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David schaute in die angezeigte Richtung. In einem flachen Seitencanyon waren mehrere rosafarbene Zelte zu sehen - ein von mehreren Vans umgebenes Zeltlager. Besonders ein Mann fiel ihnen in dem Menschengewimmel zwischen den Zelten sofort ins Auge. Er hatte leuchtend rotes Haar und setzte gerade einem am ganzen Körper mit Fett eingeschmierten schwarzen Mädchen mit nackten Brüsten eine Spritze in die Armbeuge. »Das muss Nairn sein.«

Die Landrover hielten an, und David und Amy stiegen aus und gingen auf den rothaarigen Mann zu - der sich erst jetzt zu ihnen umdrehte, dem schwarzen Mädchen aber weiter Blut abnahm.

»So. Bin gleich fertig.« Angus Nairns Stimme war laut und überschwänglich. Er lächelte die Besucher an, dann wandte er sich einem Mitarbeiter zu und wies ihn scherzhaft zurecht. »Alphonse! Alfie. Jetzt leg aber mal einen Zahn zu, oder ich hetze dir von Trotha auf den Hals. Sag Donna, dass wir Gäste haben. Sie soll dafür sorgen, dass wir was Ordentliches zu essen bekommen. So.« Er wandte sich wieder den Neuankömmlingen zu. »Sie sind wohl David und Amy? Eloise hat mir schon alles über Sie erzählt. Wenn Sie sich noch einen Moment gedulden - wir machen hier nur noch kurz fertig. Also, meine Damen …«

David und Amy standen da wie bestellt und nicht abgeholt, während Nairn munter weiterquatschte.

Wo war Eloise?

Inzwischen war auch Petersen nachgekommen und massierte sich die verspannten Schultern. Er schüttelte Nairn die Hand, und der Schotte lächelte, aber seine grünen Augen blitzten argwöhnisch.

»Und Sie sind?«

»Hans Petersen. Hab die beiden mitgenommen.«

»Irgendwie kommen Sie mir bekannt vor. Sind Sie nicht einer von diesen Ellie-Schützern? Sie setzen sich doch für die Wüstenelefanten ein, stimmt’s?«

»Ja.«

»Aber Ihr Akzent … Dorslander? Northern Dutch? Jedenfalls kein einheimischer Durstländer.« Petersen grinste Nairn an.

»Nein … German Dutch. Otasha.« Er verabschiedete sich von Amy und David. »Also dann. Wir müssen es bis Einbruch der Dunkelheit zum Huab schaffen. Hat mich gefreut, dass ich Ihnen helfen konnte.«

Nairn nickte, und Petersen kehrte zu den Autos zurück. Die Desert-Elephant-Landrover fuhren los und zogen Fahnen aus braunem Staub hinter sich her.

Nairn griff nach einer großen Stahlspritze und winkte eine weitere Frau zu sich. David kam sich etwas eigenartig vor. Wie lange sollten sie hier noch herumstehen? Wo steckte Eloise? Was war, wenn Enoka und Miguel vielleicht schon vor ihnen angekommen waren?

Miguel und Enoka.

»Mister Nairn. Wir glauben, dass uns jemand gefolgt ist. Nach Namibia.«

Der Genforscher nickte nachdenklich. Er nahm der Frau ungerührt weiter Blut ab und sagte:

»Nennen Sie mich ruhig Angus. Wie kommen Sie darauf, dass Ihnen jemand gefolgt ist?«

»Sicher sind wir nicht, aber wir glauben, dass sich in Swakop jemand nach uns erkundigt hat. Ein Freund Miguels. Vielleicht täuschen wir uns aber auch.«

Nairn seufzte.

»Eloise hat mir von diesem Miguel erzählt. Garovillo? Tja. Mir war von Anfang an klar, dass sie uns eines Tages finden würden. Aber wir sind mit unserer Arbeit sowieso fast fertig. Außerdem kann uns hier draußen im Busch nicht viel passieren.«

»Wo ist Eloise?«

Nairn hob die Hand.

»Haben Sie noch einen Moment Geduld und lassen Sie mich erst hier zu Ende kommen. Es warten nur noch ein paar Nama und Damara. Und die reizenden Himba.«

David sah zu, wie Nairn den letzten Frauen in der Reihe Blut abnahm. Die Prozedur schien recht simpel. Die Einheimischen standen in der Sonne geduldig Schlange und hielten dann Nairn ihre schwarzen und braunen Arme hin, damit er eine blitzende Injektionsnadel in eine ihrer Adern stechen konnte. Als Gegenleistung für das entnommene Blut seiner offensichtlich dankbaren Versuchspersonen führte er eine kurze ärztliche Untersuchung durch und verteilte kostenlos Medikamente - Antibiotika, Analgetika, Malaria-Mittel.

