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Der Riese kannte Richard Nixon.
Hoch aufragend, ein in khakifarbenen Drillich gehüllter Berg von einem Mann - wenn auch mit Schlagseite -, gekrönt von einem gelben, mit grauen Strähnen durchzogenen Schopf, kam er humpelnd näher. Milo machte sich auf einen Angriff gefasst. Ich schaute zu Frank Dollard hinüber und wartete auf ein Signal seinerseits, doch er schien völlig unbesorgt. Seine fleischigen Arme hingen an der Seite herunter, und er verzog nicht einmal die Mundwinkel, jedenfalls nicht so weit dies unter dem grauen, mit Tabakflecken durchsetzten Schnurrbart zu erkennen gewesen wäre. Nur seine Augen waren zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen, aber das waren sie auch schon am Haupttor gewesen.
Der Riese stieß ein sonores Lachen aus, das eher wie ein Rülpser klang. Er strich sich eine fettige Haarsträhne aus dem Gesicht. Sein Bart war ein maisfarbenes Trauerspiel. Und nun konnte ich ihn auch riechen - essigsauer, hormongestresst. Er war mindestens einsachtundneunzig groß und zweihundertsiebzig Pfund schwer. Sein Schatten auf dem Sandboden war eine aschfarbene Riesenamöbe von solchen Ausmaßen, dass wir darin verschwanden.
Er schlurfte noch einen Schritt näher heran, und nun schoss Frank Dollards rechter Arm vor.
Der Hüne schien es nicht einmal zu bemerken. Er stand einfach nur da, während Dollards Arm gegen seinen Bauch prallte. Es waren vielleicht noch ein Dutzend weitere Männer in Khaki auf dem Hof. Die meisten von ihnen standen nur reglos herum, nur ein paar liefen gehetzt hin und her, während andere wankend auf der Stelle verharrten oder ihre Gesichter gegen den Maschendraht pressten. So weit ich sehen konnte, blieb jeder für sich - Gruppen gab es keine. Über ihnen das endlose Blau des Himmels, wo eine gnadenlose Sonne die Wolken versengte. In meinem Anzug fühlte ich mich wie in einer Sauna.
Das Gesicht des Riesen war trocken. Er stieß einen Seufzer aus, ließ die Schultern heruntersacken, und Dollard senkte seinen Arm. Der Riese formte mit den Fingern einen Revolver, richtete ihn auf uns und lachte. Seine Augen waren dunkelbraun, an den Augenwinkeln zusammengekniffen, und das Weiße hatte eine ungesund teigige Färbung.
»Geheimdienst.« Er schlug sich auf die Brust. »Im Schrank und unerkannt im Dienste der Dessous und immer auf der Suche nach dem alten Kumpel Richard Nixon RMN immer rein und immer drauf immer nur das eine wollt’ er Sprüche machen wackeln mit dem Arsch, verduften aus dem Weißen Haus bei Nacht und Nebel Saus und Braus mit Kurt Vonnegut J. D. Salinger der Glass Family und überhaupt mit jedem dem Politik egal war und was wegstecken konnte Cat’s Cradle das hab ich geschrieben und verkauft an Vonnegut für läppische zehn Eier Billy Bathgate hat das Manuskript getippt irgendwann hat er sich verpisst bis nach Vegas kam er dann doch dann gab’s Ärger mit den Hells Angels und zwar nicht zu knapp es ging um ein paar Kröten Vonnegut wollte das Staatsdefizit umtauschen in Kleingeld Rimmin hatte nichts dagegen doch die Angels wurden sauer und wir mussten ihn da rauszerren, ich und Kurt Vonnegut Salinger war nicht dabei Doctorow sägte an dem Katzenkorb doch das waren fiese Katzen, die ihn lieber heut als morgen umgepustet hätten leewärts den Oswald Harvey.«
Er beugte sich vor und zog sein Hosenbein hoch. Unterhalb des Knies war der nackte Knochen zu sehen, nur bedeckt von einer dünnen Schicht Narbengewebes. Der Großteil der Wade war weggerissen. Ein naturgewachsenes Holzbein.
»Bin angeschossen worden, als ich den alten Rimmin beschützt habe«, sagte er. »Gestorben ist er trotzdem der arme Richard kein Almanach kann einem sagen, was passiert ist hat zu hart gerimmt und gerammt er konnte es nicht lassen.«
»Chet«, sagte Dollard und reckte sich, um dem Riesen die Schulter zu tätscheln.
