine Ein-Mann-Ablenkungstruppe für tausende oder zehntausende von Kampfdroiden, die zu ihm und Grievous unterwegs sein würden; er musste ihre Aufmerksamkeit binden, damit die Klonsoldaten vorstoßen konnten. Zwei Bataillone würden einen direkten Angriff führen, während sich das dritte in Bereitschaft hielt, um die Truppen zu verstärken und eventuelle Fluchtwege abzuschneiden.

»Ich kann die Droiden für eine ganze Weile ablenken«, hatte Obi-Wan auf dem Flugdeck der Vigilance zu Cody gesagt. »Aber lasst Euch nicht zu viel Zeit.«

»Ich bitte Euch, Boss«, hatte Cody erwidert und gelächelt. »Habe ich Euch jemals im Stich gelassen?«

»Nun…« Obi-Wan hatte ebenfalls gelächelt. »Da wäre zum Beispiel Cato Nemoidia…«

»Das war Anakins Schuld. Er kam zu spät…«

»Ach? Und wem wollt Ihr diesmal die Schuld geben?« Obi-Wan hatte leise gelacht, als er ins Cockpit seines Sternjägers gestiegen war. »Na schön. Ich werde versuchen, nicht alle Droiden zu zerstören, bis Ihr eintrefft.«

»Ich verlasse mich auf Euch, Boss. Enttäuscht mich nicht.«

»Habe ich das jemals?«

»Nun…«, hatte Cody gesagt und breit gegrinst, »… da wäre zum Beispiel Cato Nemoidia…«

Obi-Wans Sternjäger erzitterte in heftigen Turbulenzen. Die Randbereiche des Schlundlochs bekamen so viel von den Hyperwinden an der Oberfläche ab, dass die obersten Stockwerke der Stadt einem permanenten Orkan ausgesetzt waren. Rotorblätter wirbelten an Generatorkapseln, die von den heftigen Winden so glatt gerieben waren, dass sie den Eindruck erweckten, aus flüssigem Sandstein geformt zu sein. Obi-Wan rang mit den Kontrollen des Sternjägers und brachte ihn Etage um Etage tiefer, bis der Orkan nur noch ein Sturm war. Selbst als er das Landedeck in den Tiefen des Schlundlochs erreicht hatte, musste R4-G9 die Andockkrallen ausfahren, um zu verhindern, dass der Sternjäger vom Deck geweht wurde.

Ein geripptes, semitransparentes Schutzdach entfaltete sich über dem Landedeck, und als es sich verankert hatte, verklang das Heulen des Winds. Obi-Wan öffnete das Cockpit.

Einige Utai eilten bereits dem Sternjäger entgegen, der allein auf dem Deck stand. Sie trugen Werkzeuge und zogen größere Ausrüstungsteile hinter sich her; Obi-Wan vermutete, dass es sich um Wartungspersonal handelte. Ihnen folgte ein würdevoller Utapauner, gehüllt in einen dicken, bis zum Boden reichenden scharlachroten Umhang, dessen hoher Kragen die rudimentären Ohrscheiben verbarg. Der kahle Schädel des Utapauners glänzte feucht, und er hielt einen Stab, der Obi-Wan vage an Yodas geliebten Gimerstock erinnerte.

Das ging schnell, dachte er. Man könnte meinen, sie hätten mich erwartet.

»Gruß Euch, junger Jedi«, sagte der Utapauner ernst. Er sprach Basic mit Akzent. »Ich bin Tion Medon, Leiter der Hafenverwaltung an diesem Ort des Friedens. Was führt einen Jedi zu unserem abgelegenen Sanktuarium?«

Obi-Wan fühlte keine Tücke in diesem Geschöpf, wohl aber Furcht. Er beschloss, die Wahrheit zu sagen. »Der Krieg führt mich hierher.«

»Hier gibt es keinen Krieg, es sei denn, Ihr habt ihn mitgebracht«, erwiderte Medon. Eine Maske der Gelassenheit verbarg, was die Macht Obi-Wan zeigte: eine Angst, die an Panik grenzte.

»Nun gut«, sagte Obi-Wan. »Bitte gestatten Sie mir, hier neuen Treibstoff aufzunehmen und Ihre Stadt als Ausgangsbasis für die Untersuchung der nahen Sonnensysteme zu benutzen.«

»Wonach sucht Ihr?«

»Selbst hier im Äußeren Rand haben Sie bestimmt von General Grievous gehört. Ihn suche ich, ihn und seine Droidenarmee.«

Tion Medon trat noch einen Schritt näher und beugte sich zu Obi-Wan vor. »Er ist hier!«, flüsterte er. »Wir sind Geiseln – man beobachtet uns!«

Obi-Wan nickte ruhig. »Danke«, sagte er in einem normalen Tonfall. »Ich danke Ihnen für Ihre Gastfreundschaft. Wenn Ihre Leute meinen Sternjäger aufgetankt haben, breche ich sofort wieder auf.«

»Hört mir zu, junger Jedi!« Medons Flüstern wurde noch drängender. »Ihr müsst wirklich aufbrechen! Man hat mir befohlen, die Präsenz der Fremden preiszugeben – dies ist eine Falle!«

»Natürlich ist sie das«, erwiderte Obi-Wan gelassen.

»Die zehnte Etage. Tausende von Kriegsdroiden. Zehntausende!«

»Weisen Sie Ihre Leute an, irgendwo Schutz zu suchen.« Obi-Wan drehte sich wie beiläufig um, sah nach oben und zählte die Etagen. Bei der zehnten entdeckte er ein stacheliges Sphäroid aus Metall: eine Struktur von der Größe eines Schlachtschiffs, die noch nicht lange dort sein konnte, denn ihre glänzende Oberfläche war noch nicht von Sand und Wind mattiert worden. Er nickte geistesabwesend und sprach leise, wie zu sich selbst. »G9, bring meinen Sternjäger zur Vigilance zurück. Richte Commander Cody aus, er soll dem Jedi-Kommando auf Coruscant mitteilen, dass ich General Grievous gefunden habe. Ich stelle ihn jetzt zum Kampf. Cody soll wie geplant mit seiner vollen Streitmacht angreifen.«

Der Astromech in der vorderen Interfacemulde piepte eine Bestätigung, und Obi-Wan wandte sich wieder an Tion Medon. »Teilen Sie den Fremden mit, dass ich versprochen habe, dem Geheimdienst der Republik einen Bericht zu übermitteln. Sagen Sie ihnen, dass ich wirklich nur Treibstoff für meinen Sternjäger wollte, um sofort wieder aufzubrechen.«

»Aber… was habt Ihr vor?«

»Wenn es in Ihrem Volk Krieger gibt…«, sagte Obi-Wan ernst. »Sie hätten jetzt Gelegenheit zu zeigen, was sie können.«

 

Im Holokom-Zentrum der Jedi, im Herzen des Tempels auf Coruscant, beobachtete Anakin, wie ein lebensgroßes Holobild des Klonoffiziers Commander Cody meldete, dass Obi-Wan General Grievous gefunden hatte.

»Wir beginnen wie befohlen mit dem Unterstützungsangriff. Und wenn ich dies hinzufügen darf: Auf der Grundlage meiner Erfahrungen mit General Kenobi vermute ich, dass Grievous nicht mehr lange zu leben hat.«

Wenn ich ihm helfen könnte, wäre es mehr als nur eine Vermutung, dachte Anakin. Sei vorsichtig, Obi-Wan…

»Danke, Commander.« Mace Windus Gesicht verriet nichts von der Mischung aus Sorge und Anspannung, die bestimmt in ihm existierte. Anakin hatte das Gefühl, er würde jeden Augenblick platzen, aber Windu wirkte so unbewegt wie ein Fels. »Haltet uns auf dem Laufenden. Möge die Macht mit Euch sein, und mit Meister Kenobi.«

»Das wird sie bestimmt. Cody Ende.«

Das Holobild flackerte und verschwand. Mace Windu warf den Holopräsenzen der beiden anderen Meister kurze, aber bedeutungsvolle Blicke zu: Ki-Adi-Mundi, der sich im befestigten Kommandozentrum von Mygeeto befand, und Yoda in einem Guerilla-Außenposten auf Kashyyyk.

Dann wandte er sich an Anakin. »Bring diesen Bericht zum Kanzler.«

»Natürlich, Meister.«

»Und achte auf seine Reaktion. Wir brauchen alle Einzelheiten.«

»Meister?«

»Was er sagt, Anakin. Mit wem er spricht. Was er macht. Alles. Sogar sein Gesichtsausdruck. Es ist sehr wichtig.«

»Ich verstehe nicht…«

»Das brauchst du auch nicht. Bring uns einfach die benötigten Informationen.«

»Meister…«

»Muss ich dich daran erinnern, dass du noch immer ein Jedi bist, Anakin? Du hast dich nach wie vor an die Anweisungen des Rates zu halten.«

»Ja, Meister Windu. Ja, ich weiß«, sagte Anakin und ging.

 

Als Skywalker fort war, nahm Mace Windu Platz und blickte zur Tür, die sich hinter dem jungen Jedi-Ritter geschlossen hatte. »Jetzt werden wir sehen«, murmelte er. »Endlich. Jetzt wird sich alles klären.«

Zwar befanden sich die Holopräsenzen von zwei anderen Meistern im Kommandozentrum, aber Maces Worte waren nicht an sie gerichtet. Er sprach zur düsteren, nebelhaften Zukunft in seinem Kopf.

»Wenn sich Palpatine weigert, seine Macht aufzugeben…«, sagte Ki-Adi-Mundi auf Mygeeto. »Habt Ihr daran gedacht, dass es dann nur der erste Schritt ist, ihn aus seinem Amt zu entfernen?«

Mace blickte zum blauen Holobild des cereanischen Meisters. »Ich bin kein Politiker. Der Sturz eines Tyrannen genügt mir.«

»Aber für die Republik wird es nicht genug sein«, entgegnete Ki-Adi-Mundi kummervoll. »Palpatine kontrolliert eine überwältigende Mehrheit im Senat. Sie hat seine Diktatur legitimiert und kann sie legalisieren, sie sogar in einer geänderten Verfassung festschreiben.«

Die düstere Zukunft in Maces Kopf wurde noch finsterer. Der Cereaner hatte Recht.

»Voller Korruption der Senat ist«, sagte Yoda von Kashyyyk. »Kontrolliert werden muss er, bis es möglich ist, die korrupten Senatoren zu ersetzen durch ehrliche…«

»Hört nur, wovon wir sprechen!« Mace ließ den Kopf in die Hände sinken. »Wie konnte es nur so weit kommen? Davon zu reden, den Kanzler zu verhaften und den Senat zu übernehmen…! Man könnte meinen, dass Dooku Recht hatte. Um die Republik zu retten, müssen wir sie zerstören…«

Yoda hob den Kopf und kniff die Augen zusammen, als ringe er mit innerem Schmerz. »An Hoffnung wir festhalten müssen. Unser wahrer Feind weder Palpatine noch der Senat ist. Der wahre Feind der Sith-Lord Sidious ist; er beide kontrolliert. Wenn wir errungen haben den Sieg über Sidious… Dann alle anderen Sorgen kleiner werden.«

»Ja.« Mace Windu stand auf, trat zum Fenster und legte die Hände auf den Rücken. »Ja, das stimmt.«

Indigofarbene Düsternis sammelte sich draußen zwischen den Türmen.

»Und wir haben den Auserwählten auf den letzten Sith-Lord angesetzt«, sagte er. »Darauf müssen wir unsere Hoffnungen für die Zukunft der Republik gründen.«

 

Das Schutzdach des Landedecks glitt zurück, und der blauweiße Sternjäger stieg auf, kehrte in den Sturm zurück. Obi-Wan stand hinten auf dem Deck tief im Schatten und sah ihm nach.

»Jetzt bleibt mir nichts anderes mehr übrig«, murmelte er.

Er nahm einen Elektrofeldstecher von seinem Ausrüstungsgürtel und beobachtete damit das verdächtige Sphäroid im Bereich der zehnten Etage. Bei den Stacheln handelte es sich vermutlich um Antennen für die Droidenkontrolle. Dort würde sich Grievous aufhalten: im Nervenzentrum seiner Streitmacht.

