7. Kapitel

 

Nebel lag über Fuure.

In der Nacht hatte es geregnet, danach war die Sonne aufgegangen und hatte Hitze mitgebracht, welche die Nässe verdampfte.

Connor hockte auf einer Matte an eine Palme gelehnt. Man hatte ihn mit Seilen am Stamm gefesselt. Freundlicherweise war er von den kleinen Frauen und Männern versorgt worden. Er hatte getrunken und gegessen. Danach war ihm schlecht geworden, inzwischen fühlte er sich wohler.

Er hatte den Regen der Nacht genossen, denn dieser kühlte seine vom Sonnenbrand geschundene Haut. Er hatte sich die Regentropfen über seine zerrissenen Lippen laufen lassen und war froh gewesen, dass es sich um einen warmen Regen handelte.

Seine erste Begegnung mit diesen Wesen hätte nicht bizarrer sein können. Zuerst hatte er angenommen, diese stämmigen Winzlinge würden sich auf ihn stürzen, denn einige von ihnen liefen, Stöcke schwingend, auf ihn zu. Aber einer von ihnen, der sich Bob nannte und offensichtlich der Häuptling war, hatte sich vehement dagegen ausgesprochen und so war wieder Ruhe eingekehrt.

Connor registrierte sofort, dass diese Kleinen, die sich Barbs nannten – irgendwie kam ihm der Name bekannt vor! – einen grauenvollen Tag hinter sich hatten. Die Drachen hatten verheerend gewütet und das Dorf dem Erdboden gleichgemacht. Überall staken rußige, schmierige Hölzer in die Höhe, mitten auf dem Dorfplatz lag der Kadaver eines Drachen, der zu stinken anfing.

Viele Barbs weinten, überall lagen Leichen herum.

Die Barbs verständigten sich mit ihm in der Hohen Sprache, was ein Glück war. So konnte Connor erklären, woher er kam. Die meisten hörten nicht zu oder glaubten ihm nicht, alle waren verwirrt und durcheinander, also banden sie ihn fest, später schien es so, als hätten sie ihn vergessen. Jeder hatte genug damit zu tun, seine Trauer zu verarbeiten und sogar Bob, der Häuptling, ließ sich nicht mehr blicken.

Die Sonne ging auf, und die Barbs krochen aus den Überresten ihrer Behausungen, aus Felsnischen und Büschen. Bob kam eine Steintreppe herab geschritten und endlich konnte Connor den Barb, von dem er wusste, dass er der Häuptling war, in seiner ganzen Pracht bestaunen.

Dieser Barb war nicht größer als vier Fuß. Seine Arme waren massig, sein Körper genauso. Sein Kopf war rund wie eine Melone, buschige Haare umrahmten ein freundliches Gesicht, in dem kleine Äuglein über einer runden Nase funkelten. Bob war ganz in Leder gekleidet und trug keinen Schmuck. Alles in allem wirkte er so kräftig, als könne er sein eigenes Gewicht mit Leichtigkeit tragen. Seine Frau, die ihm folgte, hatte eine ähnliche Ausstrahlung, abgesehen von den weich geschwungenen Lippen und den ausladenden Brüsten.

»Connor?«, fragte Bob.

»Ja, so heiße ich.«

»Wir werden dich jetzt losbinden. Verzeih, dass wir dich im Regen sitzen ließen, aber dein Erscheinen in unserem Dorf hat uns gestern überfordert.«

Der Barb sprach mit einem leichten Akzent, beherrschte die Hohe Sprache ansonsten perfekt.

»Ich habe Schlimmeres überstanden ...«, schmunzelte Connor und erinnerte sich an den Piratenüberfall und seine anschließende Vision.

Bob und zwei andere Barbs lösten die Seile, was nicht einfach war, da sie nass geworden waren. Connor reckte sich und rieb seine Handgelenke. Der Häuptling schielte verlegen zu Boden.

»Ich bin sehr hungrig. Wäre es zu viel verlangt ...?«, fragte Connor und die Barbfrau schüttelte vehement den Kopf.

Connor wies auf den Drachenkadaver. »Ist das euer Werk?«

Bob nickte. »Ja. Aber es waren zwei andere dabei. Einer von ihnen entführte meine Tochter. Mein kleiner Sohn starb bei dem Überfall.«

Bob sprach mit wenigen harten Worten, in denen Bitterkeit mitschwang.

Connor richtete sich auf und bog sein Kreuz gerade. Er legte dem Häuptling seine Hand auf die Schulter. Der Barb zuckte zusammen. Connor sagte: »Ich bin nicht euer Feind. Ich verstehe, dass ihr euch gestern vor mich gefürchtet habt. Ihr habt viel erlitten. Aber nun werde ich helfen, wo ich kann.«

»Woher kommst du?«, fragte Bobs Frau.

»Das weiß ich nicht.« Connor grinste schief. »Ich habe meine Erinnerungen verloren.«

»Verloren?«, hakte Bob nach.

»Ja, so ist es.« Connor schüttelte seine blonden Haare. »Das habe ich gestern alles erklärt, aber niemand wollte mir zuhören. Ich war viel zu geschwächt, um mich deutlich zu machen.«

»Geht es dir inzwischen etwas besser?«, fragte die Barb.

