Imagestar 20

Finn und Luna kamen viel zu früh. Das heißt, eigentlich kamen sie zwanzig Minuten zu spät, aber ich wäre ihnen auch nicht böse gewesen, wenn sie erst um zehn oder gar nicht aufgetaucht wären.

»Hi, Leute«, begrüßte Finn uns. Lunas Wangen glühten noch mehr als beim Abendbrot. In der Hand hielt sie einen brandneuen, silberglänzenden Eishockeyhelm.

Sie trugen wie Iason T-Shirts und Dreiviertelhosen. Ich schlotterte schon beim bloßen Hinsehen.

»Ich hole schnell noch unsere Helme aus dem Spind«, sagte Finn, der sah, dass Iason noch nicht dazu gekommen war. Während er in der Umkleidekabine verschwand, und Iason nur zögernd vom Geländer rutschte, trat Luna ungeduldig von einem Bein auf das andere.

»Ist es das erste Mal, dass du hier mitmachst?«, erkundigte ich mich.

»Ja. Wir dürfen erst ab zwölf sleiten.«

»Das ist wie bei euch mit der Fahrerlaubnis«, ergänzte Iason.

»Ich denke, ihr könnt auf der Erde nicht sleiten?« Hatte ich da irgendwas missverstanden?

»Hier schon.« Er grinste.

Deshalb die Eissporthalle.

Finn kam mit den Helmen zurück, mit etwas, das aussah wie ein überdimensionaler gelber Puck.

»Spielt ihr Eishockey?«, fragte ich neugierig.

»Besser«, sagte Iason und da war es wieder, dieses verheißungsvolle Funkeln in seinen Augen. Er nickte zur Tribüne. »Du solltest vielleicht etwas weiter hinten Platz nehmen.« Dann wandte er sich an Luna. »Du vorerst auch.«

Luna war sichtlich enttäuscht. Sie öffnete gerade den Mund, um zu protestieren, aber Finn fiel ihr ins Wort. »Sobald du begriffen hast, wie es geht, kannst du mitmachen, einverstanden?«

Luna schien ganz und gar nicht einverstanden, aber sie fügte sich und kam mit mir. In der achten Reihe setzten wir uns auf zwei der blauen Plastiksitze. Iason und Finn zogen die Helme auf. Nur das Strahlen ihrer Augen drang aus den Sichtschlitzen heraus, gelb und blau flackerten sie sich an. Dann ging’s los.

Voll Karacho! Blitzschnell! Iason war erst auf der einen Seite der Halle und im nächsten Moment stand er auf der anderen. Huch! Finn legte den Puck in die Mitte, trat einen Schritt zurück und fixierte ihn kurz mit den Augen. Ich fuhr zusammen, als das Ding daraufhin wie ein Feuerwerkskreisel auf Iason zuschoss. Im Bruchteil eines Augenblicks war der auch schon wieder weg. Der Riesen-Puck krachte gegen einen Scheinwerfer und fiel zu Boden. Iason stand wie aus dem Nichts geboren drei Meter weiter in der Ecke. »Eins zu null«, kommentierte er den Punktestand.

Ich bekam den Mund nicht mehr zu.

»Sag mal, kapierst du da irgendwas?«, fragte ich Luna.

Sie lehnte sich zu mir. »Ziel ist im Groben, den Gegner mit dem Drak zu treffen und hinter seine Linie zu drücken, bevor dieser wegsleitet. Wenn das nicht gelingt, bekommt der Sleiter einen Punkt.«

»Ich dachte, auf Loduun gäbe es keine Spiele.«

»Das war ursprünglich auch kein Spiel, sondern ein Training, um in Übung zu bleiben. Mit Kräftemessen hat es auch zu tun«, gab sie zu. »Davor sind auch wir Loduuner nicht gefeit. Die Regeln und das mit den Punkten haben die zwei sich von euch Irden abgeguckt.«

»Du bist dran.« Finn machte eine auffordernde Handbewegung, als Iason jetzt den Puck fixierte. Das Ding sauste pfeilschnell auf Finn zu. Im nächsten Moment stand der jedoch gut zwanzig Meter entfernt auf der Bande, wo er lachend das Gleichgewicht austarierte. »Da musst du schon früher aufstehen.«

»Was ist ein Drak?«, wollte ich wissen.

