Nachdem der Schneider ihr den wunderbaren Stoff vorgeführt hatte, brachte ein paar Tage später ein Bote das neue Kleid. Es war noch schöner, als Angelina es sich vorgestellt hatte. Das Überkleid war aus der feinen, dunkelroten, goldbestickten Seide, die Überärmel bauschten sich weit, und dazu wurden ein weißseidenes Hemd und ein Unterkleid aus eierschalfarbenem Atlas geliefert. Angelina zog sich auf ihr Zimmer zurück und ließ sich von Sonia bei der Schnürung des Mieders helfen. Sie stellte sich vor den Spiegel, der von silbernen Blumenornamenten umrankt war. Ihre Wangen waren vor Aufregung gerötet. Der Ausschnitt zeigte den Ansatz ihres sanft gerundeten Busens.
»Meinst du nicht, dass der Ausschnitt …«, sagte Angelina, zu Sonia gewandt.
»Ach was, liebe Herrin, jetzt ziert Euch nicht so. Das tragen doch alle Frauen unter ihren züchtigen schwarzen Mänteln!« Sie ging zum Schrank mit den Schnitzereien, holte einen cremefarbenen Seidenschal heraus und verknotete ihn leicht um Angelinas Hals.
»Seht, wie gut Euch das kleidet!«, meinte die Magd zufrieden. »So könnt Ihr auch Euren Eltern unter die Augen treten.«
»Hol mir noch das perlenbestickte Haarnetz«, bat Angelina. Als Sonia es kunstvoll in ihrem Haar befestigt hatte, geleitete die Dienerin sie hinunter in das Arbeitszimmer ihres Vaters, in dem ihre Eltern angeregt plaudernd beieinandersaßen. Beide schauten Angelina mit großen Augen entgegen.
»Angelina, du bist schön, als wenn es deine Hochzeit wäre!«, rief Signora Girondo aus. »Das Kleid steht dir ausgezeichnet«, fügte sie hinzu, als sie die heruntergezogenen Mundwinkel ihrer Tochter bemerkte.
|46|»Aber wie willst du damit an den Fanciulli vorbeikommen?«, fragte Signor Girondo augenzwinkernd.
Angelina drehte sich übermütig im Kreis und rief: »Ich ziehe meinen schwarzen Mantel darüber, den mit der Kapuze, und niemand wird wissen, wie ich darunter ausschaue!«
»Wann gehst du wieder zu Francesco?«, wollte ihre Mutter wissen.
»Heute Nachmittag, gleich nach dem Essen«, entgegnete Angelina.
»Nimm Sonia mit«, mahnte Signora Girondo. »Und sorge dafür, dass sie sich ebenfalls schicklich anzieht.«
»Ihr könnt Euch auf mich verlassen, Frau Mutter.«
Beim Mittagessen wartete Angelina ungeduldig auf die Glockenschläge der nahegelegenen Klosterkirche. Endlich schlug sie zwei Mal, gefolgt vom Dröhnen der Glocken des Doms und der anderen Kirchen. Gleich nach der Nachspeise brach sie mit Sonia auf. Draußen schien die Sonne, und die Menschen machten heute ausnahmsweise einmal fröhlichere Gesichter. Sie liefen durch die belebten Gassen zur Via Nuova. Francesco erwartete sie schon.
»Sonia, Lucas Bandocci, der Gemüsehändler lässt dir ausrichten, er habe heute besonders gute und frische Ware bekommen. Ob du dir die mal ansehen möchtest?«
Mit einem beklemmenden Gefühl im Magen dachte Angelina an das, was ihr die Eltern vor einigen Tagen eingeschärft hatten. Aber angesichts der strahlenden Gesichter von Francesco und Sonia verging diese Anwandlung schnell wieder, und sie folgte Francesco in die Werkstatt. Der Meister, Sandro Botticelli, war ebenfalls anwesend und gab seinen Gesellen Anweisungen. Er trug nicht mehr die kostbaren Gewänder, in denen ihn Angelina einmal als Kind gesehen hatte, in der Zeit, als die Medici in Florenz noch das Sagen hatten. Botticelli warf einen kurzen Blick auf die Ankömmlinge, dann wandte er sich wieder seinen Gehilfen zu.
