KAPITEL 87
»Ich begreife noch immer nicht, wie du dir das alles zusammengereimt hast, Sean«, gestand Williams.
Der Polizeichef, Sylvia und Chip Bailey saßen mit den Betreibern der Detektei im Büro von King & Maxwell.
King verbog eine Büroklammer zu einem Dreieck, ehe er antwortete. »Sieben Stunden«, sagte er. »Sieben Stunden. Dadurch bin ich darauf gekommen, mir über Eddie Gedanken zu machen.«
»Das hast du schon erwähnt«, sagte Williams.
»Allerdings war es kein Hinweis im wortwörtlichen Sinn. Aber es brachte mich auf den Gedanken an das Eddie verabreichte Betäubungsmittel – oder vielmehr, das er sich selbst verabreicht hatte.«
»Morphinsulfat«, stellte Michelle fest.
»Genau. Ich habe mit einem Betäubungsmittelexperten gesprochen. Er sagte mir, dass eine durchschnittliche Dosis jemanden für acht bis neun Stunden umhaut, es sei denn, die Person ist die Einnahme starker Drogen gewöhnt. Dann fällt die Wirkung schwächer aus. Dorothea nahm gewohnheitsmäßig Drogen. Ich gehe davon aus, dass Eddie ihr das Mittel heimlich etwa um zwei Uhr nachts gegeben hat, also im Anschluss an den Geschlechtsverkehr. Doch weil Dorothea an Drogen gewöhnt war, wurde die Wirkung abgeschwächt. Keine sechs Stunden später hatte sie sich fast vollständig erholt, jedenfalls vor acht Uhr – der Zeit, als Savannah völlig aufgelöst bei ihr erschien und ihr sagte, dass man Sally ermordet hatte.«
»Sie hat aber doch erwähnt, sie hätte sich benommen gefühlt«, warf Bailey ein.
»Das war wohl tatsächlich so, nur war die Wirkung eben schon weitgehend verflogen. Wir dachten, sie hätte gelogen, um etwas zu verbergen. Eddie dagegen konnte das Morphinsulfat erst eingenommen haben, nachdem er Sally umgebracht hatte… sagen wir, um sechs. Ungefähr um fünfzehn Uhr hat die Wirkung nachgelassen, etwa neun Stunden nach der Einnahme, also im Rahmen der durchschnittlichen Wirkungsdauer. Das aber konnte nur möglich sein, wenn er es nach Sallys Tod eingenommen hatte. Sally wurde weniger als sieben Stunden nach dem Gespräch mit mir ermordet. Deshalb fiel mir Eddies lange Bewusstlosigkeit auf. Sie passte einfach nicht ins Gesamtbild, zumal wir davon ausgingen, dass auch Dorothea betäubt worden war, sich aber viel früher davon erholte. Selbst unter Berücksichtigung ihrer Resistenz war die Abweichung viel zu groß.«
Williams schlug sich auf den Schenkel. »Verdammt, daran hab ich überhaupt nicht gedacht.« Er zeigte mit dem Finger auf Bailey. »Und Sie auch nicht.«
Bailey zuckte die Schultern.
»Sicher war es vorstellbar«, fuhr King fort, »dass der Mörder Eddie betäubt hätte, wäre es nicht Eddie selbst gewesen, aber dann wäre es einige Zeit vor Sallys Ermordung geschehen, sodass Eddie zum Zeitpunkt der Tat ganz bestimmt außer Gefecht gewesen wäre. Er hätte damit keinesfalls bis nach Sallys Ermordung gewartet. Welchen Sinn hätte es denn da noch gehabt? Im Normalfall will ein Mörder den Tatort schnellstens unbemerkt verlassen und nimmt sich nicht die Zeit, völlig grundlos jemanden zu betäuben.«
»Das leuchtet mir ein«, gab Bailey zu.