Inzwischen musste Nairn nur noch ein Mädchen abfertigen; ihr Haar und ihr nackter Körper waren von einer rotbraunen Substanz bedeckt - eine aus Staub und Butter hergestellte Schmiere, erklärte ihnen Nairn.

»Die oben ohne sind Himba - keine Ahnung, warum BHs bei ihnen tabu sind. Okay, das wär’s, und jetzt den Arm strecken. Und ein bisschen weniger Gezapple würde auch nicht schaden.«

Die Spritze blitzte. Das Glasröhrchen füllte sich mit Blut, dunkelrotem Blut, dessen Farbe in der untergehenden, aber immer noch heißen Sonne noch intensiver wirkte. Die Schatten der Felswände des Damara-Canyons wurden länger; die Luft war erfüllt von Vogelgekrächze und dem Zwitschern der Klippschliefer. Nach der höllischen Hitze des Tages erwachte die Wüste langsam wieder zum Leben.

»So«, sagte Nairn. »Eine letzte Probe, und wir sind fertig.«

Er drehte sich um, leerte das Blut in eine verschlossene Ampulle und reichte sie Alphonse, der sie mit feierlicher Gewissenhaftigkeit wegbrachte. Nairn betupfte den Arm des Mädchens mit einem Wattebausch. »So, meine Liebe. Herzlichen Dank. Hier hast du etwas Medizin für den Kleinen. Hast du verstanden? De Calpol juju?«

Das Mädchen lächelte mit schüchternem Unverständnis und nahm das Medikamentenfläschchen an sich, dann drehte sie sich um und folgte ihrer Familie, die sich unter den länger werdenden Schatten der Akazien aus dem Lager entfernte.

»Geschafft!« Nairn hörte sich geradezu enthusiastisch an. »Finito Benito! Aber jetzt gibt’s erst mal ein paar Bier und was Ordentliches zu essen. Sie werden sich wahrscheinlich ein bisschen wundern - da kommen Sie den weiten Weg hierher, und keine Eloise. Werde ich Ihnen aber alles erklären. Doch jetzt trinken wir erst einmal was!«

In der Mitte des Lagers waren bereits mehrere Klapptische für das Abendessen gedeckt. Es gab große Edelstahlschüsseln mit Kudu-Steaks in kalter Okrasoße und Gläser mit goldgelbem Windhoek- und Urbock-Bier. Als Nachtisch warteten Schokoriegel und frisches Obst.

»Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von unserem großzügigen Unterstützer und Förderer Nathan Kellerman, einem ausgemachten zionistischen Schlawiner.« Nairn deutete mit einer schwungvollen Geste auf die aufgetischten Köstlichkeiten. »Kommen Sie, nehmen Sie Platz, Sie haben eine lange und anstrengende Fahrt hinter sich. Von Swakop nach Damaraland an einem Tag? Totaler Wahnsinn! Amy, Sie sind doch Amy Myerson? Eloise hat mir viel von Ihnen erzählt.«

Amy nickte und fragte mit Nachdruck: »Dürften wir jetzt endlich erfahren, wo Eloise ist?«

Das Summen eines Moskitos ertönte. Nairns Hände schossen durch die Luft und klatschten gegeneinander. Auf seinen Fingern zeichneten sich die schwarzen Umrisse eines zerquetschten Moskitos ab. »Hab ich dich!« Er untersuchte das zerdrückte Insekt aufmerksam. »Anopheles Moucheti Moucheti. Die am Tag sind gefährlicher, übertragen Dengue…«

»Bitte. Wo ist Eloise?«, fragte Amy noch einmal. »Sie hat uns gesagt, wir sollen hierher …«

»Sie war hier, das ist richtig. Aber dann war mir das Ganze doch etwas zu unsicher. Deshalb hielt ich es für besser, sie in den Süden zu bringen.«

»Und wohin da genau?«

»Ins Sperrgebiet. Einen sichereren Platz werden Sie auf der ganzen Welt nicht finden - für die letzte fortpflanzungsfähige Cagot.«

»Außer Miguel.«

Nairns Augen leuchteten auf.

»Er ist auch Cagot? Der Terrorist? Wie das? Das müssen Sie mir genauer erklären. Überhaupt, Sie müssen mir viel erzählen. Das Urbock ist kalt und der Wüstenabend lang.«

Bei einigen Flaschen Bier und reichlich kaltem Kudu-Steak mit Okra erzählten Amy und David Angus Nairn die ganze Geschichte. Es gab keinen Grund, einem potenziellen Verbündeten die Ereignisse der letzten Tage und Wochen zu verheimlichen. Der Feind war Miguel.