Der Riese wurde von einem Schauder gepackt. In den Muskeln an Milos Unterkiefer schienen kleine Kirschen zu tanzen. Seine Hand war dort, wo seine Waffe stecken würde, hätte er sie nicht am Eingang abgegeben.
Dollard sagte: »Gehst du heute noch ins Fernsehzimmer, Chet?«
Der Riese wankte ein wenig. »Ahh …«
»Ich denke, du solltest mal ins Fernsehzimmer gehen, Chet. Da kommt heute ein Film über Demokratie. Wir singen nachher auch die Nationalhymne, und da könnten wir jemand mit ‘ner guten Stimme gebrauchen.«
»Klar, Pavarotti«, sagte der Riese mit einem Mal freudig. »Der und Domingo waren im Cesar’s Palace was dabei rauskam hat ihnen nicht gefallen Rimmin hat mal wieder seine Gesangsübungen nicht gemacht Ii Ii Ii la la la kein Eigelb um die Stimmbänder zu ölen Pavarotti war sauer dass er keine Lust mehr hatte für ein öffentliches Amt zu kandidieren.«
»Na klar«, sagte Dollard und zwinkerte Milo und mir zu.
Der Riese drehte uns dreien den Rücken zu und blickte starr auf die öde hellbraune Fläche des Hofes. Ein kleiner dicker Mann mit dunklen Haaren hatte sich die Hosen heruntergezogen und pinkelte in den Schmutz, wodurch sich kleine Staubwolken am Ort des Geschehens in die Luft erhoben. Von den übrigen Männern in Khaki schien niemand Notiz davon zu nehmen. Das Gesicht des Riesen war plötzlich wie versteinert.
»Nass«, sagte er.
»Mach dir deswegen keine Gedanken, Chet«, sagte Dollard sanft. »Du kennst doch Sharbno und seine Blase.«
Der Riese erwiderte nichts, doch Dollard musste irgendein Zeichen gegeben haben, denn mit einem Mal kamen aus der Ecke am anderen Ende des Hofes zwei Pfleger - ein Weißer und ein Schwarzer - angetrabt. Sie waren ebenso muskulös wie Dollard, doch um einiges jünger und trugen die gleiche Uniform, bestehend aus kurzärmeligen Sporthemden, Jeans und Turnschuhen. Vom Laufen in der Hitze glänzten ihre Gesichter schweißnass. Milos Sportjacke war an den Achseln durchweicht, wohingegen der Riese keinen einzigen Schweißtropfen abgesondert hatte.
Die Muskeln in seinem Gesicht spannten sich noch weiter an, während er dem pinkelnden Mann zuschaute, wie er die letzten Tropfen abschüttelte und dann im Entengang - die Hosen immer noch um die Knöchel baumelnd - über den Hof watschelte.
»Nass.«
»Wir kümmern uns drum, Chet«, versuchte Dollard ihn zu beschwichtigen.
Der schwarze Pfleger sagte: »Ich zieh ihm mal die Hosen hoch.«
Er schlenderte auf Sharbno zu. Der weiße Pfleger blieb bei Chet. Dollard tätschelte ihm noch einmal die Schulter, und wir gingen weiter.
Zehn Meter weiter drehte ich mich um. Die Pfleger standen nun zu beiden Seiten von Chet. Doch der Riese hatte mittlerweile eine andere Haltung eingenommen - seine Schultern waren hochgezogen, der Hals in die Höhe gereckt, während er noch immer auf die Stelle starrte, wo Sharbno gestanden hatte.
