18
 
Noch ein Ball – Flick wünschte sich so sehr, dass sie wieder in Hillgate End, dass Demon auf seinem Gestüt und das Leben wieder einfach wäre.
»Miss Parteger, Framley hat eine umwerfende Ode an Ihre Augen geschrieben. Sind Sie sicher, dass Sie sie wirklich nicht hören wollen?«
»Ganz sicher.« Flick sah Lord Henderson ernst an. »Sie kennen doch meine Gefühle, wenn es um Poesie geht.«
Seine Lordschaft sah angemessen beschämt aus. »Ich dachte nur, vielleicht, weil es gerade Ihre Augen sind …«
Flick zog eine Augenbraue hoch und schenkte ihre Aufmerksamkeit dem nächsten Mitglied ihres jugendlichen Hofstaates, das versuchte, sie zu bezaubern. Bei ihrer Unterhaltung mit den vielen Bewunderern, die sie so mühelos um sich versammelte, versuchte sie angestrengt, nicht unfreundlich zu sein, aber sie waren alle noch so jung, so harmlos, und unfähig, ihr Interesse zu wecken.
Das hatte ein anderer Mann getan, sehr effektiv, und dann hatte er sie verlassen. Sie fühlte, wie sich ihre Augenbrauen zusammenzogen. »In der Tat, Sir.« Sie nickte zustimmend zu Lord Bristols Bemerkung über den Regen. Dann setzte sie eine Miene höflichen Interesses auf und tat so, als würde sie dem Geplauder lauschen, während sie sich in Gedanken auf die große, schlanke Gestalt konzentrierte, die lässig an der Wand von Lady Hendersons Ballsaal lehnte. Sie konnte ihn aus den Augenwinkeln sehen, wie immer, direkt neben einer attraktiven Lady, die ihm schöne Augen machte – auch wie immer. Zugegeben, die Ladys hatten an jedem Abend ein anderes Gesicht, aber das zählte für sie nicht, es änderte nichts. Sie sah diese Frauen als Herausforderung an – sie mussten besiegt und ausgelöscht werden.
Er wollte sie heiraten – heute Morgen, als sie so lange im Bett gelegen hatte, hatte sie sich entschieden, dass sie ihn heiraten wollte. Und das bedeutete, dass er würde lernen müssen, sie zu lieben, ganz gleich, was Celeste, Tante Scroggs oder sonst irgendwelche alten Weiber dachten. Er hatte ihr ihren Traum vor die Nase gehalten. Sie hatte ihn gepackt und hatte nicht die Absicht, ihn je wieder loszulassen.
Sie konnte ihre Gefühle nicht zeigen, indem sie ihn wütend anstarrte. Sie spielte mit dem Gedanken, etwas Unerwartetes zu tun. Zum Beispiel könnte sie warten, bis ein Walzer begann, und dann durch den Raum gehen, seine Lady dieses Abends beiseite schieben und verlangen, dass er den Walzer mit ihr tanzte.
Was würde er wohl tun? Wie würde er reagieren?
Ihre Fantasien wurden von einem Gentleman unterbrochen, der in einem geschickten Manöver Lord Bristol von ihrer Seite verdrängt hatte.
»Meine liebe Miss Parteger – es ist mir eine Freude.«
Flick reichte ihm die Hand, und er hielt sie viel länger als nötig. Er war älter als ihre anderen Bewunderer. Sie entzog ihm ihre Hand. »Ich fürchte, Sir, dass Sie mir gegenüber im Vorteil sind.«
Er lächelte. »Philip Remington, meine Liebe, zu Ihren Diensten. Wir sind uns in der letzten Woche kurz bei Lady Hawkridge begegnet.«
Flick senkte ein wenig den Kopf. Auf dem Ball von Lady Hawkridge hatte er sie kaum bemerkt und hatte auch kein besonderes Interesse an ihr gezeigt. Sein Blick hatte einen Augenblick lang auf ihrem Gesicht geruht, ehe er mit einem höflichen Nicken seines Kopfes weitergegangen war. Doch jetzt war sein Blick viel eindringlicher, nicht erschreckend, aber ganz sicher konnte sie ihn nicht mit den unreifen Jungen vergleichen, die um sie herumstanden.
