Donnie lässt sich nach Hause fahren
Donnie sagte während der gesamten Fahrt kein Wort. Naja, das konnte ihm wohl keiner übelnehmen. Er war halt kein Cop. Keiner von den Männern, die taten, was getan werden musste.
Eher einer von denen, die es im Großen und Ganzen mit sich machen ließen. War schon immer so gewesen. Konnte sich glücklich schätzen, dass sein großer Bruder immer auf ihn aufpasste und ihm hin und wieder eben auch die Kacke vom Popo wischte, bildlich gesprochen.
Sie setzten sich in Donnies zerlegtes Wohnzimmer.
Donnie auf die Couch, wo er die Knie an die Brust zog, langsam vor und zurück wippte und ins Leere starrte.
Auch das würde sich wieder geben.
Wenn er erst aus dem verdammten Zombiemodus raus war. Herb legt die Waffe auf den Tisch und Donnie starrte sie an, als sei sie eine giftige Kobra oder sowas.
»Es ist alles meine Schuld...«, stammelte er.
»Ach komm schon, Donnie.«
»Er hat überhaupt nichts gewusst von deiner blöden Statue. Er hat es gar nicht wissen können, weil ...«
»Donnie. Mann, reiß dich zusammen.«
»Und meinen Krempel? Diesen ganzen Scheiß hier? Wer braucht das? Wer braucht das alles, verdammt ...« Tränen rannen über seine Wangen, ekelhaft. »Wer braucht diesen ganzen Mist? Und du hast ... wir haben ihn ...«
Herb stand auf, ging zum Sofa und umarmte Donnie. Er tat es etwas linkisch, schließlich war er kein Schwuler oder sowas.
Donnie fühlte sich eiskalt an.
»Ach komm schon, Brüderchen. Das musste getan werden. Diese scheiß Schlitzuaugen haben dir dein Zeug weggenommen. Das hat dir gehört, Mann. Hast schließlich hart dafür gearbeitet. Und die spazieren einfach hier rein und nehmen mit, was ihnen gefällt. So etwas kann ein Mann nicht zulassen. Ein Mann muss ...«
»Du hast ihn umgebracht, Herb, du hast diesen Mann umgebracht!«
Donnie stieß ihn fort, nicht besonders kräftig, aber die Bewegung kam so überraschend, dass Herb ein paar Schritte nach hinten taumelte. Seine Beinschiene prallte gegen das Tischbein des Kaffeetisches. Herb stolperte, blieb hängen und fiel.
»Donnie, verdammt ...«
Donnie starrte ihn an. Herb bemerkte, dass ihm seine Haare an der Stirn klebten, das sah von hier unten ein bisschen wie bei Napoleon aus, wenn auch nicht ganz so würdevoll. Eher wie der mickrige Versuch eines drittklassigen Schauspielers.
»Oh, sei ruhig, Herb!«, wimmerte Donnie, »Sei ruhig, du ... du Psychopath! Du hast ihn umgebracht, einfach so, du ...«
»Donnie«, sagte Herb mit einer Stimme, die er sich normalerweise für die wenigen Fälle aufsparte, wenn Marjorie ernsthaft aus der Reihe tanzte. Scheiße, er musste sich was am Bein getan haben, das schmerzte plötzlich wie die Hölle.
»Donnie, hör mal. Du kriegst dich jetzt ein und dann reden wir darüber wie Männer.«
»Du Arschloch«, rief Donnie, »du beschissenes, geisteskrankes Arschloch!«
Er flennte jetzt, wie es noch nicht mal Marjorie, diese Heulsuse in ihren besten Zeiten hinbekam.
Mannomann.
Dann griff er nach der Pistole und richtete sie auf Herb.
»Komm schon«, sagte Herb, »Hilf mir wieder hoch. Du weißt, ich kann das nicht allein. Und dann reden wir. War doch nur ein Schlitzauge.«
Herb versuchte ein Kichern und stützte sich auf die Ellenbogen.
