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Ich erhob mich abrupt. »Was ist hier eigentlich los?«
Im Augenwinkel sah ich Joffs dreckiges Grinsen.
Jemand legte eine Hand auf meinen linken Unterarm. Akina. »Kay, beruhig dich. Wir erklären es dir gleich.«
»Wir?« Ich starrte Akina an.
Sie seufzte und warf Doc einen bissigen Blick zu. »Ich dachte, du wolltest sie darauf vorbereiten?«
Doc errötete und schob sich nervös die Brille auf der Nase zurecht. »Die Zeit wurde knapp.«
Akina schüttelte den Kopf, die Enttäuschung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Als sie mich ansah, wandelte sich ihr gereizter Ausdruck zu einem bittenden. Im Zelt herrschte eine angespannte Stille.
»Ich schwöre dir, das alles ist auch in deinem Sinne«, sagte sie leise.
Ich zögerte. Atmete tief durch. Erwartungsvolle Blicke ruhten auf mir und sorgten dafür, dass sich mein Brustkorb furchtbar eng anfühlte. Schließlich setzte ich mich wieder. Akina atmete erleichtert aus und lächelte zittrig. Ich blickte zu Doc. Er rang die Hände ineinander, ein leichter Schweißfilm stand auf seiner Stirn. Es roch stark nach Nervosität, Unruhe und auch Joffs Häme nahm ich wahr. Eine seltsame Mischung, die in meiner Nase kribbelte.
»Los, erzähl.«
Er nickte und lächelte mich verunsichert an. »Wie ich bereits sagte, sind wir inzwischen wesentlich besser organisiert. Jeder dieser Männer«, Doc blickte in die Runde, »repräsentiert einen Quadranten innerhalb der Kristallstadt. Sie sind die Wächter eines vorher festgelegten Bereichs und koordinieren die Aufgaben, die dem jeweiligen Quadranten zugeteilt werden. Außerdem nehmen sie Beschwerden entgegen und tragen sie diesem Rat vor, damit wir gemeinsam abstimmen können. Dieses System lässt sich leichter organisieren, als jedes Mal die gesamte Gemeinschaft zusammenzurufen.«
»Dazu haben wir ohnehin nicht ausreichend Platz«, sagte einer der Männer, der mir gegenübersaß. Seine Haare waren bereits ergraut, das freundliche Gesicht von Falten durchzogen und die buschigen Augenbrauen waren in der Mitte zu einer einzigen zusammengewachsen. Er trug typische Felsenstadtkleidung, zwar nicht die eines Gardisten, aber den dünnen Leinenstoff kannte ich noch zu gut. Sein Lächeln war sympathisch.
»Genau, Martin«, sagte Doc und tauschte mit dem Mann einen gütigen Blick. Schließlich wandte er sich wieder an mich. »Wir brauchten eine gewisse Ordnung, damit hier nicht das Chaos ausbricht.« Er nickte, wie um seine eigenen Worte zu bestätigen, und schaute mich erwartungsvoll an.
»Und was hat das mit mir zu tun?«, fragte ich, als sich das Schweigen in die Länge zog. Jetzt schienen wir zum unangenehmen Teil der Geschichte zu kommen, denn Doc holte tief Luft. Ich rang die Hände ineinander.
»Was ich dir bisher erzählt habe, ist noch nicht alles. Wir haben feste Arbeitsgruppen, die sich auf bestimmte Aufgaben spezialisiert haben und dafür im Rotationsverfahren eingesetzt werden. Jetzt findet das Ganze natürlich in größerem Stil statt als früher.« Doc lächelte, doch ich reagierte nicht. Wartete.
