3
Demon stand am
nächsten Morgen schon vor der Morgendämmerung auf und ritt zu
seinem Stall, um das Morgentraining zu beobachten – und um einen
Blick auf Flick und ihren Po zu werfen. Er fühlte sich entschieden
schlecht, weil er so früh hatte aufstehen müssen, aber … der
Gedanke an sie, an den Engel in blauem Samt, die verkleidet als
Junge über die Heide donnerte, mit all den möglichen Katastrophen,
die sich daraus ergeben konnten, machte es ihm völlig unmöglich,
wieder einzuschlafen.
Also stand er
zusammen mit Carruthers in dem leichten Nebel und beobachtete die
Pferde, die an ihnen vorüberdonnerten. Die Erde bebte, die Luft
zitterte, die Erschütterungen waren ihm so bekannt wie sein
Herzschlag. Die Szene war ein Teil von ihm und er ein Teil dieser
Szene – und auch Flick gehörte dazu. Sie flog an ihm vorbei, trieb
The Flynn zu noch größerer Schnelligkeit an und ließ die anderen
Pferde weit hinter sich. Demon stockte der Atem, als sie durch das
Ziel ritt, er spürte ihre Erregung – das Gefühl des Triumphes. Es
klang in ihm nach, hielt ihn gefangen. Dann holte er tief Luft und
zwang sich wegzusehen, dorthin, wo seine anderen Reiter ihre Pferde
antrieben.
Der leichte Nebel
legte sich auf die Schultern seines Mantels, und sein Haar
schimmerte dunkel. Das bemerkte Flick, als The Flynn ein
langsameres Tempo anschlug und sie einen Blick zu der Stelle
zurückwarf, an der Demon stand. Er sah nicht zu ihr hin, das hatte
sie gewusst, denn sonst hätte sie sich nicht umgedreht. Er hatte
sie beinahe pausenlos beobachtet, seit er hier angekommen und auch
kurz nachdem sie losgeritten war.
Glücklicherweise
machte es ihre Verkleidung glaubwürdiger, wenn sie leise vor sich
hin fluchte. Doch sie musste alle anderen Anzeichen der Erregung
unterdrücken, damit The Flynn nichts von ihrer Nervosität spürte.
Sie war schon immer atemlos gewesen, wenn Demon in der Nähe war,
und hatte ihre Verlegenheit damit erklärt, dass sie als Kind in ihn
vernarrt gewesen war. Doch das hier war anders – dieses
nervenaufreibende Bewusstsein, dieses zittrige Gefühl in ihrem
Bauch. Sie schob den Gedanken beiseite, dass es etwas – ziemlich
viel sogar – damit zu tun hatte, dass sie diesen atemlosen Schock
verspürt hatte, als er sie am vergangenen Abend in den Sattel
gehoben hatte. Das Letzte, was sie wollte, war, dass The Flynn sich
vor Demons Augen produzierte. Demon könnte das als Grund ansehen,
seine Meinung zu ändern und sie von ihren Pflichten zu
entbinden.
Doch die Rennstrecke
zu reiten, während er ihr dabei zusah, stellte sich als größere
Herausforderung heraus, als nur für Carruthers zu reiten, trotz der
Tatsache, dass der alte Geizkragen der anspruchsvollste Trainer in
der ganzen Gegend war. In Demons blauen Augen lag ein harter,
abschätzender Blick, den Carruthers nicht hatte, und während ihre
Nervosität wuchs, fragte sie sich, ob Demon das mit Absicht tat –
ob er sie absichtlich beunruhigen wollte -, damit sie einen dummen
Fehler machte und er einen Grund hätte, sie
wegzuschicken.
Gott sei Dank hatten
die vielen Jahre, in denen sie geritten war, sie gelehrt, ihre
Gefühle sorgfältig zu verbergen, und sie und The Flynn boten den
Zuschauern eine gute Show. Schließlich lenkte sie den großen
Braunen zurück zum Stall.
Demon nickte
zustimmend, als sie The Flynn in den Stall ritt und dann an der
Stelle stehen blieb, an der die Pferde abgesattelt wurden. Sie zog
die Füße aus den Steigbügeln und glitt auf der von Demon und
Carruthers abgewandten Seite vom Pferd. Ein Lehrjunge kam
herbeigelaufen und griff nach den Zügeln, ehe sie noch reagieren
oder nachdenken konnte, und führte The Flynn in seine Box. Flick
blieb vor Carruthers und Demon stehen.
»Gute Arbeit.«
Demons Blick hielt den ihren gefangen. Er nickte knapp. »Wir sehen
dich also heute Nachmittag. Komm nicht zu spät.«
Flick biss sich auf
die Zunge. Bis jetzt hatte sie The Flynn immer selbst abgesattelt
und abgerieben. Aber ihre Verkleidung verlangte von ihr, dass sie
sich fügte, deshalb senkte sie den Kopf. »Ich werde rechtzeitig
hier sein.« Mit diesen wenigen Worten wandte sie sich um und dachte
noch daran, nicht zu hölzern zu gehen, dann schlenderte sie durch
den Gang, zu der Stelle, an der ihr Gaul in der Nähe der Tür stand.
Sie kletterte in den Sattel und ritt los, ohne noch einen Blick
zurückzuwerfen – ehe die Versuchung sie übermannte.
Sie hörte, wie
hinter ihr Demon Carruthers eine Frage stellte – und fühlte noch
immer seinen Blick in ihrem Rücken.
Nachdem Demon Flick
in Sicherheit wusste, ging er in ein Kaffeehaus auf der Newmarket
Street, das von den Mitgliedern des Jockey Club bevorzugt
wurde.
Als er über die
Schwelle trat, winkte ihm sofort jemand zu. Er grüßte nach rechts
und links und ging dann zur Theke, wo er ein großes Frühstück
bestellte, dann gesellte er sich zu einer Gruppe an einem langen
Tisch, die zum größten Teil aus den Eigentümern der Ställe
bestand.
»Wir unterhalten uns
gerade über die Aussichten für die kommende Saison«, wandte sich
Patrick McGonnachie, der Manager des Stalles des Herzogs von
Beaufort, an Demon, als dieser sich setzte. »Im Augenblick haben
wir natürlich fünfmal so viele Gewinner wie Rennen.«
»Das klingt ganz so,
als hätten wir eine neue Gruppe von Pferden«, antwortete Demon
gedehnt. »Das wird dem General eine Menge Arbeit
bereiten.«
McGonnachie
blinzelte, dann aber verstand er, worauf Demon hinauswollte. Wenn
Pferde, die zuvor noch nicht gewonnen hatten, in den Kreis der
Gewinner kamen, würde der General sich um ihren Stammbaum kümmern
müssen. McGonnachie setzte sich zurecht. »Ah, ja. Eine Menge
Arbeit.«
Er sah zu den
anderen am Tisch. Demon widerstand dem Wunsch, ihn zu bedrängen.
McGonnachie und auch alle anderen Männer in Newmarket kannten die
enge Bindung zwischen Demon und dem General. Gäbe es irgendeinen
Klatsch, der den General betraf, so würde McGonnachie es sicher
nicht Demon erzählen.
Also aß er, lauschte
der Unterhaltung am Tisch und trug auch seinen Teil dazu bei. Und
er ertrug gelassen die gutmütigen Scherze über seine Aktivitäten in
London.