»Die ›Kreuzigung Christi‹ übernehme ich ab jetzt allein«, sagte er mit seiner tiefen, angenehmen Stimme. »Du, Remigio, kannst mir bei der Illustration von Dantes ›Göttlicher Komödie‹ zur Seite |47|stehen. Ihr anderen fertigt die bekannten Porträts für die Schlafzimmer der reichen Florentiner.« Er zwinkerte Francesco zu. »Willst du Signorina Girondo mit Mantel und Kapuze malen? Da kommen ihr schönes Gesicht und ihre Figur aber nicht so richtig zur Geltung.«
»Mein Meister«, antwortete Francesco, »ich würde sie liebend gern in einem anderen Gewand malen, wenn du es gestattest. Sie hat sich ein Kleid von Tomasio Venduti anfertigen lassen, genau zugeschnitten auf dieses Porträt.«
»Es wird schon recht sein«, gab Botticelli zurück. »Hört einmal her.« Er wandte sich an alle. »In den nächsten Tagen muss ich nach Rom, ich brauche andere Luft, und vielleicht lässt sich das eine oder andere Werk verkaufen. Auch nach Goldfarben will ich schauen, nirgends gibt es leuchtendere als in der Ewigen Stadt. Ich überlasse euch die Werkstatt, schaut zu, dass ihr die Aufträge vor meiner Rückkehr fertig bekommt!«
»Wir werden uns beeilen, so gut wir können«, sagte einer der Gesellen.
»Das würde ich dir auch raten, Sebastiano di Torre!«, gab Botticelli zurück und drohte ihm scherzhaft mit dem Zeigefinger.
»Ich wünsche dir eine gute Reise, Meister«, fiel Francesco ein. Nachdem Botticelli noch einige der halbfertigen Porträts inspiziert hatte, die alle ein ähnliches Frauengesicht aufwiesen, verließ er mit schweren Schritten die Werkstatt und stampfte die Treppe hinauf in seine Wohnung. Francesco nahm Angelina am Arm und führte sie in die Ecke nahe beim Fenster, wo die Leinwand mit dem angefangenen Porträt stand.
»Warum haben Botticellis Frauen alle ein ähnliches Gesicht?«, fragte sie. Francesco lachte.
»Es gibt Gerüchte, nach denen Botticellis Muse Simonetta Vespucci war, die junge Frau eines der Nachbarn der Botticellis.«
»Ja, ich habe von ihr gehört«, meinte Angelina.
»Sie war eine gefeierte Schönheit und Mittelpunkt der Florentiner Gesellschaft. Es wurde gemunkelt, dass Botticelli sie ohne Kleider |48|gemalt habe und dass sie Vorbild der ›Venus‹, der Nymphe im ›Frühling‹ und vieler anderer Frauengesichter gewesen sei … und noch ist. Als sie starb, folgten dem Trauerzug die Reichen und Mächtigen der Stadt, Künstler und Gelehrte, die Medici, Orsini und Vespucci.«
»Hat Botticelli nie geheiratet?«
»Nein. Ich glaube, dann hätte sich sein Talent auch nicht so entfalten können. Aber jetzt wollen wir zur Tat schreiten. Legt doch Euren Mantel ab, Angelina.«
Sie zog den Mantel von ihren Schultern und hängte ihn über einen Stuhl.
»Bella, bellissima!«, rief er aus und schlug die Hände zusammen. Sie holte tief Luft und setzte sich auf den Sessel, in dem er letztes Mal begonnen hatte, sie zu malen. Francesco holte seine Palette und die Pinsel und stellte sie auf ein Pult.
»Neigt Euren Kopf ein wenig mehr nach links«, sagte er, »damit der Ton der Haare besser zur Geltung kommt. Und nehmt doch diesen Schal weg, der verbirgt zu viel von Euch.«
Angelina glaubte nicht richtig gehört zu haben. Sie sollte ihren Ausschnitt entblößen und ihn den vielen Augen preisgeben, die später das Bild betrachten würden?
»Ich möchte ihn anbehalten«, beharrte sie.