Er rückte abermals die Brille zurecht. »Nun, aber eine der wichtigsten Veränderungen betrifft die Spezialeinheit im Bereich Kampf und Verteidigung der Kristallstadt. Seitdem wir zahlreiche Leute verloren haben – oder verloren glaubten – «, er lächelte erleichtert, »mussten wir umstrukturieren. Wir erkannten, dass wir professioneller werden mussten, wenn wir den Leuten hier tatsächlich Schutz bieten wollten. Unsere Mittel waren begrenzt und unser Wissen beschränkte sich zu diesem Zeitpunkt auf das, was Sim euch beigebracht hatte. Kurzum, wir waren recht hilflos, während über unseren Köpfen ein Krieg ausbrach.«
Doc seufzte, als würde ihm allein die Erinnerung noch immer Schmerzen bereiten. »Es war eine harte Zeit, bis langsam, nach und nach, immer mehr Menschen zu uns stießen. Hilfreiche Menschen. Freunde.« Doc deutete auf den Mann direkt neben ihm; dunkelblond, schmale Gesichtszüge. »Das ist Dan aus Sektor 2. Ein Techniker, der uns die Spitzentechnologie des Centro um ein ganzes Stück näher gebracht hat.« Der Mann lächelte zögerlich. »Oder Joff, dem wir es zu verdanken haben, die Strategien der Felsenstadt besser nachvollziehen zu können. Was hätte uns Besseres passieren können, als einen von Jordans Beratern auf unserer Seite zu haben?«
Meine Kehle schnürte sich zu. Joff grinste breit und selbstzufrieden. Ja, er schien genau zu wissen, welchen Wert er für die Gemeinschaft hatte.
»Genau wie Life, Zigg und Matt. Ebenfalls aus Sektor 2. Die Informationen, die wir durch euch erhalten haben, waren Gold wert, genau wie der Zugang zu den Datenbanken des Centro.« Die drei Männer lächelten mir vom anderen Ende des Tisches verlegen zu. Sie waren schmächtig und blass. Sicherlich hatte ihre Haut niemals Sonnenlicht gesehen. »Es wäre müßig, alle aufzuzählen, die uns unterstützt haben und durch die wir unser Verteidigungssystem perfektionieren konnten. Heute vermag ich mit Stolz zu sagen: Die Bewohner der Stadt sind sicher.«
Die Männer klopften bestätigend mit ihren Fäusten auf den Tisch, einige klatschten.
»Aber es ging ja nicht nur darum, die Leute hier zu schützen, sondern auch weiteren Schäden vorzubeugen. Unsere Lieben zu retten. Doch von hier aus konnten wir nichts für sie tun. Unsere Möglichkeiten waren trotz unserer stetigen Neuerungen nicht die besten. Es war niemals unser Ziel, in den Krieg zu ziehen. Dann wären wir nicht besser als die beiden streitenden Parteien. Nein, unser Ziel ist es, zu manipulieren und dem Krieg auf unsere Art ein Ende zu setzen oder wenigstens ein paar Menschenleben zu retten.«
»Wie?« Ich blickte ihn unruhig an.
»Wir begannen nach und nach das Centro zu infiltrieren und von innen her die Strippen zu ziehen. Inzwischen haben wir fast einen kompletten Bereich in Sektor 2 übernommen, von dem aus wir agieren.«
»Ihr habt einen Bereich in Sektor 2 übernommen?«, fragte ich. Unwillkürlich musste ich an Dr. Slotan und ihre strengen Sicherheitsvorkehrungen denken. Es schien mir äußerst unwahrscheinlich, dass ihr etwas Derartiges entgehen würde.
»Das ist relativ leicht zu erklären.« Doc deutete auf die große Landkarte. »Siehst du hier diesen großen Abschnitt?«
Ich nickte.
»Das ist Sektor 2.«
»Was?« Der Bereich, auf den Doc zeigte, nahm mehr als ein Viertel der gesamten Karte ein.
»Ja, er ist weitaus umfassender als anfänglich gedacht. Bis der Krieg ausbrach, hatten wir keine genauen Aufzeichnungen über seine Größe. Schau, hier an dieser Stelle ist Jordan mit seinen Leuten eingefallen und hat so den Sektor in zwei Teile gesplittet.« Docs Hand fuhr einmal quer durch den gesamten Kartenabschnitt. »In dem hinteren Bereich hier befinden sich hauptsächlich Dr. Slotans Labore. Sie sind sehr gut geschützt. Die Gebiete auf der anderen Seite waren kleine, eher unwichtige Forschungsprojekte. Zumindest scheint es so, weil das Centro sie sofort abgestoßen hat. Nur wenige Labore in diesem Abschnitt blieben von der Zerstörung durch Jordan verschont, doch sie standen vollkommen leer. Dank der Centro-Techniker, die sich auf unsere Seite geschlagen haben, konnten wir den Bereich einnehmen und dem Centro glaubhaft vermitteln, dass wir eine letzte Bastion überlebender Wissenschaftler sind.«
Doc grinste, doch ich konnte nur zweifelnd den Kopf schütteln. »Und ihr habt keine Angst, dass jemand aus dem Centro vorbeischaut, um nach dem Rechten zu sehen? Wie glauben sie, dass ihr derart abgeschottet überlebt? Was sollt ihr essen oder trinken?«
Entnervtes Seufzen. Ich versuchte die bohrenden Blicke, so gut es ging, zu ignorieren. Einzig Docs Lächeln geriet noch immer nicht ins Wanken.