»Du musst dich wohl
ändern, wenn du dir deine Chancen nicht entgehen lassen willst«,
meinte der alte Arthur Trumble, einer der angesehensten
Gestütsbesitzer, der am anderen Ende des Tisches saß. »Nimm dir
meinen Rat zu Herzen und verbringe weniger Zeit damit, den
Mesdames in London die Röcke zu heben,
sondern mehr Zeit, dich um deine Geschäfte zu kümmern. Je
anspruchsvoller deine Zucht ist, desto mehr Zeit musst du dafür
aufbringen.« Er hielt inne, um seine Pfeife zu stopfen. »Und der
Himmel allein weiß, dass es so aussieht, als würdest du in diesem
Jahr den Pokal der Züchter gewinnen.«
Die anderen stimmten
sofort in diese Meinung ein, und Demon hatte keinen Grund, ihnen zu
widersprechen. Er hörte ihnen zu, doch er bemerkte keinerlei
Andeutungen eines Gerüchtes, das den General betraf, bis auf
McGonnachies Zögern zuvor.
»Mister Figgins ist
wieder da – hast du das schon gehört?« Buffy Jeffers beugte sich
vor und sah um McGonnachie herum. »Sawyer hat ihn zuerst entdeckt –
er konnte es kaum erwarten, zu sehen, ob sein Bein standhält, aber
so ist es. Also hat dein Mighty Flynn einen ernsthaften
Konkurrenten. Und die Handikap-Rennen werden demnach nicht so
einfach sein, wie es bis jetzt ausgesehen hat.«
»Oh?« Demon
plauderte mit Buffy über die Chancen von The Flynn, während er in
Gedanken einen ganz anderen Weg verfolgte.
Er hatte sich schon
gefragt, wie wohl Dillons Syndikat das erste Rennen dieses Jahres
kontrollieren wollte. Die frühen Rennen, die bereits vor dem Beginn
der Frühjahrssaison ausgetragen wurden, wurden normalerweise dazu
benutzt, die Pferde, die neu in den Rennen waren, auszuprobieren.
Wenn das der Fall war, dann bedeutete ein Betrug, dass man
sichergehen musste, dass ein ganz besonderes Pferd das Rennen
gewann, und das bedeutete gleichzeitig, dass man mindestens eine
Hand voll der anderen Pferde in dem Rennen beeinflussen musste.
Mehrere Jockeys zu bestechen bedeutete auch mehr Geld, und es war
gefährlicher als alle anderen Möglichkeiten, ein Rennen zu
beeinflussen. Aber die andere Methode machte es nötig, dass man
über ein herausragendes Rennpferd verfügte – einen
Favoriten.
Als Buffy eine Pause
machte, um Luft zu holen, fragte Demon: »Sag mal, hat Mister
Figgins denn gewonnen? Das hast du noch gar nicht
erzählt.«
»Er hat es spielend
geschafft«, antwortete Buffy. »Er hat allen anderen auf der Geraden
nur noch sein Hinterteil gezeigt.«
Demon lächelte, dann
ließ er es zu, dass sich die Unterhaltung um andere Themen
drehte.
Wenigstens wusste er
jetzt, wie das Syndikat arbeitete. Sie mussten Mister Figgins mit
aller Macht über die Gerade getrieben haben. Mister Figgins war das
Pferd, mit dem im Rennen betrogen werden sollte, das Syndikat würde
es so einrichten, dass er verlor, und ihre Helfer – wie viele
Buchmacher sie auch in ihr Spiel gelockt hatten – hätten gute
Quoten auf Mister Figgins geboten und große Wetten eingeholt und in
diesem Fall einen riesigen Verlust eingefahren. Das war der einzige
Nachteil bei dieser Methode – sie konnte auch fehlschlagen, wenn
das Bestechungsgeld nicht stimmte oder das Rennen nicht richtig
vorbereitet wurde.
Und das erklärte
auch, warum Dillon in so großen Schwierigkeiten
steckte.
Nach dem Frühstück
in der Gesellschaft der anderen schlenderte Demon über die Straße
in den Jockey Club. Diesen heiligen Ort kannte er so gut wie sein
eigenes Zuhause, und die nächsten Stunden verbrachte er damit,
durch die verschiedenen Räume zu schlendern, sich mit Jockeys und
mit der Renn-Elite zu unterhalten – mit diesen Gentlemen, die wie
er den Mittelpunkt der englischen Rennwelt bildeten.
Während seiner
Unterhaltungen bemerkte er öfter ein Zögern oder einen schnellen
Blick nach allen Seiten, als wolle jemand einer unsichtbaren
Wahrheit ausweichen. Noch lange, ehe er Reginald Molesworth
begegnete, wusste Demon, dass es zweifellos gewisse Gerüchte
gab.
Reggie, ein alter
Freund, wartete gar nicht erst, bis ihm Demon eine Frage stellte.
»Also«, meinte er gleich, nachdem sie einander begrüßt hatten,
»hast du Zeit? Lass uns einen Kaffee trinken gehen – im The Twig
and Bough sollte es um diese Zeit recht ruhig sein.« Er begegnete
Demons Blick. »Da gibt es etwas, das du wissen solltest«, fügte er
hinzu.
Demon versuchte,
sein Interesse zu verbergen, und verließ zusammen mit Reggie den
Club und schlenderte mit ihm die Straße entlang. Sie betraten das
The Twig and Bough, ein Kaffeehaus, das eher von der vornehmeren
Gesellschaft der Stadt bevorzugt wurde und nicht von den
Mitgliedern der Renngemeinde.
Als sie das
Kaffeehaus betraten, starrten zwei der Bedienungen sie mit offenem
Mund an, doch die Besitzerin hatte sich schnell wieder gefangen.
Sie kam hinter der Theke hervor, als die beiden Männer sich an
einen Tisch an der Wand setzten. Nachdem sie bestellt hatten,
verbeugte sich die Frau und eilte davon. In schweigender
Übereinstimmung unterhielten sich Demon und Reggie über beiläufige
Themen der gehobenen Gesellschaft in London, bis ihr Kaffee und der
Kuchen serviert worden und die Bedienung wieder gegangen
war.
Reggie beugte sich
über den Tisch. »Ich dachte mir, dass du davon erfahren solltest.«
Seine Stimme senkte sich zu einem verschwörerischen Flüstern. »Man
erzählt Dinge über den Haushalt in Hillgate End.«
»Was für Dinge?«,
fragte Demon mit ausdruckslosem Gesicht.
»Wie es scheint,
gibt es Vermutungen, dass die Rennen nicht so laufen, wie sie
eigentlich laufen sollten. Nun ja, es wird eben immer geredet, wenn
ein Favorit verliert, aber in letzter Zeit …« Reggie rührte in
seinem Kaffee. »In der letzten Saison waren es Trumpeter und The
Trojan und Big Biscuits, Hail Well und The Unicorn in Doncaster.