Milo sagte: »Ein Kerl von dieser Größe - wie halten Sie den unter Kontrolle?«
»Wir halten ihn nicht unter Kontrolle«, sagte Dollard. »Das macht das Clozapine. Letzten Monat ist seine Dosis erhöht worden, nachdem er die Scheiße aus einem anderen Patienten rausgeprügelt hat. Ungefähr ein Dutzend Knochen hat er ihm gebrochen.«
»Vielleicht braucht er sogar noch mehr«, sagte Milo. »Warum?«
»Na ja, allzu zusammmenhängend hört sich nicht an, was er da von sich gibt.«
Dollard lachte leise vor sich hin. »Zusammenhängend.« Er warf mir einen Blick zu. »Wollen Sie wissen, wie hoch seine tägliche Dosis ist, Doktor? Vierzehnhundert Milligramm. Selbst bei seinem Körpergewicht ist das ziemlich großzügig, meinen Sie nicht?«
»Normalerweise liegt die Höchstdosierung bei neunhundert«, erklärte ich Milo. »Bei den meisten Leuten wirkt ein Drittel davon schon Wunder.«
Dollard sagte: »Er war auf elfhundert Milligramm, als er dem anderen Insassen das Gesicht zermatscht hat.« Dollards Brust blähte sich ein wenig auf. »Wir überschreiten andauernd die empfohlene Maximaldosis; von den Psychiatern heißt es dann immer: >Kein Problem<.« Er zuckte mit den Achseln. »Kann sein, dass Chet noch mal raufgesetzt wird. Wenn er sich wieder was zu Schulden kommen lässt.«
Wir setzten unseren Weg fort und kamen dabei an weiteren Insassen vorbei. Ihre Haare waren ungekämmt, ihre Münder schlaff, die Augen leer und ihre Uniformen fleckig. Keine Spur von irgendwelchen Bodybuildern mit stählernen Muskelpaketen, wie man sie in Gefängnissen sieht. Diese Körper waren schwammig und gebeugt und wirkten, als hätte man die Luft aus ihnen herausgelassen. Ich spürte im Hinterkopf, dass ich beobachtet wurde, und als ich zur Seite blickte, sah ich, wie mich ein Mann anstarrte, dessen Augen den wirren Glanz eines Propheten hatten und dessen Brust von einem dichten schwarzen Bart bedeckt wurde. Dort, wo die Gesichtsbehaarung aufhörte und die Wangen lagen, taten sich tiefe aschgraue Kuhlen auf. Unsere Blicke trafen sich. Mit steifen Armen und wackelndem Kopf kam er auf mich zu. Er machte den Mund auf. Kein einziger Zahn war zu sehen.
Er kannte mich nicht, doch sein Blick war voller Hass und Abscheu.
Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Ich ging schneller. Dollard bemerkte es und reckte das Kinn in die Höhe. Augenblicklich blieb der bärtige Mann stehen. Wie angewurzelt stand der da in der sengenden Sonne und rührte sich nicht vom Fleck. Das rote Schild mit der Aufschrift »Ausgang« war noch etwa hundertfünfzig Meter entfernt. Dollards Schlüsselring klapperte. Weit und breit kein weiterer Pfleger. Wir gingen weiter. Wundervoller Himmel. Keine Vögel in der Luft. Irgendwo begann eine Maschine irgendetwas zu zermahlen.
Ich sagte: »Das, was Chet so von sich gibt, lässt ja durchaus auf eine gewisse Bildung schließen.«
»Was, weil er von irgendwelchen Büchern plappert?«, erwiderte Dollard. »Ich glaube, er war auf dem College, bevor er ausgetickt ist. Seine Familie hatte wohl eine gewisse Bildung.«
»Wieso ist er hier gelandet?«, fragte Milo mit einem Blick nach hinten.
»Aus dem gleichen Grund wie alle anderen auch.« Dollard kratzte sich an seinem Schnurrbart und ging in gleichmäßigem Tempo weiter. Der Hof war riesig. Wir hatten gerade mal die Hälfte des Weges hinter uns gebracht und dabei weitere tote Augen, erstarrte Gesichter und wirre Blicke passiert, bei deren Anblick sich mir die Nackenhaare hochstellten.
»Zieh dir nichts an, was khakifarben oder braun ist«, hatte Milo gesagt. »Das tragen nämlich die Insassen, und wir wollen ja nicht, dass sie dich nicht mehr rauslassen - obwohl das ja wohl nicht ganz uninteresssant wäre, oder? Ein Psychoklempner, der denen versucht klarzumachen, dass er nicht verrückt ist?«
»Aus dem gleichen Grund wie alle anderen?«, sagte ich.
»Nicht verhandlungsfähig«, sagte Dollard. »Typischer Fall für die Kategorie 1026.«
»Wie viele von der Sorte haben Sie denn hier?«, sagte Milo.
