KAPITEL 66

King empfing Sally an der Einmündung der Zufahrt, führte sie an der Baustelle seines künftigen neuen Hauses vorüber und die kurze Treppe zum Hausboot hinunter.

Die junge Frau war nervös. »Du tust das Richtige, Sally«, versicherte King ihr beruhigend. »Sobald du dein Herz erleichtert hast, wirst du dich besser fühlen.«

Während das Wasser des Sees träge gegen den Rumpf des Hausboots schwappte, nahmen King und Sally an dem kleinen Küchentisch Platz. Er brachte ihr einen Becher heißen Tee und blickte sie erwartungsvoll an.

»Du möchtest mir etwas über Junior erzählen?«, sagte er schließlich.

Langsam atmete Sally aus. »Ich war mit ihm zusammen, als der Einbruch geschah.«

»Du hast ihm beim Einbruch geholfen?«, fragte King erstaunt.

»Nein, ich war nicht im Haus der Battles bei ihm, sondern in seinem eigenen Haus – dem neuen Wohnhaus, an dem er gebaut hat.«

»Er hat den Einbruch also nicht verübt?«

»Er hätte ihn gar nicht verüben können. Wir waren von abends zwanzig Uhr bis vier Uhr morgens zusammen. Und bis zu den Battles ist es eine gute Stunde Fahrt.«

»Was hast du denn mit Junior in dem Rohbau gemacht?«

Sally trank einen Schluck Tee und lehnte sich zurück. Ihr Gesicht war gerötet, und Tränen liefen ihr über die Wangen. »O Gott, ich kann gar nicht glauben, dass ich dir so was erzähle…«

»Sally«, drängte King, »warum warst du mit ihm zusammen?«

»Als er bei den Battles gearbeitet hat, haben wir uns näher kennen gelernt. Wir waren… Ich glaube, wir waren beide einsam.«

»Du hattest eine Affäre mit Junior?«

»So war es nicht!«, widersprach Sally hitzig. »So war es wirklich nicht.«

»Dann erklär mir, wie es war.«

»Wir waren bloß… Bekannte. Anfangs jedenfalls.« Sally stellte den Teebecher ab. »Er hatte mir gegenüber erwähnt, dass er bis spät in die Nacht am Haus arbeiten wollte. Seine Frau hatte sich freigenommen und war mit den Kindern zusammen. Ich fuhr zu ihm und habe ihn verführt. Mehr war da nicht.«

»Du hast ihn verführt?«

Sally wirkte gekränkt. »Ich laufe nicht immer in Jeans und Arbeitsklamotten durch die Gegend, Sean. Im Kleid sehe ich hübsch aus. Natürlich hat es ihn überrascht, dass ich dort aufkreuzte. Aber ich habe an meinen Wünschen keinen Zweifel aufkommen lassen.«

»Bisher dachte ich immer, Junior hätte Lulu wirklich geliebt.«

»Hat er auch, aber er war auch nur ein Mann. Außerdem trug ich fast nichts am Leib. Mein Angebot ließ sich schwer zurückweisen. Ich wollte ja nur bumsen, sonst nichts – keine Fragen, keine Bindung. Und nach allem, was er mir gegenüber erwähnt hatte, schenkte Lulu ihm schon eine ganze Weile kaum noch Beachtung. Sie war oft stundenlang im Club beschäftigt.«

»Daher hast du Junior willig und bereit angetroffen?«

»Ich will es mal so ausdrücken: Er wäre körperlich gar nicht mehr imstande gewesen, einen Einbruch zu begehen. Mann, ich selbst konnte danach kaum noch laufen.«

King hob die Hand. »Schon gut, Einzelheiten muss ich nicht wissen.«

Sally rieb sich die Augen. »Das Schlimme ist, ich hatte ihn wirklich gern. Er war ein bisschen grobschlächtig, aber in der rauen Schale steckte ein weicher Kern.«

»Weshalb hast du keine Aussage gemacht, als Junior wegen des Einbruchs festgenommen wurde?«

»Er wollte es nicht. Er sagte, er würde lieber in den Knast gehen, als dass Lulu etwas erfährt.«

»Das leuchtet mir ein. Was gibt es sonst noch zu erzählen?«

»Das wär’s. Von der Battles-Beerdigung habe ich mich fortgeschlichen, um von Junior an seinem Grab Abschied zu nehmen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich beobachtet wurde.« Sie senkte den Blick auf die Tischplatte. »Wird das alles nun an die Öffentlichkeit gezerrt?«

»Ich glaube nicht. Junior ist tot, und Remmy ist inzwischen von seiner Unschuld überzeugt. Und ich wüsste keinen Grund, Lulus Erinnerungen an ihren Mann zu trüben.«

»Er hat sie geliebt, Sean, ich war nur ein Ausrutscher.« Sallys Stimme wurde kleinlaut. »Wahrscheinlich werde ich es immer bleiben.«

Nachdem Sally fort war, überlegte King, ob er Michelle verständigen sollte, beschloss dann aber, den Anruf bis zum Morgen zu verschieben. Der Tag war lang gewesen. King legte sich ins Bett.

In der Nähe des Hausboots hatte der Mann beobachtet, dass Sally den Privatdetektiv verließ. Dank des im Hausboot versteckten Abhörgeräts hatte er das gesamte Gespräch belauschen können. Der Mann behielt das Hausboot im Auge, bis dort das letzte Licht erlosch. Er wollte abwarten, bis Sean King fest schlief, und ihm dann einen allerletzten, endgültigen Besuch abstatten.

Mit jedem Schlag der Stunde
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