Giobá war einer, der sich seit fünfundzwanzig Jahren jeden Morgen und bei jedem Wetter auf sein Rennrad schwang und in die Stadt fuhr, um dort die »Gazzetta dello Sport« zu kaufen. Denn die »Gazzetta dello Sport«, die sie im Dorf verkauften, bot ihm nicht ausreichend Garantien, seriös zu sein.
Dieses tägliche Kilometerfressen – dreißig, mit Hinfahrt in die Stadt und Rückkehr – war seine einzige fixe und anstrengende Arbeit. Die übrige Zeit beschäftigte er sich überall dort, wo sie ihm eine Arbeit anboten, die es ihm erlaubte, in die Stadt zu fahren, die »Gazzetta dello Sport« zu kaufen und den Teil zu lesen, der ihn interessierte, nämlich den über den Radsport.
Giobá war kein Wirrkopf im eigentlichen Sinne, und er war auch kein drolliger Kauz, den man im Kaffee- oder Wirtshaus »in die Mitte nahm«, denn Giobá hörte nur zu, wenn man über Radsport mit ihm redete. Und über den Radsport wußte er alles. Außer der »Gazzetta« las er nämlich jedes bedruckte Stück Papier, auf dem von Rädern oder Radrennfahrern die Rede war. Giobá war vierzig Jahre alt, und seit fünfundzwanzig Jahren, seit er also diesen Tick hatte, war er für die Leute keinen Pfifferling wert. Dann aber erschien plötzlich – dank des Marshallplans zur geistigen Hilfe für den Westen – auf den Fernsehschirmen das amerikanische Spielchen mit den Quizfragen, und alles änderte sich.
Als man nämlich Giobá erzählte, daß an diesem Spielchen ein Typ teilnehmen würde, der als Aufgabengebiet den Radsport ausgewählt hatte, ging auch er ins Wirtshaus zum Molinetto und pflanzte sich vor dem Fernsehgerät auf. Und wie der Radsport an die Reihe kam, gab Giobá, kaum daß der Stimmungsmacher die Frage aus dem Umschlag gezogen und vorgelesen hatte, blitzschnell und mit lauter Stimme die richtige Antwort.
Am ersten Abend wurden die Leute neugierig. Am zweiten, als sie hörten, wie Giobá alle Fragen erriet, war ihr Interesse geweckt. Dann, eine Woche darauf, als das Spielchen schwieriger wurde und der Kandidat mit dem Thema Radsport in eine Kabine ging, waren die Leute aus dem einfachen Grund aufgeregt, daß Giobá wieder die richtige Antwort herausschoß.
Bei der letzten Runde, als der Kandidat also auf die drei berühmten abschließenden Fragen keine Antwort wußte, Giobá jedoch mit den drei richtigen Antworten herausgeplatzt war, betrachteten die Leute Giobá mit Respekt. »Das ist ein FünfMillionen-Mann«, sagten alle.
Aber die Sache war damit nicht zu Ende. Im Gegenteil, sie ging weiter und nahm größere Ausmaße an, weil es irgendeinem Typ gelang, die fünf Millionen zu gewinnen. Und weil der kommunistische Bürgermeister seines Dorfes ihm einen gewaltigen Empfang bereitete, mit Musikkapelle auf dem Hauptplatz und mit einer Rede, in der man den Sieger dieses Spielchens als den Mann begrüßte, der unendlichen Ruhm und Ehre für die Gemeinde von Reggello erworben hatte, und so weiter.
Zu diesem Zeitpunkt beschloß Peppone den Ausnahmezustand und versammelte seinen Befehlsstab.
»Die Partei, der es gelingt, Giobá zu angeln, wird ein ausgezeichnetes Geschäft machen!« behauptete Peppone, »denn Giobá kann das Spiel gewinnen und populär werden. Die Gemeinderatswahlen rücken näher, und Giobás Popularität kann uns sehr nützlich sein. Koste es, was es wolle, Giobá muß einer der Unseren werden!«
Sie diskutierten bis spät in die Nacht hinein, und am nächsten Morgen hielten der Grobe, der Graue und der Schmächtige Giobá auf, wie er sich gerade aufs Fahrrad schwang, um in die Stadt zu fahren und die »Gazzetta« zu kaufen.
»Giobá«, sagten sie zu ihm, »warum trittst du nicht der Kommunistischen Partei bei? Wenn du damit einverstanden bist, geben wir dir die Stelle eines Gemeindestraßenwächters und neue Kleidung.«
Giobá sprang aufs Fahrrad:
»Ich scher mich nicht um Politik«, antwortete er.
Es hatte keinen Sinn, weiter auf ihn einzureden, und die drei gingen. Giobá konnte so in aller Ruhe in die Stadt gelangen, brav seine »Gazzetta« holen und selig ins Dorf zurückkehren.