»Und die sieben Stunden Diskrepanz haben mich noch auf etwas anderes gebracht. Wenn Sally wegen der Informationen getötet worden war, die sie mir kaum sieben Stunden vorher gegeben hatte, musste in meinem Hausboot eine Wanze versteckt sein. Wie sonst hätte Eddie so rasch davon erfahren können? Vermutlich ist er Sally bis zu mir gefolgt und hat im Auto gelauscht. Ich musste etwas dagegen unternehmen, darum habe ich mir dieses Ding hier besorgt.«
Er hielt ein kleines Gerät in die Höhe. »Ein Sendemessgerät und Frequenzsucher mit einem Messbereich von ein bis drei Megahertz. Außerdem hat es eine sechzehnfach abgestufte Anzeige, auf der man die Frequenzstärke ablesen kann. Dadurch war es mir möglich, das Versteck der Wanze zu finden.«
»Sie haben die Wanze entdeckt, aber nicht entfernt?«, fragte Bailey.
»Genau. Solange Eddie glaubte, dass die Informationen stimmten, konnte ich die Wanze ja verwenden, um ihn aufs Eis zu locken.«
»Es war mutig von Harry und Remmy, bei dieser Sache mitzumachen«, meinte Michelle.
»Keiner der beiden ahnte, dass Eddie der Täter ist, bevor er etwas gesagt hat. Ich bedaure, dass ich Remmy eine so böse Überraschung bereitet habe, aber ich glaube, sie vorher darin einzuweihen, dass ihr Sohn der Gesuchte ist, wäre für sie noch viel schlimmer gewesen.«
»Ich war ziemlich nervös«, gestand Williams. »Klar, wir hatten das Haus umstellt, aber er hätte trotzdem jemanden erschießen können.«
»Ich war mir sicher, dass das nicht geschieht, wenn ihm deutlich wird, dass Harry an Bobbys Tod unschuldig ist. Eddie hat sich fair verhalten, das muss ich ihm lassen. Er hat gemordet, jedoch aus ganz speziellen Gründen. Für alle Fälle trug Harry eine kugelsichere Weste. Dadurch saß sein Anzug ein bisschen eng, aber Sicherheit musste vor Bequemlichkeit gehen. Und natürlich war es klug, in der Bibliothek ein Dutzend Bewaffneter zu verstecken.« King griff in den Schreibtisch und nahm einen anderen Gegenstand heraus.
»Was ist denn das?«, fragte Sylvia neugierig.
»Eine Dechiffrierscheibe, um verschlüsselte Nachrichten in Klartext zu übertragen. Diese Version haben während des Bürgerkriegs die Konföderierten benutzt. Eddie hat ein Exemplar in seinem Atelier.« Er drehte die Scheibe in den Händen. »Verstellt man die Scheibe um nur eine einzige Drehung, etwa so wie eine Minute auf einem Uhrenziffernblatt, verändert sich die gesamte Bedeutung der Nachricht. Dazu braucht es nur einen Tick Abweichung. Ich bin sicher, dass Eddie dadurch auf die Idee mit den je nach Opfer abgewandelten Uhrzeiten gekommen ist. So was entspricht seiner Kreativität und seiner Vorliebe für die Bürgerkriegsgeschichte.«
»Aber ich begreife nicht, dass er Alibis hat«, wandte Bailey ein. »Wir haben ihn dahingehend überprüft. Als Steve Canney, Janice Pembroke und Diane Hinson ermordet wurden, hat er an Bürgerkrieg-Reenactments teilgenommen.«
»Ja, sicher, aber die Teilnehmer übernachten in ihren Autos oder in Zelten. Eddie konnte ohne Schwierigkeiten über Nacht fort sein, ohne dass irgendwer es merkte. Ich habe es mir auf der Landkarte angesehen. Bei keinem der Morde war er mehr als zwei Fahrstunden entfernt. Er konnte mühelos am nächsten Tag wieder zur Stelle sein, um weiter Krieg zu spielen.«
»Moment mal«, sagte Bailey. »Es wurden auch andere Teilnehmer der Reenactments befragt. Sie konnten sich daran erinnern, dass Eddies Lieferwagen die ganze Zeit in der Nähe gestanden hat. Das ist bewiesen.«
»Bestimmt hat sein Wagen dort gestanden. Allerdings hat das Fahrzeug eine Anhängervorrichtung. Auch ich habe nachgeforscht. Bei zwei der fraglichen Reenactment-Veranstaltungen hatte er seinen Pferdetransport-Anhänger nicht dabei. Er kann also ein zweites Auto mitgeschleppt und es unweit des Veranstaltungsorts im Wald versteckt haben. Mit diesem zweiten Wagen ist er zu den Morden und zurück gefahren. Nur haben alle geglaubt, er sei nicht fort gewesen, weil sein Lieferwagen auf dem Gelände parkte. Wir werden das zweite Fahrzeug wohl noch irgendwo finden.«
»Großer Gott«, sagte Sylvia und stieß den Atem aus. »Wie blind wir alle waren…«
»Also gut, Sean, jetzt wissen wir, wie du ihn entlarvt hast«, meinte Williams. »Nun erklär uns, warum Eddie all diese Leute umgebracht hat.«
»Und bitte in Worten, die auch ein Normalsterblicher verstehen kann.« Sylvia lächelte, als sie wiederholte, was King im Leichenschauhaus zu ihr gesagt hatte, als sie ihm Ronda Tylers Todesursache erläuterte.