»Na, die Scheibe, die sie da haben. Finn hat ihn von Loduun mitgebracht. Für uns ist es so etwas wie für euch ein Rugby-Ei. Das Spiel, das die beiden dazu entwickelt haben, funktioniert ähnlich. Nur, dass nicht das Ei, sondern der Spieler selbst zurückgedrängt wird – falls der Drak ihn erwischt«, erklärte sie.

»Rugby auf Eis.« Ungläubig starrte ich zum Spielfeld, auf dem Finn jetzt Iason mit dem Drak beschoss, wofür er sofort einen Gegenschlag erntete.

»Ahrgh!«

Ich fuhr erschrocken hoch, als Finn, vom Drak getroffen, quer über das Eis schlitterte und gegen die Bande krachte.

»Der Drak ist nicht sehr hart«, beruhigte Luna mich. »Deshalb tut es nicht doll weh, wenn man von ihm getroffen wird. Er hat nur ungemeine Schubkraft.«

Es stimmte. Statt mit etlichen Knochenbrüchen ins Krankenhaus zu kommen – womit ich auf jeden Fall gerechnet hatte –, stand Finn jetzt ärgerlich wieder auf und wollte weiterspielen.

»Zwei zu null«, meinte Iason triumphierend.

»Na warte«, zischte Finn.

Dann ging es hin und her. Meine Augen konnten kaum folgen! Der Drak sauste zurück zu Iason. Der löste sich wieder in Luft auf. Doch bevor ich mir sicher sein konnte, dass ich ihn hinter dem Tor ausgemacht hatte, war der Riesen-Puck auch schon da, und Iason wieder weg – plötzlich woanders – und schon wieder weg.

»Wahnsinn, wie schnell sie sind«, bemerkte ich fassungslos.

Luna nickte, ohne die Augen vom Spielfeld abzuwenden. »Iason ist einer der besten Sleiter, die wir auf Loduun haben, und kaum einer kann schneller telekinieren als Finn. Da stehen sich zwei wahre Meister gegenüber, sag ich dir.«

Der Drak verfolgte Iason jetzt wie ein Jagdhund. Iason erschien für den Bruchteil einer Sekunde mal hier und mal da. Und plötzlich saß er mit dem Drak in der Hand neben mir. Vor Schreck wäre ich fast vom Sitz geplumpst. Luna klatschte begeistert in die Hände.

»Wenn man ihn im Sleiten fängt, bekommt man einen Extrapunkt«, erklärte er.

»Nichts da! Das war Aus!«, wies Finn ihn scharf auf die Regeln hin. »Wer das Spielfeld verlässt, bekommt höchstens Strafpunkte.«

Iason lief lachend die Tribüne hinab und sprang über die Bande. Dann telekinierte er den Puck zu Finn zurück.

»Wieso können sie auf dem Eis laufen?«, wunderte ich mich.

»Wir Loduuner können uns auf jeder festen Ebene bewegen«, sagte Luna, den Blick konzentriert auf Finn gerichtet, der jetzt wieder den Drak auf Iason abfeuerte. Eben noch auf unserer Seite der Halle, landete Iason jetzt per Salto auf der gegenüberliegenden. Diesmal ohne Drak, der im selben Moment krachend gegen die Bande schlug.

»Der war viel zu tief«, beschwerte Iason sich.

»Ey, Iason! Mia saß direkt hinter dir!«

Ich dankte Finn innigst, dass er, rücksichtsvoll wie er war, den Drak nicht auf meiner Augenhöhe abgefeuert hatte.

Die beiden zogen die Helme ab und legten sie beiseite. Ihr Haar war klitschnass und der Schweiß rann ihnen an den Schläfen hinab. Ich erinnerte mich an unser Gespräch, in dem Iason mir erklärt hatte, welche Energie Sleiten freisetzt, und wie sich ihre Körper dabei aufheizten.

Iason griff hinter die Bande, holte eine Flasche Wasser hervor und goss sie sich über den Kopf. Anschließend schüttelte er sich wie ein Hund und blinzelte dann zu uns hinauf. Seine Augen strahlten so glücklich, so hell, und sein Lachen war auf eine Weise ansteckend, dass ich ihm am liebsten in die Arme gesprungen wäre.

»Magst du es jetzt auch versuchen, Luna?«, rief er.

Das Mädchen straffte die Schultern, setzte den Helm auf und erhob sich.

»Zeig’s den Angebern«, feuerte ich sie an. In Wahrheit hatte ich schon ein bisschen Angst um Luna. Die Jungs schienen mir ein wenig übereifrig und wussten hoffentlich noch, dass sie es mit einer gerade mal Zwölfjährigen zu tun hatten. Ich warf Iason einen Blick zu, der ihn zur Vorsicht mahnte. Er verstand und nickte lächelnd.