»Ich habe eine Frage, meine Liebe, wenn ich so kühn sein darf. Ich fürchte, die gehobene Gesellschaft macht es sich viel zu leicht, eine Mutmaßung zur Wahrheit zu erheben. Verwirrung ist ein Wort, das das Leben nur unnötig kompliziert macht.«
Er hatte seine Worte mit einem verschwörerischen Lächeln unterstrichen, das Flick bereitwillig erwiderte. »In der Tat, ich finde diese Art oft sehr verwirrend. Was wollen Sie denn wissen?«
»Es ist eine etwas delikate Angelegenheit, aber … wenn ich Sie nicht frage, wie werde ich es dann je erfahren?« Er hielt ihren Blick gefangen. »Ich möchte wissen, meine Liebe, ob das Gerücht stimmt, dass Sie und Harry Cynster verlobt sind.«
Flick zog scharf den Atem ein, dann hob sie das Kinn. »Nein, Mr. Cynster und ich sind nicht verlobt.«
Remington verbeugte sich lächelnd. »Danke, meine Liebe. Ich muss zugeben, es freut mich, das zu hören.«
Was er mit Worten nicht aussprach, sagten seine Augen. Flick fluchte innerlich, obwohl sie stolz war über seine Reaktion. Remington war ein sehr gut aussehender Mann.
Ihre Worte hatten die Aufmerksamkeit anderer Gentlemen geweckt, die in dem Kreis standen, und genau wie Remington waren sie älter als die anderen Verehrer. Einer schob sich an ihre Seite und drängte Lord Henderson beiseite. »Framlingham, Miss Parteger. Wir haben Sie im Haushalt der Cynsters gesehen und, nun ja – wir haben ganz einfach angenommen, Sie wissen schon.«
»Ich bin eine Freundin der Familie«, erwiderte Flick. »Lady Horatia war so freundlich, mir die Stadt zu zeigen.«
»Ah!«
»In der Tat?«
Andere Gentlemen gesellten sich zu ihnen und schoben ihre jungen Verehrer an den Rand des Kreises. Flick erstarrte, aber mit Remington, der sie zu beschützen schien, und dem etwas barschen Framlingham in ihrer Nähe wurde ihr sehr schnell klar, dass ihre neuen Verehrer wesentlich unterhaltsamer waren.
Es dauerte nur Minuten, dann lachte sie laut auf. Zwei andere junge Ladys gesellten sich zu ihnen, die Unterhaltung bewegte sich auf einer völlig anderen Ebene und wurde zu einem vor Geist sprühenden Schlagabtausch.
Flick unterdrückte ein Kichern über eine von Remingtons spöttischen Bemerkungen, dann glitt ihr Blick durch den Ballsaal – Demon, das wusste sie, hätte dieser Spaß gefallen.
Er blickte in das Gesicht von Celeste.
Flick stockte der Atem, schnell schaute sie wieder zu Remington. Nach einem Augenblick atmete sie langsam aus, dann holte sie tief Luft, reckte sich, hob das Kinn und lächelte ihre neuen Verehrer an.
Als am nächsten Morgen die Kutsche von Lady Horatia auf der Avenue anhielt, war sie sogleich umringt.