»Zwölfhundert oder so. Der alte Chet ist eher ‘n trauriger Fall. Er hat auf einem Berg in der Nähe der mexikanischen Grenze gelebt - war so was wie ’n Einsiedler, der in Höhlen schläft, irgendwelches Grünzeug futtert und all so’n Kram. Und irgendwann hatten zwei Camper halt das Pech, dass sie zum falschen Zeitpunkt in der falschen Höhle aufgekreuzt sind und ihn aufgeweckt haben. Er hat sie in Stücke gerissen - mit bloßen Händen. Die Arme des Mädchens hatte er schon abgerissen und war gerade dabei, das Gleiche mit ihrem einen Bein zu veranstalten, als sie ihn gefunden haben. Ein Parkranger oder der Sheriff hat ihm mit einer Schrotflinte ins Bein geschossen, als sie angestürmt kamen, und deswegen sieht das so aus. Bei seiner Festnahme hat er keinen Widerstand geleistet, sondern saß einfach nur neben den abgerissenen Körperteilen und sah aus, als hätte er Angst, dass jemand ihn schlagen würde. Mit sowas ist es natürlich kein großes Problem, bei den 1026ern zu landen. Drei Jahre ist er jetzt hier. Die ersten sechs Monate hat er nichts weiter getan, als zusammengerollt dazuliegen, zu heulen und seinen Daumen zu lutschen. Wir mussten ihn mit Infusionen ernähren.«
»Und jetzt drischt er Leute zusammen«, sagte Milo. »Immerhin ein Fortschritt.«
Dollard spreizte seine Finger. Er war Ende fünfzig, stämmig und braun gebrannt und hatte allem Anschein nach kein Gramm Fett zu viel am Leib. Die Lippen unter seinem Schnurrbart waren schmal und spröde und machten einen amüsierten Eindruck. »Was sollten wir denn Ihrer Ansicht nach mit ihm machen? Ihn rausschleifen und abknallen?«
Milo stieß ein Knurren aus.
Dollard sagte: »Klar, ich weiß, was Sie denken: Nichts wie weg mit dem Dreck. Und Sie würden sich auch liebend gern für ein Erschießungskommando zur Verfügung stellen.« Er lachte verhalten. »Typisches Bullendenken. Ich hab selbst zehn Jahre lang Streife geschoben - in Hemet -, und bevor ich hier herkam, hätte ich haargenau das Gleiche gesagt. Aber jetzt bin ich seit zwei Jahren hier, und mittlerweile weiß ich, wie die Wirklichkeit aussieht: Manche von den Typen hier sind wirklich krank.« Er berührte seinen Schnurrbart. »Der alte Chet ist kein zweiter Ted Bundy. Er konnte genauso wenig was dafür wie ein kleines Baby, das sich die Windeln voll macht. Das Gleiche gilt für den alten Sharbno da drüben, der in den Dreck gepisst hat.« Er tippte sich gegen die Schläfe. »Da gibt’s irgendwo hier einen Kurzschluss, und schon werden manche Leute zu Müll. Und das hier ist die Müllhalde.«
»Haargenau aus diesem Grund sind wir ja hier«, sagte Milo.