Luna lächelte ebenfalls, als sie das Eis betrat, doch ihr Lächeln beunruhigte mich mehr. Viel zu viel Schalkhaftes lag darin.

Luna stellte sich Iason gegenüber auf Finns Seite. Die beiden verzichteten jetzt auf ihre Helme. Ich sagte doch: Angeber!

Der Drak lag wie ein schlaffer Pfannkuchen in der Mitte.

Iason gab Luna ein Zeichen. Sie sollte wohl Anstoß haben. Ich wischte meine schwitzigen Finger an der Hose ab.

Luna ballte angespannt die Fäuste, sah auf den Drak, verengte die Augen, konzentrierte sich und …

Mit einem Rums knallte der Drak gegen die Bande. Iason starrte ihm fassungslos hinterher. Er selbst stand noch immer an Ort und Stelle.

»Uups«, machte Finn.

»War das richtig so?«, erkundigte sich Luna.

Alle drei starrten wir sie an wie einen Hasen, der gerade einen Bären umgeboxt hatte.

»Hab ich was falsch gemacht?«, fragte sie unsicher.

Iason brachte noch immer kein Wort hervor.

»Nein.« Finn schüttelte den Kopf. »Nein, das war sogar ziemlich gut.«

»Ziemlich gut?«, fand Iason seine Sprache wieder. »Der Drak ist so schnell an meinem Ohr vorbeigesaust, selbst mit Vorwarnung hätte ich es nicht geschafft, ihm auszuweichen. – Nur gut, dass es bei Luna noch mit dem Zielen hapert.«

»Wir sollten vielleicht doch die Helme aufziehen«, schlug Finn vor.

»Besser ist das«, gab ich ihm kichernd recht. »Luna, das war großartig!«, rief ich ihr zu und hielt beide Daumen hoch.

»Sie scheint ein Naturtalent zu sein.« Finn konnte es noch immer nicht glauben.

Luna interessierte sich nicht groß für das Lob. Sie wollte weitermachen.

»Magst du es mal mit dem Sleiten versuchen?«, fragte Iason, der nun wieder zu seiner gewohnt gelassenen Art zurückgefunden hatte.

»Gern.« Luna stellte sich in Position.

Die beiden Möchtegern-Meister zogen die Helme auf und begaben sich ebenfalls auf ihre Posten.

Diesmal war es Iason, der den Drak fixierte. Im nächsten Moment raste das Geschoss auf Luna zu. Ich kniff die Augen zusammen, als etwas auch schon gefährlich laut gegen die Bande schlug.

Rumms! Krach! Knack.

Zaghaft hob ich ein Lid.

Luna saß mit weit aufgerissenen Augen auf dem Eishockeytor. Sie selbst schien noch ungläubiger als Iason und Finn. Und das war gar nicht so leicht, wenn man die beiden so dastehen sah.

»Mann, wird das heiß«, sagte sie verdutzt.

»Ein Naturtalent«, wiederholte Finn sich.

»Okay.« Es amüsierte mich zu sehen, wie sehr Iason um Fassung bemüht war. »Ich glaube, wir können die Probephase abkürzen und direkt zum Spiel übergehen. Willst du mit Finn oder mir in einer Mannschaft sein?«

»Mit Finn«, entschied Luna.

»Dann los.« Finn holte mit einem Blick den Drak zu sich und postierte ihn wieder in der Mitte. Luna sprang vom Tor und kam zu Finn. Iason stand ihnen gegenüber.

Was ich dann sah, stellte alles, was sie mir bisher vorgeführt hatten, in den Schatten. Der Drak jagte in solcher Geschwindigkeit zwischen den dreien umher, dass ich nicht mehr verfolgen konnte, wer gerade der Sleiter war und wer telekinierte. Erst als Iason mit dem Drak an der Brust gegen die Bande krachte, entstand eine kurze Pause.

»Zwei zu eins.« Finn und Luna klatschten sich ab. Einen Moment lang war ich sicher, Iason hätte sich das Genick gebrochen. Aber im nächsten sprang er wieder auf, und die Wahnsinnspartie ging weiter.