»Euer Ehren. Lady Cynster.« Als Erster einer Gruppe von sechs Gentlemen und zwei Ladys verbeugte sich Remington vor Helena und Horatia, dann wandte er sich mit einem warmen Lächeln zu Flick und verbeugte sich auch vor ihr. Nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte, wandte er sich an Horatia. »Könnten wir Sie überreden, Ma’am, Miss Parteger zu erlauben, in unserer Gesellschaft einen Spaziergang über die Wiese zu machen?« Er sah zu Flick. »Natürlich nur, wenn Sie mit uns kommen wollen?«
Wäre Demon irgendwo in der Nähe gewesen, wäre Flick in der Kutsche sitzen geblieben und hätte gehofft, dass er mit ihr reden würde – aber er war nicht da. In der letzten Woche war er überhaupt nicht im Park aufgetaucht. Heute Morgen hatte sie Dillon noch einen beruhigenden Brief geschrieben, weil sie sich immer mehr Sorgen machte, dass er die Dinge selbst in die Hand nehmen und sich an die Verfolgung von Bletchley machen würde und dabei erwischt werden könnte. Der General wäre am Boden zerstört. Doch leider war es nicht Demon, der vor ihr stand, um sie zu beruhigen. Es war Remington, der von ihrem Leben keine Ahnung hatte. Dennoch, wenn sie mit Remington einen Spaziergang machte, könnte sie sich wenigstens ein wenig die Beine vertreten. Sie erwiderte sein Lächeln und sah dann zu Horatia. »Wenn Sie nichts dagegen haben, Ma’am.«
Horatia, die sich die Gruppe vor ihr auf der Wiese genau angesehen hatte, nickte. »Unbedingt, meine Liebe. Ein Spaziergang wird dir gut tun.«
»Wir werden in Sichtweite der Kutsche bleiben«, versicherte Remington ihr.
Horatia nickte und sah dann zu, als Remington Flick aus der Kutsche half. Flick wandte sich um und knickste, dann legte sie die Hand auf Remingtons Arm und ging zu den anderen hinüber.
»Hm.« Neben Horatia beobachtete Helena die Gruppe, die sich langsam entfernte. »Glaubst du, das ist klug?«
Horatia bewunderte Flicks blonde Locken, dann lächelte sie grimmig. »Das weiß ich nicht, aber es sollte eigentlich ein wenig Aufmerksamkeit erregen.« Sie sah Helena mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Findest du nicht auch?«
Wie es seit einigen Wochen für ihn Gewohnheit geworden war, verbrachte Demon seinen Tag bei Whites. Montague und die Leute, die er eingestellt hatte, um Bletchley zu beobachten, hatten ihn dort aufgesucht – er agierte wie ein General, der ihre Suche koordinierte. Doch trotz all ihrer Bemühungen hatten sie nur wenig Erfolg. Sowohl das Geld als auch Bletchley mussten irgendwo sein – doch sie hatten noch nichts herausgefunden. Und die Zeit wurde knapp.
Demon machte sich Sorgen, und es gefiel ihm gar nicht, sich geschlagen geben und das Komitee über die Rennen des Spring Carnival informieren zu müssen, bei denen betrogen worden war, denn das würde gleichzeitig bedeuten, dass er ihnen Dillon ohne jegliche Beweise ausliefern müsste, um seine Geschichte zu untermauern. Er sank in einen Sessel im Lesesaal, griff nach einer Zeitung, öffnete sie und begann zu lesen.
Und versuchte, sich zu entspannen. Wenigstens ein wenig.
Er seufzte, seine Nerven waren viel zu angespannt, genau wie alle Muskeln in seinem Körper. Eine ernsthafte Krankheit hatte ihn gepackt, und verantwortlich dafür war ein Botticelli-Engel. Die Medizin dagegen war offensichtlich, aber wenn er ihr augenblickliches Verhältnis zueinander bedachte, so würde er wohl noch wochenlang leiden müssen.
Noch immer hatte er keine Ahnung, warum sie sich so sehr aufgeregt hatte. Sie schien sich jedoch ein wenig erholt zu haben. Doch leider lag jetzt eine gewisse Kühle in ihrem Benehmen ihm gegenüber. Sie schien ihn abschätzend zu betrachten. Und das ergab überhaupt keinen Sinn. Sie kannte ihn schon seit Jahren – sie kannte ihn sogar im wahrsten Sinne des Wortes -, was wollte sie also noch mehr über ihn herausfinden?
Er unterdrückte ein verächtliches Schnauben und schüttelte die Zeitung aus. Sein größtes Bemühen musste es sein, dieses viel zu offensichtliche Leuchten in ihrem Gesicht zu unterdrücken. Einige würden darin vielleicht nur eine Ermunterung von ihrer Seite sehen, aber nur diejenigen, die nicht richtig hinsahen. So, wie die Dinge jetzt standen, war sie davor geschützt, sich selbst zu verraten. Und um ihre frühere Beziehung wiederherzustellen, brauchte er sie nur in die Arme zu nehmen und sie bis zur Besinnungslosigkeit zu küssen, wenn sie sich erst einmal an den Gedanken gewöhnt hatte, ihn zu heiraten. Darum brauchte er sich keine Sorgen zu machen.