»Etwas besser«, stimmte Connor zu. »Ja. Aber noch nicht gut. Er blickte an sich hinab und ließ seine Muskeln tanzen. Sein Oberkörper war nackt, um die Hüften trug er eine zerfetzte Leinenhose, die Schuhe hatte er im Meer gelassen, da sie sich mit Wasser gefüllt hatten. Er bog seine Zehen hoch, da die Steinchen in seine Sohle drückten. Bob, der dies sah, sagte. »Wir haben einen guten Schuster, der dir neue Schuhe anpassen wird, falls er in diesem Chaos sein Werkzeug wiederfindet. Aber zuvor müssen wir den Kadaver entsorgen und unsere Liebsten begraben.«

Connor nickte schweigend. Dieser Bob war ein tapferer Mann. Man sah ihm seine Trauer nicht an. Vermutlich dachte er jetzt weniger an sich und seine zerstörte Familie, sondern an sein Dorf. Das mochte Connor, denn er glaubte, einst auch so gewesen zu sein.

Man brachte ihm Früchte und Fleisch. Er trank saure Milch, rülpste herzhaft und wischte sich den Mund ab. Seine Lebensgeister kehrten zurück, sodass er den Barbs helfen konnte.

Dabei lernte er einige von ihnen kennen, manche blickten ihn verschämt an, aber er reagierte auf herzliche Weise und lächelte. Ihm schien, als gäbe seine pure Anwesenheit diesen geschundenen Seelen neue Kraft. Er akzeptierte diese Verantwortung und machte sich daran, gemeinsam mit einigen Männern Seile um Hals, Beine und Rumpf des toten Drachen zu schlingen.

»Wäre es nicht besser, den Drachen zu verbrennen?«, wollte Börre wissen.

»Wie willst du etwas verbrennen, dass Feuer spuckt?«, belehrte Biggert sie.

Also wickelten sie sich die Seile um die Hüften und was Connor nun erlebte, ließ ihn staunen.

Diese Kerlchen zogen wie Bullen. Sie schnauften und ihre Muskeln spannten sich wie Stahl. Für einen Moment kam Connor sich regelrecht schwach vor, dann aber aktivierte er alle Kraft und legte sich ordentlich ins Zeug. Er schnaufte und ächzte und das Seil fraß sich in seine Schulter. Endlich bewegte sich der Kadaver. Sie zogen ihn Fuß um Fuß vom Dorfplatz weg, während vor ihnen Frauen mit Macheten eine Schneise in den Wald schlugen.

Äste krachten unter ihren Stiefeln und Connor ahnte, dass seine Fußsohlen nach dieser Aktion bluten würden. Es interessierte ihn nicht. Diese Barbs hatten ihm das Leben gerettet und die unangenehme Nacht hatte er längst vergessen. Von Ferne schimpften Tiere und Vögel schwangen sich aus den Ästen.

Palmen und Mischwald, eine seltsame Kombination, dachte Connor. Er hatte inzwischen erfahren, dass er auf der Insel Fuure war. Fuure! Er versuchte, sich an den Namen zu erinnern und irgendwo, weit hinten in seinem Kopf, meldete sich der Hauch eines Bildes. Jedes Mal, wenn er diese Erinnerung fassen wollte, flutschte sie ihm regelrecht durch seine Kopföffnungen.

Fuure!

Warum kam ihm der Name so bekannt vor? Warum löste dieser Name bei ihm ein seltsames Gefühl aus? Er hatte auf der Amalia einen Holzbalken auf den Schädel bekommen und war eine kurze Zeit bewusstlos gewesen. Wie er sich schließlich retten konnte, daran erinnerte er sich nicht mehr, nur, dass er an dieser Planke im Wasser hing. Wenn man also davon ausging, dass der Verlust seines Gedächtnisses etwas mit diesem Schlag zu tun hatte, würde sich die Situation vielleicht mit der Zeit wieder verändern. Möglicherweise war sein Gehirn einfach zu stark angeklopft worden.

Und ziehen!

Weiter ziehen!

Es krachte, als sie durch das Unterholz brachen und bei allen lief der Schweiß in Strömen. Endlich erreichten sie den Strand. Connor kam es vor, als hinge er seit Stunden in diesem Geschirr, aber am Sonnenstand erkannte er, dass nur wenig Zeit vergangen war. Sie brachen in die Knie, schnauften, hielten sich den Brustkorb, keuchten und erholten sich.

Es dauerte den ganzen Vormittag, eine Grube auszuheben, die den gigantischen Körper aufnahm. Mehr als fünfzig Barbs schwangen Schaufeln und Haken, außerdem hatten sich einige Grubentrolle hinzugesellt. In schönster Eintracht schuftete er gemeinsam mit den Barbs, um den widerlichen Drachenkadaver loszuwerden.

»Wartet ...«, sagte Connor.

Alle starrten ihn an.

»Hat jemand ein scharfes Messer?«

Boggus, der Metzger, hob zögernd seine Hand.

»Das ist gut. Ich werde dem Drachen die Haut abziehen. Daraus werden wir Leder machen. Drachenleder kann eine Waffe nur sehr schwer durchdringen. Wir sollten uns Wämse daraus schneidern. Das ist eine harte Arbeit, aber es schützt uns.«

Hatte er uns gesagt?