Der Wüstenwind fuhr durch Angus Nairns rotes Haar, als er sich in seinen Stuhl zurücklehnte.

»Das erklärt einiges. Er hatte ein Motiv für die Morde. Jedenfalls für die, von denen Sie mir eben erzählt haben!«

»Aber … wieso?«, fragte David verständnislos. »Das erklärt doch nicht, warum Miguel…«

»Verstehen Sie denn nicht? Die Morde, bei denen die Opfer vorher gefoltert wurden, kann nur er begangen haben. Diese zwei bedauernswerten alten Damen, die auch noch reich waren, wie sich herausgestellt hat.«

Allmählich begann es David zu dämmern.

»Ach so … als er in dieser Bar aufgetaucht ist, als wir uns kennengelernt haben, kam er da gerade aus dem Ausland zurück … Amy…?«

Sie nickte. »Als Miguel zurück in Spanien war, änderte sich die Methode, mit der die Morde begangen wurden. Der Mann in Windsor - er wurde einfach umgebracht. Nicht gefoltert. Und Fazackerly, der Wissenschaftler, auch er wurde … bloß umgebracht. Brutal zwar, aber nicht im engeren Sinn gefoltert. Würde ich jedenfalls sagen. Doch der grausame Mord an Eloises Großmutter … der zeigt wieder Miguels Handschrift. Aber warum?« Aus Amys blauen Augen sprachen Fragen über Fragen, als sie Angus Nairn ansah. »Warum hat er gemordet und gefoltert - wo andere nur gemordet hätten?«

Nairn schob sich ein Stück Brot in den Mund und kaute es genüsslich. »Überlegen Sie doch. Ein Grund dürfte doch wohl auf der Hand liegen.«

»Ja?«

»Natürlich!« Ein breites Grinsen. »Warum ist er so unglaublich brutal zu den Cagots? Speziell zu ihnen?«

In Davids Kopf blühte die Wahrheit auf.

»Weil er weiß, dass er … selbst einer ist?«

»Natürlich! Er hasst sich. Abgrundtief. Wegen seiner Herkunft! Wie dieser baskische Hexenjäger.«

»De Lancre?«

»Sicher. Das muss der Grund dafür sein! Er kann einfach nicht akzeptieren, dass er selbst ein Ausgestoßener ist. Das verkraftet er nicht. Sublimierter Selbsthass entlädt sich früher oder später in nach außen gerichteter Gewalt. Daran muss es liegen. Freud hat dieses Phänomen in aller Ausführlichkeit beschrieben. Miguel Garovillo ist ein Cagot! Und er reagiert sein ungeheures Aggressionspotenzial an den verhassten Cagots ab, in denen er seinen Selbstekel, seine Unzulänglichkeit verkörpert sieht. Er unterzieht sie denselben Foltermethoden, die die Außenseiter der Gesellschaft, die Hexen und die Unberührbaren, im Mittelalter erleiden mussten. Die Parias des Waldes, die er nicht als seinesgleichen akzeptieren kann.«

»Aber …«

»Und wahrscheinlich hat er als Kind diese ganzen Horrorgeschichten über die baskischen Hexenverbrennungen gehört. So etwas geht nicht spurlos an einem vorüber. Geschichten von Scheiterhaufen und Foltern! Da ist es kein Wunder, wenn jemand irgendwann total verkorkst wird. Und wenn dann noch die eigenen Eltern Terroristen sind … Wahrscheinlich hat er eine psychosexuelle Neurose in Zusammenhang mit Hexenfoltern.«

In dem bedrückten Schweigen, das eintrat, sah David zu Amy und zuckte zusammen. Denn genau in diesem Moment hatte sich Amy - ganz kurz nur und ohne sich dessen selbst bewusst zu werden - flüchtig an den Kopf gefasst.

Als ob sie die Narbe unter ihrem Haaransatz verbergen wollte. Das Hexenmal. War sie ein weiterer Beweis für Miguels Manie, seine sexuellen Macken, sein mörderisches Bedürfnis, diese Hexenfoltern anderen zuzufügen? Aber warum hatte sich Amy nicht gewehrt? Warum hatte sie sich das antun lassen? Warum?

Er musste an das denken, was sie in Arizkun über den Spruch der Hexe gesagt hatte.

»Es gibt uns nicht, und es gibt uns doch, ganze vierzehntausend von uns.«

Nairn redete schon wieder weiter. Sein lebhaftes Gesicht glühte im Zwielicht der Damara-Dämmerung vor Energie.

