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Aus schweren Augenlidern sah Herkus in der Hotelsuite zu, wie sein Boss von der Glasplatte des Schreibtischs eine weitere Line zog.

»Willst du auch was?«, fragte Arturas.

Herkus ließ sich in seinem Sessel zurücksinken, die Lider fielen ihm zu. »Nein, ich hatte schon welches. Lass mich mal ein paar Minuten meine Augen ausruhen.«

Arturas trat ihm gegen den Fuß, und er fuhr hoch.

»Schlafen kannst du, sobald du diese Hure ausfindig gemacht hast.« Rastlos lief Arturas im Zimmer auf und ab. »Ich habe auch nicht geschlafen. Und beklage ich mich etwa?«

Herkus richtete sich im Sessel auf. »Natürlich hast du nicht geschlafen. Mit dem Zeug, was du da geschnupft hast, könnte man eine ganze Armee wach halten. Du weißt, dass du …«

»Du solltest lieber nicht vergessen, wer dich bezahlt«, unterbrach ihn Arturas und hob drohend den Zeigefinger.

Herkus überlegte, ob er widersprechen sollte, aber in seinem benebelten Hirn schien es ihm zu viel der Mühe. Stattdessen hob er beschwichtigend die Hände.

»Gib mir doch was«, sagte er und stand auf.

Arturas schob eine Line zusammen, und Herkus beugte sich über den Schreibtisch. Mit einem Schlag fegte der Stoff ihm den Nebel aus dem Hirn. Er hinterließ ein kaltes Gefühl in seiner Kehle. Herkus hustete.

Er kannte die Anzeichen von Abhängigkeit: wenn man andere ermunterte, bei den eigenen Lastern mitzumachen. Er hätte sich nicht darauf einlassen sollen, aber den ganzen Tag zermürbte ihn nun schon diese Müdigkeit.

Arturas lächelte.

Herkus wusste selbst nicht, warum, aber trotzdem richtete er sich auf und lächelte zurück.

»Ich vermisse Tomas nicht«, sagte Arturas.

Herkus wusste nicht, was er darauf antworten sollte. »Ach nein?«, fragte er.

»Ich glaube …«

»Was glaubst du?«

»Ich glaube, ich bin froh, dass er weg ist«, sagte Arturas. Seine Augen schossen hin und her wie Insekten, die in einem Glas gefangen waren.

»Das meinst du nicht ernst«, sagte Herkus.

»Ich glaube doch. Tomas war … ein Problem.«

Herkus trat einen Schritt zurück. »Na ja, langweilig war es mit ihm jedenfalls nie.«

Arturas schnaubte verächtlich. »Er lag wie eine Kette um meinen Hals, er hat mich regelrecht erdrosselt.«

»Geht es dir gut, Boss?«, fragte Herkus.

»Nein«, sagte Arturas. »Mein Bruder ist tot. Was glaubst du wohl, wie es mir geht?«

»Du hast doch gesagt …«

»Halt den Mund!« Arturas presste die Handballen gegen die Schläfen. »Ich war nicht bei Sinnen. Vergiss, was ich gesagt habe.«

Herkus zuckte die Achseln. »Von mir aus.«

»Gut. Und jetzt verschwinde hier und tu, was ich von dir verlangt habe. Komm mir nicht unter die Augen, solange du nicht diese Hure gefunden hast.«

»Na schön«, sagte Herkus. »Aber lass die Finger von dem Zeug da. Ruh dich mal aus.«

»Verschwinde einfach«, sagte Arturas.

Herkus streckte sich, ging zur Tür und verließ das Zimmer, ohne sich von Arturas zu verabschieden. Auf dem Weg zum Lift rieb er sich die Augen.

Lange Zeit war Arturas ein guter Chef und Herkus dankbar für die Arbeit gewesen. Aber in letzter Zeit, seit ungefähr einem Jahr, wurden die Risse immer sichtbarer. Hatte sich der Zustand seines Bosses seit dem Moment verschlechtert, wo er seine Geschäfte nach Belfast ausgedehnt hatte? Herkus kam es so vor. Irgendetwas an diesem Ort, das Graue, Regnerische, der Hass, ging einem derart unter die Haut, dass man sogar die Luft hasste, die man atmete.

Am Lift drückte er den Abwärtspfeil und wartete.

Was konnte er jetzt tun? Eigentlich nur darauf warten, dass Gordie Maxwell anrief und ein paar Informationen hatte. Bis dahin würde er runter zum Wagen gehen und schlafen. Er betrat den Lift und drückte den Knopf fürs Erdgeschoss. Die Türen glitten zu. Herkus lehnte sich an den Spiegel und ließ seine Gedanken schweifen.

Gerade als ihm die Augen zufielen, klingelte sein Telefon.

Racheengel
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