King erwiderte ihr Lächeln nicht. »Eddie Battle ist ein sehr komplizierter Mensch. Und sein Plan muss lange in ihm herangereift sein. Am Anfang stand, glaube ich, der Tod seines Zwillingsbruders.«
»Bobby Junior, der schwerbehindert zur Welt kam«, sagte Bailey.
»Nein, er wurde nicht so geboren. Allerdings war er bei der Geburt bereits mit Syphilis infiziert. Die Hirnschädigung entwickelte sich erst später.«
»Syphilis?«, rief Bailey.
King nahm zwei Fotos vom Schreibtisch. »Als Michelle und ich in Remmys Schlafzimmer waren, hat Savannah uns dieses Bild der Zwillinge im Kindesalter gezeigt. Sie konnte sie nicht unterscheiden.« Er hob das andere Foto hoch. »Das ist ein Bild von Bobby kurz vor seinem Tod. Wir haben es von Mason. Die Entstellung seiner Gesichtszüge, das Entstehen des Wasserkopfs und die Zahn-und Augenprobleme sind deutlich zu erkennen. Er war im Leib seiner Mutter angesteckt worden.«
»Verkümmerter Kauapparat und Atrophie der Sehnerven«, stellte Sylvia fest, während sie das Foto des jungen Mannes betrachtete. »Wie hatte Remmy sich die Syphilis zugezogen?«
»Von ihrem Mann. Er muss krank gewesen sein, als er mit Remmy die Zwillinge zeugte, oder er hatte während des ersten oder zweiten Quartals der Schwangerschaft mit ihr Geschlechtsverkehr.«
»Und Syphilis kann durch die Plazenta übertragen werden«, sagte Sylvia mit gedämpfter Stimme.
»Ja. Da die Erkrankung nicht behandelt wurde, erlitt Bobby Junior die Hirnschädigung und die anderen Beeinträchtigungen. Später ist er an Krebs gestorben, aber ohne Zweifel hatte die Syphilis seinen Körper erheblich geschwächt.«
»Wieso ist keine Behandlung erfolgt?«, fragte Sylvia.
»Darüber hatte ich ein überaus peinliches Gespräch mit Remmy. Ihr zufolge hat Bobby es abgelehnt, mit dem Jungen zum Arzt zu gehen, als er sonderbare Symptome zeigte. Er wollte nicht wahrhaben, dass sein Sohn an einer Krankheit litt. Wahrscheinlich wollte er nicht einmal sich selbst eingestehen, dass er Syphilis hatte, denn anscheinend war auch er selbst nie in Behandlung. Als Remmy sich dann doch um medizinischen Beistand gekümmert hat, war es zu spät. Die Erkrankung hatte unwiderrufliche Schäden angerichtet. Man muss berücksichtigen, dass all das über dreißig Jahre her ist; das medizinische Wissen hatte damals längst nicht das heutige Niveau. Remmy lebt seit vielen Jahren mit dieser Schuld.«
»Man kann kaum glauben«, meinte Michelle, »dass eine Frau wie Remmy mit ihrem kranken Sohn nicht sofort zum Arzt gegangen ist.«
»Genau das dachte ich auch gerade«, sagte Sylvia.