Ganz zu schweigen von The Prime in Ascot. Nicht so viele, das ist
wahr, aber man braucht nicht im Geschäft zu sein, um das zu
begreifen. Eine Menge Geld hat den Besitzer gewechselt, nachdem
diese Pferde verloren haben, und die angebotenen Chancen in jedem
Fall … nun ja, ganz sicher gibt es Gründe nachzudenken. Und das war
nur in der Herbstsaison.«
Demon nickte. »Ist
es offiziell?«
Reggie verzog das
Gesicht. »Ja und nein. Das Komitee glaubt, dass es ganz sicher
einige Fragen gibt, und sie wollen Antworten, das kannst du dir
vorstellen. Im Augenblick untersuchen sie nur den letzten Herbst,
doch es wird alles unter der Decke gehalten. Deshalb hast du
vielleicht auch noch nichts davon gehört.«
Demon schüttelte den
Kopf. »Ich habe wirklich noch nichts davon gehört. Gibt es Gründe,
zu glauben, dass es auch im Frühling so weitergegangen
ist?«
»Ich denke schon,
aber die Beweise – damit meine ich die angebotenen Quoten, die man
nur als offensichtlich viel versprechend ansehen konnte – sind noch
nicht deutlich genug.«
»Weiß man denn
schon, in welche Richtung das Komitee untersucht?«
Reggie sah auf und
blickte Demon in die Augen. Reggies Vater saß in diesem Komitee.
»Nun ja, deshalb denke ich ja, dass du Bescheid wissen solltest.
Die Jockeys, die in diese Sache hineingezogen worden sind, halten
natürlich den Mund – sie wissen ganz genau, dass es teuflisch
schwierig ist, etwas zu beweisen. Aber wie es scheint, hat man den
jungen Caxton gesehen. Er hat sich mit den Jockeys unterhalten, die
in die Sache verwickelt sein sollen. Und da er sich früher nicht
für die Jockeys interessiert hat, ist das natürlich aufgefallen.
Das Komitee möchte sich gern mit dem jungen Mann unterhalten, das
ist keine sehr große Überraschung. Die Schwierigkeit ist« – Reggie
zupfte sich am Ohrläppchen -, »der Junge ist nicht da, er ist
verreist, um einige Freunde zu besuchen. Und da er der Sohn des
Generals ist, möchte niemand unnötigerweise den ehrwürdigen alten
Herrn aufregen, und das Komitee hat sich entschieden, zu warten,
bis der junge Caxton wieder zurück ist, um ihn dann ruhig zur Seite
zu nehmen und zu befragen.«
Reggie seufzte, dann
sprach er weiter. »Das ist natürlich ein guter Plan, aber als er
gemacht wurde, ist man davon ausgegangen, dass der junge Mann
innerhalb einer Woche wieder zurück sein würde. Und das war vor
ungefähr zwei Wochen, doch er ist noch immer nicht heimgekommen.
Sie sind unsicher, ob sie nach Hillgate End gehen und den General
direkt fragen sollen, wo sein Sohn ist, aber sie werden sich
zurückhalten, solange es möglich ist. Doch da die Frühjahrssaison
vor der Tür steht, können sie nicht ewig warten.«
Demon sah Reggie in
seine verräterisch unschuldigen Augen. »Verstehe.«
Und er verstand
wirklich. Die Botschaft, die er gerade bekam, stammte nicht von
Reggie und auch nicht von dessen Vater, sondern von dem
allmächtigen Komitee höchstpersönlich.
»Du hast nicht etwa
vielleicht einige … Einsichten in diese Angelegenheit,
wie?«
»Nein«, antwortete
Demon nach einem Augenblick. »Aber ich verstehe die Ansicht des
Komitees.«
»Hm.« Reggie warf
Demon einen mitfühlenden Blick zu. »Das ist ja auch nicht schwer zu
verstehen, wie?«
»Nein, wirklich
nicht.« Sie tranken ihren Kaffee aus, bezahlten und verließen dann
das Kaffeehaus. Auf der Treppe vor dem Haus blieb Demon
stehen.
Reggie wartete neben
ihm. »Wohin willst du?«
Demon warf ihm einen
schnellen Blick von der Seite zu. »Nach Hillgate End, wohin sonst?«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Ich will mal nachsehen, wie die Lage
dort ist.«
»Sie alle glauben,
dass ich nicht Bescheid weiß.« General Sir Gordon Caxton saß in dem
Sessel hinter seinem Schreibtisch. »Aber ich verfolge die
Ergebnisse der Rennen weitaus genauer als alle anderen, und auch
wenn ich in letzter Zeit nicht sooft draußen auf den Weiden bin, so
sind meine Ohren doch noch immer in Ordnung, wenn ich einmal
draußen bin.« Er schnaubte verächtlich.
Demon stand vor dem
großen Fenster und betrachtete seinen Freund und Mentor, der
beunruhigt seinen Tintenlöscher zurechtrückte. Demon war vor einer
Viertelstunde angekommen und, wie es seine Gewohnheit war, gleich
in die Bibliothek gegangen. Der General hatte ihn mit Freude
begrüßt. Doch in Demons Ohren hatte die Herzlichkeit des Generals
gezwungen geklungen. Nachdem sie einander begrüßt hatten, hatte
Demon sich nach dem Befinden seines Freundes erkundigt. Die
oberflächliche Freude des Generals war sofort verschwunden, und er
hatte Demon ein Geständnis gemacht.
»Es wird geflüstert
– und noch mehr. Natürlich über Dillon.« Der General sank in sich
zusammen und starrte lange Zeit auf eine Miniatur seiner
verstorbenen Frau, Dillons Mutter, die auf seinem Schreibtisch
stand, dann seufzte er und richtete seinen Blick noch einmal auf
den Tintenlöscher. »Abgesprochene Rennen.« Voller Verachtung sprach
er diese beiden Wörter aus. »Natürlich könnte er vollkommen
unschuldig sein, aber …« Der General holte zittrig Luft, dann
schüttelte er den Kopf. »Ich kann nicht behaupten, dass es mich
überrascht. Der Junge hatte schon immer zu wenig Rückgrat – das ist
genauso sehr mein Fehler wie der seine. Ich hätte ihn härter
anpacken müssen, mit festerer Hand. Aber …« Nach einem langen
Augenblick des Schweigens seufzte er noch einmal. »So etwas hatte
ich nicht erwartet.«
In seinen ruhig
ausgesprochenen Worten lagen ungeheurer Schmerz und Verwirrung.
Demon verspürte den dringenden Wunsch, Dillon zu packen und ihm den
Kopf gerade zu rücken, im wahrsten Sinne des Wortes, ganz gleich,
was Flick auch darüber denken mochte. Der General war trotz seiner
mächtigen Gestalt, den buschigen Augenbrauen und dem wilden
Haarschopf ein gütiger, sanftmütiger Mann. Er hatte ein weiches
Herz, war großzügig, und alle, die ihn kannten, respektierten ihn.
Demon hatte ihn in den letzten fünfundzwanzig Jahren regelmäßig
besucht, und niemals hatte es einen Mangel an Liebe oder sanfter
Führung Dillon gegenüber gegeben. Was auch immer der General sich
jetzt vorstellte, die Lage, in die Dillon sich gebracht hatte, war
nicht der Fehler des Generals.
Der General verzog
sein Gesicht. »Felicity, das liebe Mädchen, und Mrs. Fogarty und
Jacobs versuchen alle, die Sache von mir fern zu halten. Ich habe
ihnen noch nicht gesagt, dass das gar nicht nötig ist. Sie würden
mich nur noch mehr umsorgen, wenn sie wüssten, dass ich längst
Bescheid weiß.«
Mrs. Fogarty war
seit mehr als dreißig Jahren die Haushälterin des Generals, und
Jacobs, der Butler, arbeitete schon genauso lange für ihn. Die
beiden, genau wie Felicity, waren dem General vollkommen
ergeben.