»Was für mich bedeutet, dass ich jenen Ort aufsuchen muss.« Er sah sich um und runzelte die Stirn. »Nie ist ein Lufttaxi in der Nähe, wenn man eins braucht…«

Das Schutzdach schloss sich wieder und sperrte das Heulen des Winds aus. Aus den Tiefen der Stadt hörte Obi-Wan heiseres Gebrüll, das nach großen Tieren klang und ihn an etwas erinnerte…

Suubatare. Das Gebrüll erinnerte ihn an die Schreie der Suubatare, auf denen Anakin und er bei einer ihrer letzten Missionen vor dem Krieg geritten waren, damals, als Obi-Wans größte Sorge darin bestanden hatte, sein Versprechen Qui-Gon gegenüber zu halten…

Doch er durfte keine Zeit mit Nostalgie vergeuden. Er konnte praktisch hören, wie Qui-Gon ihn dazu aufforderte, sich auf das Hier und Heute zu konzentrieren und sich der lebenden Macht hinzugeben.

Und das tat er.

Obi-Wan ließ sich vom Gebrüll den Weg weisen, schritt durch halbdunkle, leere, in den Sandstein gemeißelte Tunnel und erreichte schließlich einen großen, runden Bereich, der an eine Arena erinnerte. Ein Ring aus Baikonen erstreckte sich unten an der Wand entlang, von Speichen aus breiten, gerieften Rampen abgestützt. Gelbliche Lampen hingen an der Decke, und ihr Licht hatte die gleiche Farbe wie der Sonnenschein, der durch ovale, zum Schlundloch hin offene Tore hereinfiel. Mit dem Sonnenschein kam Wind und sorgte dafür, dass der intensive Reptiliengestank nicht mehr überwältigend war, nur Übelkeit erregend.

Mehr als zehn große, echsenartige Geschöpfe hockten und lagen in der Arena oder wanderten ziellos umher. Sie wirkten wie das Werk eines irren Genetikers, wie eine Kreuzung zwischen Kraytdrachen von Tatooine und Ankkochsen von Haruun Kal: Schulterhöhe vier Meter; lange, krumme Beine, die in Füßen mit fünf Klauen endeten, ganz offensichtlich für das Klettern an steilen Felsen bestimmt; der stachelbesetzte Schwanz zehn Meter lang, an seinem Ende ein natürlicher Streitkolben; auf dem langen, flexiblen Hals ein gepanzerter Kopf mit weiteren eindrucksvollen Stacheln. Sie sahen so furchteinflößend aus, dass Obi-Wan sie zunächst für gefährliche Raub- oder Wachtiere hielt – bis er sah, wie fügsam sie den Utai gegenüber waren, die zwischen ihnen gingen, sie abspritzten, Dreck von den Schuppen kratzten und sie mit grünen Bündeln fütterten.

Nicht weit von Obi-Wan entfernt standen mehrere große Gestelle mit unterschiedlichen Sätteln, die meisten von ihnen mit hohen Rückenlehnen, einige üppig verziert. Sie ähnelten den Sätteln, die die Alwari von Ansion bei ihren Suubataren verwendet hatten.

Jetzt vermisste er Anakin wirklich…

Anakin verabscheute Reittiere fast ebenso sehr wie Obi-Wan das Fliegen. Schon seit einer ganzen Weile vermutete Obi-Wan, dass sich Anakins besonderes Talent in Hinsicht auf Maschinen gegen ihn wandte, wenn es um Suubatare, Taurücken oder Bantha ging – er konnte sich einfach nicht an ein Transportmittel gewöhnen, das über einen eigenen Willen verfügte. Er stellte sich Anakins Klagen vor, während er auf einem jener Sättel Platz nahm.

Es schien schrecklich lange her zu sein, seit Obi-Wan zum letzten Mal Gelegenheit bekommen hatte, Anakin ein wenig aufzuziehen.

Seufzend besann er sich wieder auf seine Aufgabe. Er trat aus dem Schatten, ging zu einer der gerieften Rampen und machte eine knappe Handbewegung, die einem der Utai galt. »Ich brauche ein Beförderungsmittel.«

Die hervorquellenden Augen des Kurzen blickten in die Ferne und wurden glasig, und er antwortete mit einigen knackenden Pfeiflauten, die bestätigend klangen.

Obi-Wan bewegte erneut die Hand. »Bring mir einen Sattel.«

Die bestätigenden Laute wiederholten sich, und der Kurze watschelte fort.

Während Obi-Wan auf den Sattel wartete, verschaffte er sich einen Eindruck von den Drachenrössern. Das größte und muskulöseste beachtete er ebenso wenig wie das schlankste, das besonders schnell zu sein schien. Dem Tier mit dem wildesten Funkeln in den Augen näherte er sich nicht einmal. Eigentlich hielt er gar nicht nach äußeren Anzeichen für Kraft, Gesundheit oder Persönlichkeit Ausschau. Hände, Augen und Ohren benutzte er nur als kanalisierende Mittel für die Macht. Er wusste nicht, wonach er suchte, vertraute aber darauf, dass er es erkennen würde, wenn er es fand.

Qui-Gon hätte ihm seine Anerkennung dafür ausgesprochen, dachte er mit einem inneren Lächeln.

Schließlich gelangte er zu einem Drachenross mit einem klaren, beständigen Glühen in seinen runden gelben Augen und mit kleinen, dichten Schuppen, die sich warm und trocken anfühlten. Das Tier scheute nicht vor seiner Hand zurück, duckte sich auch nicht unterwürfig. Es erwiderte seinen Blick mit ruhiger, nachdenklicher Intelligenz. Durch die Macht spürte Obi-Wan, dass dieses Tier seinem Reiter unter allen Umständen gehorchen würde – es schien wie ein Jedi bereit zu sein, bis zum Letzten seine Pflicht zu erfüllen.

Deshalb zog Obi-Wan in jedem Fall ein Reittier vor. Ein Speeder kümmert sich nicht um die Insassen, wenn er abstürzt.

»Dies«, sagte er. »Ich nehme dies.«

Der Kurze war mit einem schlichtem funktionalen Sattel zurückgekehrt. Als er und die anderen Utai mit der nicht ganz unkomplizierten Aufgabe begannen, dem Drachenross Zaumzeug anzulegen, deutete er auf das Tier und sagte: »Boga.«

»Ah«, erwiderte Obi-Wan. »Danke.«

Er nahm Grünzeug aus einem nahen Kasten und bot es dem Drachenross an. Das große Tier neigte den Kopf, und sein Schnabel, der in einem gefährlich spitzen Haken endete, zog ihm die Blätter vorsichtig aus den Händen. Dann kaute es mit wählerischer Gründlichkeit.

»Braves Mädchen, Boga. Äh…« Obi-Wan wandte sich an den Kurzen. »Sie ist doch eine Sie, oder?«

Der Kurze runzelte die Stirn. »Warool noggaggllo?«, entgegnete er und zuckte mit den Schultern. Obi-Wan vermutete, dass die Antwort so viel wie Ich habe keine Ahnung, wovon du redest bedeutete.

»Na schön«, sagte er. »Für mich bist du also eine Sie. Falls du nichts dagegen hast.«

Boga erhob keine Einwände.

Obi-Wan schwang sich nach oben in den Sattel, und das Drachenross richtete sich auf, wölbte wie eine Katze, die einen Buckel macht, den Rücken, was ihn mehr als vier Meter nach oben brachte. Von dort sah er auf die Utai hinab. »Ich kann euch nicht bezahlen. Als Gegenleistung kann ich nur die Freiheit eures Planeten anbieten. Ich hoffe, das genügt.«

Er wartete keine Antwort ab, die er ohnehin nicht verstanden hätte, und berührte Boga am Hals. Das Drachenross richtete sich auf den Hinterbeinen auf, und die vorderen Klauen fuhren durch die Luft, als zerrissen sie einen angreifenden Droiden. Dann duckte es sich, spannte die Muskeln und sprang mit einem Satz zum Balkon. Den langen Stock, der an der Seite des Sattels in einem Halfter steckte, brauchte Obi-Wan überhaupt nicht, und er konnte die Zügel ganz locker in der Hand halten – Boga schien zu wissen, wohin er wollte.

Das Drachenross kroch geschickt durch eins der Tore in die offene Luft des Schlundlochs, drehte sich dann, streckte die Kletterklauen nach dem Sandstein aus und trug Obi-Wan an der steilen Felswand empor.

Eine Etage nach der anderen blieb hinter ihnen zurück. Die Stadt sah verlassen aus und fühlte sich auch so an. Nichts bewegte sich, abgesehen von den Schatten der Wolken, die über die Öffnung des Schlundlochs weit, weit oben hinwegzogen. Selbst die Windkraftturbinen waren stillgelegt worden.

Das erste Lebenszeichen sah Obi-Wan bei der zehnten Etage: Dort lagen einige Drachenrösser in der Mittagssonne, nicht weit vom Durastahlsphäroid des Droiden-Kontrollzentrums entfernt. Obi-Wan ritt bis zum offenen Zugang des Kontrollzentrums, sprang dann vom Rücken des Tiers herunter.

Die Tür führte in einen großen, gewölbten Saal mit kahlem Durastahlboden. Tief in den Schatten des Saals standen fünf Gestalten. Ihre Gesichter hatten die Farbe gebleichter Knochen – oder von elfenbeinfarbenem Panzerplast.

Sie erweckten den Eindruck, als würden sie auf ihn warten.

Obi-Wan nickte.

»Du kehrst besser heim, Mädchen«, sagte er und klopfte Boga auf den Hals. »So oder so: Ich glaube nicht, dass ich noch einmal deine Hilfe brauche.«

Boga gab einen hupenden Laut von sich, der fast bedauernd klang, beugte dann den Hals und drückte sanft den Schnabel an Obi-Wans Brust.

»Es ist alles in Ordnung, Boga. Ich danke dir für deine Hilfe, aber es wäre zu gefährlich für dich, an diesem Ort zu bleiben. Hier wird es gleich drunter und drüber gehen. Bitte, kehr heim.«

Das Drachenross hupte erneut und wich zurück, und Obi-Wan trat von der Sonne in den Schatten.

Sofort fühlte er sich von Kühle erfasst. Er ging ohne Hast, ohne Eile. Die Macht erweckte alle Schichten des Saals in ihm zum Leben: die kalten Decksplatten unter seinen Füßen, das Gestein darunter und, tiefer noch, die glatten, lichtlosen Strömungen des Weltmeers. Er wurde zum turbulenten Wirbeln des Winds, der durch den hohen Saal pfiff. Er wurde zum Sonnenscheinen draußen und den Schatten drinnen. Das menschliche Herz in seinem Knochenkäfig schlug im Rhythmus eines fremden Herzen in einem Korb aus Panzerplast, und in seinem Selbst summten die elektronischen Signalkaskaden, die die Gedanken von Killerdroiden darstellten, für den Einsatz gegen Jedi bestimmt.

Und als die Macht Obi-Wan die Struktur des großen Saals zeigte, stellte er ohne Überraschung oder Kummer fest, dass die große gewölbte Decke über ihm aus ruhenden Kampfdroiden bestand.

Dieser Erkenntnis folgte eine zweite, die er ebenfalls ohne Überraschung oder Kummer entgegennahm: Wahrscheinlich würde er an diesem Ort sterben.

Der Gedanke an den Tod brachte nur kurzes Bedauern und dann Verwunderung. Bis zu diesem Moment, so begriff er plötzlich, war er immer ohne ersichtlichen Grund davon ausgegangen, dass…

… Anakin bei ihm sein würde, wenn er starb.

Wie seltsam, dachte er, und dann konzentrierte er sich.

 

Anakin hatte das Gefühl, dass Meister Windu enttäuscht sein würde.

Palpatine reagierte kaum.

Der Oberste Kanzler der Republik saß an dem kleinen Schreibtisch in seinem privaten Büro und betrachtete geistesabwesend ein kleines Geflecht aus Neuranium, das Anakin immer für eine Art Skulptur gehalten hatte. Er seufzte nur, als beanspruchten weitaus wichtigere Dinge seine Aufmerksamkeit.