Manchmal kam es mir vor, als würde Luna an zwei Stellen gleichzeitig auftauchen, während Iason immer ehrgeiziger versuchte, sie mit dem Drak zu treffen. Ihr Lachen hallte oft noch auf der einen Seite der Eisfläche, wenn Lunas Körper schon auf der anderen war. Sie wurde waghalsiger, immer schneller, landete mal mit einer Schraubenbewegung, dann wieder per Salto. Einmal gelang es ihr sogar, den Drak zu fangen. Zwischendurch ließ mich immer wieder ein Krachen hochschrecken, wenn einer von ihnen gegen die Bande flog. Bis das Spiel schließlich zwölf zu neun für Luna und Finn endete. Außer Atem, aber glücklich zogen die drei ihre Helme ab und gaben sich die Hände.

Klatschend sprang ich auf und eilte hinunter an die Eisfläche.

Iason kam zu mir. »Hat’s dir gefallen?«

»Es war … aufregend … absolut überwältigend!«, kramte ich nach passenden Vokabeln, die meiner Begeisterung jedoch nur bedingt gerecht wurden.

Er bedachte mich mit einem hellen Strahlen und ich begriff, wie wichtig es für ihn gewesen war, mir etwas Loduunisches zu zeigen, das ich zur Abwechslung einmal ausnahmslos bewundern konnte.

»Du frierst«, sagte er.

In der Tat. Während sein aufgeheizter Körper in der Kälte dampfte, bibberte meiner. Nun, da die Aufregung mich nicht mehr ablenkte, merkte ich es auch.

Besorgt griff er nach meiner Hand.

Wow, er glühte! Jetzt verstand ich, warum es ihm nicht möglich war, bei unseren Außentemperaturen zu sleiten.

»Du bist ja eiskalt!«, sagte er bestürzt.

»In den Arm nehmen könnte eventuell helfen«, schlug ich lächelnd vor.

Ich fühlte seine Hitze trotz der beiden Jacken. Wohltuend und unablässig strömte sie durch meine Haut, wärmte mich bis auf die Knochen. Das Zittern ließ schon bald nach. Lediglich ein angenehmer Schauder durchfuhr mich jetzt noch, der allerdings nicht an der Kälte lag, und ich genoss ihn in vollen Zügen.

»Du tust gut«, meinte Iason.

»Gleichfalls«, sagte ich.

»Die perfekte Ergänzung«, murmelte er in mein Haar.

Ich hatte mich sosehr in dem Moment verloren, ich wusste gar nicht, wie viel Zeit vergangen war, als Finn fragte: »Können wir dann mal?« Er klang unsicher, so, als wüsste er nicht, was ihn diese Störung kosten würde.

Pflichtbewusst löste ich den Kopf von Iasons Brustkorb.

»Du warst toll«, lobte ich Luna, die jetzt auch zu uns kam.

»Außergewöhnlich«, gab Finn mir recht.

Luna strahlte, als wären all ihre Träume mit einem Schlag wahr geworden. Ob ihr neu entdecktes Talent etwas mit ihrem Sinn zu tun hatte, von dem keiner wusste, was er war? Auch Iason musterte sie still. Hatte er gerade den gleichen Gedanken?

»Wie sieht’s aus, Iason?«, hakte Finn nach. »Ich geh mich jetzt frisch machen.«

Fragend sah Iason mich an.

Ich ließ ihn nur ungern gehen, jedoch … »Wenn wir noch etwas länger hier stehen, schmilzt das Eis, so heiß, wie du gerade bist.«

Er zuckte mit den Schultern. »Diese Sorge ist zweitrangig.«

»Der Hausmeister sieht das bestimmt anders«, gab ich zu bedenken.

»Das kläre ich schon.«

Klar, er würde den Schaden problemlos aus der Portokasse bezahlen. Ich kam immer noch nicht darüber hinweg, wie sehr ich mich in dieser Hinsicht getäuscht hatte. Dennoch. Mit aufgesetzter Strenge wollte ich seine Hände von mir lösen, doch egal von welcher Stelle meines Körpers ich sie zog, sie wanderten immer wieder an eine andere. Hoch, runter, von meinem Rücken auf die Schulterblätter … Wie viele Arme hatte dieser Mensch eigentlich?

»Geh schon«, forderte ich ihn lachend auf.

Luna und Finn wirkten irgendwie befremdet.

»Kennst du das?«, flüsterte mir Iason ins Ohr. »Wenn man so lange auf etwas warten musste, dann kann man, wenn es so weit ist, nicht genug davon bekommen.«

Wie gut ich ihn verstand – aber das änderte nichts an der Tatsache, dass gerade der Boden unter unseren Füßen wegschmolz.