Der General blickte
auf und sah Demon an. »Sag mir, hast du etwas gehört, außer den
Vermutungen?«
Demon hielt seinem
Blick stand. »Nein – nicht mehr als das.« In Kürze erklärte er ihm
alles, was er am heutigen Morgen in Newmarket erfahren
hatte.
Der General stieß
ein unwilliges Geräusch aus. »Wie ich schon sagte, es würde mich
nicht überraschen, wenn ich erfahren würde, dass Dillon in die
Sache verwickelt ist. Er ist verreist, zu Freunden – wenn das
Komitee damit einverstanden wäre, zu warten, bis er zurück ist,
dann wäre das sicher das Beste, nehme ich an. Es hat keinen Zweck,
ihn vorzeitig zurückzurufen. Um die Wahrheit zu sagen, wenn ich ihm
eine Nachricht schicken würde, wäre ich nicht einmal sicher, ob er
nicht ganz verschwinden würde.
Es war mir schon
immer ein Rätsel, wie Dillon einen so schwachen Charakter
entwickeln konnte, wo er doch zusammen mit Felicity aufgewachsen
ist. Sie ist so …« Der General hielt inne, dann lächelte er Demon
an. »Nun ja, mir kommt das Wort ›rechtschaffen‹ in den Sinn. Sie
von ihrem Weg abzubringen, ein Versuch, den sie sicher zuerst
einmal von allen Seiten betrachten würde, wäre völlig unmöglich. So
war sie schon immer.« Er seufzte. »Ich habe es immer darauf
zurückgeführt, dass ihre Eltern Missionare waren, aber ich denke,
das sitzt noch tiefer. Sie ist ein ehrlicher Charakter – standfest
und nicht wankend. So ist meine Felicity.«
Sein Lächeln
verschwand. »Mir wäre es lieb, wenn ein wenig ihrer Ehrlichkeit auf
Dillon abgefärbt hätte, und einiges ihrer Standfestigkeit. Sie hat
mir nie auch nur für einen Augenblick lang Sorgen gemacht, aber
Dillon? Schon als Kind steckte er ständig in irgendwelchen
Schwierigkeiten. Er war ein wahrer Teufel, und er hat sich immer
auf Felicity verlassen, damit sie ihn rettete – und das hat sie
auch immer getan. Das war zwar alles in Ordnung, solange die beiden
noch Kinder waren, aber Dillon ist immerhin zweiundzwanzig. Er
sollte langsam erwachsen und über diese albernen Dummheiten
hinausgewachsen sein.«
Dillon war von den
Dummheiten zur offenen Kriminalität gewechselt, doch diese Ansicht
verbarg Demon in seinem Inneren und hielt den Mund.
Er hatte Flick seine
Hilfe versprochen, und im Augenblick bedeutete das, Dillon
abzuschirmen und ihn in dem heruntergekommenen Häuschen versteckt
zu lassen. Doch Flick zu helfen bedeutete auch, den General von
allem fern zu halten, auch wenn das nicht ausdrücklich
ausgesprochen worden war. Und während er und Flick in den nächsten
Tagen einer Auseinandersetzung über einige Dinge gar nicht
ausweichen konnten – zum Beispiel über die Einzelheiten ihrer
Beteiligung an den Untersuchungen -, so war er doch mit ihr
vollkommen einig, seine Seele dafür einzusetzen, um dem General
noch mehr Schmerz zu ersparen.
Wenn der General
wüsste, wo Dillon war, dann würde er, ganz abgesehen von den
Einzelheiten, hin und her gerissen sein zwischen einer Loyalität
dem Renngeschäft gegenüber, dem er schon seit Jahrzehnten verbunden
war, und der Tatsache, Dillon den Behörden zu übergeben, während er
gleichzeitig den Beschützerinstinkt eines Vaters
verspürte.
Demon wusste, wie es
sich anfühlte, zwischen zwei Loyalitäten zu stehen, doch lieber
wollte er die Last auf seinen eigenen Schultern tragen, wo sie im
Augenblick ruhte, als das Problem seinem alternden Freund
aufzuladen. Er sah aus dem Fenster über den gepflegten Rasen zu den
schattigen Bäumen dahinter. »Ich nehme an, auf Dillon zu warten ist
die richtige Entscheidung. Wer kennt denn schon die ganze
Geschichte? Es könnte Gründe geben, warum er sich so verhält,
mildernde Umstände. Daher ist es besser, abzuwarten.«
»Du hast natürlich
Recht. Und der Himmel allein weiß, dass ich sowieso schon genug zu
tun habe.« Demon sah sich um und stellte fest, dass der General ein
schweres Protokollbuch auf den Schreibtisch gezogen hatte. »Du und
deine Kollegen, ihr bringt so viel irische Pferde in die Zucht ein,
da muss ich ja schon fast Gälisch lernen.«
Demon grinste.
Irgendwo ertönte ein Gong.
Sowohl er als auch
der General sahen zur Tür. »Zeit zum Essen. Warum bleibst du nicht
einfach? Dann kannst du Felicity sehen und dir ein Bild machen, ob
du mit meiner Einschätzung von ihr übereinstimmst.«
Demon zögerte. Der
General lud ihn von Zeit zu Zeit zum Essen ein, aber in den letzten
Jahren hatte er die Einladung nie angenommen, und wahrscheinlich
war das der Grund dafür gewesen, dass er Felicity so lange nicht
mehr gesehen hatte.
Demon wandte sich
von dem Fenster ab. »Ja, warum nicht?« Der General würde Demons
Bruch seiner langen Gewohnheit wahrscheinlich nur der Sorge um ihn
selbst zuschreiben, und damit hätte er sogar ein wenig
Recht.
Also blieb
er.
Und es machte ihm
Freude, Felicity in königlicher Haltung das Esszimmer betreten zu
sehen, obwohl sie bei seinem Anblick beinahe über ihre eigenen Füße
fiel und nicht wusste, was sie sagen und wie sie auf ihn reagieren
sollte.
Und das war
schließlich normal, denn auch er wusste nicht, wie er auf ihren
Anblick reagieren sollte. Oder, um es genauer zu sagen, er wagte
nicht, so zu reagieren, wie sein Instinkt es ihm eingab. Immerhin
war sie noch immer – trotz allem – das Mündel des
Generals.
Und wie durch ein
Wunder war sie erwachsen geworden.
Im hellen
Tageslicht, gekleidet in ein Kleid aus elfenbeinfarbenem Musselin,
bestickt mit winzigen grünen Blättern, sah sie wie eine
Frühlingsnymphe aus, die gekommen war, um das Herz der Sterblichen
zu stehlen. Ihr Haar, das sie ordentlich gebürstet hatte, glänzte
wie poliertes Gold und umrahmte ein wahrhaft engelgleiches
Gesicht.
Es war dieses
Gesicht, das ihn gefangen hielt. Das sanfte Blau ihrer Augen, wie
ein nebelverhangener Himmel, zog ihn an, drängte ihn dazu, sich in
ihren Tiefen zu verlieren. Ihre Nase war gerade, die Stirn breit,
ihre Haut makellos. Ihre Lippen baten förmlich darum, geküsst zu
werden – sie waren sanft gerundet, rosig, die Oberlippe war voll
und sinnlich. Sie waren dazu geschaffen, von den Lippen eines
Mannes bedeckt zu werden.