»Die Nahrungsmittelzuteilung in Sektor 2 erfolgt vollautomatisch, im Gegensatz zu Sektor 3 und 4. Über ein Schleusensystem werden wir mit allem, was wir brauchen, versorgt. Anfänglich funktionierte es nicht, aber wir konnten es wieder instand setzen. Was deine andere Frage angeht: Nein, das Centro ist unsere geringste Sorge. Das Labor befindet sich zwar in der Nähe von Sektor 1, aber noch immer im Kriegsgebiet. Das allein hält sie schon davon ab, zu uns rauszukommen. Außerdem geben wir Informationen direkt von der Front, das kommt dem Centro äußerst gelegen.«
»Und was ist mit Jordan? Ich meine, wie du schon sagtest, ihr befindet euch mitten im Kriegsgebiet. Wieso sollte er es tolerieren, dass ihr ihn ausspioniert und dort euer Lager aufgeschlagen habt?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Ignorierte die Kälte, die mir von allen Seiten entgegenschlug.
»Jordan hat uns bisher noch nicht entdeckt«, sagte Doc zähneknirschend.
»Bisher?« Ich hob beide Augenbrauen.
»Das Labor ist gut gesichert und liegt etwas verborgen in einem Bereich, der für Jordan nicht interessant ist. Er versucht an Stellen, die zugänglicher sind, in Sektor 1 einzudringen. Von unserem Lager aus würde es keine Vorteile bringen. Zumindest nicht für ihn, da er nicht über die Informationen verfügt, die wir haben.«
»Was soll das bedeuten?«
»Kay, eins nach dem anderen.« Doc lachte gekünstelt.
Ich runzelte die Stirn. »Okay, aber was macht ihr von dort aus?«
Doc setzte sich, schien sich langsam zu entspannen. »Wir organisieren Flüchtlingstransporte, erhalten wichtige Informationen zum aktuellen Kriegsgeschehen und sind unmittelbar an Entscheidungen beteiligt, die die umliegenden Tunnel betreffen.«
»Und das ist bisher niemandem aufgefallen? Hattet ihr keine Angst, dass einer der Eingeschleusten euch verrät?« Ein skeptisches Stimmchen in meinem Inneren stellte diese Frage. Über die Zeit hatte ich gelernt, dass es tückisch sein konnte, sich auf andere zu verlassen, auch wenn man noch so sehr auf sie zählen wollte.
»Bist du etwa eine Verräterin, Kay? Gehörst du zu den Menschen, denen man lieber nicht vertrauen sollte?« Joff hatte sich leicht über den Tisch gebeugt und taxierte mich. Spott und Hohn lagen in den hervorstehenden Augen.
Ich erwiderte seinen Blick ernst. »Welche Rolle spielt das, Joff?« Ich betonte seinen Namen genauso, wie er es zuvor mit meinem getan hatte. Hart und den letzten Buchstaben lang gezogen. »Ich bin schließlich nicht diejenige, die im Centro sitzt und auf die ihr blind vertrauen müsst.«
Leises Raunen erklang, die Gesichter wurden zunehmend angespannt. Fragend wanderten einige Augen zu Doc, der fahrig die Hände ineinander wrang.
»Nun …«, begann er und räusperte sich.
Langsam dämmerte mir, worauf das Ganze hinauslief. »Ihr wollt, dass ich für euch ins Centro gehe?«
Am Tisch herrschte einen Augenblick betretenes Schweigen.
»Wenn du das so sagst, klingt es, als würden wir dich zwingen«, entgegnete Doc. Ich bemerkte den leicht krächzenden Tonfall in seiner Stimme. Vermutlich hatte er mit mehr Euphorie gerechnet. »Wenn ich Akina richtig verstanden habe, dann war sowieso geplant, dass ihr beide ins Centro geht, oder nicht?«
Ich blickte Akina fragend an.