Den Barbs schien das zu gefallen.

Bob stimmte dem zu. »Ein guter Einfall, Blondling. Für Drachenhaut werden horrende Preise bezahlt. Um diese Kleidung wird man uns beneiden.«

Das stimmte. Bisher war es Elfen vorbehalten gewesen, Rüstungen aus Drachenhaut zu fertigen. Inzwischen waren diese Rüstungen sehr gesuchte und begehrte Kleidungsstücke, da die Elfen mit den Drachen Frieden geschlossen hatten.

Boggus verschwand und kehrte mit einem Ausbeinmesser zurück.

Connor wusste, auf was er sich eingelassen hatte und suchte jenen kleinen Punkt unter der Kehle des Drachen, an der er das Messer ansetzen konnte. Einen Drachen zu häuten war eine Kunst, da die Haut im normalen Zustand hart und fest war. Connor fragte sich, woher er das wusste. Seine Finger arbeiteten fast routiniert.

Es war ein blutiges Werk, ging aber reibungslos. Die Barbs halfen, so gut sie konnten, aber die Hauptarbeit lag bei Connor. Er schuftete und tat sein Bestes. Nicht wenige nickten sich anerkennend zu.

Und diesen Mann hatten sie gefesselt und die ganze Nacht im Regen sitzen lassen?

Endlich war das Werk vollbracht und sie bugsierten den fleischigen Kadaver, über dem Fliegenwolken schwirrten, in die Grube.

Sie waren blutverschmiert und sahen aus, wie man sich wilde Kreaturen aus Unterwelt vorstellte. Deshalb sprangen sie, bevor sie weiter arbeiteten, ins Meerwasser – selbstverständlich nicht zu tief - und reinigten sich.

Die Sonne stand brennend direkt über ihnen, als sie begannen, Sand auf den Drachen zu werfen. Dies war nicht mehr so anstrengend, außerdem verschwand der Feind blitzschnell, was für allgemeine Erleichterung sorgte.

Boggus und ein paar andere Barbs verscharrten die dünne und schuppige Drachenhaut im warmen Sand, damit sie sich der lästigen Fliegen entledigen konnten, was zur allgemeinen Erleichterung gelang. Man würde sich später darum kümmern.

Barbfrauen brachten Krüge mit Quellwasser herbei.

Manche von ihnen musterten Connor aus den Augenwinkeln und gingen mit geröteten Wangen an ihm vorbei. Bama stellte einen Tonkrug vor ihm hin.

»Du musst trinken. Dein Körper ist noch ausgetrocknet, wie man an deinen Lippen und an deiner Haut sieht. Viel trinken!«

Connor nickte und gehorchte. Sein Oberkörper glänzt schweißig und aus dem Sonnenbrand wurde braune Haut.

Als habe er sich mit seiner Schufterei eine Eintrittskarte in die Herzen der Inselbewohner erworben, nickten einige Barbs Connor aufmunternd zu.

»Wer es mit unserer Kraft aufnimmt, wer am Seil arbeitet, wie du es getan hast, verdient Bewunderung«, erklärte Bob. Dann erzählte er von den Wareiken, die sie mit reiner Muskelkraft pflückten und Connor blieb der Mund offen stehen. Einige Barbfrauen kicherte.

Für eine kleine Weile waren Trauer und Verzweiflung vergessen. Für eine kleine Weile.

Sie begann sofort, als sie ins Dorf zurückkehrten. Die Gefahr einer Seuche und einer Fliegenepedemie war gebannt. Nun mussten sie sich um die Leichname kümmern, um Familienmitglieder und Freunde. Die meisten hatten sie in die Kühlgrotte gebracht. Sie sammelten die Toten auf dem Dorfplatz und legten sie nebeneinander. Viele waren derart verstümmelt, dass man sie nicht erkannte. Vor allen Dingen die Verbrannten mit ihren verkrampften schwarz verkrusteten Gliedmaßen waren nicht zu identifizieren. Die Logik half und bald ordnete man die Gestorbenen zu.

Nun flossen wieder Tränen und Connor hielt sich zurück.

Er saß im Schatten eines Baumes und die Trauer steckte ihn an. Sein Herz wurde schwer. Er mochte diese kleinen starken Wesen. Es gab kaum etwas Bedrückenderes, als diese runden, freundlichen Gesichter aufgelöst in Verzweiflung zu sehen. Dies waren Gesichter, die zum Lachen geschaffen waren. Verzweiflung gehörte da nicht hin.

Auch bei Connor stahlen sich Tränen in die Augenwinkel und er wischte sie mit dem Handrücken weg. Ach, könnte er doch bloß etwas für die Ärmsten tun.

Er fragte eine junge Barbfrau: »Darf ich helfen?«

Sie blickte ihn aus feuchten Augen an und ein kleiner Schnodderfaden baumelte aus ihrer Nase. Sie schwieg und nickte. Sie griff seine Hand, zog ihn aus der Hocke hoch und führte ihn in den Kreis der Trauernden. So stand er hier wie ein Turm, doch in der Trauer waren alle gleich, egal ob hochgewachsen oder klein.

Bama brach über ihrem Sohn zusammen, Bobs Gesicht war wie aus Stein.