Es gab keinen Grund, die Richtung zu ändern und damit zu beginnen, sich ständig um sie zu bemühen. Das Beste war, so weiterzumachen wie bisher und den Abstand zu ihr weiterhin aufrechtzuerhalten. Genau so, wie er es an den letzten beiden Abenden gemacht hatte.
Er biss die Zähne zusammen und zwang sich, die Zeitung zu lesen.
»Hm – interessant.«
Demon blickte auf; Chillingworth stand neben seinem Sessel und betrachtete ihn fragend.
»Ich muss zugeben, ich beneide Sie sehr, wegen der Art, wie Sie auch unter Feuer kühl bleiben.«
Demon blinzelte, seine Muskeln spannten sich an. »Was für ein Feuer?« Er sah Chillingworth fragend an.
Chillingworth zog die Augenbrauen hoch. »Also, ich meine natürlich das außergewöhnliche Interesse an Ihrer süßen Unschuld. Haben Sie denn noch nichts davon gehört?«
»Was soll ich gehört haben?«
»Dieser Remington – Sie haben doch sicher auch erfahren, dass seine Ländereien bis zum Rand mit Hypotheken belastet und seine Taschen vollkommen leer sind?«
Demon nickte.
»Offensichtlich hat er das Unerhörte gewagt. Mitten in einem Ballsaal hat er Ihre liebste Freundin gefragt, ob sie mit Ihnen verlobt ist.«
Demon fluchte.
»Genau. Zusammen mit der Tatsache, dass angeblich sehr gut informierte Kreise behaupten, dass sie ein Einkommen von nicht weniger als zehntausend Pfund im Jahr hat, und, nun ja …« Demon blickte auf, und Chillingworth hielt seinem Blick stand. »Ich wundere mich, mein lieber Junge, dass Sie noch Zeit haben, Zeitung zu lesen.«
Demon sah ihn noch einen Augenblick ruhig an, dann fluchte er unflätig. Er zerknüllte die Zeitung, stand auf und drückte sie Chillingworth in die Hand. »Ich bedanke mich.«
Lächelnd nahm Chillingworth die Zeitung. »Gern geschehen, lieber Junge. Ich freue mich sehr, einem aus Ihrer Familie zu helfen, wenn er in einer Mausefalle sitzt.«
Demon hörte die Worte zwar, aber er wollte lieber nicht darauf antworten – es gab jemanden, mit dem er unbedingt reden musste.
»Warum, zum Teufel, hat sie – oder du – oder irgendjemand mir nicht gesagt, dass sie eine verdammte Erbin ist? Zehntausend im Jahr!« Demon lief unruhig im Wohnzimmer seiner Mutter hin und her und warf ihr einen Blick zu, der mit kindlicher Zuneigung nicht viel zu tun hatte.
Horatia, die auf der chaise saß und Seidentücher sortierte, bemerkte den Blick nicht. »Da dies eine armselige Summe ist, verglichen mit dem Geld, das du besitzt, sehe ich keinen Grund, warum dich das interessieren sollte.«
»Weil jeder Mitgiftjäger in der Stadt jetzt hinter ihr her ist!« Horatia blickte auf. »Aber …« Sie runzelte die Stirn. »Ich hatte den Eindruck, dass du dir mit Felicity einig bist.«
Demon knirschte mit den Zähnen. »Das bin ich auch.«
»Also.« Horatia beschäftigte sich wieder mit ihren Tüchern.