»Es tut mir Leid, Sir«, sagte Anakin. Er stand vor dem. Schreibtisch und verlagerte das Gewicht aufs andere Bein. »Vielleicht habt Ihr mich nicht verstanden. Obi-Wan hat General Grievous gefunden. Sein Angriff hat bereits begonnen. Sie kämpfen, während wir hier miteinander sprechen, Sir!«

»Ja, ja, natürlich, Anakin. Ja.« Palpatine schien mit seinen Gedanken noch immer woanders zu sein. »Ich verstehe, dass du dir Sorgen um deinen Freund machst. Hoffen wir, dass er seiner Aufgabe gewachsen ist.«

»Es ist nicht nur Sorge um Obi-Wan, Sir. Der Sieg über General Grievous bedeutet den endgültigen Triumph der Republik…«

»Glaubst du?« Palpatine wandte sich Anakin zu, und Falten bildeten sich in der Stirn des Kanzlers, als seine Aufmerksamkeit ins Hier zurückkehrte. »Mein Junge, ich glaube, die Situation ist viel ernster, als selbst ich befürchtet habe.«

Anakin rührte sich nicht. »Wie meint Ihr das?«

»Grievous ist nicht mehr der gefährlichste Feind. Und der Klonkrieg… Seine Bedeutung reduziert sich auf die einer Ablenkung.«

»Was?«

»Der Rat steht kurz davor, aktiv zu werden«, sagte Palpatine mit bitterer Gewissheit. »Wenn wir ihm nicht Einhalt gebieten, haben die Jedi morgen um diese Zeit die Republik unter ihre Kontrolle gebracht.«

Anakin lachte verblüfft. »Aber, Sir… Das könnt Ihr doch nicht für möglich halten…«

»Ich weiß es, Anakin. Ich werde der Erste sein, den man verhaftet – und hinrichtet –, aber bestimmt nicht der Letzte.«

Anakin konnte nur ungläubig den Kopf schütteln. »Sir, ich weiß, dass es zwischen dem Rat und Euch… Unstimmigkeiten gibt, aber…«

»Dies geht weit über irgendeinen persönlichen Zwist zwischen mir und den Mitgliedern des Rates hinaus. Die Verschwörung betrifft die ganze Galaxis – die Jedi wollen die Republik übernehmen. Denk nach, Anakin. Du weißt, dass sie dir nicht vertrauen. Sie haben dir nie vertraut. Du weißt, dass sie Dinge vor dir verborgen, hinter deinem Rücken Pläne geschmiedet haben. Du weißt, dass selbst dein großer Freund Obi-Wan dir nicht gesagt hat, woraus die wahren Absichten des Rates bestehen… Weil du nicht so bist wie die anderen, Anakin. Du bist ein Mann, nicht nur ein Jedi.«

Anakin zog den Kopf ein, als wollte er sich vor feindlichem Feuer ducken. »Ich… sie würden nicht…«

»Frag dich dies: Warum haben sie dich mit diesen Neuigkeiten zu mir geschickt? Warum? Weshalb haben sie mich nicht einfach über die normalen Kanäle informiert?«

Und achte auf seine Reaktion. Wir brauchen alle Einzelheiten.

»Sir, ich… äh…«

»Du brauchst nicht nach einer Erklärung zu suchen«, sagte Palpatine sanft. »Du hast bereits zugegeben, dass dir der Rat auftrug, mich zu bespitzeln. Was du ihm heute Abend berichtest – was auch immer –, wird den Jedi als Vorwand dafür dienen, meine Hinrichtung anzuordnen. Ist dir das klar?«

»Unmöglich…« Anakin suchte verzweifelt nach einem Argument. »Der Senat… der Senat würde so etwas nie zulassen…«

»Der Senat wird es nicht verhindern können. Wie ich schon sagte: Dies ist mehr als irgendeine persönliche Antipathie zwischen dem Rat und mir. Ich bin nur ein Mann, Anakin. Meine Autorität stammt vom Senat. Der Senat ist die eigentliche Regierung der Republik. Mich zu töten, bedeutet überhaupt nichts. Um die Republik zu kontrollieren, müssen die Jedi zuerst den Senat übernehmen.«

»Aber die Jedi… sie dienen dem Senat…!«

»Tun sie das?«, fragte Palpatine. »Oder dienen sie gewissen Senatoren?«

»Dies ist alles… Bitte entschuldigt, Kanzler, aber dies klingt alles…«

»Hier.« Palpatine suchte auf dem Schreibtisch und hob dann einen Textreader. »Weißt du, was das ist?«

Anakin erkannte das von Padmé aufgebrachte Siegel. »Ja, Sir. Die Petition der Zweitausend…«

»Nein, Anakin! Nein!« Palpatine ließ den Textreader so laut auf den Schreibtisch knallen, dass Anakin zusammenzuckte. »Es ist eine Liste mit den Namen von Verrätern.«

Anakin erstarrte. »Was?«

»In unserer Regierung gibt es jetzt nur noch zwei Arten von Senatoren, Anakin«, sagte Palpatine. »Jene, deren Namen unter dieser so genannten Petition stehen, und jene, die bald von den Jedi verhaftet werden.«

Anakin fehlten die Worte.

Er konnte nicht widersprechen. Er brachte es nicht einmal fertig zu zweifeln.

Er hatte nur einen Gedanken.

Padmé…?

Wie groß waren die Schwierigkeiten, in denen sie steckte?

»Habe ich dich nicht gewarnt, Anakin? Habe ich dich nicht darauf hingewiesen, worin Obi-Wan verwickelt ist? Warum hat er sich wohl hinter deinem Rücken mit den Anführern der… Delegation getroffen?«

»Aber… Sir, bitte, den Senatoren ging es doch nur um ein Ende des Krieges. Und das wollen auch die Jedi. Ich meine, wir wollen doch alle, dass der Krieg beendet wird, oder?«

»Vielleicht. Doch wie er endet – das könnte der wichtigste Aspekt des Krieges sein. Vielleicht noch wichtiger als die Frage, wer gewinnt.«

Oh, Padmé, stöhnte Anakin in Gedanken. Padmé, worauf hast du dich eingelassen?

»Die… Aufrichtigkeit der Senatoren wäre bewundernswert«, fügte Palpatine hinzu. »Wenn es da nicht noch mehr gäbe, als auf den ersten Blick zu erkennen ist.«

Anakin runzelte die Stirn. »Wie meint Ihr das?«

»Ihre… Petition… war gar keine. In Wirklichkeit handelte es sich um eine kaum verhüllte Drohung.« Palpatine seufzte. »Es war eine Demonstration der Stärke, Anakin. Eine Demonstration der politischen Macht, die den Jedi für ihre Rebellion zur Verfügung steht.«

Anakin blinzelte. »Aber…«, begann er und trat um den Schreibtisch herum, »aber… zumindest Senatorin Amidala verdient Vertrauen…«

»Ich verstehe, wie gern du das glauben möchtest«, sagte der Kanzler. »Aber Senatorin Amidala verbirgt etwas. Das hast du sicher gefühlt.«

»Wenn sie…« Anakin schwankte. Der Boden schien unter ihm zu kippen. »Selbst wenn sie etwas verbirgt…«, sagte er mit gepresst klingender, verzweifelt kontrollierter Stimme. »Es bedeutet nicht, dass das auf Verrat hinausläuft.«

Palpatine zog die Brauen zusammen. »Es erstaunt mich, dass deine Jedi-Sinne solchen Dingen gegenüber nicht empfindlicher sind.«

»Ich spüre in Senatorin Amidala keinen Verrat«, beharrte Anakin.

Palpatine lehnte sich in seinem Sessel zurück, presste die Fingerspitzen aneinander und musterte Anakin skeptisch. »Doch, du fühlst es«, sagte er nach einigen Sekunden. »Aber du willst es nicht zugeben. Vielleicht liegt es daran, dass weder ihr noch dir klar ist: Indem sie mich verrät, verrät sie auch dich.«

»Sie könnte nicht…« Anakin hob die Hand zur Stirn, als das Schwindelgefühl schlimmer wurde. Wann hatte er zum letzten Mal etwas gegessen? Er erinnerte sich nicht daran. Vielleicht bevor er zum letzten Mal geschlafen hatte. »Sie könnte nie…«

»Natürlich könnte sie«, sagte Palpatine. »Das ist die Natur der Politik, mein Junge. Nimm es nicht zu persönlich. Es bedeutet keineswegs, dass ihr beide nicht zusammen glücklich sein könnt.«

»Was…?« Um Anakin herum schien sich der Raum zu verfinstern. »Was meint Ihr damit?«

»Bitte, Anakin. Sind wir nicht längst über das Stadium irgendwelcher kindischen Spiele hinaus? Ich weiß Bescheid, verstehst du? Ich habe immer Bescheid gewusst. Ich habe Unkenntnis vorgegeben, um dir Verlegenheit zu ersparen.«

Anakin musste sich am Schreibtisch abstützen. »Was… was wisst Ihr?«

»Padmé war meine Königin, Anakin. Ich bin ihr Botschafter beim Senat gewesen. Naboo ist meine Heimat, Gerade du weißt, was mir Loyalität und Freundschaft bedeuten. Glaubst du, ich hätte keine Freunde beim zivilen Klerus von Theed? Eure geheime Zeremonie ist nie wirklich geheim gewesen. Ich wusste die ganze Zeit über davon und habe mich immer sehr für euch gefreut.«

»Ihr…« Worte wirbelten durch Anakins Bewusstsein, und keines von ihnen ergab einen Sinn. »Aber wenn sie vorhat, uns zu verraten…«

»Das, mein Junge, hängt ganz von dir ab«, sagte Palpatine.

Der Nebel in Anakins Kopf schien sich zu verdichten und zu einem langen, dunklen Tunnel zu werden. Der Lichtpunkt an seinem Ende war Palpatines Gesicht. »Ich… ich verstehe nicht…«

»Oh, ja, das ist offensichtlich.« Die Stimme des Kanzlers schien aus weiter Ferne zu kommen. »Bitte setz dich, mein Junge. Offenbar geht es dir nicht sehr gut. Möchtest du etwas zu trinken?«

»Ich… nein. Nein, schon gut.« Anakin sank dankbar in einen gefährlich bequemen Sessel. »Ich bin nur… ein wenig müde, das ist alles.«

»Hast du nicht gut geschlafen?«

»Nein.« Anakin lachte erschöpft. »Schon seit einigen Jahren schlafe ich nicht mehr gut.«

»Ich verstehe, mein Junge. Ja, ich verstehe dich sehr gut.« Palpatine stand auf, kam um den Schreibtisch herum und setzte sich vorn auf die Kante. »Wir müssen endlich aufhören, uns etwas vorzumachen, Anakin. Die entscheidende Krise rückt näher, und wir können sie nur dann überleben, wenn wir absolut ehrlich zueinander sind. Und zu uns selbst. Das Schicksal der Galaxis steht auf dem Spiel.«

»Ich weiß nicht…«

»Hab keine Angst, Anakin. Was wir hier besprechen, braucht dieses Zimmer nie zu verlassen. Denk nach, Anakin. Denk daran, wie schwer es gewesen ist, all deine Geheimnisse zu hüten. Hast du jemals etwas vor mir geheim halten müssen?«

Palpatine zählte die Dinge an den Fingern ab. »Ich hab das Geheimnis deiner Ehe während der vergangenen drei Jahre gehütet. Das Gemetzel im Tusken-Lager – du hast es mir anvertraut. Ich war dabei, als du Graf Dooku getötet hast. Und ich weiß, woher du die Kraft genommen hast, ihn zu besiegen. Verstehst du? Mir hast du nie irgendetwas vormachen müssen, im Gegensatz zu deinen Jedi-Kameraden. Begreifst du, dass du nie irgendetwas vor mir verbergen musst? Dass ich dich genau so akzeptiere, wie du bist?«

Er breitete die Arme aus. »Teile die Wahrheit mit mir. Deine absolute Wahrheit. Geh aus dir heraus, Anakin.«

»Ich…« Anakin schüttelte den Kopf. Wie oft hatte er davon geträumt, nicht den perfekten Jedi spielen zu müssen? Aber was sonst konnte er sein? »Ich wüsste nicht einmal, wo ich beginnen sollte.«

»Eigentlich ist es ganz einfach: Sag mir, was du willst.«

Anakin blinzelte und sah zu Palpatine auf. »Ich verstehe nicht.«

»Natürlich verstehst du nicht.« Das letzte Licht des Sonnenuntergangs ließ Palpatines schneeweißes Haar erglühen, während Schatten das Gesicht verhüllten. »Man hat dir beigebracht, nie darüber nachzudenken. Die Jedi fragen nie, was du willst. Sie sagen dir einfach, was du wollen sollst. Sie lassen dir nie die Wahl. Deshalb wählen sie ihre Schüler – ihre Opfer – so jung aus. Wenn ein Padawan alt genug wird, um zu wählen, ist er bereits so indoktriniert, dass er oder sie gar nicht mehr über die Frage nachdenken kann – es läuft praktisch auf eine Gehirnwäsche hinaus. Aber du bist anders, Anakin. Du hast ein echtes Leben geführt, außerhalb des Jedi-Tempels. Du kannst den Nebel der Lügen durchdringen, mit dem die Jedi deinen Kopf gefüllt haben. Ich frage dich erneut: Was willst du?«

»Ich verstehe noch immer nicht.«

»Ich biete dir… alles«, sagte Palpatine. »Frag, und es gehört dir. Ein Glas Wasser? Du bekommst es. Ein Beutel voller Corusca-Gemmen? Du bekommst ihn. Sieh aus dem Fenster hinter mir, Anakin. Wähle irgendetwas aus, und es gehört dir.«

»Ist dies irgendein Scherz?«

»Die Zeit für Scherze ist vorbei, Anakin. Ich habe es nie ernster mit dir gemeint.« In den Schatten, die das Gesicht des Kanzlers verbargen, sah Anakin nur das doppelte Glitzern von Palpatines Augen. »Wähl etwas aus. Irgendetwas.«

»Na schön…« Anakin zuckte verwundert mit den Schultern, blickte aus dem Fenster und hielt nach einem absurd teuren Objekt Ausschau. »Wie wär’s mit einem der SoroSuub-Spezialspeeder…?«

»In Ordnung.«

»Ist das Euer Ernst? Habt Ihr eine Ahnung, wie teuer ein solcher Speeder ist? Mit dem Geld könnte man praktisch einen ganzen Schlachtkreuzer ausrüsten…«

»Wäre dir ein Schlachtkreuzer lieber?«

Anakin fühlte, wie er erstarrte. Eine kalte Leere öffnete sich in seiner Brust. »Wie wäre es mit den Senatorenapartments?«, fragte er mit leiser, vorsichtiger Stimme.