Auf einer Lichtung hoben sie Gräber aus, wobei Connor Hacke und Spaten schwang, als buddele er um sein Leben. So bekämpfte er seine Trübsal, und als der Schweiß floss, seine Muskeln brannten und das Werk getan war, störten ihn nicht mal seine schmerzenden Fußsohlen.

Während des Begräbnisses spielten sich erschütternde Szenen ab, als wollten die Barbs in dieser Zeit allen Kummer ausschütten. Es war eine dramatische Verabschiedung und das erste Mal in seinem Leben sah Connor einen Troll weinen, glaubte er zumindest.

Danach verließen sie die Grabstätte und kehrten zurück in das Dorf. Becher wurden gefüllt und das Bier floss reichlich. Nicht wenige waren ruckzuck betrunken, andere zogen sich zurück und überließen sich der Stille des Abschieds.

Als die Sonne unterging, hatte man ein Feuer auf dem Dorfplatz angefacht. Man briet ein Tier am Spieß und jene, die halbwegs nüchtern waren, schlugen ihre Zähne in das Fleisch. Gesättigt sammelten sie sich und hockten auf Holzklötzen oder einfachen Bänken.

Bob trat in das Rund.

Er setzte sich und nickte in die Runde.

Dann begann er mit singender Stimme zu sprechen.

 

 

 

»Wir sind hier

Auf Fuure, liebe Freunde,

vor eintausendfünfhundert Zyklen

gekommen aus den Fremden Welten,

von dort, wo der Sternenozean ist,

weit entfernt, wo die Sterne leuchten.

Bross, der Bärtige, schuf den Wind.

Und Broom, der Glatte schuf das Leben.

Gemeinsam sind sie Väter.

Die ihre Kinder lieben, wie sich selbst

Sie spenden Trost und geben Kraft.

Und schenkten uns die Insel der Freude,

sie schenkten uns Fuure«

 

Im Singsang von Bobs Stimme sank so manches Kinn auf die Brust und der eine und andere seufzte. »Ja, so war es ...« Und eine Antwort echote. »Ja, so war es!«

 

»Den Crocker gaben sie

und Früchte aller Art

die Liebe schenkten sie

und später auch das Rad.

Sie gaben uns die Bäume.

Und Kraft, sie zu bezwingen.

Sie schenkten uns die Träume.

Davon will ich nun singen!«

 

Bob sang nicht alleine, sondern viele Stimmen fielen ein. Worte, fein modelliert, mit weicher Aussprache, die Melodie gleichförmig, aber von milder Harmonie. Als sie endeten, nickte Bob erneut und auf seinem Gesicht brach sich das Licht des Feuers.

Dann schwiegen sie. Fast jeder starrte ins Feuer, die Augen weit geöffnet. Die Stimmung war hypnotisch. Bob fuhr fort:

 

Schnee fiel und Bonka,

der Jäger kehrte heim.

Es duftete nach Met und Wildbret,

er labte sich und begehrte sein Weib.

Soeben wollten sie sich freuen,

als Hohe Tiere kamen,

mit trappelnden Hufen

und klirrendem Geschirr.

Darauf saßen sie, die Männer von

Ihm, der ein Dunkler war

Der nannte sich L-Kor.

Sein Helm war reich geschmückt,

mit goldenem Geweih,

sein Augenschlitz bedrückend,

mit roten Augen suchte er und fand

das Kind.

Und stahl es.

Die Momma folgte ihm.

Und starb auf dünnem Eis.

Und Wölfe kamen aus dem Wald.

Die weinten.

Das Kind ward nicht gefunden,

es lebte irgendwo,

es war der Reisende der Zeit.

Und ging zu Bross und Broom.

Beschwerte sich sehr laut

Und beide Götter wussten,

sie hatten weggeschaut.

Sie fanden diesen Dunklen.

Der nannte sich L-kor

Bestraften ihn mit Feuer,

wie er es gern beschwor.

Und der gestohlne Junge

Wuchs bald heran zum Mann

Er suchte sich ein Weib

Das er nun lieben kann.

Er zeugte viele Kinder

Und nannt sich Vater-Ur

Es wurde nie mehr Winter,

es gab den Sommer nur.

Auf Fuur - ee!«

 

Und alle echoten »Auf Fuur – ee ...«

Den Selbstlaut zogen sie in die Länge, was der Melodie einen eigenartigen Rhythmus verlieh. Es war ein seltsamer Gesang, mal reimte er sich, mal nicht, eine lose Reihenfolge von Sätzen, die ineinandergriffen, dann wieder auseinander strebten und doch eine Einheit bildeten.

Bob hätte viel mehr singen können. Darüber, warum L-Kor das Baby stahl, vieles über den Zeitenwandler, der die Zukunft veränderte und was später alles geschah. Er hätte singen können, bis das Feuer erlosch und die meisten eingeschlafen waren. Heute ließ er das. Heute fasste er sich kurz. Dennoch war sein Gesang intensiv und eindringlich gewesen.

Es gab den Sommer nur!

Mit diesem Satz hatte er das Lied beendet. Das war optimistisch und freundlich.

Es gab den Sommer nur – und die Hoffnung!