»Und dann ist Miguel, dieses arme Schwein von Cagot, wahrscheinlich noch mit seinen ganz speziellen verqueren Trieben geschlagen. Mit einem oder auch mehreren der für die Cagots typischen Syndrome. Zum Beispiel dieser ausgeprägte Hang zur Gewalt. Ich bin mir sicher, dass die Kirche diese missliebigen Personen rasch und ohne großes Aufheben aus dem Weg geräumt haben wollte. Doch Miguel konnte es sich offensichtlich nicht verkneifen, ein paar besonders brutale mittelalterliche Grausamkeiten einzubauen. Seine Veranlagung ließ ihm gar keine andere Wahl…«

Eine große Motte flatterte durch den Lichtkegel einer Lampe. David machte ein verdutztes Gesicht: »Sie wussten, dass hinter all dem die … Kirche steckt?«

»Na ja, ich habe es jedenfalls vermutet. Und es stimmt doch, oder?«

»Eigentlich«, flocht Amy ein, »ist es die Piusbruderschaft.«

»Ah. Dieser reizende Verein.« Nairn klatschte mit der Hand auf den Tisch. »Natürlich! Dass ich darauf nicht gleich gekommen bin. Das Ganze ist jedenfalls eindeutig das Werk irgendwelcher religiösen Fanatiker. Die viel Geld und mächtige Sympathisanten haben. Wenn nicht die Piusbruderschaft dahintersteckt, dann irgendeine andere katholische Sekte. Wie Sie vielleicht wissen, hatte die Kirche maßgeblichen Anteil daran, dass das Projekt in Stanford abgewürgt wurde; und genauso war ihnen GenoMap von Anfang an ein Dorn im Auge. Sie haben mit allen Mitteln darauf hingearbeitet, dass auch dieses Projekt eingestellt wurde. Und wenn ich es mir genauer überlege, sind die Piusbrüder genau die Richtigen, um für unseren allseits geschätzten Heiligen Vater die Drecksarbeit zu machen. Mal gründlich aufräumen unter diesen blöden Cagots mit ihren zusammengewachsenen Zehen. Hah!« Er nahm einen kräftigen Schluck Bier und fuhr fort: »Hat mich immer schon fasziniert, dieser unerschöpfliche Hang des Menschen zur Gewalt und vor allem auch die Frage, worauf er zurückzuführen ist. Was das angeht, muss ich leider eindeutig unseren lieben Mädels die Schuld geben. Unseren sogenannten besseren Hälften. Wenn sie nicht wären, würden die Männer bloß rumsitzen, in aller Ruhe ihr Bierchen kippen und sich stundenlang über Fußball unterhalten.«

»Wie bitte? Die Mädels?« Amys Tonfall war unüberhörbar gereizt.

David sah den schnodderigen Schotten an, der fast so schnell kaute, wie er redete. Obwohl Nairn enorme Mengen verdrückte, war er zaundürr. Scharfe Wangenknochen, wild abstehendes rotes Haar, die grünen Augen im Dämmerlicht der Halbwüste blitzend.

»Klar.« Er riss sich eine Handvoll Fladenbrot ab. »Die Frauen. Die Weibchen der Spezies. Sie sind es, die den Gang der menschlichen Evolution bestimmen. Über die sexuelle Selektion, oder etwa nicht? Und wohin steuern sie unsere Evolution? In Richtung Brutalität und Härte. Und warum? Weil sie eine Schwäche für aggressive Fieslinge haben. Habe ich etwa nicht recht? Na schön, zugegeben, sie tun zwar alle so, als stünden sie auf metrosexuelle Weinkenner, aber in Wirklichkeit fahren sie auf richtig widerliche Machos ab. Auf die Kotzbrocken, die brutalen Schweine, die Miguel Garovillos - und aus diesem Grund sind es vor allem diese Fieslinge, die sich am meisten fortpflanzen, und so bringt die Evolution immer brutalere Männer hervor, was vielleicht nicht die schlechteste Erklärung für den munteren Menschenvernichtungswettbewerb ist, der das zwanzigste Jahrhundert geprägt hat.« Er rülpste lautstark. »Gott sei Dank nehme ich die U-Bahn und nicht den Bus.«

In der Dunkelheit, die das Lager inzwischen umgab, bellte ein Tier. Ein Schakal oder eine Hyäne. Nairn verstummte, während er kaute und Alphonse, seinen zierlichen, gutaussehenden Assistenten, vielsagend angrinste. All die anderen Leute, die sich vor kurzem noch im Lager aufgehalten hatten, schienen sich bei Tagesende in ihre Dörfer zurückgezogen zu haben.