»Ja, Doc und ich haben eine Übereinkunft getroffen. Oder vielmehr eine Abmachung.«
»Was für eine Abmachung?«, fragte ich leise. Langsam schien es zur Gewohnheit zu werden, dass ich übergangen wurde. Ärger machte sich in meinem Inneren breit.
Noch bevor Akina antworten konnte, schaltete sich Doc wieder ein. »Der einzige Sektor, in den wir bisher noch nicht eindringen konnten, ist Sektor 1. Die Sicherheitsvorkehrungen sind einfach zu streng. Doch vor Kurzem haben wir erfahren, dass eine der Wissenschaftlerinnen von Jordan entführt wurde. Bisher wurden keine Forderungen gestellt, und so sucht man noch immer nach ihr. Sie hat hauptsächlich allein gearbeitet, wenn wir die Daten richtig deuten. Die Wissenschaftler in den Überwachungszentren sind meist etwas ab vom Schuss und pflegen keine besonders intensiven, persönlichen Beziehungen.«
»Und ich soll diese Wissenschaftlerin ersetzen? Das meiste klingt für mich nach Mutmaßungen«, sagte ich fassungslos.
»Nun, du würdest zu den angegebenen Daten passen. Wir müssten nur geringfügige Abwandlungen vornehmen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Informationen stimmen, die wir erhalten haben. Außerdem«, Doc stockte, »wissen wir um deine Gaben, die für unsere Zwecke extrem hilfreich wären.«
»Welche Zwecke?«
»Wir wollen wissen, wer die Centro-Führung ist«, antwortete Martin und blickte mich forschend an. Röte schoss mir in die Wangen.
»Aha …« Was sollte ich dazu sagen?
»Was, wenn sie uns verrät?«, fügte Joff mit bösartigem Tonfall hinzu.
Doc seufzte. »Das haben wir doch schon unzählige Male besprochen. Ich kann keine Versprechungen machen, dass es klappt, aber es ist eine Möglichkeit.«
»Ich glaube immer noch, dass Jolinda aus meinem Quadranten die bessere Wahl wäre«, sagte Joff.
Doc blickte ihn genervt an. »Jolinda mag eine gute Kämpferin sein, aber wir sind uns doch alle einig, dass sie nicht über Kays Gaben verfügt. Wir haben wahrscheinlich nur einen Zeitraum von wenigen Wochen, bis unser Schwindel auffliegt. In dieser Zeit möchte ich aus Sektor 1 so viele Informationen wie möglich gewinnen. Wir müssen effektiv arbeiten.«
»Bis ich auffliege?« Ich schüttelte entgeistert den Kopf.
»Es kann natürlich sein, dass du auffliegst. Doch bevor sie in Sektor 1 etwas unternehmen können, ist unsere Zentrale in Sektor 2 informiert und schafft dich da raus.«
Das alles klang für mich nach einem äußerst dummen Plan, der großteils auf Vermutungen beruhte.
»Akina wird in der Zentrale von Sektor 2 untergebracht und regelmäßig mit dir Kontakt aufnehmen«, fügte Doc hinzu, als würde das die Situation besser machen. Die Luft in dem Zelt, das mir auf einmal furchtbar eng vorkam, knisterte vor Anspannung. Alle Blicke hafteten auf mir.
»Sie will offensichtlich nicht«, giggelte Joff und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Also das Angebot steht weiterhin. Jolinda ist bereit.«
»Nein! Jetzt sei still, Joff!«, knurrte Doc an ihn gewandt. Als er mich ansah, beugte er sich über den Tisch in meine Richtung. »Überleg doch mal, Kay. Du wirst in Sektor 1 kommen und endlich all das erfahren, was du immer wissen wolltest.« Er deutete auf Akina. »All das, was ihr immer wissen wolltet.«
Akina flehte stumm, als wir uns ansahen. Sie musste nichts sagen.
»Nehmen wir mal an, ich sage zu. Wie, bitteschön, soll ich eine Wissenschaftlerin ersetzen? Und selbst wenn, meint ihr nicht, gerade im Centro würden sie mich erkennen?« Docs Miene wandelte sich, nahm einen hoffnungsvollen Ausdruck an.