Dollard zog eine Augenbraue in die Höhe. »Davon weiß ich nichts. Unser Müll wird nicht abgeholt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie wir Ihnen in Bezug auf Dr. Argent helfen könnten.«
Wieder spreizte er seine Finger. Seine Nägel waren dicke gelbliche Hornplatten. »Ich mochte Dr. Argent. War ‘ne wirklich nette Dame. Aber umgekommen ist sie da draußen.« Er deutete wahllos herum. »Da draußen, in der zivilisierten Welt.«
»Haben Sie mit ihr zusammengearbeitet?«
»Nicht regelmäßig. Wir haben uns gelegentlich über einzelne Fälle unterhalten. Wenn ein Patient irgendwas brauchte, hat sie mir Bescheid gesagt. Aber ich habe eine ganz gute Menschenkenntnis. Sie war ‘ne nette Dame. Ein bisschen naiv, aber sie war ja noch neu.«
»Naiv in welcher Hinsicht?«
»Sie hat eine Gruppe aufgezogen. Fertigkeiten im Alltag. Wöchentliche Diskussionen, die angeblich ein paar von den Typen helfen sollten, sich besser in der Welt zurechtzufinden. Als ob irgendeiner von denen jemals rauskäme.«
»Und sie hat die Gruppe selbst geleitet?«
»Sie und jemand vom Pflegepersonal.«
»Wer war das?«
»Ein Mädchen namens Heidi Ott.«
»Zwei Frauen allein mit einer Meute von Mördern?«
Dollard lächelte. »Der Staat sagt, da kann nichts passieren.«
»Sie denken aber anders darüber?«
»Fürs Denken werde ich nicht bezahlt.«
Wir näherten uns dem Maschenzaun. Milo sagte: »Irgendeine Idee, warum da draußen in der zivilisierten Welt jemand hingeht und Dr. Argent umbringt? So als Ex-Bulle.«
Dollard sagte: »Von dem, was Sie mir erzählt haben - die Art und Weise, wie sie gefunden wurde, im Kofferraum eines Wagens, nachdem jemand sämtliche Spuren beseitigt hat - würde ich sagen, hier war ein Soziopath am Werk, oder? Jemand, der verdammt genau wusste, was er tat, und der auch noch seinen Spaß dabei hatte. Also eher ein 1368er als ein 1026er - der gemeine nichtsnutzige Kriminelle, der einen auf geisteskrank macht, in der irrigen Annahme, dass er’s hier leichter haben wird als im Knast. Von denen haben wir zwei- oder dreihundert, wenn nicht sogar mehr, oben im fünften Stock - hauptsächlich wegen dem >Three Strikes< Gesetz* [Eine Besonderheit der kalifornischen Rechtsprechung, wonach ein Straftäter nach der dritten Verurteilung für 25 Jahre hinter Gitter muss.]. Die kommen hier an, sabbern aus dem Mund und veranstalten ein Heidentheater, schmieren ihre Scheiße an die Wände und müssen ziemlich schnell erfahren, dass sie die Ärzte hier nicht verarschen können. Weniger als ein Prozent kommt mit der Masche durch. Die offizielle Testperiode dauert neunzig Tage, aber ‘ne Menge von ihnen wollen dann doch lieber früher wieder hier raus.«
»Hat Dr. Argent im fünften Stock gearbeitet?«
»Nee. Ihre Leute waren alles 1026er.«
»Außer totalen Irren und den Verlierern für neunzig Tage - was haben Sie sonst noch hier?«, sagte Milo.
»Wir haben immer noch ein paar geistesgestörte Sexualstraftäter«, sagte Dollard. »Pädophile und so’n Dreck. Vielleicht dreißig insgesamt. Früher hatten wir mehr, aber die Gesetze werden andauernd geändert - steckt sie hier rein, nee lieber doch nicht, packt sie in den normalen Vollzug, hoppla, lieber doch wieder hierher, nee-nee ab in den Knast. Mit denen hat sich Dr. Argent aber auch nicht abgegeben, zumindest nicht, dass mir das aufgefallen wäre.«
»Also, so wie Sie die Sache sehen, hat das, was ihr passiert ist, auf gar keinen Fall mit ihrer Arbeit hier zu tun?«
»Haargenau. Selbst wenn einer von ihren Jungs rausgekommen wäre - was nicht passiert ist -, hätte keiner von denen sie umbringen und in einen Kofferraum stopfen können. Keiner von denen ist zu so einer Planungsleistung überhaupt fähig.«
Wir waren am Tor angekommen. Braun gebrannte Männer standen reglos herum wie Schachfiguren. Die Maschine in der Ferne mahlte unbeirrt weiter.
Dollard machte eine wegwerfende Handbewegung in Richtung Hof. »Ich sage nicht, dass diese Jungs da harmlos sind, selbst mit all dem Dope, was wir in sie reinpumpen. Die armen Schweine brauchen nur genug abzudrehen, und schon sind sie zu allem Möglichen fähig. Aber nur so zum Spaß jemanden umbringen - nein. So weit ich das mitbekommen habe, haben sie nicht allzu viel Spaß am Leben schlechthin. Punkt. Wenn man das, was sie veranstalten, überhaupt Leben nennen kann.«
Er räusperte sich und schluckte den Schleim herunter. »Da macht man sich schon ab und zu Gedanken, warum Gott sich überhaupt die Mühe gemacht hat, so einen Haufen zu erschaffen.«