Kapitel 30

ES WAR EINER dieser an den Nerven zerrenden Nachmittage, an denen man schon mit einer Viertelstunde Verspätung anfängt und dann alles länger dauert, als man gedacht hat. Irgendwann zwischen Mrs Mayhews Brustwirbelsäulenschmerzen und Greg Turners Muskelfaserriss hörte ich Kims Stimme, aber ich hatte keine Zeit, ihr auch nur hallo zu sagen.

Drei Minuten nach fünf verabschiedete ich meinen letzten Patienten und schaltete hastig den Computer im Behandlungszimmer aus. »Amber«, sagte ich am Empfang, »kannst du Ben Frazer anrufen und ihm sagen, dass sein Stützkorsett da ist? Und es vielleicht an der Tankstelle für ihn abgeben – ich muss mich sputen.«

Amber nickte, und Kim griff nach ihrer Schultasche. »Kannst du mich nach Hause fahren?«

»Ja«, erwiderte ich. »Aber ich muss vorher noch in den Supermarkt.«

»Cool. Tschüs, Amber.«

Amber hob eine Schulter, was mit etwas gutem Willen als Abschiedsgruß gewertet werden konnte.

»Was hat sie denn?«, fragte Kim, als sie ins Auto stieg. »Sie benimmt sich sogar für ihre Verhältnisse reichlich seltsam.«

Ich schaltete in den Rückwärtsgang und beschrieb eine rasche Wende. »Sie hat ihr Herz an deinen Freund verloren.«

Kim wand sich wie eine Katze, um es sich bequem zu machen. »Ich schätze, das ist er wirklich«, verkündete sie zufrieden. »Gestern Abend hat er mich seinen Mitbewohnern vorgestellt.«

»Gutes Zeichen«, bemerkte ich.

»Yeah. Hey, Josie?«

»Hm?«

»Weißt du, dass Matt noch beim Melken ist? Du hast genug Zeit, nach Hause zu fahren und dir die Beine zu rasieren, du brauchst nicht zu rasen wie eine Irre.«

»Ich möchte nur Tante Rose nicht zu lange alleine lassen, Miss Naseweis. Das habe ich gestern schon getan – mit bösen Folgen.«

Kim zog die Knie bis zum Kinn hoch und schlang die Arme darum. »Sie ist so schnell so krank geworden«, sagte sie unglücklich. »Genau wie Dad.«

Ich nahm die linke Hand einen Moment lang vom Lenkrad und berührte ihren Arm. »Oh, Kim.«

»Na ja, das Leben ist manchmal scheiße.« Sie rieb sich mit dem Handrücken über die Augen. »Wenigstens seid ihr beide, Matt und du, diesmal hier.«

Roeschen.tif

Wir hasteten durch den Supermarkt. Kim schob den Einkaufswagen, und ich warf Lebensmittel hinein. »Vanillecreme«, befahl sie. »Tante Rose isst sie gern.«

Ich nahm einen Karton und zwei Becher griechischen Joghurt vom Regal, und wir hetzten um die Ecke in die Backwarenabteilung, wo wir frontal mit Bob McIntosh zusammenstießen. Ich konnte es nicht fassen – zwei Begegnungen an einem Nachmittag! An seinem Arm hing ein Korb, der drei Dosen des billigsten Katzenfutters und ein Glas Marmelade enthielt. Er prallte gegen einen Plexiglasschrank und stieß vernehmlich den Atem aus.

»Entschuldigung«, sagte Kim.

Bob warf mir einen anklagenden Blick zu, zog die Schultern hoch und schlurfte wie ein Gollum zur Tiefkühlkost.

»So hart habe ich ihn nun auch wieder nicht getroffen«, knurrte Kim. »Wirklich ein komischer Kauz.«

»Stimmt«, bestätigte ich. Bob musste trotz aller gegenteiligen Beweise gedacht haben, ich würde eines Tages dankbar in seine Arme sinken. Ich hätte es merken und energischer versuchen müssen, ihn zu entmutigen.