Doch in der Pappelallee erwartete ihn eine andere Mannschaft, und diesmal waren es die Klerikalen.
»Giobá«, sagten sie zu ihm, »du bist ein gottesfürchtiger Mensch, und deine Pflicht ist es, den Mitgliedsausweis der Partei Gottes zu tragen. Wenn du mit uns gehst, geben wir dir einen Aufseherjob bei AGIP und neues Gewand.«
Giobá schüttelte den Kopf:
»In die Partei Gottes habe ich mich schon eingeschrieben, als ich getauft wurde«, antwortete er.
Es handelte sich um eine wichtige Angelegenheit und um Leute mit einem harten Schädel. Die Roten gingen wieder zum Angriff über und verdoppelten das Angebot: eine Stelle als Straßenbauinspektor, einen kompletten Anzug, einen Mantel und zwölf Taschentücher. Auch die Klerikalen gingen einen Schritt weiter: Anstellung bei AGIP, kompletter Anzug, Mantel, Regenmantel, zwölf Taschentücher und sechs Paar Strümpfe.
Peppone setzte daraufhin alles auf eine Karte und fügte noch ein fabrikneues Rennrad hinzu. Die Klerikalen gaben voller Siegeswillen ein Moped drauf.
»Du wählst die Marke aus, die du willst«, sagten sie zu Giobá, »und wir kaufen es dir.«
»Nein«, antwortete Giobá.
Da verloren sie die Geduld, und der Anführer der Bande brüllte:
»Aber darf man erfahren, was du verlangst? Ein Auto?«
»Ich verlange nichts«, erklärte Giobá. »Ich kümmere mich nicht um Politik. Ich fahr gut mit dem Fahrrad und brauche weder Mäntel noch Regenmäntel.«
Inzwischen waren die Spionage- und Gegenspionageabteilungen eingeschaltet: Die Roten wußten, was die Klerikalen gemacht hatten, und umgekehrt.
Da Giobá nicht nachgab und das Quizspielchen immer populärer wurde, vergaß Peppone, daß er Kommunist, und erinnerte sich daran, daß er der Bürgermeister war. Er berief ins Rathaus eine Versammlung von Vertretern der demokratischen Parteien ein, und als er diese vor sich hatte, hielt er eine wichtige Ansprache:
»Mitbürger!« sagte Peppone. »Wenn die moralischen und materiellen Interessen des Dorfs im Spiel sind, dann muß die Partei schweigen. Wir sind hier versammelt als Bürger, die an das Gemeinwohl denken, und ich spreche als Bürger zu euch. Die strahlende Darbietung des Champions aus Reggello und die edlen Worte jenes Bürgermeisters sagen uns, wie nötig es ist, auf der Stelle ein parteienunabhängiges Komitee zu bilden, um zu ermöglichen, daß auch unser Champion am kulturellen Fernsehwettbewerb teilnehmen und für unsere ruhmreiche Gemeinde die Vorherrschaft unter den Gemeinden der Bassa erringen kann.«
Alle spendeten Beifall ohne Vorbehalt, und das Komitee wurde sofort gebildet. Es bestand aus zehn Personen: fünf rot, fünf klerikal. Noch in derselben Nacht ging das Komitee an die Arbeit und konnte diese schließlich mit einem ermutigenden Tagesbefehl beenden.
Am nächsten Tag marschierte das gesamte Komitee zu Giobás Haus und erklärte ihm die Situation:
»Giobá, hier geht es nicht um Parteien und Politik. Hier geht es um deine persönlichen Interessen und um jene der Gemeinschaft. Du mußt am Fernsehwettbewerb teilnehmen. Wir werden eine Million Versuche unternehmen, und es wird uns gelingen, dich in diesen Wettbewerb einzuschreiben. Und da es um den guten Ruf unseres Dorfes geht, werden wir dich von Kopf bis Fuß neu einkleiden, dich im Auto nach Mailand bringen und dir auch Geld mitgeben. So kannst du für dich fünf Millionen gewinnen und für unsere Gemeinde Ehre und Ruhm. Ganz abgesehen davon, daß die>Gazzetta dello Sport<in Mailand gedruckt wird und du sie somit direkt aus der Druckerei wirst abholen können!«
Giobá schüttelte den Kopf:
»Auch die Zeitung aus der Stadt ist in Ordnung«, brummte er. »Es ist nicht nötig, daß ich nach Mailand fahre.«
Sie sahen ihn alle wie ein Weltwunder an, und sie fragten ihn, ob er vielleicht verrückt geworden war.
»Und die fünf Millionen?« fragten sie ihn: »Du spuckst auf die fünf Millionen?«
»Ich habe gesagt, daß ich mich nicht in die Politik einmischen will«, erklärte Giobá starrköpfig.