»Ein privates Apartment?«

Anakin schüttelte den Kopf und blickte in den doppelten Glanz, der sich in der Dunkelheit von Palpatines Gesicht zeigte. »Das ganze Gebäude.«

Der Kanzler blinzelte nicht einmal. »In Ordnung.«

»Es befindet sich in Privatbesitz…«

»Nicht mehr.«

»Ihr könnt doch nicht einfach…«

»Doch, ich kann. Das Gebäude gehört dir. Sonst noch etwas?«

Anakin blickte in den dunkler werdenden Abend hinaus. Erste Sterne leuchteten durchs Zwielicht. Über den Türmen des Jedi-Tempels zeigte sich eine vertraute Konstellation.

»Na schön«, sagte Anakin leise. »Corellia. Ich nehme Corellia.«

»Den Planeten, oder das ganze System?«

Anakin starrte.

»Anakin?«

»Ich…« Er schüttelte verwirrt den Kopf. »Mir ist nicht klar, ob Ihr scherzt oder vollkommen übergeschnappt seid.«

»Weder noch, Anakin. Ich versuche, dir eine fundamentale Wahrheit unserer Beziehung zu verdeutlichen. Eine fundamentale Wahrheit über dich selbst.«

»Was wäre, wenn ich das corellianische System wirklich für mich wollte? Die Fünf Brüder, sie alle?«

»Dann würdest du sie bekommen. Du könntest den ganzen Sektor haben, wenn du wolltest.« Der doppelte Glanz in den Schatten wurde härter. »Verstehst du jetzt? Ich gebe dir alles, was du willst.«

Die Vorstellung bescherte Anakin neuen Schwindel. »Was wäre, wenn… wenn ich Padmé und ihren Freunden zustimmen würde? Was wäre, wenn ich mir ein Ende des Krieges wünschte?«

»Wäre morgen früh genug?«

»Wie…« Anakin war plötzlich außer Atem. »Wie wollt Ihr so etwas bewerkstelligen?«

»Derzeit sprechen wir nur übers Was. Das Wie ist eine ganz andere Sache; dazu kommen wir gleich.«

Anakin sank tiefer in den Sessel, während er alles auf sich einwirken ließ. Wenn nur endlich das Schwindelgefühl aufhören würde… Warum musste Palpatine jetzt mit all dem beginnen?

Ohne die in seinem Kopf heulenden Albträume von Padmé wäre dies sicher leichter zu verstehen gegeben.

»Und die Gegenleistung?«, fragte Anakin schließlich. »Was müsste ich tun?«

»Du musst tun, was du tun möchtest.«

»Was ich möchte?«

»Ja, Anakin. Ja. Genau das. Und nur das. Mach das eine, was die Jedi am meisten fürchten: Triff deine eigenen Entscheidungen. Folge deinem Gewissen. Tu das, was du für richtig hältst. Ich weiß, dass du dich nach einem Leben gesehnt hast, das größer ist als das eines Jedi. Widme dich diesem Leben. Ich weiß, dass du größere Macht anstrebst, als irgendein Jedi jemals hatte. Erlaube dir, diese Macht zu gewinnen, und erlaube dir, sie zu nutzen. Du hast davon geträumt, den Jedi-Orden zu verlassen und eine Familie zu haben – eine Familie, die auf Liebe basiert, nicht auf irgendwelchen strengen Regeln der Selbstverleugnung.«

»Ich… kann nicht… ich kann den Orden… nicht verlassen…«

»Doch, du kannst.«

Anakin stockte der Atem.

Er blinzelte nicht mehr.

Er saß wie erstarrt. Selbst seine Gedanken waren zum Stillstand gekommen.

»Du kannst dir jeden deiner Träume erfüllen. Wende dich von den Lügen der Jedi ab und folge deiner eigenen Wahrheit. Verlass den Orden. Begleite mich auf dem Weg der wahren Macht. Sei mein Freund, Anakin. Lerne von mir. Sei mein Schüler.«

Die Dunkelheit rückte näher.

Anakins Blickfeld wurde wieder zu einem Tunnel, und diesmal gab es kein Licht am fernen Ende. Er hob eine zitternde Hand zum Gesicht.

»Es tut mir Leid«, sagte er. »Es tut mir Leid, aber… so sehr ich jene Dinge auch möchte… so sehr mir an Eurer Freundschaft liegt, Sir… ich kann nicht. Ich kann einfach nicht. Noch nicht. Denn derzeit gibt es nur eine Sache, die ich wirklich möchte. Alles andere muss warten.«

»Ich weiß, was du wirklich möchtest«, sagte der Schatten. »Ich habe nur darauf gewartet, dass du es dir selbst eingestehst.« Eine Hand – eine menschliche Hand, mit der Wärme von Anteilnahme – legte sich ihm auf die Schulter. »So höre dies: Ich kann dir dabei helfen, sie zu retten.«

»Ihr…«

Anakin blinzelte blind.

»Wie könnt Ihr helfen?«

»Erinnerst du dich an die Legende, die ich dir erzählt habe, die Tragödie von Darth Plagueis dem Weisen?«, flüsterte der Schatten.

Die Legende…

konnte er direkten Einfluss auf die Midi-Chlorianer nehmen und Leben erschaffen. Mit einem derartigen Wissen scheint es leicht zu sein, das Leben in einem bereits lebendigen Organismus zu erhalten…

»Ja«, sagte Anakin. »Ja, ich erinnere mich.«

Der Schatten beugte sich so nahe, dass er die ganze Welt zu füllen schien.

»Es ist nicht nur eine Legende, Anakin.«

Anakin schluckte.

»Darth Plagueis hat wirklich gelebt.«

»Wirklich?«, brachte Anakin mühsam hervor, und seine Stimme war dabei kaum mehr als ein Flüstern.

»Darth Plagueis war mein Meister. Er hat mir den Zugang zu seiner Macht vermittelt«, sagte der Schatten ruhig. »Bevor ich ihn tötete.«

Ohne zu wissen, wie er sich bewegt hatte, ohne die Absicht, sich zu bewegen, ohne den Übergang von dämmernder Erkenntnis, fand sich Anakin auf den Beinen. Eine blaue schlanke Säule aus summender Energie endete einen Zentimeter vor Palpatines Kinn. Ihr Glühen schuf neue Schattenmuster im Gesicht des Kanzlers und an der Decke.

Allmählich begriff Anakin, dass das Glühen von seinem Lichtschwert stammte, und dass er es in der Hand hielt.

»Ihr«, sagte er. Plötzlich war ihm nicht mehr schwindelig, und er fühlte auch keine Müdigkeit mehr.

Auf einmal ergab alles einen Sinn.

»Ihr seid es. Ihr seid es die ganze Zeit über gewesen!«

Im klaren blauen Licht seines Schwerts blickte er ins Gesicht jenes Mannes, dessen Züge ihm so vertraut waren wie seine eigenen, das jetzt aber so fremdartig erschien wie ein extragalaktischer Komet. Denn jetzt wusste er, dass die vertrauten Züge nur eine Maske darstellten.

Das wahre Gesicht dieses Mannes hatte er nie gesehen.

»Ich sollte Euch töten«, sagte er. »Ich werde Euch töten!«

Palpatine bedachte ihn mit dem weisen, freundlichen, onkelhaften Lächeln, das Anakin kannte, seit er neun Jahre alt war. »Warum?«

»Ihr seid ein Sith-Lord!«

»Ja«, bestätigte Palpatine schlicht. »Außerdem bin ich dein Freund.«

Die blaue Energieklinge zitterte ein wenig.

»Ich bin auch der Mann, der immer für dich da gewesen ist. Ich bin der Mann, denn du nie belügen musstest. Ich bin der Mann, der nur von dir möchte, dass du deinem Gewissen folgst. Wenn dein Gewissen von dir verlangt, einen Mord zu begehen, nur weil es… gewisse philosophische Differenzen gibt… so werde ich mich nicht widersetzen.«

Palpatine öffnete die Hände. »Anakin, als ich sagte, dass du alles haben kannst, was du willst… Glaubst du, ich habe mein Leben dabei ausgeklammert?«

Der Boden unter Anakins Füßen schien weich zu werden. Dunkelheit umwogte ihn, und Verwirrung kam aus der Schwärze. »Ihr… Ihr wollte nicht einmal kämpfen…

»Gegen dich?« Im blauen Glühen des Lichtschwerts, das von Palpatines Kinn aufwärts Schatten projizierte, wirkte der Kanzler verblüfft von einer solchen Vorstellung. »Wie könnte ich, Anakin?«

»Ihr… Ihr… aber Ihr seid ein Sith…«

»Ja. Und was geschieht, wenn du mich tötest? Was passiert dann mit der Republik?« Palpatine sprach im Tonfall der Vernunft. »Was passiert dann mit Padmé?«

»Padmé…«

Ihr Name war ein schmerzerfülltes Keuchen.

»Wenn ich sterbe, nehme ich mein Wissen mit in den Tod«, sagte Palpatine wie jemand, der einem Kind etwas erklärte, das es eigentlich wissen sollte.

Die summende Klinge zitterte.

»Es sei denn, ich bekomme Gelegenheit, es meinen… Schüler zu lehren…«

Das Bild vor Anakins Augen verschwamm.

»Ich…« Ein Flüstern aus nacktem Schmerz und Verzweiflung. »Ich weiß nicht, was ich tun soll…«

Palpatine sah ihn an, so liebevoll und sanft wie immer, obwohl ihn nur wenige Zentimeter vom Lichtschwert trennten.

Und wenn dieses Gesicht doch keine Maske war? Wenn das wahre Gesicht des Sith so aussah wie dies: ein Mann, der sich immer um ihn gekümmert und ihm geholfen hatte, der sein treuer Freund gewesen war, als er geglaubt hatte, keine anderen Freunde zu haben.

Was dann?

»Anakin«, sagte Palpatine, »lass uns miteinander reden.«

 

Die vier Leibwächterdroiden schwärmten halbkreisförmig zwischen Obi-Wan und Grievous aus und hoben ihre Energiestäbe. Obi-Wan wahrte eine respektvolle Distanz. Er hatte noch immer einige blaue Flecken, die von solchen Stäben stammten, und er wollte ihnen keine weiteren hinzufügen.

»Hiermit seid Ihr verhaftetet, General Grievous«, sagte er.