Als wir das Tal hochfuhren und die letzten Straßenlaternen von Waimanu hinter uns ließen, bemerkte Kim im Konversationston: »Also warst du doch die ganze Zeit lang in Matt verliebt, du verlogenes Biest.«

»Wenn du nicht zu Fuß gehen willst, solltest du die Fahrerin nicht beleidigen.«

Sie überging diese leere Drohung. »Dein ganzes Gerede – ›hört auf, Leute, er ist einer meiner besten Freunde, und ihr macht alles kaputt‹!« Das wurde in einem piepsigen Blöken hervorgebracht, das, wie ich inständig hoffte, keinerlei Ähnlichkeit mit meiner normalen Stimme hatte. »Josie, du solltest dich schämen.«

»Eines Tages wirst du hoffentlich die innere Größe aufbringen, mir zu verzeihen.«

»Vielleicht«, versetzte Kim hoheitsvoll. »Wahrscheinlich sogar. Kann kein Vergnügen für dich gewesen sein, ihn mit Cilla nach Hause gehen zu sehen.«

Ich schnaubte verächtlich. »Nicht wirklich.«

»Josie?«

»Hm?«

»Mach es ihm nicht so schwer, ja? Er ist nur deshalb noch mit ihr ausgegangen, weil sie ein Riesentheater veranstaltet hätte, wenn er mit ihr Schluss gemacht hätte, und außerdem hat er gedacht, du willst nichts von ihm.«

»Ich weiß. Ist schon okay.«

»Gut«, sagte Kim. »Hey, Josie?«

»Ja?«

»Nimmst du die Pille?«

»Kim!«, protestierte ich.

»Ich will dich nicht über dein Sexleben ausfragen, ich dachte nur …«

»Oh. Nein, im Moment nehme ich sie nicht. Denkst du daran, selbst damit anzufangen?« Ich hoffte, ich klang nicht so bestürzt, wie ich war.

»Na ja … vielleicht.« Sie zog das Band aus ihrem dunklen Zopf und schüttelte heftig den Kopf. »Wird man da wirklich dick von?«

»Nein«, beruhigte ich sie. »Bei den älteren mag das der Fall gewesen sein, aber bei den modernen passiert meistens nichts.«

»Also brauche ich nur in die Apotheke zu gehen?«

»Du gehst zum Arzt. Der misst deinen Blutdruck und erklärt dir alles – was du tun musst, wenn du eine Pille vergessen hast und solche Sachen. Aber die meisten Leute benutzen erst einmal Kondome.«

Kim trommelte missmutig mit den Fingern auf dem Fenster herum. »Ich weiß gar nicht, warum ich überhaupt frage. Er wird sowieso nicht mit mir schlafen.«

»Nein?« Mir wurde mulmig. Ich war mir nicht sicher, ob ich mich für die Rolle von Kims Vertrauter und Ratgeberin in Liebesdingen eignete.

»Er küsst mich noch nicht einmal, bevor ich nicht meine Hausaufgaben gemacht habe.«

Ich versuchte so angestrengt, eine ernste, mitfühlende Miene zu wahren, dass meine Gesichtsmuskeln schmerzten, aber meine Bemühungen waren vergeblich.

»Das ist nicht witzig«, jammerte Kim.

»Ich weiß«, keuchte ich. »Ich hör ja schon auf.«

»Rachel sagt, Jungen wollen das immer. Vielleicht mag er mich ja nicht besonders.«

Ich nahm mich zusammen. Niemand, der bei klarem Verstand war, würde sich mit solchen Dingen an Hazel wenden, Rose war todkrank, und Rachel bezog ihr Wissen aus der Cosmopolitan. Geeignet oder nicht, ich hatte die Rolle. »Natürlich mag er dich. Komm schon, das musst du doch merken.«

»Das dachte ich ja auch, aber …« Sie brach ab und seufzte tief.