»Du wirst vorher entsprechend geschult, erhältst von unseren Computergenies eine Einweisung in die Gegebenheiten. Und keine Sorge, was die wissenschaftlichen Kenntnisse betrifft. Die Frau, die du ersetzen sollst, hat lediglich einen Abschnitt bewacht. Sie hat keinen besonderen Forschungsauftrag innerhalb des Sektors. Was dein Aussehen betrifft, brauchst du dir auch keine Sorgen zu machen. Seit ich dich das letzte Mal gesehen habe, hast du dich derartig verändert. Es ist unwahrscheinlich, dass dich jemand erkennt. Außerdem werden wir an deinem Äußeren noch einige … Anpassungen vornehmen. Nur Kleinigkeiten, mach dir keine Sorgen.«
»Wenn ihr in der Lage seid, mich ausreichend zu schulen, warum wollt ihr dann noch so viel über das Centro wissen? Anscheinend seid ihr bestens informiert.«
Doc flocht die Finger ineinander. »Nun, ich muss zugeben, dass viele unserer Informationen auf Gerüchten beruhen. Wie gesagt, der Sektor ist besser abgeschottet als jeder andere. Du bist unsere einzige Chance.«
Ich schnaubte. »Ich soll also aufgrund von Angaben, die auf Mutmaßungen beruhen, ins Centro gehen, mich in den am besten bewachten Sektor begeben und die Centro-Führung ausspionieren. Als eine Frau getarnt, die ohnehin nicht viel zu sagen hat.«
»Eben deswegen brauchen wir dich.«
»Was genau soll ich tun?«
Doc deutete auf seine Ohren. Ich schluckte hart und dachte an Kandras’ Worte, wie gefährlich die übermäßige Nutzung dieser Gabe war. Warum hatte Akina ihm nicht gesagt, dass ich kaum noch auf diese Fähigkeit zurückgriff? Seit meiner Wandlung war sie noch schwerer zu beherrschen und Akina wusste das.
»Selbst wenn du nicht weiter zu ihnen vordringen kannst, wird das, was du hörst, uns großen Aufschluss darüber geben, was im Inneren von Sektor 1 vorgeht.«
»Doc, wirklich … ich kann das nicht.« Enttäuschung schlug mir von allen Seiten entgegen; von Akina, Doc und allen anderen, in deren Blicken eben noch Hoffnung gelegen hatte.
Nur Joff lachte. »Das ist sie also? Deine mutige Kriegerin? Deine Freiheitskämpferin? Doc, ehrlich gesagt hatte ich mich darauf eingestellt, sie heute genau unter die Lupe zu nehmen und zu prüfen, ob wir die richtige Entscheidung treffen. Doch gerade eben hat sie sich selbst disqualifiziert.« Wieder dieses Lachen.
»Ich hatte mir auch mehr versprochen«, stimmte Martin zu. Er lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und musterte mich aus zusammengekniffenen Augen. Mein Hals fühlte sich trocken an. Ja, warum sagte ich nicht einfach zu? War es nicht das, was ich eigentlich wollte? In Sektor 1 nach der Wahrheit suchen? Doch bei all dem Heldenmut und der Loyalität, die diese Leute von mir erwarteten, vergaßen sie die Zeit, die ich in Sektor 2 durchlebt hatte. Freiwillig ins Centro zurückzukehren, forderte von mir weitaus mehr, als meine Gabe zu nutzen.
»Meine Lieben, ich gebe zu, wir haben Kay etwas überfallen. Sie wusste schließlich nicht, was hier von ihr erwartet wird.« Doc hob beschwichtigend die Hände. Das leise Gemurmel der Anwesenden verstummte. »Was hältst du davon, wenn wir dir Bedenkzeit geben?«
»Wie lange willst du noch warten? Irgendwann werden sie dahinter kommen, dass die Wissenschaftlerin inzwischen nicht mehr verschwunden, sondern tot ist«, sagte Joff kopfschüttelnd.
»Darum kümmert sich Sektor 2«, sagte Doc und wiegelte damit den Einwand ab. Er schaute ihn nicht an, sondern hatte den Blick fest auf mich gerichtet.
»Ich werde es mir überlegen«, murmelte ich leise und starrte auf die Tischplatte vor mir.