Der Biodroiden-General näherte sich und schritt, ohne zu zögern, an seinen Leibwächtern vorbei. »Kenobi. Sagt es nicht, lasst mich raten: Dies ist der Teil, bei dem Ihr mir die Chance bietet, mich zu ergeben.«

»Vielleicht«, erwiderte Obi-Wan gelassen. »Wenn Ihr möchtet, kann es auch der Teil sein, bei dem ich Euer Ektoskelett demontiere und euch in einem Frachtspringer nach Coruscant bringe.«

»Ich nehme Option drei.« Grievous hob die Hand, und seine Leibwächter umringten Obi-Wan. »Das ist die, bei der ich beobachte, wie Ihr sterbt.«

Ein weiterer Wink, und die Droiden an der Decke erwachten.

Mit dem Kopf nach unten lösten sie sich aus ihren Sockeln, begleitet von einem lauter werdenden Chor aus summenden, surrenden und klickenden Geräuschen, die immer lauter wurden, bis Obi-Wan fast das Gefühl hatte, in eine Kolonie corellianischer Raubwespen gestolpert zu sein. Die Droiden fielen von der Decke herab, erst nur einige wenige, dann immer mehr, wie die ersten Tropfen eines sommerlichen Wolkenbruchs. Innerhalb kurzer Zeit wurde ein Platzregen daraus, der den von Stein eingefassten Durastahl erbeben ließ und in Obi-Wans Ohren donnerte. Hunderte von Droiden landeten, rollten sich ab und standen auf. Ebenso viele blieben an der hohen Decke verankert und richteten ihre Waffen auf den Jedi-Meister.

Obi-Wan blieb die ganze Zeit über ruhig stehen.

»Tut mir Leid, vielleicht habe ich mich nicht klar ausgedrückt«, sagte er. »Es gibt keine Option drei.«

Grievous schüttelte den Kopf. »Werdet Ihr dieser armseligen Neckereien nie müde?«

»Ich ermüde kaum«, erwiderte Obi-Wan. »Und ich sehe keine bessere Möglichkeit, mir die Zeit zu vertreiben, während ich darauf warte, dass Ihr Euch entweder für die Aufgabe oder den Tod entscheidet.«

»Diese Entscheidung wurde getroffen, noch bevor wir uns hier begegnet sind.« Grievous wandte sich ab. »Tötet ihn.«

Von einem Augenblick zum anderen wirbelten knisternde Energiestäbe durch die Luft, zu schnell, als dass ihnen ein menschliches Auge folgen konnte. Doch sie trafen keinen Jedi, sondern nur leere Luft.

Die Macht hatte Obi-Wan zusammenbrechen lassen, als hätte er plötzlich das Bewusstsein verloren. Dann brachte sie das Lichtschwert vom Gürtel in seine Hand und aktivierte es, während sie seinen Fall in eine Rolle verwandelte. Durch die Rolle beschrieb das Lichtschwert einen Bogen und trennte so einem Leibwächter das Bein ab. Als die Macht Obi-Wan wieder auf die Füße setzte, gab sie dem lädierten Leibwächter gleichzeitig einen Stoß, der ihn zur Seite in die Klinge stürzen ließ.

Einer erledigt.

Die drei anderen setzten den Angriff fort, aber etwas vorsichtiger. Ihre Energiestäbe waren länger als Obi-Wans Lichtschwert, und sie schlugen damit aus sicherer Distanz zu. Er wich vor ihnen zurück, und seine hin und her huschende Klinge hielt die knisternden Entladungen von ihm fern.

Drei MagnaWächter, jeder von ihnen mit einer Waffe ausgestattet, die an beiden Enden ein für Lichtschwerter undurchdringliches Energiefeld erzeugte. Und alle drei verfügten über lichtschnelle Reflexe und hyperkomplexe heuristische Kampfalgorithmen, die es ihnen erlaubten, aus Erfahrung zu lernen und ihre Taktik an jede Situation anzupassen – solche Widersacher konnte Obi-Wan nicht besiegen. Aber es war auch gar nicht Obi-Wan, der sie besiegen würde. Es war nicht Obi-Wan, der gegen sie kämpfte. Er war nur eine Hülle ohne Selbst. Die Macht, von seinem Geschick geformt und von der Klarheit seines Geistes gelenkt, kämpfte durch ihn.

In der Macht fühlte er die Zerstörung der MagnaWächter: Sie war irgendwo über und hinter ihm, und nur wenige Sekunden entfernt.

Mit einer Rückwärtsrolle durch die Luft sprang er ihr entgegen und ließ sich von der Macht zu einem leeren Droidensockel in der Decke emportragen. Die MagnaWächter setzten ihm nach, aber er war schon weg, als sie die Stelle erreichten, sprang höher hinauf in das Durcheinander aus Trägern, Kabeln und zimmergroßen Containern, aus denen der Oberbau des Kontrollzentrums bestand.

Hier, sagte die Macht in seinem Innern, und Obi-Wan verharrte, balancierte auf einem Träger und blickte mit gerunzelter Stirn auf die Killerdroiden hinab, die wie boshafte Durastahlprimaten von Balken zu Balken sprangen. Zwar spürte er sie, aber er wusste nicht, woher die Zerstörung der MagnaWächter kommen würde… bis ihm die Macht einen Träger in Reichweite seines Lichtschwerts zeigte und Jetzt flüsterte.

Die Klinge flackerte und durchtrennte den Träger. Die Schnittkanten glühten weiß, und ein schiffsgroßer Frachtcontainer, den der Träger gestützt hatte, löste sich aus seinem Haltegerüst. Überlastetes Metall knirschte und kreischte, und der Container schmetterte mit der fatalen Endgültigkeit eines Meteoriteneinschlags auf die drei MagnaWächter herab.

Zwei, drei und vier.

Oh, dachte Obi-Wan mit distanzierter Anerkennung. Das hatte gut funktioniert.

Nur noch zehntausend weitere Gegner. Mehr oder weniger.

Einen Augenblick später warf ihn die Macht durch einen Sturm aus Blasterstrahlen, als alle Kampfdroiden im Kontrollzentrum das Feuer auf ihn eröffneten.

Obi-Wan ließ Absicht, Wunsch und Leben los, konzentrierte seine ganze Aufmerksamkeit auf einen Faden der Macht, der ihn zu Grievous zog: nicht dort, wo Grievous war, sondern dorthin, wo Grievous sein würde, wenn er ihn erreichte…

Er sprang von Träger zu Träger, zerschnitt Kabel und schwang sich an ihnen durch Schwärme aus reflektierenden Partikelstrahlen. Sein Lichtschwert huschte so schnell hin und her, dass es zu einem Deflektorschild wurde, der Blasterstrahlen in alle Richtungen schickte. Seine Präsenz allein wurde zu einer Waffe: Als er durch den Oberbau des Kontrollzentrums sauste, zerstörten die Strahlblitze aus den Partikelkanonen der Kampfdroiden Geräte und Träger, schufen dadurch einen Regen aus rot glühenden Trümmern, die zu Boden stürzten und überall Droiden unter sich begruben. Als Obi-Wan erneut sprang und katzenfüßig auf dem Deck landete, war fast die Hälfte der Droiden zwischen ihm und Grievous durch das Feuer aus den eigenen Reihen zerstört.

Er schnitt sich einen Weg durch das Gewimmel der übrigen Droiden, so mühelos, als wäre es nur Röhricht in der Nähe eines sonnenbeschienenen Strands. Qualmende Droidenteile blieben hinter ihm zurück.

»Feuert weiterhin!«, rief Grievous den Spinnendroiden zu, die ihn flankierten. »Schickt ihn zur Hölle!«

Obi-Wan spürte, wie die große Schulterkanone eines Spinnendroiden auf ihn anlegte, und er fühlte, wie sie einen hochenergetischen Blitz abfeuerte, so destruktiv wie eine Protonengranate. Er ließ sich von der Macht leiten und vollführte einen Sprung, der ihn gerade weit genug aus dem unmittelbaren Wirkungsbereich der Entladung brachte, dass der Strahl ihm nicht die Knochen zerfetzte, sondern ihm nur einen sehr starken und sehr heißen Stoß versetzte…

Der ihn über die restlichen Droiden hinwegbrachte und direkt vor Grievous landen ließ.

Ein Hieb mit dem Lichtschwert amputierte die Schulterkanone eines Kampfdroiden, und es folgte ein von der Macht verstärkter Tritt ans Duraniumkinn eines zweiten Kampfdroiden, der dessen Kopf heftig genug zurückwarf, um die Sensorkabel im Hals zu zerreißen. Blind und taub konnte der Droide nur noch seinem letzten Befehl gehorchen. Er drehte sich um die eigene Achse und feuerte mit seiner Kanone Löcher in andere Droiden und in Wände, bis Obi-Wan ihn mit einem gezielten Stoß deaktivierte, der ein daumengroßes Loch in seinem im Brustkasten sitzenden Gehirn schuf.

»General…«, sagte Obi-Wan mit einem kühlen höflichen Lächeln, wie bei der unerwarteten Begegnung mit jemandem, den er nicht mochte. »Mein Angebot gilt noch.«

Die Droiden im Kontrollzentrum schossen jetzt nicht mehr. Obi-Wan stand so dicht bei Grievous, dass sie riskiert hätten, den General zu treffen.

Grievous warf gebieterisch seinen Umhang zurück. »Glaubt Ihr etwa, dass ich mich Euch ergebe?«

»Ich bin noch immer bereit, Euch lebend gefangen zu nehmen.« Obi-Wans Nicken galt den vielen Trümmern, die überall verstreut lagen. »Bisher ist kein lebendes Wesen zu Schaden gekommen.«

Grievous neigte den Kopf und blickte ins Gesicht des Jedi-Meisters hinab. »Ich habe tausende von Droiden. Ihr könnt nicht mit ihnen allen fertig werden.«

»Das muss ich auch nicht.«

»Dies ist Eure Chance, Euch zu ergeben, General Kenobi.« Mit einer Duraniumhand deutete Grievous zur Schlundlochstadt hinter ihm. »Ich habe Pau City in meinem Griff. Wenn Ihr Euer Lichtschwert nicht fallen lasst, drücke ich zu… bis dieses Schlundloch vor unschuldigem Blut überquillt.«

»Es ist kein Blut, das hier herabkommt«, sagte Obi-Wan. »Ihr solltet besser auf das Wetter achten.«

Die gelben Augen hinter der Panzerplastmaske wurden zu Schlitzen. »Was?«

»Seht nach draußen.« Obi-Wan deutete mit dem Lichtschwert zum Tor. »Ein Klon-Regen beginnt.«

»Was?«, fragte Grievous erneut und drehte sich um.

Ein Schatten war über die Sonne geglitten, als hätte eine der dunklen Gewitterwolken am Horizont einen speziellen Luftstrom in den Hyperwinden gefunden, der sie über Pau City trug. Aber es war keine Wolke.

Es war die Vigilance.

Während Zwielicht das Schlundloch umhüllte, flogen Angriffsschiffe über die Dünen der hellen Wüste und bildeten einen Ring, der sich immer enger um die Stadt schloss. Hailfire-Droiden rollten aus Höhlen im sturmumtosten Tafelland und schickten den sich nähernden Schiffen Raketenschwärme entgegen. Jeder von ihnen feuerte genau zwei Komma fünf Sekunden lang – so lange brauchten die Sensortechniker der Vigilance, um die Daten an die Turbolaserbatterien weiterzugeben.

Energieblitze donnerten durch die Atmosphäre und desintegrierten die Hailfire-Droiden. Gezieltes Abwehrfeuer aus den Geschützturmblasen der LAAT/i-Einheiten verwandelte Raketen in Feuerbälle, die zu Rauchfetzen zerstoben, als angreifende Schiffe hindurchrasten.

LAAT/i-Einheiten flogen über den Rand des Schlundlochs hinweg, sanken spiralförmig in die Tiefe und feuerten mit allen Bordkanonen – ihre Piloten manövrierten sie so, dass die Bugbatterien auf die Wände des Schlundlochs gerichtet blieben. Am Rand über ihnen schwebten gepanzerte Landeschiffe der Jadthu-Klasse mit offenen Luken, aus denen Polyplastkabel wie unendlich lange schneeweiße Troddeln bis zu den Meereszugängen in der untersten Stadtetage hinabreichten. Ein endloser Strom gepanzerter Klonsoldaten seilte sich an diesen Kabeln so schnell ab, dass sie zu fallen schienen, und sie schossen bereits auf die Kampfdroiden, die ihnen entgegenkamen.