»Ein schöner Singsang«, sagte Connor in der Hohen Sprache. »Ich habe zwar kein Wort davon begriffen, aber es war ergreifend.«

Bob betrachtete den Mann. Schulterlange blonde Haare, ein kantiges Gesicht mit schönen Augen, muskulöse Schultern, schmale Hüften, eine zerrissene Leinenhose mit breitem Ledergürtel und Tücher, die er sich heute Abend um die Füße geschlungen hatte.

Ein Barbar!

Ja, so musste ein Barbar aussehen. Zwar sprach er nicht so, denn Worte wie ergreifend passten einfach nicht zu seinem grobschlächtigen, nein, das war das falsche Wort, zu seinem rauen Äußeren, dennoch war er ein Kämpfer. Das sah man ihm an. Er war durchtrainiert und seine Haut trug Narben.

Bob wusste nicht genau, was er von seiner Idee, Connor sei ein Barbar, halten sollte.

Es gab unzählige Geschichten über diese Männer. Sie kamen aus dem Hohen Norden und galten als primitive Wesen. Sie töteten, was ihnen in die Quere kam und vernichteten so manches Dorf. Sie brandschatzten, vergewaltigten und raubten Schätze. Bei ihnen galt das Gesetz des Stärksten. Sie waren wie wildgewordene Crocker, sprachen in einer einfachen dunklen Sprache und bestanden vorwiegend aus Muskeln. Sie waren so rau und unerbittlich, wie ihre Heimat. Sie liebten Schnee und Eis und waren in Felle gehüllt. Die Geschichten berichteten von Männern, die meist mit einem Hammer kämpfend ganz alleine dreißig bis vierzig normale Krieger ersetzten. Todesmutig, ohne Rücksicht auf das eigene Leben, wüteten sie und man sagte, es bereite ihnen Freude.

So grausam sie waren, hatten sie eine starke Verbundenheit zu ihrer Heimat, lebten treu mit ihren Frauen – wenn sie nicht unterwegs waren - und beteten ihren Herrscher an, der meist in einer dunklen Trutzburg saß.

So wirkte Connor nicht.

Bei ihm konnte Bob sich das nicht vorstellen.

Wie mochte es einem Mann gehen, der seine Vergangenheit vergessen hatte? Waren es nicht die Erinnerungen, die einen ausmachten?

Hochgewachsen saß er zwischen den Barbs. Er wirkte sanftmütig und auf gewisse Weise ... beruhigend. Bob kannte niemanden, der ihm die letzte Nacht im Regen, an eine Palme gefesselt, ohne zu wissen, wo man war, so einfach verziehen hätte. Connor hingegen hatte das hingenommen, ohne sich zu beklagen und tagsüber die Barbs unterstützt, als sei er einer von ihnen. Damit hatte er sich Vertrauen erworben.

Holz knackte und ein Funkenregen sprühte hoch.

»Ich muss meine Tochter suchen. Ich muss wissen, was mit Bluma geschah«, murmelte Bob.

»Das verstehe ich«, sagte Connor.

»Ich sollte heute aufbrechen, um sie zu suchen.«

»Auch morgen kannst du das tun.«

Bob blickte auf. »Nein, das kann ich nicht!«

Connor legte den Kopf schräg und musterte den Barb fragend. »Warum nicht?«

»Wir werden unser Dorf wieder aufbauen. Wir werden neu anfangen!«

»Na ja, das ist doch gut.«

»Nein, Connor. Das ist es nicht.«

»Wenn du möchtest, helfe ich dir bei deiner Suche.«

Dieses Angebot kam so selbstverständlich, dass Bob für einen Moment gerührt war und verlegen wegschaute. Er konzentrierte sich und knurrte vor sich hin: »Ich kann nicht gehen. Mein Volk benötigt mich. Wie sieht es aus, wenn der Häuptling sich aus dem Staub macht?«

»Man würde es verstehen.«

Bob schwieg. Dann: »Nein. Alle haben Partner, Kinder und Freunde verloren ... Ich sollte mich nicht so wichtig nehmen.«

»Sie alle sind tot, Bob. Aber deine ... eure Tochter«, er sah zu Bama, die den Kopf auf die Handflächen gestützt, ins Feuer starrte, »... könnte noch leben.«

»Trotzdem ...«

»Wie siehst du das, Bama? Sollte er gehen oder nicht?«, fragte Connor.

Bama richtete sich auf. In ihren Augen schimmerten Tränen. »Bemtoc und Biggert leben. Es gibt viele kluge und starke Barbs. Sie werden es verstehen. Sie brauchen dich nicht, um das Dorf aufzubauen. Sie werden deine Befehle auch befolgen, wenn du nicht anwesend bist.«

»Aber ich trage Verantwortung für mein Dorf.«

»... und für deine Tochter«, setzte Connor hinzu.

»Also muss ich wählen«, schnaufte Bob.

»Ja, das ist eine Entscheidung, die nur du fällen kannst«, sagte Connor.

»Bluma oder das Dorf«, sagte Bob. »Ob sie noch lebt, ist unsicher, vielleicht ist es nur eine Idee. Nur Hoffnung!«

»Ich spüre, sie lebt noch«, flüsterte Bama.

»Aber das Dorf ... das Dorf existiert. Soll ich einer Mutmaßung hinterher jagen, die mich vielleicht für viele Zyklen von Fuure wegbringt, ohne Garantie, Bluma jemals zu finden oder ...«

»Wenn du gehst, gehe ich mit!«, sagte Bama mit fester Stimme.