»Angelina, alle Frauen lassen sich heute so malen, unabhängig davon, was Savonarola dazu sagt. Man muss das Bild ja nicht gerade öffentlich aushängen.«
»Wenn Ihr meint …«, sagte Angelina zaghaft. Sie löste den Schal und hängte ihn neben den Mantel.
»Ja, so sieht es schon viel besser aus.«
Angelina sah wieder diesen Glanz in seinen Augen. Francesco tauchte wieder und wieder den Pinsel in die Farben und warf sie zügig auf die Leinwand. Zwischendurch hielt er inne, kniff ein Auge zusammen, als messe er den Abstand zwischen ihnen beiden.
»Ihr könntet das Kleid ein wenig über die Schulter herunterziehen«, sagte er in einem Ton, als sei es das Selbstverständlichste der |49|Welt. Angelina fühlte sich wie mit Blut übergossen. Wenn das ihre Eltern wüssten!
»Nein, das kann ich nicht. Bei aller Geneigtheit für Euch, Francesco, aber das geht zu weit!«
Francesco streckte die Hände vor, wie um sie zu beruhigen.
»Macht Euch keine Sorgen. Ich brauche ziemlich viel von Euch, um die Proportionen richtig zu gestalten. Michelangelo und Leonardo studieren Körper, um die idealen Proportionen zu finden. Wenn es Euch peinlich ist, kann ich ja am Ende den Schal darüber malen.«
»Das wäre mir recht«, antwortete Angelina. »Meine Eltern sind sowieso nicht so gut auf Euch zu sprechen.« Das war ihr herausgerutscht, und sie hätte sich auf die Zunge beißen mögen.
»Was befürchten Eure Eltern?«, kam es mit einem etwas spöttischen Lächeln von Francesco.
»Sie meinen, ich hätte mich in Euch verguckt, aber sie würden Euch nicht …«
»Habt Ihr das denn?« Sein Gesichtsausdruck war jetzt belustigt. Die Hitze schoss Angelina ins Gesicht. Wie konnte sie sich nur so bloßstellen! Eine Tür klappte. Angelina hatte gar nicht gemerkt, dass die anderen Gesellen den Raum verlassen hatten. Ihr wurde immer heißer. Die Glocke des Doms schlug fünf Mal. Die Zeit war wie im Flug vergangen, sie würde zu spät nach Hause kommen.
»Eure Eltern brauchen sich keine Sorgen zu machen«, bemerkte Francesco in trockenem Ton. Was sollte das nun wieder heißen? Fand er keinen Gefallen an ihr? War sie für ihn nur ein Modell, mit dem er sein Geld verdiente?
»Ich muss nach Hause«, sagte sie nachdrücklich, stand abrupt auf, nahm ihren Mantel und ging zur Tür, ohne sich zu verabschieden. Er legte seinen Pinsel weg, kam ihr nach und rief:
»Angelina, bleibt doch noch einen Augenblick! So möchte ich nicht von Euch scheiden!«
Angelina schloss verärgert die Tür hinter sich. Frische Luft strömte in ihre Lungen. Die Sonne kämpfte sich durch einen blassen Dunst. |50|Normalerweise liebte Angelina den Geruch nach Farben und nach Terpentin; heute war ihr fast übel davon geworden. Sie überquerte die Gasse und trat bei Lucas Bandocci ein. Es waren keine Kunden im Geschäft. Hinter einer geschlossenen Tür hörte sie ein Kichern. Angelina betrachtete die Ware, die Bandocci auf flachen Regalen ausgebreitet hatte. Es war noch zu früh im Jahr für frisches Obst und Gemüse, aber neben den Säcken mit Linsen, Weizen und Kichererbsen gab es ganze Lagen mit frischem Spargel, der teuer gehandelt wurde. Sie räusperte sich. Gleich darauf erschienen Bandocci und Sonia mit roten, vergnügten Gesichtern.
»Guten Tag, Signorina Girondo«, sagte der Gemüsehändler mit einer Verbeugung. »So schnell fertig mit der Malersitzung?«
»Ich hatte heute nicht so viel Zeit«, meinte Angelina ausweichend. »Komm, Sonia, wir müssen gehen.«
Bandocci blickte Angelina besorgt ins Gesicht.