Demon ballte die Hände zu Fäusten und bemühte sich, ruhig zu bleiben. Er begriff, dass seine Mutter ihn aufs Glatteis führen wollte. »Ich will sie sehen«, stieß er hervor. Erst jetzt wurde ihm klar, dass es eigenartig war, Horatia zu dieser Tageszeit ohne Flick anzutreffen. Ein eisiger Schauer rann über seinen Rücken. »Wo ist sie?«
»Die Delacorts haben sie zu einem Picknick in Merton eingeladen. Sie ist mit Lady Hendricks’ Kutsche hingefahren.«
»Du hast sie allein dorthin gehen lassen?«
Horatia sah auf. »Gütiger Himmel, Harry! Du kennst diese Leute doch. Sie sind alle jung, und auch wenn Lady Hendricks und Mrs. Delacort vielleicht beide Söhne haben, die eine reiche Frau suchen, was kann es denn schaden, wenn du dir mit Flick einig bist?«
Sie sah ihn mit ihren blauen Augen herausfordernd an, um ihn dazu zu bringen, ihr die Wahrheit zu sagen.
Er biss die Zähne so fest zusammen, dass seine Kiefer schmerzten, dann nickte er knapp, drehte sich auf dem Absatz um und ging.
Er konnte, verdammt, nichts dagegen tun – gegen die vielen Einladungen zu Picknicks, Mittagessen im Freien und Tagesausflügen, mit denen die jugendlichen Mitglieder der gehobenen Gesellschaft sich die Zeit vertrieben.
Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte er an der Wand in Lady Moncktons Ballsaal und betrachtete die Leute, die sich um Flick versammelt hatten. Nur mit Mühe gelang es ihm, die Männer nicht wütend anzustarren. Es hatte ihm schon genügt, eine Gruppe hilfloser Jungen zu beobachten, die um ihre Röcke schwirrten, doch die Gentlemen, die sich jetzt um sie versammelt hatten, waren von einem anderen Kaliber. Viele waren begehrenswerte Junggesellen, einige besaßen Titel, die Mehrheit von ihnen brauchte jedoch Geld. Und sie waren alle einige Jahre jünger als er. Sie konnten ihr, mit dem Segen der Gesellschaft, ihre Aufmerksamkeit schenken, ihr sogar den Hof machen, indem sie sie zu all den Picknicks und unschuldigen Veranstaltungen einluden – alles Dinge, die er ihr nicht bieten konnte.
Wer hatte je davon gehört, dass man zu einem Picknick seinen eigenen Wolf mitnahm? So etwas passierte ganz einfach nicht.
Zum ersten Mal in all den Jahren, in denen er in der gehobenen Gesellschaft verkehrte, fühlte Demon sich wie ein Außenseiter. Der Kreis, in dem Flick sich jetzt bewegte, war ein Kreis, der ihm verschlossen war. Und sie konnte auch nicht zu ihm kommen. Dank ihrer unverbrüchlichen Ehrlichkeit vergrößerte sich der Abstand zwischen ihnen immer mehr.
Und er war hilflos dagegen, er konnte es nicht verhindern.
Er war zuvor schon nervös gewesen. Aber jetzt …
Jetzt war es unmöglich, auch nur zwei Tänze mit ihr zu tanzen. Er hatte sich für den Ländler nach dem Essen entschieden, der auf den Walzer folgte, der gerade begonnen hatte. Ihr augenblicklicher Partner, stellte Demon grimmig fest, war Remington, einer von den Gentlemen, denen er am wenigsten traute. Flick teilte seine Meinung nicht, sie tanzte oft Walzer mit diesem Kerl.
Er machte sich nicht länger etwas daraus, dass die Leute bemerkten, wie er sie beobachtete, doch er war dennoch dankbar für die Marotte der gehobenen Gesellschaft, dass nur ein überfüllter Ballsaal ein Zeichen für eine erfolgreiche Gastgeberin war. Am heutigen Abend war das Fest bei Lady Monckton ein unerhörter Erfolg, und das bot ihm ein wenig Deckung.
Der Gedanke, diese Deckung zu nutzen, um Flick aus der Menge wegzuholen, sie in seine Arme zu nehmen und zu küssen, kam ihm in den Kopf. Zögernd gab er ihn wieder auf – das war auch eines der Dinge, die er nicht riskieren durfte. Wenn jemand sie sah, dann würden trotz seiner äußersten Vorsicht Fragen gestellt werden.