Von seinen
Lippen.
Der Gedanke, der so
unerwartet kam, erschreckte ihn. Er holte tief Luft und schüttelte
die Verzauberung ab. Ein schneller Blick, der anerkennende Blick
des Schwerenöters für ihre Figur, brachte ihn beinahe dazu, sich
wieder in ihrem Zauber zu verlieren.
Doch er widerstand.
Die Erkenntnis, dass er zum ersten Mal in seinem Leben überwältigt
worden war, genügte, um ihn bis in sein Innerstes zu erschüttern.
Mit seiner üblichen Anmut und einem lässigen Lächeln schlenderte er
auf Flick zu und nahm ihre Hand.
Sie blinzelte und
hätte ihm beinahe die Hand wieder entzogen.
Demon widerstand dem
Wunsch, ihre zitternden Finger an seine Lippen zu ziehen,
stattdessen wurde sein Lächeln noch herzlicher. »Guten Tag, meine
Liebe. Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass ich zusammen mit
euch zu Mittag esse?«
Noch einmal
blinzelte sie, dann warf sie dem General einen schnellen Blick zu.
»Nein, natürlich nicht.«
Sie errötete ein
wenig, und Demon zwang sich, dieses verlockende Bild nicht noch
länger zu betrachten. Anmutig führte er sie zum Tisch. Sie setzte
sich an ihren Platz zur Linken des Generals, und er rückte ihr den
Stuhl zurecht, dann ging er um den Tisch herum und setzte sich
rechts neben den General, gleich gegenüber von ihr.
Die Sitzordnung
hätte gar nicht besser sein können. Während er sich mit dem General
unterhielt, war es vollkommen natürlich, dass sein Blick sie ab und
zu streifte.
Sie hatte einen
schwanengleichen Hals und sanft gerundete Schultern, die Haut ihres
Brustansatzes, der in dem tiefen Ausschnitt ihres Kleides zu sehen
war, sah aus wie elfenbeinfarbene Seide. Sie war rank und schlank
und vollkommen begehrenswert.
Jedes Mal, wenn
Demon sie ansah, lief ihm das Wasser im Mund zusammen.
Flick war sich
seiner eingehenden Blicke durchaus bewusst, und aus irgendeinem
unerfindlichen Grund wurde ihr warm, wenn er sie ansah. Es war so,
als wenn ein von der Sonne geküsster Hauch sie traf – leicht und
verlockend. Sie versuchte, sich dieses Gefühl nicht anmerken zu
lassen, immerhin war es keine Überraschung, dass ihm ihr Aussehen
so verändert vorkam. Als er sie zum letzten Mal gesehen hatte, war
sie fünfzehn Jahre alt gewesen, dürr, mit zwei langen Zöpfen.
Damals hatte er sie kaum bemerkt – sie hatte ihn allerdings
fasziniert angestarrt.
Das war das letzte
Mal, dass sie sich diese Freiheit gegönnt hatte, danach hatte sie
stets dafür gesorgt, ihm aus dem Weg zu gehen, wenn er einen Besuch
beim General gemacht hatte. Selbst wenn sie ihn entdeckt hatte,
hatte sie sich gezwungen wegzugehen – und zwar deshalb, weil sie
sich genau das Gegenteil gewünscht hatte. Sie besaß viel zu viel
Stolz, Demon wie ein dummes, liebeskrankes Schulmädchen
anzustarren. Und auch wenn es genau das war, was sie für ihn fühlte
– und das war wohl kaum überraschend, denn er war schon so viele
Jahre lang ihr Idol gewesen -, so gefiel ihr der Gedanke nicht, für
ihn zu schwärmen. Sie war sicher, dass er von all den anderen
liebeskranken Mädchen und den liebeskranken Ladys genug
hatte.
Sie hatte absolut
nicht die Absicht, sich in ihre Reihen einzuordnen.
Also zwang sie sich,
sich an der Unterhaltung über Pferde und die bevorstehende
Rennsaison zu beteiligen. Sie war in Hillgate End groß geworden,
also wusste sie über beides gut genug Bescheid, um ihren Beitrag zu
der Unterhaltung zu leisten. Zweimal stolperte Demon über ihren
Namen und hielt sich gerade noch rechtzeitig zurück, und sie
widerstand dem Wunsch, ihm einen wütenden Blick zuzuwerfen, als ihm
dieser Fehler zum zweiten Mal passierte. Ihre Blicke trafen sich,
sie zog eine Augenbraue hoch und verzog spöttisch den Mund. Dann
presste sie die Lippen zusammen und blickte auf ihren
Teller.
»Könntest du mir
bitte den Essig reichen, meine Liebe?«
Sie sah sich nach
der Essigflasche um, doch Demon hatte sie bereits von dem Tablett
genommen. Er reichte sie ihr, sie nahm sie von ihm entgegen – und
ihre Finger berührten sich. Ein heftiger Schock durchfuhr ihren
Körper. Erschrocken hätte sie die Flasche beinahe fallen lassen,
doch sie riss sich gerade noch rechtzeitig zusammen. Vorsichtig
reichte sie die Flasche dem General, dann griff sie wieder zu
Messer und Gabel, sah auf ihren Teller hinunter und holte tief
Luft.
Sie fühlte Demons
Blicke auf ihrem Gesicht, ihren Schultern, doch dann wandte er sich
an den General. »The Mighty Flynn entwickelt sich gut. Ich erwarte,
dass er in dieser Saison mindestens zweimal gewinnen
wird.«
»Wirklich?«
Der General war
sofort abgelenkt, und Flick atmete erleichtert auf.
Demon hielt die
Unterhaltung in Gang, was nicht sehr schwierig war. Viel schwerer
fiel es ihm, nicht immer wieder zu Flick zu sehen, doch sie zog
immer wieder seine Aufmerksamkeit auf sich. Das war natürlich
lächerlich – immerhin war sie erst zwanzig.
Aber sie war da, und
sie faszinierte ihn vollkommen.
Er sagte sich, dass
es der Kontrast war zwischen Flick, der Rechtschaffenen, die sich
als Junge verkleidete und sich ganz allein daranmachte, ein
Syndikat aufzudecken, das bei den Pferderennen betrog, und
Felicity, dem zierlichen und entschieden anständigen
Botticelli-Engel.
Es war dieser
Kontrast, der ihn verlockte.
»Vielleicht«, meinte
er, als sie nach dem leichten Mahl aufstanden, »würde Felicity gern
einen Spaziergang mit mir im Garten machen?«
Er hatte die Frage
absichtlich so gestellt, um dem General einen Grund zu geben, ihn
in seinem Wunsch zu unterstützen. Doch die Mühe hätte er sich gar
nicht erst machen müssen, denn Flick hob den Kopf und sah ihm in
die Augen.
»Das wäre nett.« Sie
schaute schnell zum General. »Wenn du mich nicht
brauchst?«
»Nein, nein!« Der
General strahlte. »Ich muss zurück an meine Bücher. Geht ihr beiden
nur.«
Er schob sie zu der
offenen Terrassentür. Demon wandte sich zu ihm um. »Ich werde
vorbeikommen, wenn ich etwas Neues erfahre.«
Der freudige Blick
des Generals verschwand. »Ja, tu das.« Dann betrachtete er Flick,
und sein Lächeln kehrte zurück. Er nickte freundlich und ging zur
Tür.