Nach einer Weile, und nachdem das Feuer schwächer wurde, fragte Bob, der mit seiner Entscheidung nicht mehr weiter kam: »Bist du ein Barbar?«

Connor hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Wie kommst du darauf?«

»Wann hast du das letzte Mal in einen Spiegel geschaut?«

»Keine Ahnung! Ich kann mich nicht erinnern.«

»Mmpf!« Bob kratzte sich den Kopf. »Also ich glaube, du bist einer.«

Connor sah an sich hinab und ließ seine Muskeln tanzen. Er grinste und Bob grinste zurück.

Er hat etwas Beruhigendes. Wie ein Fels, an dem man sich festhalten kann!, dachte Bob und sagte: »Wir sollten schlafen. Morgen, wenn wir ausgeschlafen sind, werden wir entscheiden, was geschieht.« Er machte eine entsprechende Gebärde. »Komm mit in unsere Höhle, Blondling!«

Connor winkte ab. »Nett von dir, aber irgendetwas sagt mir, ich bin es gewohnt, am Feuer zu schlafen. Ich rieche das Wetter und habe ein Gefühl für die Natur. Es gibt heute Nacht keinen Regen.« Er legte den Kopf zurück und blickte zu den Sternen hoch.

»Brauchst du eine Decke?«

»Nein, es ist eine milde Nacht, aber ich danke dir sehr.«

»Mmpf!«

Als Bob sich umschaute, stellte er fest, dass sich fast alle Barbs irgendwohin verkrochen hatten. Hier und dort wisperte es, irgendwo schluchzte jemand. Er nahm Bama an die Hand und schritt mit ihr die Stufen zu seiner Höhle hoch.

Einsam.

Alleine.

Nachdenklich.

 

 

 

Der Sanfte Jack hatte zwei Köpfe.

Und er hatte zu Lebzeiten ein Hobby gehabt, mit dem er seine Langeweile vertrieb: Er folterte! Und er tötete! Das letzte Mal vor drei Wochen. Einen Schwarzen Reisenden, den er auf Murgons Anweisung hin zerschnitt, obwohl ihm der harmlose Bursche ziemlich Leid tat.

Als sich die Zellentür hinter ihm schloss und die Fackeln im Gang aussperrten, dauerte es eine Weile, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Er murmelte einen Zauber und das Maguslicht ging an. Die blaue Flamme war sanft und das milde Licht zeigte, dass Lord Murgon und Lady Gwenael es mit der Gefangenen gut meinten. Hier gab es eine Pritsche, der Boden war mit frischem Stroh bedeckt und in der Ecke stand ein Behältnis, auf dem man sich erleichtern konnte. Der pure Luxus. Die Gefangene schien für den Lord und die Lady wichtig zu sein, verglich man ihre Unterkunft mit der des Dämonenmannes.

Als der Sanfte Jack an den Dämonenmann dachte, durchzuckte es ihn. Bei ihm hatte er versagt und er wusste, dass der Dunkelelf so etwas nicht noch einmal duldete. Versagte er auch hier, würde er in den Säureschlamm geworfen werden und Lord Murgon würde aus seinen Überresten zwei neue Jacks formen.

Sein rechter Kopf suchte die Gefangene und fand sie. Sie stand an die Wand gelehnt. Er winkte sie zu sich und sie machte zwei Schritte nach vorne.

Ein kleines Ding. Alles an ihr war rund. Ein runder Kopf, große runde Augen, eine runde Nase, runde, volle Lippen, ebensolche Brüste über einem entsprechenden Bauch und stempelartige Beine in blauen Hosen. War alles an ihr Fett oder war da noch etwas? Das musste er wissen, deshalb gab er ihr einen kräftigen Schlag vor die Brust. Sie bewegte sich kaum und der Sanfte Jack wusste, dass er es mit einer sehr kräftigen und stämmigen Person zu tun hatte.

»Bist du eine Barb?«, wollte er mit greller Stimme wissen. Seine Stimme ärgerte ihn. Dadurch, dass zwei Köpfe mit einem Stimmband verbunden waren, hatte er die Tonlage einer runzeligen Vettel. Er stellte seinen hölzernen Werkzeugkoffer ab.

»Ja.«

Aha, so also sahen sie aus, die geheimnisvollen Wesen, über die viel geredet wurde, aber von denen er keines je gesehen hatte. Das versprach, interessant zu werden.

»Wie heißt du?« Er stellte die Lampe auf den Boden und seine Köpfe ruckten in verschieden Richtungen. Er wollte ihren Namen wissen. Das war wichtig. Wenn er den Namen der Gefangenen kannte, hatte die Prozedur etwas ... Intimes!

»Ich heiße Bluma.«

»Aha.« Seine Stimme echote schrill in der Zelle und durchschnitt die feuchte Luft wie eine Schneide. »Bis du jung oder alt?«

»Bei uns gelte ich als junge Frau, kurz vor dem Bündnisalter.«

»Ein Mädchen bist du also! Fast ein Kind!« Beide Köpfe nickten.

»Was willst du von mir? Und merk dir, ich bin kein Kind mehr«, sagte die Barb.