»Etwas stimmt doch nicht mit Euch«, sagte er und strich sich über den kleinen, gepflegten Bart. Etwas brach in Angelina auf. Sie musste mit jemandem darüber sprechen, und Lucas Bandocci mit seinen freundlichen Augen hatte ihr von Anfang an Vertrauen eingeflößt.
»Ja, es bedrückt mich etwas. Es bedrücken mich sogar einige Dinge über alle Maßen. Auf unserem Landgut ist ein Mord geschehen und alle tun so, als wenn nichts gewesen wäre. Gestern hat mich ein Unbekannter auf der Straße bedroht. Ich glaube, dass es etwas mit dem Verbrechen zu tun hat.«
Sonia machte große Augen. »Warum glaubt Ihr das?«, fragte Lucas Bandocci.
»Weil es mein künftiger Ehemann war, der umgebracht wurde. Und jetzt wollen meine Eltern mich mit einem Mann verheiraten, den ich nicht will!« Sonia verzog mitfühlend das Gesicht. Vor ihr brauchte Angelina keine Geheimnisse zu haben, sie war mehr eine Freundin für sie als eine Bedienstete.
»Und Ihr liebt einen anderen?« Bandoccis Augen hoben sich und blickten zur Malerwerkstatt hinüber.
|51|»Und wenn es so wäre?« fuhr es aus Angelina heraus. »Was geht Euch das an! Ich kann es mir sowieso nicht leisten, meinen Gefühlen nachzugeben wie irgendeine dahergelaufene Küchenmagd!«
»Ihr müsst tun, was Euer Herz Euch rät«, meinte Bandocci ungerührt.
»Außerdem mache ich mir Sorgen, weil ich immer wieder Ratten gesehen habe«, stammelte Angelina verlegen. Sie wusste, dass sie die beiden beleidigt hatte.
»Es sind ein paar Pestfälle aufgetreten«, bestätigte Bandocci. »Ich hoffe, dass sich die Krankheit nicht weiter ausbreitet.«
Angelina erbleichte. Hastig verabschiedete sie sich und machte sich auf den Weg nach Hause. Sonia eilte ihr stumm hinterher.
»Dieser Mann, der Euch bedroht hat …«, sagte Sonia endlich, während sie durch die spärlich bevölkerten Gassen liefen.
»Was ist mit ihm?«, fragte Angelina zurück.
»Ich glaube, dass er Euch meint, dass er Euch auch mit dem Mord an Fredi bedrohen, Euch etwas damit sagen wollte.«
»Das denke ich ebenfalls, Sonia. Aber was könnte er mir damit sagen wollen?«
»Es muss ja kein Mann sein. Vielleicht ist es eine Frau, die eifersüchtig auf Euch ist?«
»Ich kann mir niemanden vorstellen, der mir etwas Böses wollen könnte. Ich habe keine Feinde«, beschied Angelina. Sonia schwieg.
Die Signora erwartete Angelina bereits mit dem Abendessen. Die Gesichter der Eltern, die vor ihren Tellern mit Spargel in Eierkuchen saßen, verhießen nichts Gutes. Signora Girondo kniff den Mund zusammen, während der Vater die Brauen runzelte. Rodolfo und Clementina hielten die Köpfe gesenkt, als erwarteten sie Prügel.
»Sonia, du gehst sofort in die Küche«, wies ihre Mutter die Magd an. »Da kannst du dein Essen zusammen mit der Köchin und der zweiten Magd einnehmen.« Sonia schlich betreten hinaus.
»Und jetzt zu dir«, sagte Signora Girondo in strengem Ton. »Warum kommst du erst jetzt nach Hause? Was hat dich aufgehalten? |52|Du warst zu lange bei deinem geliebten Maler, hab ich recht? Was habt ihr getrieben? Und versuch nicht, uns anzulügen!«
Angelina spürte einen Kloß im Hals. Hatte Signor Tomasio mit ihren Eltern gesprochen? Wussten sie von dem Angriff des Fremden? Gab es jemanden, der sie in der Werkstatt mit Francesco beobachtet hatte? Gesehen hatte, dass Sonia bei Lucas Bandocci saß, während sie allein mit dem Maler in der Werkstatt war?