Flick war neben
ihrem Stuhl stehen geblieben und sah Demon an. Er zog eine
Augenbraue hoch und deutete mit dem Kopf zur Terrassentür. »Sollen
wir?«
Sie kam um den Tisch
herum, doch sie blieb nicht stehen, als sie ihn erreichte, und
wartete auch nicht darauf, dass er ihr seinen Arm bot. Stattdessen
ging sie an ihm vorbei zur Tür hinaus. Demon starrte auf ihren
Rücken, dann schüttelte er den Kopf und folgte ihr.
Sie blieb auf der
Terrasse stehen, und als sie sah, dass er ihr folgte, ging sie die
Treppe in den Garten hinunter. Seine Schritte waren länger, deshalb
holte er sie schnell ein, als sie über den Rasen ging. Langsam
schlenderte er neben ihr her und überlegte, wie man am besten mit
einem Engel umging. Doch noch ehe er zu einem Schluss gekommen war,
sprach sie schon.
»Wie soll ich denn
irgendwelche Bemerkungen hören oder jemanden entdecken, der sich in
deinem Stall an die Reiter heranmacht, wenn ich kaum einen
Augenblick dort verbringen kann?« Böse sah sie ihn an. »Ich bin
heute Morgen angekommen und habe festgestellt, dass The Flynn
bereits gesattelt war. Carruthers hat mich sofort nach draußen
geschickt, für eine ausgedehnte Aufwärmphase« – ihre Augen zogen
sich zusammen -, »damit er anschließend nicht wieder unruhig wäre.
Und dann hast du mich weggeschickt, sobald ich zurückgekommen
bin.«
»Ich habe
angenommen, dass du so schnell wie möglich hierher zurückwolltest.«
Das stimmte zwar nicht, aber es war eine gute Entschuldigung. Er
sah sie fragend an. »Wie erklärst du denn deine Abwesenheit jeden
Morgen und jeden Nachmittag?«
»Ich bin oft am
frühen Morgen ausgeritten, das ist also gar nicht so ungewöhnlich.
Wenn Jessamy nicht im Stall steht, nehmen alle an, dass ich
irgendwo reite und den Morgen genieße. Solange ich immer zum
Mittagessen wieder zurück bin, wird sich niemand Sorgen
machen.«
Sie gingen
langsamer, als sie in den Schatten der alten Bäume traten, die am
Rande der Wiese standen. Flick verzog das Gesicht. »Am Nachmittag
ist das schon schwieriger, aber bis jetzt hat mich noch niemand
gefragt, wohin ich reite. Ich nehme an, dass Foggy und Jacobs
wissen, dass Dillon nicht zu Besuch bei Freunden ist, sondern dass
er sich irgendwo in der Nähe aufhält – aber wenn sie mir keine
Fragen stellen, dann können sie auch nichts verraten, wenn jemand
sie aushorchen will.«
»Verstehe.« Er
seufzte und überlegte, ob er es wagen könnte, ihre Hand zu nehmen
und sie auf seinen Arm zu legen, sie somit zu zwingen, mit ihm zu
gehen, und nicht, ihn zu führen. Aber er hatte gefühlt, dass sich
ihr Körper angespannt hatte, als er zuvor ihre Hand ergriffen
hatte, und sie hatte immerhin beinahe die Flasche mit dem Essig
fallen lassen. Er unterdrückte ein Lächeln und entschied sich,
lieber vorsichtig zu sein. »Es gibt keinen Grund, dass du nicht am
Morgen nach dem Training noch im Stall bleiben kannst. Es wird dir
viel mehr Freiheit geben, wenn du keine bestimmten Aufgaben zu
erledigen hast.« Er hatte nicht die Absicht, die Befehle zu ändern,
die er Carruthers gegeben hatte. »Allerdings wäre es unvernünftig,
wenn du am Nachmittag noch länger bleiben würdest. Zu dieser Zeit
ziehen sich die meisten der Jockeys und auch die Zuschauer in die
Kneipen zurück.«
»Es gibt aber auch
keinen Grund, nicht im Stall zu bleiben, bis sie gegangen
sind.«
Demon runzelte
insgeheim die Stirn. Sie hatte etwas Störrisches an sich, und ihre
Haltung war entschlossen, das hatte er schon zuvor an ihr bemerkt,
vorhin im Esszimmer, als sie Felicity gewesen war und nicht Flick.
Flick war die rechtschaffene Kämpferin, Felicity war der Engel von
Botticelli.
Er ging langsamer
und betrachtete einige Narzissen, die sich im Wind bewegten.
Hyazinthen und Glockenblumen wuchsen dazwischen und bildeten einen
bunten Frühlingsteppich unter den Bäumen. Er deutete mit dem Kopf
darauf. »Wunderschön, nicht wahr?«
Ein Engel sollte auf
eine so natürliche Schönheit reagieren.
Flick warf kaum
einen Blick auf die Schönheit der Natur. »Hm. Hast du schon
irgendetwas gehört oder erfahren?« Sie schaute in sein Gesicht. »Du
warst doch heute Morgen in der Stadt, nicht wahr?«
Er unterdrückte eine
unwillige Bemerkung. »Ja, ja und ja.«
Sie blieb stehen und
sah ihn erwartungsvoll an. »Und?«
Verärgert blieb
Demon stehen. »Das Komitee wartet darauf, dass Dillon zurückkommt,
um mit ihm über eine Anzahl von Rennen in der letzten Saison zu
reden, bei denen sie misstrauisch geworden waren und sich fragen,
warum der hoch gewettete Favorit nicht gewonnen hat.«
Sie wurde blass.
»Oh.«
»In der Tat. Dieser
Einfaltspinsel hat nicht einmal begriffen, dass es den Leuten
auffallen würde, wenn er es sich plötzlich zur Gewohnheit macht,
mit den Jockeys auf Du und Du zu sein, weil er das zuvor niemals
getan hat.«
»Aber …« Flick
runzelte die Stirn. »Die Aufseher haben noch nicht nach ihm
gefragt.«
»Nicht die Aufseher,
nein. In diesem Fall war das auch gar nicht nötig – wahrscheinlich
haben jede Menge Mitglieder des Komitees in den letzten Wochen den
General aufgesucht. Da war es nicht schwierig, zu erfahren, ob
Dillon zu Hause ist oder nicht.«
»Das stimmt.« Dann
wurden ihre Augen plötzlich ganz groß. »Sie haben doch dem General
nicht etwa was gesagt, oder?«
Demon vermied es,
sie anzusehen. »Nein, das Komitee sieht keinen Grund dafür, den
General unnötig aufzuregen, und bis jetzt haben sie ja auch noch
keine Beweise – sie sind nur misstrauisch.«
Als Flick
erleichtert aufseufzte, sah er sie wieder an. »Wenn sie sich nur
zurückhalten, bis Dillon wieder auftauchen kann …«
»Sie werden sich
zurückhalten, solange sie können«, unterbrach er sie. »Aber sie
werden nicht – sie können nicht – ewig warten. Dillon wird so bald
wie möglich wieder auftauchen müssen, und zwar in dem Augenblick,
in dem wir genügend Beweise für die Existenz des Syndikats
haben.«
»Also müssen wir
zuerst einen Erfolg verbuchen, indem wir Dillons Kontaktmann
entlarven? Sind die Gerüchte, dass die Rennen beeinflusst worden
sind, denn so weit verbreitet?«
»Nein. Unter den
Eigentümern und den Trainern gibt es allerdings diese Gerüchte,
aber die anderen wissen noch nichts davon. Einige der Jockeys oder
Stallburschen sind vielleicht bereits misstrauisch geworden, aber
es ist unwahrscheinlich, dass sie etwas darüber sagen, nicht einmal
untereinander werden sie darüber reden.«
Flick ging weiter.