Mehrere Polyplastkabel endeten auf dem Außenbalkon des Kommandozentrums, und in weiße Rüstungen gekleidete Klonkrieger rutschten an ihnen herab; jeder von ihnen hatte eine Hand an der Kabelbremse und in der anderen ein auf Automatik geschaltetes DC-15-Blastergewehr, das unablässig Partikelstrahlen spuckte. Droiden rollten umher, fielen, sprangen in die Luft und explodierten. Andere Droiden eröffneten das Feuer auf die Klonsoldaten, wie froh darüber, auf etwas schießen zu können. Ihre Strahlen durchschlugen Rüstungen, bohrten sich in lebende Körper, rissen Soldaten von den Kabeln und ließen sie zehn Etagen weiter unten zu Tode stürzen.

Als die Überlebenden der ersten Angriffswelle das Deck erreichten, kam die nächste direkt hinter ihnen.

Grievous wandte sich wieder Obi-Wan zu. Wie ein zorniger Bantha senkte er den Kopf und richtete den Blick der gelben Augen auf den Jedi-Meister. »Auf Leben und Tod.«

Obi-Wan seufzte. »Wenn Ihr darauf besteht…«

Der Biodroiden-General streifte den Umhang ab, und zum Vorschein kamen die vier Lichtschwerter an seinem Gürtel. Er trat zurück und breitete die Duraniumarme aus. »Ihr seid nicht der erste Jedi, den ich töte, und Ihr werdet auch nicht der letzte sein.«

Obi-Wans Antwort bestand darin, dass er sein Lichtschwert ein wenig hob und nach vorn neigte.

Die weit ausgebreiteten Arme des Generals teilten sich in zwei Hälften, und das galt auch für die Hände…

Er hatte jetzt wer Arme. Und vier Hände.

Und jede Hand nahm ein Lichtschwert vom Trophäengürtel.

Sie erwachten zu fauchendem Leben, und Grievous bewegte die vier Arme so schnell und perfekt aufeinander abgestimmt, dass er in einer pulsierenden Kugel aus blaugrüner Energie zu stehen schien.

»Kommt, Kenobi!«, sagte er. »Greift mich an! Lord Tyranus hat mich in allen Kampfarten der Jedi unterwiesen!«

»Meint Ihr Graf Dooku? Welch ein sonderbarer Zufall«, sagte Obi-Wan mit einem täuschend freundlichen Lächeln. »Ich habe den Mann ausgebildet, der ihn getötet hat.«

Grievous knurrte und sprang vor.

Die Kugel aus blauer Lichtschwertenergie wölbte sich Obi-Wan entgegen und klappte wie ein Rachen auf, der ihn zerreißen wollte. Obi-Wan blieb stehen, seine Klinge still und unbewegt.

Blitzende Zähne schlossen sich um ihn.

 

So fühlt sich Anakin Skywalker derzeit:

Er erinnert sich nicht daran, das Lichtschwert weggesteckt zu haben.

Er erinnert sich nicht daran, Palpatines privates Büro verlassen und das große Büro betreten zu haben. Er erinnert sich nicht daran, in den Sessel gesunken zu sein, in dem er jetzt sitzt, und er erinnert sich auch nicht daran, Wasser aus dem halb leeren Glas getrunken zu haben, das er in seiner mechanischen Hand hält.

Er erinnert sich nur an dies: Der letzte Mann in der Galaxis, von dem er geglaubt hat, dass er ihm vertrauen kann, hat ihn seit ihrer ersten Begegnung angelogen.

Und Anakin ist deshalb nicht einmal zornig.

Nur wie betäubt.

»Du bist der Letzte, der sich darüber ärgern sollte, dass jemand etwas geheim hält, Anakin. Was hätte ich sonst tun sollen?«

Palpatine sitzt in dem vertrauten großen, ovalen Sessel hinter dem vertrauten Schreibtisch. Die Lampenscheiben sind eingeschaltet, und das Büro ist gespenstisch hell.

Alles wirkt normal.

Als wäre dies nur ein weiteres freundliches Gespräch, eine der gemütlichen abendlichen Plaudereien, an denen sie all die Jahre solchen Gefallen gefunden haben.

Als wäre nichts geschehen.

Als hätte sich überhaupt nichts geändert.

»Korruption hat die Republik zu einem Krebsgeschwür in der Galaxis gemacht, und niemand konnte etwas gegen sie unternehmen: die Richter ebenso wenig wie der Senat oder der Jedi-Orden. Ich bin der einzige Mann, der für diese Aufgabe stark genug ist. Ich bin der Einzige, der auch nur versucht, die Korruption zu beenden. Wie hätte ich ohne diese kleine Täuschung erfolgreich sein sollen? Wenn ich so dumm gewesen wäre, mich dir oder jemand anders zu erkennen zu geben, hätten mich die Jedi gejagt und ohne ein Verfahren getötet. Du hättest das fast getan, vor wenigen Momenten.«

Er kann nicht widersprechen. Ihm fehlen die Worte.

Palpatine steht auf, geht um seinen Schreibtisch herum, nimmt einen der kleinen Stühle und stellt ihn neben Anakins Sessel.

»Wenn du wüsstest, wie sehr ich mir gewünscht habe, dir alles zu sagen, Anakin. Die vielen Jahre. Seit dem Tag, an dem wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Ich habe über dich gewacht und gewartet, während du an Kraft und Weisheit gewonnen hast. Die ganze Zeit über habe ich gewartet, bis heute – heute kannst du verstehen, wer du wirklich bist und welcher Platz dir in der Geschichte der Galaxis gebührt.«

Taube Worte kommen von tauben Lippen. »Der Auserwählte…«

»Genau, mein Junge. Genau. Du bist der Auserwählte.« Er beugt sich näher, die Augen klar, der Blick ruhig und ehrlich. »Von mir auserwählt.«

Mit einer Hand deutet er zu den vielen Lichtern der Stadtlandschaft jenseits des Fensters. »Sieh nur, Anakin. Milliarden von Wesen allein auf diesem Planeten, und zahllose Billiarden in der Galaxis… Und von ihnen allen habe ich dich gewählt, Anakin Skywalker, als Erben meiner Macht. Für all das, was ich bin.«

»Aber das… das ist nicht die Prophezeiung. Das ist nicht die Prophezeiung des Auserwählten…«

»Siehst du darin ein Problem? Ist es nicht deine Bestimmung, über Prophezeiungen hinauszuwachsen?« Palpatine beugte sich näher und lächelte, warm und freundlich. »Anakin, glaubst du, die Sith hätten nichts von dieser Prophezeiung gewusst? Glaubst du, wir würden einfach schlafen, während sie sich erfüllt?«

»Ihr meint…«

»Du musst Folgendes verstehen. Die Ergebenheit der Jedi dem Schicksal gegenüber… Das ist nicht die Art der Sith. Es ist nicht meine Art, und auch nicht deine. Das war es nie. Man muss das Schicksal nicht einfach hinnehmen.«

Er ertrinkt.

»Ich bin nicht…«, hört er sich selbst sagen, »… auf Eurer Seite. Ich bin nicht böse.«

»Wer hat etwas von böse gesagt? Ich bringe der Galaxis Frieden. Ist das böse? Ich biete dir die Macht, Padmé zu retten. Ist das böse? Habe ich dich angegriffen? Dich mit Drogen manipuliert? Dich gefoltert? Ich richte eine Bitte an dich, mein Junge. Ich bitte dich, das Richtige zu tun. Wende dich vom Verrat ab. Von all jenen, die der Republik schaden. Ich bitte dich, genau das zu tun, was du geschworen hast: der Galaxis Frieden und Gerechtigkeit zu bringen. Und natürlich Padmé zu retten. Du hast auch geschworen, sie zu schützen…«

»Ich… aber… ich…« Es reihen sich keine Worte für die notwendigen Antworten aneinander. Wenn doch nur Obi-Wan hier wäre… Er wüsste, was zu sagen und zu tun ist.

Obi-Wan könnte hiermit fertig werden.

Anakin kann es nicht.

»Ich… ich übergebe Euch dem Jedi-Rat. Er wird wissen, was es zu tun gilt…«

»Das weiß er bestimmt. Er schickt sich bereits an, die Republik zu übernehmen – du würdest ihm genau den Vorwand geben, den er braucht. Und wenn die Jedi kommen, um mich zu töten… Ist das Gerechtigkeit? Bringen sie Frieden?«

»Sie werden nicht… sie würden nicht…«

»Nun, ich hoffe natürlich, dass du Recht hast, Anakin. Bitte verzeih mir, aber ich sehe mich außerstande, deine blinde Loyalität dem Rat gegenüber zu teilen. Und ich schätze, darauf läuft es letztendlich hinaus, auf eine Frage der Loyalität«, sagte Palpatine nachdenklich. »Das musst du dich fragen, mein Junge. Ob deine Loyalität bei den Jedi oder bei der Republik liegt.«

»Es… So ist das nicht…«

Palpatine hob die Schultern. »Vielleicht nicht. Vielleicht ist es mehr eine Frage, ob dir Obi-Wan mehr bedeutet als deine Frau.«

Er sucht nicht mehr nach Worten.

Es gibt gar keine Worte mehr.

»Lass dir Zeit. Denk darüber nach. Ich bin noch hier, wenn du deine Entscheidung triffst.«

In seinem Kopf gibt es nur Feuer. In seinem Herzen flüstert der Drache, dass alle Dinge sterben.

So fühlt sich Anakin Skywalker, in diesem Augenblick.

 

Obi-Wan Kenobis Lichtschwerttechnik zeichnet sich durch eine zurückhaltende Eleganz aus und vermittelt ein ganz anderes Gefühl als die der anderen großen Schwertkämpfer des Jedi-Ordens. Ihm fehlt Anakin Skywalkers Schwung, sein kühner Elan. Nirgends in ihm steckt die düstere Wildheit von Mace Windu oder Depa Billaba, und es mangelt ihm auch an der stilvollen Eleganz eines Shaak Ti oder Dooku. Nichts an ihm ähnelt dem Wirbelwind der Zerstörung, zu dem Yoda werden kann.

Er ist die personifizierte Einfachheit.

Das ist seine Macht.

Bevor Obi-Wan aufgebrochen war, hatte ihm Mace Windu von seinem Kampf gegen Grievous auf einem Maglev-Zug erzählt – das Duell hatte während des tollkühnen Versuchs des Generals stattgefunden, Palpatine gefangen zu nehmen. Die mit Grievous’ Gehirn verbundenen Computer hatten selbst Maces ungewöhnliche Vaapad-Technik analysiert und es dem General schon nach kurzer Zeit gestattet, damit fertig zu werden.

»Offenbar ist er von Graf Dooku ausgebildet worden«, hatte Mace gesagt. »Ihr müsst also auch mit Makashi rechnen. Die Zahl der Jedi, die er besiegt hat, deutet darauf hin, dass er mit jeder beliebigen Methode angreifen kann. Um ganz ehrlich zu sein, Obi-Wan: Ich glaube, von allen lebenden Jedi habt Ihr die beste Chance, ihn zu besiegen.«

Dieser Hinweis hatte Obi-Wan überrascht und ihn veranlasst Bedenken zu äußern. Immerhin gab es nur eine Kampftechnik, die er beherrschte: Soresu, die einfachste Lichtschwertmethode des Jedi-Ordens. Soresu basierte auf den grundlegenden Reflexionsprinzipien, die alle Padawane lernten und die es ihnen ermöglichten, sich vor Blasterstrahlen zu schützen. Es handelte sich um eine so schlichte und defensive Technik, dass sie fast passiv war.

»Mit Eurer Vaapad-Methode hättet Ihr bestimmt bessere Chancen als ich«, hatte Obi-Wan erwidert. »Oder Yoda mit seiner Beherrschung des Ataro…«

Mace Windu hatte fast gelächelt. »Ich habe das Vaapad geschaffen, um meine Schwäche auszugleichen: Es macht meine eigene Dunkelheit zu einer Waffe des Lichts. Meister Yodas Ataro ist ebenfalls die Antwort auf eine Schwäche: die Beschränkung von Reichweite und Mobilität aufgrund seiner Statur und seines Alters. Aber Ihr? Welche Schwäche gleicht Euer Soresu aus?«

Obi-Wan hatte geblinzelt und eingestanden, dass er noch nie auf diese Weise darüber nachgedacht hatte.