»Was Remmy und das Verhältnis zu ihrem Mann betrifft, sind noch viele Fragen offen«, fuhr King fort. »Diese Frau spricht voller Bewunderung und Stolz über ihren Mann, trägt aber keinen Ehering, und es ist ihr einerlei, ob sie den Ring zurückbekommt. Ein solch merkwürdiges Verhalten werden wir wohl nie begreifen können.«
»Aber später wurde Savannah geboren«, wechselte Bailey das Thema, »und sie ist gesund.«
»Da war Bobbys Syphilis nicht mehr ansteckend, und Remmy hatte sich schon Jahre zuvor einer Behandlung unterzogen.« King legte die Fotos beiseite. »Es ist bekannt, dass eine der Hauptursachen für die Verbreitung der Syphilis der Geschlechtsverkehr mit Prostituierten ist. Wie wir wissen, stand Bobby in dem Ruf, sich mit solchen Frauen abzugeben. Er infizierte sich bei einer Prostituierten mit der Krankheit und steckte Remmy an, die die Krankheit ihrerseits unwissentlich auf Bobby Junior übertrug. Er und Eddie waren keine eineiigen Zwillinge, sondern hatten getrenntes Fruchtwasser. Wahrscheinlich wurde Eddie deshalb nicht angesteckt.«
»Und Eddie hat alles herausgefunden?«, fragte Bailey.
»Ja. Aber ich bin mir noch nicht sicher, wie er dahinter kam. Ich glaube allerdings, dass er schon seit langem Bescheid wusste. Die Situation glich einem Pulverfass. Ich glaube, auch Eddie hatte schreckliche Schuldgefühle. Er wusste, dass ihm nur durch pures Glück das Schicksal seines Zwillingsbruders erspart geblieben war. Und er scheint ihn sehr geliebt zu haben.«
»Also war Rhonda Tyler…«, begann Williams.
»Sie musste gewissermaßen zur symbolischen Bestrafung jener Prostituierten herhalten, die vor vielen Jahren Eddies Vater angesteckt hatte und so letztendlich das Verderben über seinen Bruder brachte. Rhonda hatte bloß Pech, Eddie über den Weg zu laufen.«
»Die ungewöhnlichen Runzeln an Bobbys Hauptschlagader und die krankhaften Veränderungen des Gehirns…«, sagte Sylvia bedrückt. »Das alles verweist auf Syphilis, ohne dass ich es bemerkt habe.«
»Du hast nicht danach gesucht, Sylvia«, tröstete King sie. »Diese Veränderungen könnten auch durch andere Erkrankungen hervorgerufen worden sein.«
Michelle setzte die Erklärungen fort. »Steve Canney musste sterben, weil seine Mutter eine Affäre mit Bobby hatte, aus der Steve hervorging. Seine Mutter war tot, darum musste Steve an ihrer Stelle sterben.«
»Eddie ist Remmy ergeben«, sagte King. »Sicher hat er den Bankert als Beleidigung Remmys empfunden. Janice Pembroke war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.«
»Um einen Tick zur falschen Zeit«, sagte Bailey.
»Ganz recht. Gleiches gilt für Diane Hinson. Einen Tick Abweichung, um die Fährte zu verwischen und den Zusammenhang mit den anderen Morden zu verschleiern.«
»Und Junior Deaver?«
»Eddie dachte, er hätte seine Mutter bestohlen. Das war ihm Grund genug, Deaver zu töten. Als er seinen Irrtum erkannte, ließ er seine Wut an Sally aus. Die Schuhabdrücke im Flur hätten mich sofort auf Eddie bringen müssen. Savannah hatte ausgesagt, sie wäre an der Tür geblieben, doch überall im Flur waren Schuhabdrücke. Sie stammten aber nicht von Savannahs Stiefeln, sondern von Eddies. Er stand unter Zeitdruck. Er wusste ja nicht, wann Dorothea aus der Betäubung erwachte, und er selbst musste das Mittel erst noch einnehmen. Wahrscheinlich hat er den Schmutz gar nicht bemerkt. Wenn man bedenkt, wie er mit Sally umgesprungen ist, dürfte er ziemlich ausgerastet sein.«
»Vorsichtig ausgedrückt«, sagte Todd Williams.