»Wenn nicht offen darüber geredet wird, wenn es keine Gerüchte
gibt, dann ist es auch wenig wahrscheinlich, dass jemand etwas
sagen wird.«
Demon antwortete ihr
nicht, und Flick schien das nicht aufzufallen. Im Augenblick schien
sie ihn nicht einmal zu bemerken. Sie hielt ihn wohl für einen
freundlichen Onkel oder für jemanden, der ähnlich gutmütig war. Und
das war so weit von der Wahrheit entfernt, dass es schon beinahe
lächerlich war.
Und es ärgerte ihn
auch.
Der Botticelli-Engel
aus dem Speisezimmer, der Engel, der bei seiner Berührung erbebt
war, der gezittert hatte, als sich ihre Finger berührten, war
verschwunden.
Sie schaute ihn an.
»Vielleicht könntest du mit den Jockeys anfangen, deren Pferde in
der letzten Saison verloren haben. Ich nehme an, wenn sie
vielleicht schon zuvor Bestechungsgeld angenommen haben, dann wird
es doch nur wahrscheinlich sein, dass man vom Syndikat noch einmal
auf sie zukommt.«
»Normalerweise
schon. Wenn sie jedoch von den Verwaltern befragt werden, dann kann
man davon ausgehen, dass sie nichts verraten werden. Wenn ihre
Lizenz als Reiter auf dem Spiel steht, wird keiner der Jockeys sich
selbst belasten.«
»Aber es muss doch
etwas geben, was du machen kannst, solange ich in deinem Stall die
Augen aufhalte.«
Demons Augen
weiteten sich, und er hielt sich gerade noch zurück, ehe er mit
einer bissigen Bemerkung antwortete und ihr auf diese Art viel mehr
Informationen gab, als nötig war. »Mache dir um mich keine Sorgen.
Ich bin sicher, dass ich einen Weg finde, dem ich folgen kann.« Er
hatte bereits verschiedene Möglichkeiten im Kopf, doch hatte er
nicht die Absicht, ihr das zu verraten. »Ich werde gleich damit
anfangen, noch ehe ich mir das Training am Nachmittag
ansehe.«
»Du könntest dich
mit den Wettberatern beschäftigen oder mit den anderen Zuschauern,
die am Rande der Ställe herumhängen.«
»In der Tat.« Demon
konnte nicht anders – seine Schritte wurden länger, er erreichte
sie, trat vor sie und blieb stehen.
Sie holte tief Luft,
dann blieb sie ebenfalls stehen, um nicht mit ihm zusammenzustoßen.
Sie sah zu ihm auf, und ihre Augen weiteten sich
überrascht.
Er lächelte sie an.
»Ich werde auch dich im Auge behalten.« Er hielt ihren Blick
gefangen. »Daran solltest du nicht zweifeln.«
Sie blinzelte, doch
zu seinem Ärger zeigte sich nicht ein Anflug einer Irritation in
ihrem Blick. Stattdessen war ihr Blick eher verärgert. Sie
betrachtete ihn einen Augenblick lang prüfend, dann zuckte sie mit
den Schultern, trat einen Schritt zur Seite und ging um ihn herum.
»Ganz, wie du willst, obwohl ich den Grund dafür nicht verstehen
kann. Du weißt, dass ich mit The Flynn fertig werden kann, und
Carruthers entgeht sowieso nichts.«
Demon unterdrückte
einen Fluch, dann wandte er sich um und lief hinter ihr her. Es war
ja nicht so, dass es ihm um The Flynn ging, und Flick hielt ihn,
Demon, offensichtlich für nicht bedrohlich. Und auch wenn er gar
nicht den Wunsch hatte, sie zu bedrohen, so wollte er sie ganz
sicher in seinem Bett haben, und das hätte sie eigentlich nervös
machen sollen, wenigstens ein wenig vorsichtig. Aber nein – nicht
Flick.
Felicity war
empfindsam – Felicity war vernünftig. Sie besaß genug Verstand, um
sich Demons Anwesenheit bewusst zu sein. Felicity besaß einen
gesunden Selbsterhaltungstrieb. Bei Flick war das jedoch, soweit er
es sehen konnte, ganz anders. Sie hatte nicht einmal begriffen,
dass er nicht der gütige Onkel war und ganz bestimmt nicht die Art
von Mann, den ein junges Mädchen unter Kontrolle halten
konnte.
»Es wird nicht der
Ritt von The Flynn sein, den ich beobachten werde«, erklärte er und
blieb an ihrer Seite.
Sie sah auf, ihre
Blicke begegneten sich, und sie runzelte die Stirn noch mehr. »Es
ist wirklich nicht nötig, mich zu beobachten – ich bin schon seit
Jahren nicht mehr aus dem Sattel geflogen.«
»Wie dem auch sei«,
schnurrte er. »Ich versichere dir, dich zu beobachten – meine Augen
über deinen grazilen Körper gleiten zu lassen, während du auf einem
meiner preisgekrönten Pferde sitzt -, denn das ist genau die Art
von Benehmen, die man von einem Gentleman wie mir
erwartet.«
»Ganz gleich, was du
auch sagst, mich zu beobachten, während du die anderen Zuschauer im
Auge behalten solltest, ist dumm. Es ist eine verschwendete
Gelegenheit.«
»Für mich
nicht.«
Flick stieß ein
unwilliges Geräusch aus und vermied es, ihn anzusehen. Er machte
absichtlich Schwierigkeiten – sie fühlte seine Verärgerung, auch
wenn er sie zu verbergen versuchte, aber sie hatte keine Ahnung,
welchen Grund er dafür hatte oder warum seine Worte noch weniger
Sinn ergaben als die von Dillon. Sie ging weiter und bemühte sich,
das Flattern in ihrem Magen zu ignorieren, ebenso ihre
aufgebrachten Nerven und die anderen unerwünschten Erinnerungen an
ihre Vernarrtheit in ihn, als sie noch ein Mädchen gewesen
war.
Er war ihr Idol
gewesen, seit sie zehn Jahre alt war und in der Bibliothek ein Buch
über die Arbeiten von Michelangelo gefunden hatte. Darin hatte sie
eine Skulptur entdeckt, die ihren Vorstellungen von einem gut
aussehenden Mann entsprochen hatte. Doch Demon sah noch viel besser
aus. Seine Schultern waren breiter, seine Brust muskulöser und
seine Hüften schmaler, seine Beine waren länger, kräftiger – sein
ganzer Körper sah besser aus. Und was den Rest betraf, so nahm sie
nach allem, was sie über ihn gehört hatte, an, dass er auch dort
noch besser ausgestattet war. Seine lässige Art, seine Liebe zu den
Pferden und seine Verbindungen zur Welt des Rennsports trugen nur
noch dazu bei, ihr Interesse zu wecken.