»Das ist typisch für Euch, Meister Kenobi«, hatte der Korun-Meister gesagt und den Kopf geschüttelt. »Ich gelte als großer Schwertkämpfer, weil ich einen tödlichen Stil entwickelt habe. Aber wer ist größer: der Schöpfer einer tödlichen Kampftechnik oder der Meister der klassischen Form?«

»Ich fühle mich sehr davon geschmeichelt, dass Ihr mich für einen Meister haltet, aber…«

»Nicht für einen Meister. Für den Meister«, hatte Mace gesagt. »Seid der, der Ihr seid – dann wird Euch Grievous nie besiegen.«

Und als Obi-Wan jetzt dem Tornado aus destruktiver Energie gegenübersteht, ist er schlicht der, der er ist.

 

Die elektronischen Systeme in Grievous’ mechanischen Armen ermöglichten es jedem einzelnen der vier, in einer Sekunde dreimal zuzuschlagen. Kampfalgorithmen im elektronischen Netzwerk aus peripheren Prozessoren des Biodroiden stimmten die zwölf Schläge pro Sekunde aufeinander ab: Sie kamen aus verschiedenen Richtungen und mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, bildeten einen unvorhersehbaren Rhythmus aus Hieben und Stößen, von denen jeder einzelne Obi-Wan das Leben kosten konnte.

Kein einziger erreichte ihn.

Immerhin war er oft unverletzt durch Hornissenschwärme aus Blasterfeuer gegangen, verteidigt nur von der Macht, die sein Lichtschwert lenkte. Zwölf Schläge pro Sekunde abzuwehren… Das war nur schwer, nicht unmöglich. Seine Klinge spann ein komplexes Netz aus Kanten und Kurven, war nie sehr schnell, aber immer schnell genug. Jede Bewegung des Lichtschwerts parierte drei, vier oder acht Schläge des Generals, und die anderen zischten an ihm vorbei – er wich ihnen um Zentimeter aus, indem er kurz das Gewicht verlagerte oder sich zur Seite neigte.

Grievous knurrte wütend und erhöhte Intensität und Geschwindigkeit seiner Angriffe – sechzehn Schläge pro Sekunde, achtzehn –, bis er schließlich mit zwanzig Schlägen pro Sekunde Obi-Wans Verteidigung überstrapazierte.

Also nutzte Obi-Wan seine Verteidigung für den Angriff.

Eine knappe Drehung der Klinge führte nicht zu einer Parade, sondern brachte sie in Kontakt mit dem Griff eines gegnerischen Lichtschwerts.

Ein Schnitt…

Der Energiestab verschwand, bevor er sich in Obi-Wans Stirn bohren konnte. Die Hälfte des durchtrennten Griffs rutschte über den Boden davon, zusammen mit dem Duraniumdaumen und dem Zeigefinger der Hand, die ihn gehalten hatte.

Grievous zögerte, riss die Augen auf und kniff sie dann wieder zusammen. Er hob die verstümmelte Hand und starrte auf die weiß glühenden Stümpfe, die den nutzlosen Rest eines Lichtschwertgriffs hielten.

Obi-Wan lächelte.

Grievous sprang.

Obi-Wan parierte.

Stücke von Lichtschwertern fielen aufs Durastahldeck.

Grievous starrte auf die Metallreste in seinen Händen hinab, hob den Blick zu Obi-Wans glühender Klinge, sah erneut auf seine Hände und schien sich plötzlich an einen wichtigen Termin zu erinnern, der an einem anderen Ort auf ihn wartete.

Irgendwo.

Obi-Wan trat einen Schritt auf ihn zu, aber ein Stoß der Macht ließ ihn zurückspringen, als ein scharlachroter Energieblitz dort in den Boden kochte, wo er eben noch gestanden hatte. Eine Druckwelle erfasste Obi-Wan, und er nutzte ihr Bewegungsmoment, drehte sich in der Luft und landete aufrecht zwischen zwei Superkampfdroiden, die auf die Flanke einer Klonsoldatengruppe feuerten – bis ihre Einzelteile zu Boden fielen.

Obi-Wan wirbelte herum.

Im Chaos explodierender Droiden und sterbender Soldaten war Grievous nirgends zu sehen.

Obi-Wan winkte den Klonkriegern mit dem Lichtschwert zu. »Der General!«, rief er. »Wohin ist er gelaufen?«

Ein Soldat bewegte den Arm so, als wollte er eine Protonengranate zu dem Tor werfen, durch das Obi-Wan hereingekommen war. Der Jedi blickte in die entsprechende Richtung, und für einen Augenblick sah er draußen im Schatten der Vigilance die Krümmungen von zwei mit Klingen ausgestatteten Ringen – sie waren miteinander verbunden und ergaben ein Rad so groß wie ein Sternjäger, das über den Rand des Schlundlochs rollte.

General Grievous verstand sich gut aufs Weglaufen.

»Diesmal nicht«, brummte Obi-Wan und schnitt sich einen Weg durch das dichte Droidengewirr, bis hin zum Tor. Als er es erreichte, sah er, wie sich das Rad drehte: Es war ein offener Ring mit einem Pilotensitz im Innern, und darin saß Grievous, winkte spöttisch mit einem Energiestab und überließ sein Gefährt der Tiefe. Vier Klauenfüße erschienen, bohrten sich ins Felsgestein und trugen den General an der steilen Wand nach unten.

»Mist.« Obi-Wan sah sich um. Noch immer kein Lufttaxi in Sicht. Nicht dass er sich gewünscht hätte, durch den Sturm des Kampfes zu fliegen, der im Innern des Schlundlochs tobte, aber zu Fuß konnte er Grievous kaum einholen…

Hinter der Ecke eines Tunnels erklang ein hupendes Geräusch. Es hörte sich an, als hätte ein Bantha ein Lufthorn verschluckt.

»Boga?«, fragte Obi-Wan.

Das Schnabelgesicht des Drachenrosses schob sich aus dem Tunnel.

»Boga! Komm her, Mädchen! Wir müssen einen General fangen.«

Boga richtete einen vorwurfsvollen Blick auf ihn und hupte erneut.

»Oh, na schön.« Obi-Wan rollte mit den Augen. »Ich habe mich geirrt, und du hattest Recht. Können wir jetzt bitte aufbrechen?«

Die restlichen fünfzehn Meter des Reptils gerieten in Sicht und trotteten ihm entgegen. Obi-Wan schwang sich in den Sattel, und Boga sprang mit einem Satz zum Rand des Schlundlochs. Sie senkte den großen Kopf und hielt Ausschau, bis Obi-Wan Grievous’ Klingenrad entdeckte, das in Richtung der unteren Landedecks raste.

»Dort, Mädchen – da ist er! Also los!«

Boga spannte die Muskeln und sprang zum Rand der nächsten Etage, zögerte dort kurz, um sich zu orientieren, und sprang erneut durch den Feuersturm, zu dem Pau City geworden war. Obi-Wan wehrte mit seinem Lichtschwert rechts und links von Bogas Rücken Trümmerteile ab und reflektierte Blasterstrahlen. Sie fielen durch die Schlundlochstadt, und mit jedem Sprung kamen sie Grievous näher.

Auf einem Landedeck öffnete sich das Schutzdach und gab den Blick frei auf einen kleinen, ultraschnellen gepanzerten Shuttle von dem Typ, wie ihn die immerzu nervösen neimoidianischen Führungskräfte der Handelsföderation benutzten. Weiße Funken sprühten von Grievous’ Rad, als es über das Landedeck schlitterte. Der Biodroiden-General bremste sein Gefährt ab, und geschmolzener Durastahl spritzte auf den Shuttle, als es schließlich zum Stehen kam.

Doch bevor Grievous den Pilotensitz verlassen konnte, landeten mehrere Tonnen Drachenross auf dem Shuttle und fauchten auf ihn herab.

»Ich hoffe, Ihr habt noch ein anderes Schiff, General!« Obi-Wan deutete mit dem Lichtschwert auf die beiden Triebwerksmodule im Heck des Shuttles. »Ich fürchte, das Sublichttriebwerk ist beschädigt…«

»Ihr habt den Verstand verloren! Es gibt keine Schäden am…«

Obi-Wan zuckte mit den Schultern. »Zeig es ihm, Boga.«

Das Drachenross wies pflichtbewusst auf die Schäden hin, indem es zweimal mit dem natürlichen Streitkolben des Schwanzes zuschlug: Wamm machte es, dann noch einmal, wamm! Die beiden Triebwerkszylinder verwandelten sich in Ansammlungen aus zerfetztem Metall.

Obi-Wan winkte. »Bringen wir dies ein für alle Mal hinter uns, einverstanden?«

Grievous’ Antwort bestand aus dem Kreischen überlasteter Gyros, die das Rad aufrichteten, und aus dem Kreischen von Metall auf Metall, als sich Klingen in Decksplatten bohrten. Das Gefährt des Generals sauste zur Schlundlochwand, und Klauenfüße zogen es daran empor.

Obi-Wan seufzte. »Von dort kommen wir doch.«

Boga duckte sich und sprang zur Wand. Die Jagd begann erneut.

Sie rasten durch die Schlacht, kletterten Wände empor, sausten durch Tunnel, rutschten und sprangen, sprinteten dort, wo keine Hindernisse den Weg versperrten, schlitterten durch serpentinenartige Kurven, wo der Weg nicht frei war, wirbelten um Droidengruppen herum und setzten über Klonsoldaten hinweg. Boga lief an der Seite eines Hoverpanzers der Klontruppen empor und sprang von seinem Geschützturm direkt zwischen die hohen Räder eines Hailfire-Droiden. Obi-Wan schlug mit seinem Lichtschwert zu, und der außer Gefecht gesetzte Droide blieb hinter ihnen zurück. Einheimische Truppen griffen in den Kampf ein: Utapaunische Drachenreiter, bewaffnet mit glühenden Energielanzen, stürmten durch breite Korridore und spießten rechts und links Droiden auf. Grievous rollte einfach über alles hinweg, das vor ihm erschien. Die Klingen seines Rades zerschnitten Droiden, Klonsoldaten und Drachenrösser. Hinter ihm reflektierte Obi-Wans Lichtschwert Blasterstrahlen und lenkte sie zu den Droiden zurück, die so unvorsichtig waren, auf ihn zu schießen. Einige Strahlblitze schleuderte er zum Rad des Generals, ohne eine sichtbare Wirkung zu erzielen.

»Na schön«, brummte er. »Versuchen wir es aus der Nähe.«

Boga holte immer weiter auf. Allein in Hinsicht auf die Geschwindigkeit war Grievous’ Gefährt im Vorteil, aber Boga konnte Kurven besser nehmen als das Rad und in verblüffenden Winkeln springen. Darüber hinaus hatte das Drachenross einen geradezu unheimlichen Instinkt dafür, wohin der General unterwegs war, und hinzu kam ein sehr detailliertes Wissen in Hinsicht auf nützliche Abkürzungen durch Seitentunnel, an steilen Wänden entlang und über Schluchten voller deaktivierter Windturbinen hinweg. Grievous versuchte einmal, seinen Verfolger aufzuhalten, indem er sein Rad auf ein großes Aggregat mit mehreren Windturbinen steuerte, mit dem Energiestab zuschlug und die Bremsen der Schaufelräder löste, so dass sie sich im beständigen Wind rasend schnell drehten. Doch Obi-Wan brachte Boga nur neben die Turbinen und schob die Klinge des Lichtschwerts in die rotierenden Schaufeln. Karbokeramikteile schossen durch die Luft und prasselten überall aufs Gestein. Grievous fluchte und setzte sein Gefährt wieder in Bewegung.

Das Rad donnerte in einen Tunnel, der offenbar direkt ins Felsgestein des Plateaus führte und in dem es von Bodenwagen, Drachenrössern, Rädern und anderen Arten von Fahrzeugen wimmelte. Hinzu kamen zahlreiche Tiere, auf ihnen Utapauner und Utai, die vor der Schlacht flohen. Grievous raste einfach in das Durcheinander hinein, und sein Klingenrad pflügte durch Bodenwagen, verspritzte das Blut zerfetzter Reptilien. Boga lief über dem Verkehr an der Wand entlang, galoppierte manchmal sogar an der Decke – ihre Klauenfüße lösten Felsbrocken aus ihr.

Mit einem letzten Sprint, der aus Bogas hupenden Geräuschen ein angestrengtes Schnaufen machten, gelangte das Drachenross schließlich neben Grievous. Obi-Wan beugte sich zur Seite und konnte mit dem Lichtschwert gerade den Rand des Fahrzeugs erreichen. Ein Schnitt löste mehrere Klingen, und dadurch geriet das Rad aus dem Gleichgewicht – es rutschte und ruckelte. Grievous reagierte, indem er mit seinem Energiestab zu einem Schlag ausholte, der Funken über Bogas ungeschützten Hals stieben ließ. Das große Tier zuckte zur Seite, schrie voller Furcht und schüttelte den Kopf, als wäre die Brandwunde ein beißendes Geschöpf, das abgeschüttelt werden konnte.