Amy machte einen erneuten Vorstoß, etwas aus Nairn herauszubekommen. »Eloise befindet sich also in Sicherheit, aber Sie sind noch hier draußen in der Wüste. Warum?«

»Weil ich die letzten rassisch bedingten Abweichungen untersuche.« Der Schotte lächelte selbstgefällig. »Ein paar genetische i-Tüpfelchen setzen, ein paar Chromosomen-Ts verbinden. Wir sind so gut wie fertig. Diesmal kommt die spanische Inquisition zu spät. Ich habe die namibischen Blutproben bereits im Auto, wir können jederzeit losfahren. Wir müssen morgen nur noch den Rest packen, dann können wir ins Sperrgebiet runterfahren und uns in Sicherheit bringen.« Er hielt kurz inne, bevor er weitersprach. »Dort unten haben wir alles, was wir brauchen. Bei Kellerman Namcorp haben sie schon seit langem Vorkehrungen für den Fall getroffen, dass GenoMap eines Tages dichtgemacht wird. Deshalb haben wir im Sperrgebiet bereits parallel dazu die nötigen Forschungseinrichtungen installiert, um das Projekt notfalls auch hier zum Abschluss bringen zu können.« Er gluckste gut gelaunt. »Tja, und jetzt brauchen wir nur noch ein paar Tage, um an Eloise die letzten Blutuntersuchungen durchzuführen und dann … Canasta! Fischers Forschungsergebnisse sind wiederhergestellt.«

Er wandte sich Alphonse zu und sah ihn besorgt an.

»Alphonse, nimm dir doch ein Bier. Du arbeitest zu viel.«

»Ach was, Angus.«

»Alfie, nein wirklich. Jetzt mach schon.« Der Wissenschaftler zog den jungen ockerhäutigen Mann zu sich heran; Alphonse hatte funkelnde Katzenaugen, schlanke Glieder. Nairn küsste ihn auf den Mund.

Alphonse lachte und stieß ihn von sich. »Du irrer Schotte!« Er deutete auf die Essensreste. »Hast du schon wieder fast den ganzen Kudu aufgefressen? Irgendwann wirst du noch richtig fett!«

»Ich und fett werden? Da kannst du lange warten.« Der Schotte lüpfte sein T-Shirt und klatschte auf seinen weißen Bauch. »Der Sixpack Apollos!« Er setzte sich wieder und starrte Alphonse finster an. »Lass gefälligst diese blöden Witze, mein kleiner Bambusen, sonst muss ich dir noch ein paar mit der Sjambok überziehen.«

»Nein. Nein, Sir. Weiße Massa sehr gut. Er mir geben gute Job Baumwolle pflücken.«

Die zwei Männer lachten schallend los, dann küssten sie sich wieder. Nairn wandte sich Amy zu und bot ihr aus der großen Edelstahlschüssel ein übrig gebliebenes Kudu-Steak an. David sah Alphonse an.

Plötzlich drehte Nairn sich um.

»Hey, verdammte Scheiße. Was ist denn da los?«

Der Schotte spähte angespannt den Canyon hinunter. Inzwischen war das Geräusch deutlich zu hören. David wurde bewusst, dass er schon eine ganze Weile etwas gehört hatte - aber im Hinterkopfhatte er es für das ferne Knurren eines Tiers gehalten oder für das Rauschen des Winds in den Dornenbäumen.

Es waren Autos. Große dunkle Geländewagen kamen das ausgetrocknete Flussbett heraufgefahren, direkt auf sie zu. Begleitet von lauter werdendem Motorendröhnen und grellem Scheinwerferlicht. David saß wie gelähmt da. Die Angst war wie ein körperlicher Schmerz.

»In die Zelte … die Gewehre sind in den Zelten …«

Nairn war bereits aufgesprungen und wollte losrennen - doch im selben Moment zerfetzte ein Gewehrschuss die stille Abendluft. Zwischen den Tischen wirbelte Sand hoch. Ein Warnschuss.

Sehr langsam setzte sich Nairn wieder.

David schaute in die andere Richtung. Mehr Staubwolken. Sie kamen auf sie zu. Aus allen Richtungen. Das größte Fahrzeug, ein schwarzer Geländewagen mit getönten Fenstern, erreichte das Lager. Er hielt mit einem eleganten Schwung schleudernd an und fetzte verächtlich eine Ladung Sand über das Essen.

Die Tür ging auf, und ein großer, hagerer Mann stieg aus. Sein Gang und der Tic an seinem Auge waren selbst in der Dunkelheit unverkennbar.

Miguel starrte sie an.

»Hab ich euch gefunden.«