Ohne nach etwas Besonderem zu suchen, entdeckte er in der Menge der Tänzer ihr leuchtend blondes Haar. Als er sie genauer betrachtete, sah er, wie sie lachte und Remington anlächelte. Demon biss die Zähne zusammen, und plötzlich musste er wieder an sein Versprechen dem General gegenüber denken. Wenn nun …
Sein Blut gerann – er konnte diesen Gedanken nicht einmal zu Ende denken, durfte nicht zulassen, dass er sich überhaupt in seinem Kopf formte. Der Gedanke, Flick zu verlieren, lähmte ihn.
Abrupt holte er tief Luft und schob diesen Gedanken beiseite – schnell erinnerte er sich an das Haus in der Clarges Street, das Haus, das er an diesem Morgen besichtigt hatte. Es war perfekt für ihn und Flick. Es hatte gerade die richtige Anzahl von Zimmern, war nicht zu groß …
Als er dann wieder zu Flick sah, stockten seine Gedanken genau in dem Augenblick, als auch die Musik aufhörte. Auf der anderen Seite des Raumes blieben Flick und Philip Remington stehen. Anstatt sich zu der chaise zu wenden, auf der Horatia saß, warf Remington einen schnellen Blick in die Runde und führte Flick dann durch eine Tür aus dem Ballsaal hinaus.
Demon reckte sich. »Verdammt!«
Zwei Matronen hinter ihm warfen ihm böse Blicke zu, doch er machte sich nicht die Mühe, sich bei ihnen zu entschuldigen. Leichtfüßig und offensichtlich gar nicht in Eile, ging er durch den Raum. Er kannte die Bedeutung von Remingtons schnellem Blick sehr gut. Was glaubte dieser Kerl eigentlich, wer er war?
»Ah – Liebling
Celeste vertrat ihm den Weg. Ihre dunklen Augen blitzten, sie hob eine Hand …
Mit einem einzigen Blick brachte er sie dazu, innezuhalten. »Guten Abend, Madam.« Mit einem kurzen Nicken ging er um sie herum und setzte seinen Weg fort. Hinter sich hörte er einen unflätigen Fluch auf Französisch.
Er kam gerade noch rechtzeitig in den Flur hinter dem Ballsaal, um zu sehen, wie sich am anderen Ende eine Tür schloss. Er hielt inne und versuchte, sich an die Räume im Monckton House zu erinnern – das Zimmer am Ende des Flurs war die Bibliothek.
Er ging mit schnellen Schritten den Flur entlang, doch noch ehe er an der Tür angekommen war, blieb er stehen. Er würde nichts gewinnen, wenn er Flick rettete, ehe ihr überhaupt bewusst wurde, dass sie gerettet werden musste.
Er öffnete die Tür des Zimmers neben der Bibliothek und ging hinein. Sehr schnell hatten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt, und er durchquerte das Zimmer, öffnete die Terrassentür und trat auf die Terrasse hinaus.
Flick stand mitten in der Bibliothek und betrachtete die Bilder an den Wänden, dann sah sie ihren Begleiter an. »Wo sind denn die Kupferstiche?«
Die Bibliothek war mit dunklem Holz verkleidet, Regale mit vielen Büchern standen an den Wänden, und im Kamin brannte ein kleines helles Feuer. Auf einem Tisch neben dem Sofa stand ein Kerzenleuchter, der einen warmen Schein in den Raum warf; die Flammen der Kerzen flackerten in dem leichten Wind, der durch die geöffnete Terrassentür wehte. Noch einmal betrachtete Flick die Bilder an den Wänden. »Aber das sind ja alles Gemälde.«
Remington lächelte. Sie sah, wie er die Hand bewegte, dann klickte der Riegel der Tür. »Meine süße Unschuld.« Ein sanftes Lachen lag in seiner Stimme, als er auf sie zukam. »Sie haben doch nicht wirklich geglaubt, dass es hier Kupferstiche gibt, oder?«
»Natürlich habe ich das geglaubt. Sonst wäre ich nicht mitgegangen. Ich liebe Kupferstiche …« Ihre Stimme wurde leiser, als sie den Ausdruck auf seinem Gesicht sah, dann erstarrte sie und hob das Kinn. »Ich denke, wir sollten in den Ballsaal zurückgehen.«
Remington lächelte gewinnend. »O nein. Warum denn? Lassen Sie uns doch eine Weile hier bleiben.«
»Nein.« Flick sah ihn eindringlich an. »Ich möchte zu Lady Horatia zurück.«
Remingtons Gesichtsausdruck wurde hart. »Leider, meine Liebe, möchte ich das gar nicht.«
»Keine Sorge, Remington, ich werde Miss Parteger zu meiner Mutter begleiten.«
Demon lehnte an der Terrassentür und genoss die Reaktion der beiden. Flick wirbelte herum, und Erleichterung machte ihre Züge weich. Remington starrte ihn mit offenem Mund an, dann schloss er ihn schnell und warf ihm wütende Blicke zu.