»Noch ein Sprung, Boga!«, rief Obi-Wan und presste sich an die Schulter des Drachenrosses. »Bring mich zu ihm!«

Das Drachenross kam seiner Aufforderung ohne zu zögern nach, und als Grievous erneut zuschlug, griff Obi-Wan mit der freien Hand zu und packte den Stab unter der Entladungsklinge, hielt ihn von Bogas Hals fern. Grievous zerrte an dem Stab und riss Obi-Wan fast aus dem Sattel, stieß den Stab dann in die andere Richtung, dem Gesicht des Jedi entgegen…

Obi-Wan seufzte und begriff, dass er beide Hände brauchte.

Er ließ sein Lichtschwert fallen.

Als der deaktivierte Griff hinter Obi-Wan über den Boden des Tunnels klackte, dachte er an Anakin, der glücklicherweise nicht zugegen war und deshalb keinen spöttischen Kommentar abgeben konnte.

Er schloss die andere Hand um den Stab, als Grievous das Rad zur Seite riss und auf einen Seitentunnel weiter vorn zuhielt. Obi-Wan hielt grimmig fest. Durch die Macht fühlte er Bogas Erschöpfung; anaerobe Abfallprodukte sammelten sich in den Muskeln des Drachenrosses und ließen es schnell ermüden. Vorn kam Tageslicht durch ein offenes Tor. Boga schaffte die Kurve, und Seite an Seite rasten sie durch den Tunnel, während der Funken spuckende Energiestab sie miteinander verband.

Als sie das Tor passierten und ein kleines, verborgenes Landedeck tief in einem privaten Schlundloch erreichten, sprang Obi-Wan aus dem Sattel, hielt sich weiterhin am Stab fest, drehte sich und rammte beide Stiefel an Grievous Duraniumkopf. Die internen Gyros des Rades heulten, als es zu einer plötzlichen Verschiebung des Schwerpunkts kam. Aus dem Heulen wurde ein Kreischen, Rauch stieg auf, und Metallfragmente spritzten davon, als die Stabilisatoren versagten.

Obi-Wan ließ den Stab los und sprang erneut. Die Macht hob ihn über den Bereich des Absturzes.

Grievous’ elektronische Reflexe katapultierten ihn in der entgegengesetzten Richtung aus dem Pilotensessel.

Das Rad sauste über den Rand des Landedecks und fiel in die dunkle Tiefe des Schlundlochs. Es zog Rauch hinter sich her, bis zum fernen, letzten und fatalen Aufprall.

Der Energiestab rollte fort und blieb am Landegestell eines kleinen Sternjägers der Techno-Union liegen, der einige Meter hinter Obi-Wan auf dem Landedeck stand. Hinter Grievous füllte ein keuchendes, erschöpftes, aber immer noch gefährlich zorniges Drachenross die Tunnelöffnung.

Obi-Wan sah Grievous an.

Grievous sah Obi-Wan an.

Worte zwischen ihnen waren nicht mehr nötig.

Obi-Wan stand einfach da, ruhte in der Macht und wartete auf Grievous’ Angriff.

Ein verborgenes Fach im rechten Oberschenkel des Generals öffnete sich, ein mechanischer Arm holte einen kleinen Blaster hervor und übergab ihn der Hand, die ihn so schnell hob, dass die Bewegung nur schemenhaft zu erkennen war.

Der Blaster entlud sich mit einem Fauchen.

Obi-Wan… griff zu.

Der Energiestab sprang in die Luft zwischen ihnen, und der Blasterblitz traf eine Entladungsklinge, wirbelte den Stab fort…

… direkt in Obi-Wans Hand.

Es folgte eine kurze Pause, in der sie sich gegenseitig in die Augen sahen und beide begriffen, dass ihre Beziehung hier zu Ende ging.

Obi-Wan griff an.

Grievous wich zurück und schoss mit dem Blaster, so schnell sein Zeigefinger den Auslöser betätigen konnte.

Obi-Wan drehte den Stab, fing jeden einzelnen Blitz ab und wurde nicht einmal langsamer. Als er Grievous erreichte, schlug er ihm mit dem Energiestab den Blaster aus der Hand – die Entladung schickte blaues Feuer über den Arm des Generals.

Anschließend rammte Obi-Wan den Stab gegen Grievous’ Bauchpanzer, mit solcher Wucht, dass der General zurücktaumelte. Der Jedi-Meister setzte sofort nach, traf die gleiche Stelle noch einmal. Eine Beule bildete sich im Panzerplast, und Risse entstanden an der Verbindungsstelle mit dem Brustpanzer, während Grievous mit den Armen ruderte und versuchte, das Gleichgewicht zu wahren. Als Obi-Wan erneut ausholte, blockierte ein Arm des Generals den Stab, und die andere Hand ergriff ihn und zog, bis nur noch wenige Zentimeter Grievous’ metallenes Totenkopfgesicht von der Nase des Jedi trennten.

»Haltet Ihr mich etwa für so dumm, meine Leibwächter mit Waffen auszustatten, die mir gefährlich werden können?«, knurrte er.

Er wartete keine Antwort ab, drehte sich, hob Obi-Wan mühelos vom Deck, warf ihn über seinen Kopf hinweg und schmetterte ihn auf der anderen Seite zu Boden. Es blieb Obi-Wan nichts anderes übrig, als den Stab loszulassen, und mithilfe der Macht verwandelte er den Sturz in eine Rolle. Grievous sprang ihm hinterher, schwang den Energiestab und rammte ihn Obi-Wan in die Seite, bevor dieser das Gleichgewicht wieder fand. Der Hieb ließ ihn zur Seite taumeln, und eine Entladung setzte seinen Umhang in Brand. Grievous blieb dicht bei ihm, nutzte seinen Vorteil und setzte die Angriffe so schnell fort, dass Obi-Wan keinen klaren Gedanken fassen konnte…

Aber der Jedi-Meister brauchte auch gar nicht zu denken. Die Macht war bei ihm, und das wusste er.

Als Grievous erneut mit dem Energiestab ausholte und die Entladungsklinge zum tödlichen Stoß auf Obi-Wans Kopf richtete, sprang der Jedi nach vorn.

Brust an Brust stand er vor dem General, die hoch erhobene Hand um den Unterarm seines Gegners geschlossen. Grievous knurrte wortlos, stemmte Obi-Wans Hand sein ganzes Gewicht entgegen und brachte die Klinge näher und näher an das Gesicht des Jedi heran…

Aber die Kraft in Obi-Wans Arm stammte von der Macht, und der Arm des Generals hatte nur die kristalline intermolekulare Struktur von Duraniumlegierung.

Grievous’ Unterarm bog sich wie ein billiger Löffel.

Während der General fassungslos auf seinen verbogenen Arm starrte, schob Obi-Wan die Finger seiner freien Hand hinter den unteren Rand von Grievous’ verbeulter und gelockerter Bauchplatte.

Grievous sah nach unten. »Was?«

Obi-Wan stieß den Ellenbogen des blockierenden Arms gegen das Schlüsselbein des Generals, zog an der Bauchplatte und spürte, wie sie sich löste. Dahinter hing ein durchsichtiger Beutel aus Synthohaut mit einem Knäuel voll grüner und grauer Organe.

Die Überreste des biologischen Körpers im Innern des Droiden.

Grievous heulte, ließ den Stab los und packte Obi-Wan mit seinen drei verbliebenen Armen. Wieder hob er den Jedi-Meister über den Kopf und warf ihn übers Landedeck hinweg auf den düsteren Abgrund zu. Obi-Wan griff in die Macht, und es gelang ihm, sich so mit dem Gestein zu verbinden, als wäre er darin verankert. Er fiel nicht über den Rand in die Tiefe, sondern prallte mit solcher Wucht auf die Felsen, dass ihm die Luft aus den Lungen gepresst wurde.

Grievous nahm den Energiestab und griff erneut an.

Obi-Wan konnte noch immer nicht atmen. Es gab keine Möglichkeit für ihn, den Angriff des Generals abzuwehren.

Er konnte nur die Hand ausstrecken.

Als der Biodroide vor ihm aufragte, den Energiestab gehoben, um ihn zu töten, flog der kleine Blaster durch die Luft und in Obi-Wans Hand. Der Jedi-Meister handelte sofort, ohne einen bewussten Gedanken, ohne ein kurzes Zögern, um den Sieg zu genießen – er betätigte den Auslöser.

Der Strahlblitz traf den Synthohautsack.

Grievous’ Organe platzten auseinander, in einem stinkenden Regen, der die Farbe eines alten Sumpfs hatte. Energiefäden krochen über sein Rückgrat, und der Dampf vaporisierter Hirnmasse zischte aus beiden Seiten des Kopfes. Die Totenkopfmaske brach ab, fiel über den Rand des Landedecks.

Der Energiestab klapperte auf den Boden, kurz darauf gefolgt von den Knien des Generals.

Und dann vom Rest des Kopfes.

Obi-Wan lag auf dem Rücken und blickte zum wolkenlosen Himmel über dem Schlundloch auf, während er versuchte, seine Lungen wieder mit Luft zu füllen. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich weit genug auf die Seite zu drehen, um die Flammen an seinem Umgang zu ersticken. Dann sank er wieder zurück.

Und freute sich einfach darüber, am Leben zu sein.

Viel zu kurze Zeit später – lange bevor er wirklich bereit war aufzustehen – fiel ein Schatten auf ihn, begleitet vom Geruch einer überhitzten Echse und einem mahnenden Hupen.

»Ja, Boga, du hast Recht«, pflichtete Obi-Wan dem Drachenross widerstrebend bei. Langsam und unter Schmerzen kam er auf die Beine.

Er nahm den Energiestab und warf einen letzten Blick auf die Reste des Biodroiden-Generals.

»Wie…« Er suchte in seinem Vokabular nach einem möglichst starken Wort der Missbilligung. »… unzivilisiert.«

Er aktivierte sein Komlink und wies Cody an, dem Jedi-Kommando auf Coruscant zu berichten, dass Grievous tot war.

»Ausgezeichnet, General«, sagte das kleine Holobild des Klonkommandeurs. »Und herzlichen Glückwunsch. Ich wusste, dass Ihr es schaffen würdet.«

Offenbar wussten es alle, dachte Obi-Wan. Außer Grievous und mir…

»General? Wir haben hier draußen noch immer ein kleines Problem. Etwa zehntausend schwer bewaffnete kleine Probleme, um ganz genau zu sein.«

»Ich bin unterwegs. Kenobi Ende.«

Obi-Wan seufzte und kletterte mühsam in den Sattel des Drachenrosses.

»Na schön, Mädchen«, sagte er. »Lass uns auch jene Schlacht gewinnen.«

 

Es wurde bereits darauf hingewiesen: Das Paradebeispiel für eine Jedi-Falle ist die, die man auf Utapau für Obi-Wan Kenobi vorbereitet hat.

Sie hat perfekt funktioniert.

Das letzte Element für die Schaffung einer wirklich effektiven Jedi-Falle ist eine gewisse Kühle, so etwas wie distanzierte Gleichgültigkeit gegenüber dem Ausgang.

Die beste Möglichkeit besteht darin, ein Szenario zu entwickeln, bei dem man nur gewinnen kann.

Zum Beispiel könnte man als Bevollmächtigten jemanden wählen, der nicht nur entbehrlich ist, sondern den man ohnehin töten will. Wenn diese Person versagt und stirbt, so erleidet man keinen Verlust. Der Jedi, dem die Falle gilt, hat einem dann eigentlich einen Gefallen erwiesen, indem er die schmutzige Arbeit erledigte, um die man sich andernfalls selbst hätte kümmern müssen.

Und der letzte Geniestreich der Perfektion besteht darin, die Jedi-Falle so aufzubauen, dass der Jedi bereits verloren hat, wenn er hineingeht.

Anders ausgedrückt: Eine Jedi-Falle funktioniert am besten, wenn ihr wahres Ziel darin besteht, ihn einige Stunden oder Tage irgendwo auf der anderen Seite der Galaxis beschäftigt zu halten – damit er keinen Einfluss auf die wahren Pläne nehmen kann.

Damit es bei seiner Rückkehr bereits zu spät ist.