Sie reagierte wie eine Schlange, die in die Enge getrieben war, fand Jack. Ist sie mutig oder trotzig? Wo versteckte sie ihre Furcht?

»Du bist neugierig, nicht wahr?«

»Ich habe jedes Recht, zu erfahren, was hier los ist.«

»Mmh!« Sein linker Kopf grinste, der rechte forderte: »Setz dich!«

Sie blieb stehen. Er trat einen Schritt vor und aus dem rechten Kopf schnellte eine unterarmlange Zunge hervor, umgeben von zirpelnden Flammen. Die Barb schrie auf, taumelte zurück und fiel auf den Hintern. Nachdem der Sanfte Jack seine Zunge wieder eingerollt hatte, sagte er: »Ich bin hier, damit du Demut lernst!«

Bluma schluchzte und rieb sich das Gesicht. Sie zog eine Schnute und verdrückte ihre Tränen.

»Du bist zu jung, um zu wissen, was Demut bedeutet! Also musst du es lernen.«

»Was du forderst, ist Kleinmut, Dämlack! Und darauf kannst du so lange warten, wie du willst! Nicht mit mir.«

Er kicherte. Sie gefiel ihm. Sie hatte Mumm. Und sie war überheblich. »Du bist stolz, kleine Barb. Du tust, was du willst, nicht wahr?«

Bluma schwieg und starrte mit großen Augen zu ihm auf.

»Ich bringe dir das Gegengift des Stolzes. Erst wenn du Demut gelernt hast, wenn du sie verinnerlichst, für dich annimmst, erst dann wirst du weise sein. Das kann sehr schnell geschehen, schließlich bin ich ein Könner. Vielleicht heute, möglicherweise erst morgen.«

»Was soll das? Was faselst du von Stolz?«

»Du weißt es, kleine Barb. Ich sehe es mit vier Augen und die sind untrüglich. Du weißt, dass du es bist. Du bist klug und du spielst damit, habe ich recht?«

Erneut schwieg Bluma.

»Du schweigst, weil du weißt, dass ich Recht habe.«

»Was hast du mit mir vor?«

Zitterte ihre Stimme? Ja, das tat sie. Ihre vorgeschobene Arroganz verdeckte die kindliche Panik nur ungenügend. Er würde sie brechen, ohne Probleme. Er zeigte auf den hölzernen Koffer. »Alles, was da drin ist, wird dir helfen, dich zu finden.«

»Du wirst mir weh tun?«

»Im Schmerz, kleine Barb, fühlen wir unser Leben.«

»Das brauche ich nicht. Ich fühle mich lebendig genug!«

»Wir werden sehen, kleine Barb – Bluma.«

»Warum tust du das?«

»Weil Sie es wollen!«

»SIE?«

»Lord Murgon, der Dunkelelf und Herrscher über Unterwelt und seine Schwester Gwenael. Sie herrschen über die Dämonen, über die Kleingeister, die Trollsklaven, die Ghule und über mich. Und wehe dem, der ihren Ansprüchen nicht genügt. Wenn ich wieder versage, wird es mir schlecht ergehen.«

»Wieder?«

Er biss sich auf beide Lippen. Er schwatzte!

»Also hast du versagt?« Ihre Stimme klang leise und fest. Sie hatte gut zugehört, besaß sogar in dieser Situation eine feine Wahrnehmung.

Was wollte sie von ihm? Warum fragte sie so etwas? Ungewohnte Wärme huschte über die Haut vom Sanften Jack. Er kratzte sich den linken Kopf.

»Ja, ich habe versagt.« Er wunderte sich, dass er antwortete. Was ging sie das an? Waren es ihre Augen, ihr großer Blick, bei dem er das Gefühl hatte, sie sehe durch ihn hindurch, direkt bis zum Kern seiner ... Seele?

Hatte er eine Seele? Bevor man ihn des Mordes überführte, auf das Rad flocht und in Stücke schnitt, hatte er – wie die meisten denkenden Wesen – an die Liebe geglaubt. Er war voller Sehnsucht gewesen, hatte die Wärme einer Frau gesucht und gefunden. Nun, es gab Gründe sich ihrer entledigen und das schmerzte ihn noch heute. Ja, er kannte den Schmerz. Einer, der ewig währte und nie endete. Kein Schmerz war schwerer zu ertragen als die Erinnerung an ein vergangenes Glück. Das wusste er nur zu gut.

Seine Liebste war bildhübsch gewesen. Sie hatten am Rande der Stadt Dandoria gelebt. Er hatte Esel gezüchtet. Er liebte Esel. Sie waren wie er. Bockig, aber treu. Eine Weile ging es gut mit ihnen. Sie taten, was Liebespaare tun und jeder schien glücklich. Bis er eines Tages erfuhr, dass sie ihn betrog. Im Grunde wunderte ihn das nicht, denn er war ein hässlicher Kerl. Was suchte eine so schöne Frau bei ihm? Einmal hatte er sie gefragt und sie hatte gesagt, er sei jener Mann, auf den sie ihr Leben lang gewartet hatte. Sie fände ihn schön.

Das sagte sie ihm auch, als er ihre Kehle zudrückte.