»Cynster!«
»In der Tat.« Demon reckte sich und verbeugte sich spöttisch vor Remington. Sein Blick war stahlhart, genau wie der Unterton in seiner Stimme. »Da Sie nicht in der Lage sind, Miss Parteger die Kupferstiche zu zeigen, die Sie ihr versprochen haben, würde ich vorschlagen, dass es besser wäre, wenn Sie jetzt gehen? Nicht nur aus diesem Zimmer, sondern aus dem Haus.«
Remington schnaufte verächtlich, doch er sah ihn gleichzeitig unsicher an. Und das war auch besser so, denn Demon würde ihn bei der kleinsten Provokation liebend gern auseinander nehmen. »Ich bin sicher, Sie begreifen, dass es so besser wäre.« Er schlenderte zu Flick und sah Remington an, der ihn vorsichtig beäugte. »Wir möchten doch nicht, dass geflüstert wird – denn wenn das so wäre, würde ich erklären müssen, dass Sie Miss Parteger hinters Licht geführt und ihr gesagt haben, in der Bibliothek des Monckton House gäbe es Kupferstiche.« Er zog die Augenbrauen hoch. »Es ist schwierig, eine reiche Frau zu finden, wenn man nicht länger zu den Bällen eingeladen wird«, meinte er dann gedehnt.
Remington gelang es nicht, seine Wut zu verbergen. Aber er war ein ganzes Stück kleiner als Demon und auch leichter. Also schluckte er seinen Zorn hinunter, nickte, verbeugte sich knapp vor Flick, wandte sich dann auf dem Absatz um und ging zur Tür.
Flick stand neben Demon. Sie war ihm dankbar, dass er den Mann so eingeschüchtert hatte. Doch jetzt sah sie mit gerunzelter Stirn zur Tür, die sich hinter Remington schloss. »Ist er ein Mitgiftjäger?«
»Jawohl!« Mit einem heftigen Fluch hob Demon beide Hände, dann schien er allerdings nicht zu wissen, was er mit ihnen anfangen sollte. Noch einmal fluchte er, dann wandte er sich ab und lief unruhig in dem Zimmer hin und her. »Das ist er! Die Hälfte der Kerle, die um dich herumscharwenzeln, sind das – einige mehr, die anderen weniger.« Der Blick seiner blauen Augen war eindringlich. »Was hast du dir denn vorgestellt, was passieren würde, wenn du verrätst, wie viel du wert bist?«
Flick blinzelte. »Wert?«
»So unschuldig kannst du doch wohl nicht sein. Jetzt, wo die Neuigkeit überall bekannt ist, dass du zehntausend im Jahr zu deiner Verfügung hast, hängen sie alle an deinen Röcken. Es ist ein Wunder, dass du in dem Gedränge noch nicht untergegangen bist!«
Langsam begann sie zu begreifen, doch dann verlor sie die Fassung und wirbelte zu ihm herum. »Wie kannst du es wagen!« Ihre Stimme zitterte, und sie holte tief Luft. »Ich habe niemandem irgendetwas von meinem Vermögen gesagt. Ich habe über so etwas überhaupt nicht geredet.«
Demon blieb stehen. Die Hände in die Hüften gestützt, wandte er sich zu ihr. Dann trat ein finsterer Ausdruck in sein Gesicht. »Nun, mich brauchst du nicht anzusehen. Ich würde wohl kaum eine Peitsche für meinen eigenen Rücken machen.« Erneut begann er, unruhig hin und her zu laufen. »Also, wer hat diese Nachricht verbreitet?« Er sprach zwischen zusammengebissenen Zähnen. »Verrate es mir, damit wir demjenigen den Hals umdrehen können.«
Flick wusste ganz genau, wie er sich fühlte. »Ich denke, es muss meine Tante gewesen sein. Sie will, dass ich eine gute Partie mache.« Sie wollte, dass sie Demon heiratete, also hatte ihre Tante jeden wissen lassen, dass sie eine Erbin war. So habgierig, wie sie war, nahm sie an, dass diese Neuigkeit ihn dazu bringen würde, sie sich zu schnappen, ganz gleich, wie reich er selbst auch sein mochte.