Sie hatte jedoch
niemals den Fehler gemacht, sich vorzustellen, dass er ihre Gefühle
erwiderte oder sie je erwidern würde. Er war elf Jahre älter als
sie, und er konnte unter den schönsten Frauen und den gebildetsten
Ladys der gehobenen Gesellschaft wählen. Es wäre äußerst dumm von
ihr, sich einzubilden, dass er sie je bemerken würde. Aber eines
Tages würde sie heiraten – schon bald. Sie war bereit, zu lieben
und geliebt zu werden. Immerhin war sie schon zwanzig, und sie
wartete und hoffte. Und wenn es nach ihren Vorstellungen ging,
würde sie einen Gentleman heiraten, der genauso war wie Demon. Doch
er blieb für sie ein unerreichbares Idol.
Sie machte eine
ausladende Handbewegung. »Dieser zwielichtige Kontaktmann von
Dillon ist vielleicht gar nicht aus dieser Gegend hier. Vielleicht
sollte man sich einmal in den Hotels und Gasthöfen umhören
…«
»Darum habe ich mich
bereits gekümmert.«
»Oh.« Sie sah auf,
und ihre Blicke trafen sich. Einen Augenblick waren seine blauen
Augen eindringlich, dann sah er weg.
»Ich werde mich noch
einmal umhören, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass wir auf
diesem Weg etwas herausfinden. Immerhin sind wir hier in Newmarket,
einem Ort, der voll ist von Gasthöfen und Tavernen. Es ist ein Ort,
der zwielichtige Gestalten anzieht, und die meisten kommen nicht
von hier aus der Gegend.«
Flick verzog das
Gesicht. Sie gingen weiter durch den Garten. Die Ställe lagen vor
ihnen, eingerahmt von hölzernen Torbogen, die von Glyzinien
überwuchert waren. Sie betraten den Weg, der unter einem der
Torbogen hindurchführte. »Dieser Kontaktmann«, begann sie noch
einmal nachdenklich, »wer könnte das wohl sein? Einer aus dem
Syndikat. Oder vielleicht ein anderer Helfer?«
»Es wird niemand aus
dem Syndikat sein.« Demon schlenderte mit lässigen Schritten neben
ihr her. Seine Hände hatte er in die Hosentaschen gesteckt. Sein
Blick ruhte auf dem Kies vor seinen Füßen. »Wer immer diese Leute
sind, das Syndikat hat wahrscheinlich Geld genug, und sie würden
nicht das Risiko eingehen, dass man sie entdeckt. Nein – dieser
Mann wird jemand sein, den sie angeheuert haben. Vielleicht ist er
fest angestellt. Für uns wäre es das Beste.«
»Das heißt, wenn wir
ihn identifiziert haben, könnten wir eine Möglichkeit bekommen,
durch ihn an seine Hintermänner zu gelangen?«
Demon nickte. Dann
blickte er auf und blieb stehen. Sie hatten das Ende des
Bogenganges erreicht.
Auch Flick blickte
auf und kniff die Augen zusammen, weil die Sonne über seine
Schulter hinweg genau in ihre Augen schien. Er sah sie an, sie
konnte sein Gesicht nicht erkennen, doch sie fühlte seinen Blick
und seine Anwesenheit mit jeder Faser ihres Körpers. Sie war daran
gewöhnt, mit großen Pferden zu arbeiten. Jetzt, wo sie so nahe vor
ihm stand, erinnerte sie sich wieder daran, dass er die gleiche
Aura von körperlicher Kraft ausstrahlte, die gefährlich werden
konnte, wenn man ihn herausforderte. Doch glücklicherweise
bedeuteten weder die Pferde noch er für sie eine Gefahr. Innerlich
schalt sie sich wegen ihrer Empfindsamkeit, dann legte sie
schützend eine Hand über die Augen.
Und sah genau in
seine Augen.
Ihr stockte einen
Augenblick lang der Atem, sie fühlte sich orientierungslos, und sie
wusste nicht mehr, wer sie war, wer er war und wie die Dinge
zwischen ihnen wirklich standen. Doch dann änderte sich sein Blick,
sie blinzelte und riss sich zusammen. Er sah sie weiterhin an,
nicht gerade ernst, aber entschlossen, und den Ausdruck in seinen
Augen kannte sie nicht, und sie verstand ihn auch
nicht.
Sie wollte gerade
fragend eine Augenbraue hochziehen, als er zu sprechen begann.
»Jetzt kennst du die ganze Geschichte von Dillons Verwicklung in
diese Sache. Bedauerst du es, dass du ihm deine Hilfe angeboten
hast?«
»Ob ich das
bedaure?« Sie dachte über seine Frage nach. »Ich glaube nicht, dass
das die richtige Überlegung ist. Ich habe ihm schon immer geholfen
– er steckt ständig in irgendwelchen Komplikationen.« Sie zuckte
mit den Schultern. »Ich habe immer geglaubt, dass er eines Tages
erwachsen werden und damit aufhören wird. Doch bis jetzt ist das
noch nicht der Fall.«
Demon betrachtete
ihr Gesicht, sah den ehrlichen Blick ihrer blauen Augen. Sie
verrieten ihm nicht, was sie für Dillon empfand, doch er fühlte
ihren offensichtlichen Widerstand ihm gegenüber und fragte sich, ob
Dillon wohl der Grund dafür war. Wenn sie und Dillon zusammen
waren, so war sie der bestimmende Teil – sie war diejenige, die das
Sagen hatte. Sie hatte sich daran gewöhnt, dass Dillon von ihr
abhängig war, und es war sogar möglich, dass ihr das gefiel.
Zweifellos liebte sie es, die Führung zu übernehmen.
Und das war ja auch
alles in Ordnung, aber …
»Also.« Blinzelnd
sah sie zu ihm auf. »Was, denkst du, wird als Nächstes
passieren?«
Nachdenklich zog er
die Augenbrauen hoch. »Wahrscheinlich nicht viel.« Wenigstens nicht
in seinem Stall. »Doch solltest du über irgendetwas stolpern, werde
ich natürlich erwarten, dass du mich sofort
benachrichtigst.«
»Natürlich.« Sie
ließ die Hand wieder sinken und ging in Richtung auf den Stall
weiter. »Wo wirst du sein?«
Überall würde er
sich umsehen. »Schicke eine Nachricht auf das Gestüt – die
Shephards wissen immer, wo sie mich finden können.«
»Ich werde dir eine
Nachricht schicken, wenn ich etwas erfahre.« Am Rande des Gartens
blieb sie stehen und streckte ihm die Hand hin. »Wir sehen uns dann
in ein paar Stunden im Stall.«
Demon griff nach
ihrer Hand. Er sah ihr in die Augen – und versank in den blauen
Tiefen. Ihre Finger lagen vertrauensvoll und ruhig in seiner Hand.
Er dachte daran, ihre Hand zu heben und einen leichten Kuss darauf
zu drücken, er dachte daran …
Wahnsinn und
Unsicherheit mischten sich in seinem Inneren.
Der Augenblick ging
vorüber.
Er gab ihre Hand
wieder frei. Mit einem hochmütigen Nicken wandte er sich ab, biss
die Zähne zusammen und ging zu den Ställen. Bei jedem Schritt wurde
ihm immer mehr bewusst, wie stark sein Wunsch war, diesen
Botticelli-Engel zu packen – und sie mit in sein Bett zu
nehmen.