Später erfuhr er, dass er einem bösen Scherz seiner Kameraden aus der Waldschänke aufgesessen war, nein, es war kein Scherz gewesen, sonder schlicht eine Verwechslung. Er überlegte sich, dass es vielleicht besser gewesen wäre, er hätte zuerst gefragt und dann gemordet.

Es dauerte nicht lange und man ergriff ihn. Er wurde aufs Rad geflochten und starb langsam. Der Eingang nach Unterwelt war geöffnet. Von nun an würde er nichts mehr tun, ohne zu fragen. Also wurde er zu dem, was er war: Ein Fragender!

Dadurch, dass er seine Liebste töten musste, war nicht mehr genug Zeit, um ein gemeinsames Kind zu bekommen, das er sich so sehr gewünscht hatte. Ein Mädchen vielleicht, so eines wie Bluma, nicht so fett, nicht so klein, aber mindestens genauso klug.

Der Sanfte Jack lächelte.

Bei den Düstergeistern, wann hatte er zuletzt gelächelt? Er konnte sich nicht erinnern. Seine Köpfe blitzten sich zornig an. Er geriet auf gedankliche Abwege. »Lasse dich von mir beugen, erfahre die Härte des Lebens und behalte von mir aus deinen Stolz«, flüsterte er. »Wenn es dir gelingt, hat es seinen Sinn!«

»Warum spricht der Lord nicht mit mir? Das wäre doch viel einfacher.« Sie zog an ihrer Unterlippe und streckte den Kopf vor. »Mit Worten kann man eine Menge bewerkstelligen, verstehst du? Alles andere ist doch nur was für tumbe Möchtegern. Warum dieser ganze Aufwand, wenn es anders geht?«

Ihre Lippen bebten und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Schnodder tropfte aus ihrer Nase.

Jack zog vier Augenbrauen hoch. »Du fürchtest dich maßlos und flüchtest in Worte, kleine Barb!« Er hatte Mitleid. Das hatte er noch nie erlebt. War es ihre Körpergröße? Erinnerte sie ihn zu sehr an ein Kind? Bei den Düstergöttern, er durfte nicht versagen.

Sie schwiegen sich ein paar Atemzüge an und in Blumas Gesicht zuckte es. Unversehens trockneten die Tränen und mit zitternder Stimme fragte sie: »Was ist geschehen? Warum hast du so viel Angst?«

»Angst?«

»Vor dem Versagen.«

»Es war der Dämonenmann ...«, kreischte er unbeherrscht. »Er ist zwei Zellen weiter angekettet. Er ist noch stolzer als du. Er wollte mir nicht einmal seinen Namen nennen. Er hielt mir stand. Meinen Werkzeugen und meiner Magie.«

»Was ist ein Dämonenmann?«

»Er wechselt immerfort zwischen zwei Identitäten. Mal ist er Dämon, dann wieder ist er Mensch. So etwas dürfte es nicht geben, deshalb ist er für Lord Murgon so wichtig. Der Lord will alles über ihn wissen ...«

»... und dir gelang es nicht, den Lord zufrieden zu stellen?« antwortete Bluma.

Der Sanfte Jack nickte, jeder Kopf in eine andere Richtung. So stand er da und Bluma erhob sich.

»Siehst du, das meinte ich ...«, murmelte er schwach. »Du bleibst nicht sitzen, auch wenn ich dir Schmerzen bereite. Du missachtest meinen Befehl. Ich konnte ihm seinen Namen nicht entreißen. Einer wie ICH! Kannst du dir das vorstellen?«

Sie stand vor ihm und er roch ihren Schweiß und ihre Weiblichkeit. Seine Schädel drohten zu platzen. Mit den linken Augen suchte er die Lampe, die Holzkiste. Seine Köpfe befanden sich in Aufregung.

Nein, er würde sich nicht kleinreden lassen. Er würde nicht klein beigeben, sich nicht klein machen

Klein

Klein!

Ist sie zu klein für mich?

Bluma begann zu singen. Der Sanfte Jack verharrte regungslos. Er hatte alles erlebt. Sie winselten, bettelten, jammerten, krochen umher, bebten oder heulten im Angesicht der Schmerzen.

Oder sie schwiegen wie der Dämonenmann!

Gesungen hatte noch niemand!

 

Sie fanden diesen Dunklen.

Der nannte sich L-kor

Bestraften ihn mit Feuer,

wie er es gern beschwor.

 

Für den Sanften Jack waren es nur Worte, die er nicht verstand. Sie sang in ihrer eigenen Sprache. Dennoch ergriffen ihn die Töne. Ihre Stimme war rein und klar.

Der Sanfte Jack bewunderte die kleine Barb Bluma.

Sie war so ... tapfer!

Ihr Gesang endete und der Sanfte Jack gab sich einen Ruck. Er stieß einen grellen Ton aus und vier Augen stießen zu, schleuderten Bluma mit schneidender Magie nach hinten, wo sie an die Mauer krachte und daran zu Boden rutschte. Er beugte sich zur Kiste und öffnete sie.

Um Haaresbreite wäre es ihm ergangen wie mit seiner Frau, die er hatte töten müssen. Er hätte zu viel Gefühl gezeigt. Er würde seinen Auftrag erfüllen.

Jetzt erst recht!

 

 

Im Schatten der Drachen
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