»Und was hat denn die Politik damit zu tun? Hier geht es um keine Mitgliedsausweise!«
Giobá schüttelte den Kopf:
»Ihr seid fünf von denen, die mir einen Posten bei der Gemeinde, und ihr seid fünf von denen, die mir einen Posten bei AGIP angeboten haben. Ich traue euch nicht.«
Es war logisch: Peppone mit seinen fünf Roten und Piletti mit seinen fünf Schwarzen marschierten auf das Pfarrhaus zu. Als Don Camillo sie vor sich sah, betrachtete er sie sehr unschlüssig.
»Hochwürden«, sagte Peppone, »ich spreche zu Ihnen als erster Bürgermeister und im Namen aller Bürger jeder politischen Meinung und Klasse. Nur Ihr könnt Giobá überzeugen, daß die Politik nichts damit zu tun hat und daß es ganz einfach nur darum geht, den guten Namen unserer Gemeinde hochzuhalten. Giobá kann den Fernseh-Wettbewerb gewinnen. Es ist daher nötig, daß er sich bereit erklärt, am Quiz teilzunehmen.«
Don Camillo sah Peppone verwundert an:
»Und ihr würdet also den Dorftrottel als Gemeindechampion zu diesem Gewinnspiel hinschicken!« stotterte er.
»Und wen sollten wir sonst hinschicken? Euch etwa?« erwiderte Peppone. »Wißt Ihr, in welchem Monat, an welchem Tag, in welchem Rennen und in welchem Jahr Girardengo in seinem linken Bein Krämpfe hatte?«
»Nein«, gab Don Camillo zu.
»Also dann muß zum Quiz einer gehen, der diese Dinge weiß. Und Giobá weiß das alles, und er kann den Fünf-Millionen-Preis gewinnen.«
»Giobá kann einen Preis von fünf Millionen gewinnen?« staunte Don Camillo. Da mischte sich Piletti ein, der Chef der Klerikalen:
»Hochwürden«, sagte er ziemlich verärgert, »es tut mir leid, Euch an etwas erinnern zu müssen, das Ihr selber gut wissen müßtet, weil es ja nicht in den Wettbewerbsbedingungen des Fernsehens steht:>Selig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreiche«
»Ich mache da einen Unterschied«, erwiderte Don Camillo, »in der Heiligen Schrift steht nicht geschrieben:>Selig die Trottet!«
»Es ist nicht die Zeit, um über solche Kleinigkeiten zu streiten«, rief Peppone, »die Dinge sind nun mal, wie sie sind, und Eure Aufgabe besteht darin, Giobá zu erklären, daß hier Politik und Parteien nicht im Spiel sind.«
Don Camillo breitete die Arme aus:
»Der Wille des Volkes geschehe.«
Giobá kam wie der Blitz, denn er hatte großen Respekt vor Don Camillo, und er hörte ihm mit großer Aufmerksamkeit zu.
»Giobá«, sagte Don Camillo ruhig zu ihm, »wenn ich dir mit meinem Ehrenwort verspreche, daß die Politik nichts mit der Fernsehsache zu tun hat, glaubst du mir dann?«
»Ja, Hochwürden«, antwortete Giobá.
»Und wenn ich mit meinem Ehrenwort verspreche, daß sie dir nur helfen werden, die Millionen für dich und für dein Dorf Ruhm und Ehre zu gewinnen, glaubst du mir?«
»Ja, Hochwürden.«
»Dann nimm an, was sie dir anbieten, und schreib dich für den Wettbewerb ein.«
»Nein, Hochwürden.«
Don Camillo sah ihn entgeistert an.
»Giobá, du willst nicht am Ratespiel teilnehmen! Und warum denn?«
»Weil ich meinen Stolz habe.«
Don Camillo stieß nicht nach. Er ging im Zimmer auf und ab und pflanzte sich dann breitbeinig vor Giobá auf.
»Giobá, wenn du so auf fünf Millionen verzichtest, dann ist es nur gerecht, wenn du einen Preis dafür bekommst: Ich stelle dich als Glöckner ein.«
Die Sache gefiel Giobá sehr. Wahrscheinlich war das der ideale Beruf für ihn. Er dachte gute fünf Minuten darüber nach, dann schüttelte er den Kopf.
»Ich kann nicht, Hochwürden. In der Früh muß geläutet werden, und ich muß in die Stadt fahren, um die>Gazzetta dello Sport<zu holen.«
»Aber die>Gazzetta<, die sie dort verkaufen, ist dieselbe wie diejenige, die es hier gibt!« brüllte Don Camillo.
Giobá begann zu lachen:
»Nein, Hochwürden: Die aus der Stadt ist etwas ganz anderes… «