»Was hast du gesagt?«
»Ein Schlitzauge. Eins von der Sorte, die Mike auf dem Gewissen haben, und mir das Bein und das rechte Auge ...«
»Du scheiß Arschloch! Du bist es, der Mike auf dem Gewissen hat, du verdammter Blödian. Und sie haben dich auch nicht in Ehren entlassen, sie haben dich rausgeworfen, weil ...«
»Donnie!«
»Sie haben dich rausgeworfen und dir die Versicherung bezahlt, damit nicht die ganze Abteilung wie ein Haufen schießwütiger Idioten dasteht. Um den Schein zu wahren, verdammt nochmal! Sie hätten dich in den Knast stecken sollen, Mann! Oh hätten sie das doch bloß getan.«
Donnie lachte hysterisch auf.
»Donnie!«, Herbs Stimme war wie ein Peitschenknall.
Donnie schaute ihn aus verheulten Augen an und wie aus weiter Ferne. Die Pistole hatte er immer noch auf Herb gerichtet. Herb hatte den kleinen Schlüssel aus der Tasche gekramt und hielt ihn hoch. Donnies Augen brauchten scheinbar eine Ewigkeit, bis sie sich auf das Objekt fokussiert hatten, und dann eine weitere, um Donnies Verstand zu übermitteln, was sie da sahen.
Und dann begriff er es.
Begriff alles.
»Woher ...«, krächzte Donnie, »woher hast du das?«
»Sie war eine Nutte, Donnie. Auf dich angesetzt. Der Chinamann hat alles zugegeben. Wie ich’s gesagt hab.«
»Woher hast du das?«
Die Waffe in Donnies Hand zitterte. Die Knöchel seiner Finger traten weiß hervor, als sich sein Zeigefinger um den Abzug spannte.
»Sie muss es gewusst haben, Donnie. Muss irgendwie erfahren haben, was in der Statue versteckt war. Donnie, die Diamanten ...«
»Ja!«, rief Donnie und sprang auf, gefolgt von einem irren Kichern. »Ja, sie hat es gewusst. Wir haben es beide gewusst. Wir haben die beschissene Statue runtergeschmissen. Aus Versehen, aber anschließend wusste ich, warum du mir das hässliche Ding geschenkt hast. Du hast die Diamanten darin versteckt, die du damals am Tatort geklaut hast. Von der beschissenen Mafia geklaut, und dann versteckst du sie in meinem Haus, du beschissenes Arschloch!«
»Donnie. Du musst dich jetzt zusammenreißen. Ernsthaft, ich ...«
»Woher hast du diesen Schlüssel?«, rief Donnie mit überschnappender Stimme.
»Von dem Chinamann.«
»Nein!«, Donnie sprang auf ihn los wie ein wütender Tiger. »Nein, das ist nicht wahr. Der kann ihn nicht gehabt haben. Der Kerl war nur für den Einbruch zuständig.«
Was?
»Was?«
»Ja, Herb. Mir war sofort klar, woher die Diamanten stammten. Also haben Kim und ich uns was überlegt, wie wir die Dinger loswerden können, ohne dass du Verdacht schöpfst. Das mit dem Einbruch war meine Idee. Meine Idee, hörst du? Deswegen solltest du auch auf mein Haus aufpassen. Damit du selbst siehst, dass es ein Einbruch war. Und Kim ... Kim kannte da so einen Typen, der ihr die Diamanten abgekauft hat und ... oh, Gott.«
»Siehst du? Eine Nutte. Durch und durch. Sag ich doch.«
Donnie hatte versucht, ihn zu ficken. Sein eigener Bruder. War das nicht erstaunlich? Herbs Gehirn lief auf so einer Art Autopilot, während er noch versuchte, diese Ungeheuerlichkeit zu fassen.
»Du ... du scheiß Irrer! Es war mir egal, was sie war, verdammt! Ich habe sie geliebt!«
»Komm schon, Donnie, eine Schlitzaugennutte ...«, sagte Herb und zog sich am Tisch hoch. Noch ein Stück. Er schaute in den zitternden Lauf der Waffe. Dann noch ein Stück, gleich würde er ...
»Ich habe sie geliebt, du Arschloch«, sagte Donnie und steckte sich die Waffe in den Mund.
Dann drückte er ab.