»Kimlet, ihr geht doch erst seit einer Woche miteinander aus.«

»Seit zehn Tagen«, berichtigte sie.

»Glaubst du, dass ein Typ, der nach zehn Tagen schon mit dir schlafen will, der Richtige für dich wäre?«, fragte ich.

Kim zuckte die Achseln und schwieg.

»Warum denn die Eile? Was ist falsch daran, eine Weile etwas zusammen zu unternehmen und zu sehen, wie sich die Beziehung entwickelt?«

»Es ist nur – Josie, ich will nicht, dass er mich für ein dummes kleines Mädchen hält und sich eine andere sucht.«

Ah ja, natürlich. So wie es der Letzte getan hatte. »Ich glaube nicht, dass Andy das tun würde, aber wenn er sich doch allein deswegen nach einer anderen umsehen würde, würdest du dich wahrscheinlich noch schlechter fühlen, wenn du mit ihm geschlafen hättest.«

Kim brummte mit gesenktem Blick etwas Unverständliches.

»Wenn er deine Hausaufgaben überwacht, geht er offensichtlich davon aus, dass ihr eine längere Zeit zusammenbleibt«, behauptete ich kühn.

»Wie kommst du denn darauf?«

»Nun, wenn du eine gute Ausbildung vorweisen kannst, hast du die Chance, einen gutbezahlten Job zu ergattern, und er kann die Arbeit dann ganz aufgeben und nur noch auf die Jagd gehen, weil er sich von dir aushalten lässt. Ich bin sicher, er hat sich das alles schon ganz genau überlegt.«

»Josie«, sagte sie langsam, »weißt du, dass du eine ausgemachte Idiotin bist?«

»Dein Bruder weist mich ziemlich oft darauf hin.«

»Er hat recht.«

»Sag ihm das nicht, es könnte ihm zu Kopf steigen.« Wir fuhren die letzte Gerade hoch. Auf der einen Seite lag ein Dickicht aus nassen schwarzen Pappelstämmen, auf der anderen leuchtete das Scheinwerferlicht in Matts Reklameschild für frische Milch. »Kommst du mit zu Tante Rose, oder soll ich dich nach Hause bringen?«

»Zu Tante Rose. Ich werde das Essen machen, während du duschst und dein Schamhaar fönst.«

Ich setzte zu einer Erwiderung an, besann mich aber eines Besseren und hielt den Mund.

»Das habe ich in einer alten Folge von Friends gesehen«, erklärte Kim. »Schien mir eine gute Idee zu sein.«

Roeschen.tif

Mit Einkaufstüten beladen kämpften wir uns zwischen dem Empfangskomitee aus Hunden und Schwein hindurch und traten in die Küche. Tante Rose stand mit einem Stück Käse in der Hand an der Küchenbank, aber sie rieb ihn mit stockenden, ermatteten Bewegungen. Von der forschen, energischen Köchin, die ihren glücklosen Gästen Würstchen mit Pflaumenkompott servierte, war nicht viel geblieben.

»Kindchen.« Sie drehte sich um und lächelte uns an. Percy stand in der offenen Tür und gab ein wehmütiges Grunzen von sich. Sie ging langsam durch den Raum, um ihn zu streicheln. »Armer Junge. Ich habe dich in der letzten Zeit wirklich vernachlässigt. Josephine, wo ist die Schweinegabel?«

Ich wühlte in der mit Stromrechnungen und Bekanntgebungen von Straßensperren wegen der Targa Rallye vollgestopften Obstschale herum und fand die Gabel ganz unten am Boden.

»Danke.« Rose lehnte sich gegen den Türrahmen und befasste sich mit Percys Rücken.

»Was gibt es zum Abendessen?« Ich küsste sie auf die Wange und packte dann die Lebensmittel aus. Es duftete verlockend nach gebratenem Fleisch.