»Und dann hat er Harold Robinson in eine Falle gelockt, um alles ihm in die Schuhe zu schieben. Warum er sich ausgerechnet Robinson ausgesucht hat, weiß ich auch nicht.«
»Moment mal«, sagte Michelle. »Der Mann, den der kleine Junge gesehen hat, war demnach Eddie?«
»Ja.«
»Wieso hat Eddie ihn nicht auch umgebracht?«
»Er könnte davon ausgegangen sein, dass Robinsons Schicksal besiegelt ist, wenn der Junge aussagt, seinen Vater gesehen zu haben. So wäre es ja fast auch gekommen. Oder er brachte es nicht über sich, ein Kind zu töten. Wie gesagt, Eddie ist ein sehr komplizierter Mensch.«
»Du meinst, ein Ungeheuer«, sagte Williams.
»Weiß Dorothea schon Bescheid?«, erkundigte sich Sylvia.
Bailey nickte. »Ich habe ihr alles berichtet. Remmy und Savannah standen mir dabei zur Seite. Diese Familie hat es verdammt hart getroffen.«
»Warum hat Eddie berühmte Serienmörder nachgeahmt?«, fragte Williams.
King nickte Bailey zu. »Ich glaube, das war gegen Sie gerichtet, Chip.«
»Gegen mich?«
»Unterstellt man, dass Eddie sich mit seiner Überlegenheit schmeicheln wollte, ergibt es einen Sinn. Ihm kam es darauf an, Sie auf Ihrem eigenen Gebiet zu übertrumpfen.«
»Aber warum? Wir waren doch Freunde. Ich habe ihm damals das Leben gerettet.«
»Nein, Sie haben ihm seinen Entführungsplan verdorben.«
Bailey sprang auf. »Was?«
»Ich bin sicher, dass er seine Entführung nur vorgetäuscht hatte. Der Mann, den Sie erschossen haben, war sein Komplize. Eddie wollte seinen Vater für den Tod des Bruders bestrafen, der zwei Jahre zuvor verstorben war. Die einzige Strafe, die dem zwanzigjährigen College-Studenten einfiel, bestand darin, seinem Vater ein Loch von fünf Millionen Dollar in die Brieftasche zu reißen. Ich bin sicher, dass er selbst nach dem Tod seines Komplizen das Geld verbrannt hat. Er wollte nicht, dass sein Vater es zurückbekommt. Aber ihm lief die Zeit davon. Er musste sich Fesseln anlegen und vor Ihnen den Dummen spielen. Wie gesagt, er hasste seinen Vater schon seit langem.«
»Das ist unglaublich«, sagte Bailey und setzte sich wieder. »All die Jahre hat er mir vorgespielt, mir ein Freund zu sein, obwohl er mich in Wahrheit hasst?«
»Eddie ist ein begabter Schauspieler und ein geschickter Lügner. Seien Sie froh, dass man Sie nicht tot und mit einer Armbanduhr am Handgelenk aufgefunden hat.«
»Großer Gott«, entfuhr es dem FBI-Agenten.
»Aber es sind zwanzig Jahre zwischen der Entführung und den jetzigen Morden verstrichen, Sean«, wandte Williams sich an King. »Was hat Eddie so plötzlich zum Loslegen veranlasst?«
»Ich halte den Schlaganfall seines Vaters für den Grund. Vielleicht sorgte er sich, Bobby könnte sterben, ehe er Gelegenheit bekommt, ihm sein Verständnis von Gerechtigkeit zu zeigen. Aber es könnte auch andere Gründe geben. Jedenfalls bin ich der Auffassung, dass der Zeitpunkt kein Zufall war.«
»Und was nun?«, fragte Michelle.
»Eddie wird morgen im Gericht zur Anklage vernommen«, erklärte Williams.
»Der Prozess wird Aufsehen erregen«, sagte King. »Falls es dazu kommt.«
»Zweifelst du daran? Glaubst du, Eddie könnte für geisteskrank erklärt werden?«, fragte Williams und schüttelte gleich selbst den Kopf. »Ausgeschlossen. Der Mistkerl wusste genau, was er tat.«
»In gewisser Weise hat er Dämonen ausgetrieben, die ihn sein Leben lang verfolgten«, erklärte King. »Ich will keineswegs rechtfertigen, was er getan hat, aber wäre nicht Bobby Battle sein Vater gewesen, wäre meines Erachtens nichts von alledem geschehen.«
Stumm blickten die Anwesenden einander an.
»Aber Gottes Gnade währt ewig«, sagte Sylvia mit kaum vernehmlicher Stimme.