»Ich saß ihm Modell wie an jedem anderen Tag auch, so, wie Ihr es gewollt habt«, hub Angelina an. »Sonia war die ganze Zeit bei mir.«
»Das ist nicht wahr!«, fuhr ihre Mutter auf. »Ich habe sie gesehen, als ich mit deinen Geschwistern zum Fluss ging. Sie stand vor dem Geschäft dieses Gemüsehändlers und scherzte mit ihm.«
»Wollt Ihr jetzt auch noch hinter mir herschnüffeln?«, fragte Angelina in scharfem Ton zurück.
»Angelina, wir müssen einmal ernsthaft mit dir reden«, schaltete sich ihr Vater ein. »Seitdem dieser Malergeselle an deinem Bild arbeitet, hast du dich sehr verändert. Du nimmst nicht mehr teil an den Plänen …«
»Ich will diesen Tomasio nicht heiraten!«, unterbrach Angelina ihn.
»… die wir für dich haben, weist sie sogar zurück. Wir wissen nicht mehr, was wir mit dir machen sollen!«
»Ich weine mir jede Nacht die Augen aus wegen dir«, setzte Signora Girondo hinzu.
»Wir haben beschlossen, dich nicht mehr dorthin gehen zu lassen«, fasste ihr Vater zusammen. »Dieser Mensch wird dich ins Unglück stürzen. Davor wollen wir dich bewahren.«
Angelina glaubte, ihren Ohren nicht trauen zu können.
»Und der Auftrag? Wollt Ihr den zurücknehmen?«
»Ich habe heute Morgen einen Brief an Signor Botticelli geschrieben«, entgegnete Signor Girondo. Angelina sprang auf, warf ihre Serviette auf den Tisch und stürzte hinaus.
»Du bleibst hier!«, rief ihr Vater ihr nach. Doch sie war schon durch die Tür, die Treppe hinuntergelaufen.
|53|»Angelina!«, gellte es ihr hinterher. Sie war draußen, in der Via Dante Alighieri. Ihre Augen schwammen, sie sah die wenigen Menschen, die unterwegs waren, wie durch einen Schleier. Angelina lief bis zum nächsten Platz, auf dem sich vor allem Bettler und Händler herumtrieben.
Sie erstarrte. Aus einer der Gassen kam ein merkwürdiges Rumpeln.
Das hatte sie doch schon einmal gehört. Ein klappriger Wagen näherte sich, von Eseln gezogen. Darauf lag eine unförmige Masse, von schmutzigen Tüchern bedeckt.
»Was ist das für ein Wagen?«, fragte Angelina hastig eine alte Frau, die vorüberging.
»Das ist der schwarze Tod«, antwortete die Frau und verzog ihren Mund zu etwas, das wie ein verzweifeltes Grinsen wirkte. »Ihr solltet nicht mehr draußen herumlaufen, Signorina, sondern nach Hause gehen!«
Angelina stockte fast das Herz. Hörte es denn niemals auf? Warum schickte Gott ihnen so viele Plagen? Waren Savonarola und der Mord an ihrem zukünftigen Gatten nicht schon genug der Prüfung gewesen? Wie sollte sie jetzt zu Francesco gelangen? Brachte sie ihn nicht in Gefahr, wenn sie ihn aufsuchte? Wer weiß, vielleicht trug sie die Krankheit schon mit sich herum!
Angelina wandte sich in Richtung Arno, vielleicht würde die kühlere Luft am Fluss ihre Gedanken reinfegen. Immer wieder begegneten ihr Leichenwagen und Männer mit Pestmasken. Warum hatte sie die vorher nicht gesehen? War sie blind gewesen?
Auf dem Ponte Vecchio hielten sich noch einige Schmuck- und Lederhändler, Metzger und Bäcker auf. Ein kühler Luftzug stieg vom Fluss herauf, die untergehende Sonne spiegelte sich im Wasser, Raben krächzten. Angelina starrte verzweifelt ins Wasser. Was sollte sie nur tun? Wenn sie trotz des Verbotes ihrer Eltern zu Francesco ging, durfte sie nicht mehr nach Hause zurück, würde verstoßen werden, das wusste sie. Sollte sie nach Hause zurückkehren und Francesco nicht mehr sehen, vielleicht nie wieder im Leben?