»Dinner. Einen von Andys Wildschweinbraten, und ich dachte, ich mache dieses köstliche Kartoffelgratin mit saurer Sahne und Knoblauch.«

Ich beäugte die Auflaufform auf der Bank misstrauisch. »Was hast du statt saurer Sahne genommen?«

»Joghurt«, erwiderte Tante Rose.

Ich stand einen Moment lang mit einer Tüte Erdnüssen in der einen und einer Dose Spaghetti in der anderen Hand wie erstarrt da. »Wirklich?«

»Würde ich dich anlügen, Josephine?«

»Ist fast genauso gut«, sagte Kim, die lose Teeblätter in die zerbeulte Teedose kippte. »Und gesünder.«

»Aber wir hatten nur Erdbeerjoghurt da.«

»Ich habe etwas Zitronensaft hineingetan, um die Süße abzumildern«, versicherte mir Rose.

Kim und ich sahen uns an und brachen in hysterisches Lachen aus.

Roeschen.tif

»Riecht gut«, sagte Matt, als er kurz vor sieben die Küchentür öffnete. Mein Herz machte einen lächerlichen kleinen Satz, und ich hätte mich am liebsten in seine Arme geworfen, bezwang mich aber und lächelte ihn über einen Topf mit Erbsen hinweg an. Er grinste zurück, als er den Raum durchquerte, um Tante Rose einen Kuss auf die Wange zu drücken.

Sie legte ihm einen Moment lang eine Hand auf die Wange und hielt sie ihm dann hin, damit er ihr aufhelfen konnte. »Es wird auch gut schmecken – im Gegensatz zu dem, was diese schlecht erzogenen jungen Dinger andeuten.«

»Das ist ein bisschen hart«, entgegnete ich. »Willst du den Braten tranchieren, oder sollen wir Matt dazu bringen, das zu übernehmen?«

»Ich mache es«, sagte Kim. »Er hackt nur Klumpen ab. Willst du Josie nicht küssen, Matt?«

»Alles zu seiner Zeit«, versetzte Matt. »Was gibt es zum Dinner?«

»Wildschweinbraten, Knoblauchbrot, Gemüse und Kartoffel-Erbeer-Gratin.«

»Das ist neu«, bemerkte er.

»Es ist eine Schande, dass ihr so wenig experimentierfreudig seid«, sagte Rose bekümmert.

»Das muss ich zurückweisen«, sagte ich. »Ich habe schon geröstete Heuschrecken gegessen.«

»Das ist deine eigene Schuld«, sagte Matt zu seiner Tante. »Jahrelang Muscheln Surprise – das hat Spuren hinterlassen.«

»So viele Überraschungen«, sinnierte ich. »Und fast ausschließlich unangenehme.«

»Bei der mit den ganzen Chilischoten warst du gar nicht da«, sagte er.

»Und bei diesem portugiesischen Fischtopf auch nicht«, fügte Kim hinzu, während sie den Braten höchst professionell aufschnitt. »Dem mit den winzigen lila Tintenfischchen darin. Arme kleine Dinger.«

»Schreiend und strampelnd ihren Müttern entrissen«, spann Matt den Faden kopfschüttelnd weiter.

»Setzt euch«, befahl Rose. »Ihr werdet euer Dinner bis auf den letzten Krümel aufessen und dankbar dafür sein.«

Roeschen.tif

Ich würde Kartoffel-Erdbeer-Gratin nicht unbedingt empfehlen, aber Percy hatte er geschmeckt. Rose saß kerzengerade auf ihrem Stuhl und gab vor, ihr Dinner zu genießen, während der Rest von uns vorgab, nicht zu bemerken, welche Anstrengung es sie kostete. Kim erzählte eine urkomische (und vermutlich von A bis Z frei erfundene) Geschichte von ihrem letzten Zusammenstoß mit ihrem Erdkundelehrer, und Matt und ich konzentrierten uns darauf, uns über den Tisch hinweg anzugrinsen wie zwei Schwachsinnige.

