Herb und Donnie machen eine Spritztour

»Was ist das, Herb?«

»Masken, Donnie. Glaub mir, du willst nicht, dass er uns erkennt.«

»Was? Natürlich will ich, dass er mich erkennt. Wir fragen ihn, wo er das Zeug versteckt hat und wenn er sich weigert, holen wir die Cops. Verdammt, wir sollten gleich die Cops holen.«

»Donnie.« Herb sprach ganz langsam, wie zu einem begriffsstutzigen Kind. »Die Cops werden einen Teufel tun. Das können sie nicht. Sie können nicht einfach in ein Haus spazieren, bloß weil zwei Zivilisten behaupten, dass der Kerl, der darin wohnt, ein Gangster ist. Glaub mir.«

»Aber du hast doch gesagt, die hätten schon einen Steckbrief von dem Mann. Eine Liste oder sowas.«

»Haben sie. Aber da liegt das Problem. Mangel an Beweisen, sonst hätten sie den Kerl ja längst geschnappt. Diese Schlitzaugen sind schlüpfrig wie geölte Aale.«

»Scheiße, Herb, ich weiß nicht ...«

»Hör zu, Donnie. Wir ziehen das jetzt durch. Ich weiß, wie solche Kerle ticken. Hab sie verfolgt, mein ganzes Leben als Cop. Ich weiß, wie man sie einschüchtert. Alles nur Drohgebärden. Schwanzvergleich, wenn du so willst. Aber das knackt sie, das weiß ich. Letztlich knack ich sie immer.«

»Aber wenn die Cops nicht in sein Haus dürfen ...«

»Wir sind nur zwei Zivilisten, verstehst du? Das ist was völlig anderes. Dann ist es maximal ein Kavaliersdelikt. Und wir wissen, dass der Kerl bei dir eingebrochen ist. Es ist nur dein Zeug, das wir zurückholen, Donnie.«

»Aber das wissen wir nicht genau.«

»Okay, Donnie, hier ist, was wir tun. Wir gehen jetzt da rein, durch den Hintereingang, und direkt in seine Garage. Ich bin sicher, dort lagert er das Zeug. Wenn es nicht da ist, schleichen wir uns wieder raus und dann ist nichts passiert.«

»Und wenn es da ist?«

»Dann packen wir’s ins Auto und verschwinden. Mann, es ist dein Zeug, Donnie, dein Eigentum, das du dir zurückholst.«

Herb zog die Skimaske über und hielt die andere Donnie hin. Der zögerte, die zitternden Hände ineinander verschränkt.

Dann griff er zu.

 

Das Schloss der Hintertür war ein Witz. Sobald sie drin waren, zog Herb eine Taschenlampe hervor, die er im Armyshop erstanden hatte und knipste sie an. Es war ein kleiner Zylinder und vorn kam ein schwaches blaues Licht raus. Speziallicht. Gerade genug, um nicht über liegengelassene Skateboards oder irgendwleche Bauklötzer zu fallen, aber nicht hell genug, um irgendwelche Nachbarn zu alarmieren.

Herb ging voran. Durch ein Wohnzimmer, das aussah, als hätten eine Horde Jugendlicher in einem Abteil von Ikea eine Party gefeiert. Die Möbel schienen alle brandneu zu sein, die Regale waren unbenutzt. Kein einziges Buch in dem Bücherregal an der Ostseite, das bis zur Decke reichte. Das einzige, das auf Leben hindeutete, war ein Stapel Pizzakartons auf dem Wohnzimmertisch. Direkt gegenüber der Couch thronte der größte Fernseher, den Herb je gesehen hatte. Und daneben zwei etwas kleinere.

»Bastard«, zischte er zwischen zusammengepressten Lippen hervor. Dann öffnete er den Durchgang zur Garage.

»Shit!«, entfuhr es Donnie, als sie die geräumige Garage betraten. Ein Auto war nicht darin, das parkte vor dem Haus. Stattdessen stapelten sich Kartons, große und kleine, säuberlich an den Wänden aufgereiht, und davor jede Menge Fernseher, ein paar Stereoanlagen und tragbare Computer, sogar ein paar Ghettoblaster.

»Was hab ich dir gesagt?«, frohlockte Herb. »Alles da.«

»Hey!«, rief eine Stimme hinter ihnen und sie fuhren herum.

Ein Chinese fuchtelte mit einem ziemlich beeindruckenden Messer vor ihnen herum. Der Mann trug ein helles T-Shirt mit einem verwaschenen Smiley und dazu rote Boxershorts. Und einen Gesichtsausdruck, der zu gleichen Teilen Zorn und Verblüffung verhieß.

»Was machen in mein Garage? Mein Haus, hä?«, verlangte er zu wissen und deutete mit der Spitze des Messers in Richtung Herb und Donnie.

Immer abwechselnd, hin und her.

Amateur.

»Es mag deine Garage sein, Chinamann«, sagte Herb, wobei er jedes Wort langsam und deutlich aussprach, als rede er zu einem zurückgebliebenen Kind.

»Aber das Zeug da drin sieht mir nicht so aus, als würde es dir gehören.«

»Polizei?«, rief der Chinese und musterte sie mit skeptisch zusammengekniffenen Augen.