Auch Iason schien es zu merken. Seufzend ließ er mich los und sammelte die Helme ein.

Luna gab nur ungern ihren brandneuen Schatz wieder her. Inzwischen war es jedoch schon halb elf, und ihre Einsicht, dass es Zeit war, nach Hause zu gehen, wuchs mit jedem Gähnen, das Finn jetzt überkam.

Gemeinsam mit seinem ebenfalls überhitzten Freund ging Iason zur Umkleidekabine. Auf halbem Weg wandte er sich mir noch einmal zu. »Ich komme gleich wieder zum Wärmen.« Das klang mehr wie eine Warnung. Dieser Verrückte.

Während der männliche Teil der Sleitermannschaft schnaufend verschwand, atmete Luna schon wieder ziemlich ruhig neben mir durch.

»Also ich hätte jetzt auch noch eine Partie spielen können«, erwähnte sie leichthin.

Zwei verschwitzte Gesichter warfen ihr brummige Blicke zu.

Ich unterdrückte ein Schmunzeln. »Willst du dich nicht auch frisch machen?«

»Nö, mir geht’s gut.«

Die Kabinentür fiel ziemlich laut ins Schloss.

Da ich ja jetzt keinen Ofen mehr an meiner Seite hatte, beschlossen wir, draußen auf Iason und Finn zu warten.

»Puh, ist das warm hier«, stöhnte Luna, als wir vor die Tür traten. Während sie sich mit der Hand Luft zufächelte, sog ich genüsslich die laue Nachtluft ein. »Endlich.«

Luna sah mich verständnislos an. »Ihr Irden seid echt ein komisches Völkchen.«

Ich lachte, weil mir ihre Bemerkung so absurd vorkam.

Sie schien zu begreifen, denn auch auf ihrem Gesicht breitete sich nun ein Grinsen aus.

Das Licht der Laterne vermischte sich mit dem zarten blauen Schein, der über ihrer Haut immer deutlicher zu sehen war. In zwei Jahren, mit vierzehn, würde ihre Clan-Zugehörigkeit deutlich erkennbar sein.

Da auch sie in der Eissporthalle nur ein T-Shirt getragen hatte, war es mir gelungen, einen näheren Blick auf ihren Hals zu werfen. Dort schimmerte zwar ein amulettgroßer Ring, dermaßen hell und intensiv, dass man ein ganzes Shanjas damit hätte ausfüllen können, doch eine Linie des Sinns war nicht darin erkennbar. Der Ring war leer.

Das leise Rauschen der Flugschiffe zog über unsere Köpfe hinweg. Ihre blinkenden Lichter beleuchteten den Vorplatz der Halle wie eine Discokugel. Die Nacht war ganz klar, unzählige Sterne glitzerten am Himmel.

»Da! Eine Sternschnuppe.« Luna deutete mit ausgestrecktem Arm auf einen hellen Schweif. Er sauste an Kassiopeia vorbei, tanzte über den großen Bären hinweg und flimmerte noch einmal, bevor er erlosch. Unsere Blicke verweilten auf dem Firmament.

»Weißt du, wo Loduun ungefähr liegt?«, erkundigte ich mich nach einer Weile.

Erneut wies ihre Hand mir den Weg. »Siehst du den Schwan?«

Ich sah zum auffälligsten Sternbild.

»Loduun ist mit bloßem Auge von hier aus nicht sichtbar, deshalb kann man ihn nur per Deneb orten.«

Als ich klein war, hatte mein Vater mir einmal erklärt, dass Deneb, der hellste Stern, das Ende des Schwans symbolisierte.

Lang und lange noch konnte ich meine Augen nicht abwenden. Sogar das Band der Milchstraße, das sich durch den Stern zog, war heute zu erkennen. Ob Iason und die anderen auf ihrer Reise zur Erde durch sie hindurchgeflogen waren? Wie viele Milchstraßen mochten unsere Planeten wohl trennen?

»Ist es nicht seltsam, dass wir uns begegnet sind?«

»Das ist es«, gab sie mir recht. »Und ich bin mir sicher, wenn die Gründe für unser Kommen andere gewesen wären, hätten wir uns alle sehr darauf gefreut, euch kennenzulernen.«

Eine seltsame Mischung aus ihrer Wehmut und meiner Zuneigung ließ mich den Arm um sie legen.

Gemeinsam standen wir unter dem schimmernden Dach der Welten.