Als wir gerade fertig waren, kam Hazel in die Küche,. »Da seid ihr ja alle«, stellte sie mit kummervoller und leicht verletzter Miene fest. »Bei einer netten kleinen Dinnerparty.« Der flüchtige Beobachter hätte annehmen können, sie hätte gerade eine nahrhafte Mahlzeit für ihre Familie zubereitet, und die hätte sich nicht die Mühe gemacht, ihr mitzuteilen, dass sie auswärts aß. Tatsächlich hatte sie sich nur in der Stadt den Haaransatz nachfärben lassen.

»Percy hat den Kartoffel-Erdbeerauflauf aufgefressen«, sagte Matt. »Aber Schweinebraten ist noch da. Er ist köstlich.«

»Nein, nein«, wehrte Hazel ab. »Macht euch meinetwegen keine Umstände, ich richte mir zu Hause schnell etwas her. Rosie, Liebes, meinst du nicht, du solltest dich etwas hinlegen? Du siehst gar nicht gut aus.«

»Sehr schmeichelhaft«, versetzte Rose trocken.

»Ihr Kinder hättet sie nicht für euch kochen lassen sollen«, fügte Hazel hinzu. »Du erledigst doch wohl nicht auch noch den Abwasch, Rosie?«

»Natürlich nicht, wozu habe ich drei Sklaven?«

»Ich denke, Matthew hat schon genug zu tun, und es wird Zeit, dass du deine Hausaufgaben machst, Kim, mein Schatz.«

»Hab ich schon«, sagte Kim. »In Josies Praxis.«

»Im Vergleich zu einer Unterhaltung mit Amber haben sogar Hausaufgaben ihren Reiz«, bemerkte ich.

Matt schob seinen Stuhl zurück. »Okay. Ich muss noch nach den Kühen sehen, bevor ich schlafen gehe. Soll ich dich nach Hause bringen, Kröte?«

»Ja, bitte«, sagte Kim. »Tante Rose, das war prima. Vielen Dank.«

Ich griff nach dem Feuerholzkorb und begleitete sie nach draußen. Matt streckte eine Hand danach aus, doch ich schüttelte den Kopf. »Ich mach das schon – kümmer du dich um deine Kühe.«

»Macht die Tür zu!«, rief Hazel von drinnen.

Kim knallte sie nicht zu, sondern schloss sie mit einer gewissen entschlossenen Kälte. »Tut mir leid, dir den Abwasch überlassen zu müssen, Josie.«

»Macht nichts.« Ich stellte den Korb ab und reckte mich, um endlich ihren Bruder zu küssen. »Das geht schnell.«

»Dir macht im Moment überhaupt nichts etwas aus. Ich könnte dich in einen Sack stecken und mit einem Knüppel durchprügeln.« Kims Angewohnheit, die Sprüche ihres Bruders zu übernehmen, war irgendwie rührend.

»Stimmt«, gab ich zu, und Matts Arme schlossen sich fester um mich.

»Geh lieber wieder rein und mach dich an den Abwasch, Cinderella.« Er küsste mich auf die Nasenspitze und gab mich dann frei.

»Komm zurück, wenn du nicht zu müde bist.«

»Mache ich.«

»Ihr Turteltäubchen seid ja sooo süß«, flötete Kim.

»Leg mal eine Sendepause ein, Kröte«, befahl er, aber als sie über den Kiesplatz gingen, legte er einen Arm um sie, und sie rieb den Kopf an seiner Schulter wie ein Kätzchen.

Roeschen.tif

»Eine kalbende Kuh?«, fragte ich, als er in die Küche zurückkam. Er war eineinhalb Stunden fort gewesen, und ich hatte während seiner Abwesenheit neue Höhen hausfraulicher Perfektion erklommen. Das Geschirr war gespült, die Meute gefüttert, Feuerholz für eine Woche gehackt, und auf dem Herd köchelte ein Topf Gemüsesuppe mit Schweineknochen für morgen vor sich hin. Spud lag zusammengerollt auf seiner Decke. Seine Pfoten zuckten, als er im Traum Kaninchen jagte.