»Nein«, sagte Herb, »nur ein paar besorgte Bürger, und wenn du jetzt keinen Aufstand machst, nehmen wir uns einfach, was unser ist und verschwinden wieder.«

»Raus!«, rief der Chinese, »Raus aus mein Haus!«

Er hob das Messer noch ein bisschen höher und hielt es Donnie unter die Nase, der instinktiv die Hände hob. Und sich vermutlich gerade einnässte. Scheiße, dachte Herb, und so etwas hatte mal Cop werden wollen. Dann zog er seine Pistole aus dem Gürtel und hielt sie dem Chinesen an den Kopf. Ohne zu fuchteln oder zu zittern.

»Lass das fallen«, sagte er leise. Der Chinese ließ das Messer los. Es fiel klirrend auf den Boden der Garage.

»Heb es auf, Donnie«, sagte Herb und Donnie bückte sich zögernd nach der Waffe.

»Abmarsch«, sagte Herb zu dem Chinesen, »ins Wohnzimmer. Und keine weiteren Tricks, Chinamann.«

*

Sie hatten den Chinesen mit einem dieser Wäscheseile aus Plastik gefesselt, weil nichts Besseres zu finden gewesen war. Er saß nun trotzig auf der Couch, Herb neben ihm. Donnie lief nervös auf und ab.

»Setz dich hin, Mann!«, rief Herb, »du machst mich nervös mit deinem scheiß Hin- und Hergelaufe. Donnie tat es und zappelte sitzend weiter.

»Also«, begann Herb, »wo ist die Statue?«

»Statue?«, wiederholte der Chinese.

»Ja, Statue, Skulptur, Plastik. Du weißt schon, so ein Kunstscheiß. Wo ist die? Hab sie nicht in der Garage gefunden und wie es aussieht, stehst du auch nicht auf solchen Kram.« Er machte eine Geste, die das gesamte Wohnzimmer in seiner erstaunlichen Schmucklosigkeit mit einschloss. »Also, wo ist diese scheiß Plastik?«

»Plastik?«, fragte der Chinese.

»Sag’s ihm«, sagte Donnie, »Bitte.« Dabei klang er, als müsse er sich gleich übergeben. Verdammter Feigling.

Herb sagte nichts, er schaute den Chinesen an

Ließ ihn nicht aus dem Auge. Registrierte die kleinste Regung in seinem Schlitzaugengesicht. Es war seltsam, der Kerl lächelte nicht, wo diese Schlitzaugen doch sonst immer lächelten. Vielleicht, weil er begriffen hatte, dass es nun nichts mehr zu Grinsen gab.

»Plastik?«, fragte der Chinese noch einmal. Donnie wollte dazu ansetzen, noch etwas zu sagen, aber Herb unterbrach ihn mit einer unwirschen Handbewegung.

»Geh nach draußen, Donnie«, sagte er.

»Herb ...«

»Geh. Setz dich ins Auto. Das hier dauert nicht lange. Unser Mister Chinamann ist kurz davor, sich mir anzuvertrauen. Ich bin sicher. Oder, Mister Chinamann?«

Der Chinese blickte ihn stumm an.

»Aber wenn er nun wirklich nicht weiß, wo diese blöde Statue ist?«, flüsterte Donnie. »Mann, Herb, es geht doch nur um ...«

»Es geht um ein Geschenk, das ich dir gemacht habe. Ein Geschenk unter Brüdern. Unter Freunden. Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber mir bedeuten solche Dinge etwas. Eine Menge.«

»Mir doch auch, Herb. Ich meine ja bloß. Das ist doch den ganzen Ärger nicht wert. Lass uns meinen Krempel einsacken und verschwinden. Dann sind wir quitt. Oder, Mister?«, fragte er an den Chinamann gewandt. »Dann sind wir quitt?«

Wieder dieser bittende Ton. So wurde das nichts.

Nicht mal das gute alte Guter-Cop-Böser-Cop-Spiel. Nicht, wenn einer von den beiden ein weinerliches Weichei war. Aber schließlich war Donnie kein Cop, woher sollte er es denn besser wissen? Der Chinamann blickte ihn weiter an und blieb stumm wie eine Auster.

»Komm schon, Herb, wir laden meinen Krempel auf und ...«

»Scheiß was auf deinen Krempel, Donnie. Scheiß drauf, hier geht es um was Anderes. Hier geht es ums Prinzip. Und jetzt mach, dass du nach draußen kommst.«

Donnie stand auf und stakste zum Hintereingang. Als Herb hörte, wie die Hintertür ins Schloss fiel, stand er auf und schnappte sich ein Kissen von dem Sofa, auf dem der Chinamann saß. Dann legte er die Pistole auf den Tisch. Die Augen des Chinesen folgten seinen Händen, auch als er in die Tasche griff, den Schlüssel herausholte und ihn neben dem Revolver auf den Tisch legte.

Die Augen des Chinesen wurden groß, als er den Schlüssel erkannte.

Nur für den Bruchteil einer Sekunde, aber Herb genügte es. Alles klar, schuldig im Sinne der Anklage. Herb steckte den Schlüssel wieder ein, dann schnappte er sich die Waffe und das Kissen vom Sofa.

»Also, Mister Chinamann, zu welchem Schließfach gehört dieser Schlüssel, hm?«