»Zwei«, erwiderte Matt. »Beides Steißgeburten.« Er hatte einen langen Schmutzstreifen auf einer Wange. Ich trat zu ihm und wischte ihn mit dem Geschirrtuch weg. Er verzog das Gesicht. »Sehr sexy?«

»Es hätte schlimmer kommen können – ich hätte auf ein Taschentuch spucken können.«

Er schlang die Arme um meine Taille. »Wie geht es Tante Rose?«

»Sie schläft«, erwiderte ich. »Oder hat zumindest vor zwanzig Minuten noch geschlafen. Willst du mal nach ihr sehen?«

»Gleich.« Er neigte den Kopf und küsste mich ohne Eile, und ich war nicht sicher, ob ich mich auf den Füßen halten konnte oder gleich wie knochenlos vor ihm zu Boden sinken würde.

»Verdammt«, flüsterte ich, wich zurück und lehnte mich Halt suchend gegen den Tisch.

»Was ist?«

»Es macht mir Angst, solche Gefühle zu entwickeln.«

»Ich weiß«, sagte er, streckte eine Hand aus und strich mit der Seite seines Daumens behutsam über meine Wange. »Ich kann kaum glauben, dass ich dich berühren darf.«

Ich drehte mich um und presste meine Lippen auf seine Hand. In diesem Moment erklang von der anderen Seite der Küche her ein tiefes Knurren, dann bellte Spud heiser auf. »Was ist los, Kumpel?«, fragte ich.

»Vielleicht erregen wir sein Missfallen«, sagte Matt.

Aber Spud sah uns gar nicht an; er starrte unverwandt quer durch die Küche.

»Da muss ein Opossum sein«, entgegnete ich. »Er hat mich vor ein paar Wochen schon halb zu Tode erschreckt, als er mitten in der Nacht geknurrt hat. Ich war kurz davor, dich anzurufen und zu bitten, vorbeizukommen und den Axtmörder zu verjagen.«

»Reizend«, bemerkte er. »Du hattest keine Angst, dass der Axtmörder dann vielleicht mich erwischt?«

»Auf den Gedanken bin ich gar nicht gekommen«, sagte ich. »Das liegt daran, dass du so stark und männlich bist.«

»Mit Schmeichelei kommst du auch nicht weiter.« Matt küsste mich erneut, gab mich frei und ging, um nach seiner Tante zu sehen.

Er blieb nur ein paar Momente weg, und als er in die Küche zurückkam, schloss er die Tür hinter sich. »Schläft noch. Komm her.«

Ich schlang die Arme um ihn, doch als er beide Hände unter mein Top schob, protestierte ich schwach: »Das ist nicht unser Haus.«

»Stimmt«, sagte er. »Aber es ist über acht Stunden her, seit ich zuletzt Sex mit dir hatte, und ich kann einfach nicht länger warten.« Er umschloss meine Brüste, und ich hätte beinahe gewimmert.

»Es könnte jemand kommen«, flüsterte ich.

»Wer denn? Außerdem würden die Hunde bellen.«

»Der Greif schaut zu. Und Spud. Ganz zu schweigen von dem Axtmörder.«

»Willst du denn nicht, Jose?«

»Und ob«, gab ich zu, streifte ihm sein Sweatshirt über den Kopf und warf es zielsicher über den Greif.

»Er hat wahrscheinlich darauf gebrannt, ein bisschen spannen zu können«, bemerkte Matt.

»In diesem Fall möchte ich erst recht nicht, dass er zusieht.«

»Spielverderberin.« Er küsste mich noch einmal. »Ich liebe dich.«

»Ich dich auch. Oh – ich habe keine Kondome da.«

»Aber ich«, sagte er. »Ich bin nicht unvorbereitet gekommen.«

Ich sah ihn bewundernd an. »Dabei warst du noch nicht mal bei den Pfadfindern.«