»War es das, was sie damals auf dem Ball gesagt hat, als du dich so aufgeregt hast?«
Sie zögerte, dann zuckte sie mit den Schultern. »In gewisser Weise schon.«
Demon sah sie wütend an. Zuerst seine Mutter, jetzt ihre Tante. Ältere Ladys machten ihm das Leben schwer. Jedoch war das nicht der Grund für die übermächtige Wut, die ihn erfüllte und die noch schlimmer wurde durch das Wissen, was geschehen wäre, wenn er sie nicht so aufmerksam beobachtet hätte.
»Was auch immer – wer auch immer.« Gepresst kamen diese Worte aus seinem Mund. Die Hände in die Hüften gestützt, stand er vor ihr. »Schlimm genug, dass du von einer Meute von Mitgiftjägern umgeben bist, aber das entschuldigt dein Benehmen heute Abend nicht. Du weißt verdammt genau, dass du nirgendwo mit einem Mann allein hingehen sollst. Was, zum Teufel, hast du dir eigentlich dabei gedacht?«
Flick reckte sich und hob das Kinn. Ihre Augen blitzten warnend. »Du hast es doch gehört. Zufällig mag ich Kupferstiche.«
»Kupferstiche!« Er biss die Zähne zusammen, um nicht wütend loszubrüllen. »Weißt du denn nicht, was das bedeutet?«
»Kupferstiche sind Drucke von einer Metallplatte, auf die jemand mit einer Nadel gezeichnet hat.«
Sie begleitete ihre Bemerkung damit, dass sie hochmütig die Nase in die Luft reckte. Demons Hände pressten sich fester auf seine Hüften, und er widerstand dem Wunsch, sie zu packen. Er beugte sich vor und brachte sein Gesicht nahe vor ihres. »Zu deiner Information, wenn ein Gentleman einer Lady anbietet, ihr Kupferstiche zu zeigen, dann ist es das Gleiche, als würde er ihr anbieten, ihr den Familienschmuck zu zeigen.«
Flick blinzelte; verwirrt sah sie ihm in die Augen. »Na und?«
»Aaargh!« Er wandte sich ab. »Es ist eine Einladung zu Intimitäten!«
»Wirklich?«
Er wandte sich wieder zu ihr um und sah, dass sich ihre Mundwinkel hochzogen.
»Das sieht der gehobenen Gesellschaft ähnlich, ein vollkommen unschuldiges Wort so zu missbrauchen.«
»Remington war darauf aus, dich zu missbrauchen.«
»Hm.« Mit versteinertem Gesicht sah sie zu ihm auf. »Aber ich mag Kupferstiche wirklich. Hast du welche?«
»Ja.« Die Antwort war ihm herausgerutscht, noch ehe er richtig nachgedacht hatte. Als sie anzüglich die Augenbrauen hochzog, gab er brummend zu: »Ich besitze zwei Bilder von Venedig.« Sie hingen zu beiden Seiten seines Bettes. Wenn er eine Lady einlud, seine Kupferstiche zu betrachten, meinte auch er es in zweideutigem Sinn.
»Ich nehme nicht an, dass du mich einladen wirst, sie mir anzusehen?«
»Nein.« Nicht, solange sie nicht zustimmte, ihn zu heiraten.
»Das dachte ich mir.«
Er blinzelte und sah sie dann mit finsterem Blick an. »Was soll das heißen?« Ihre rätselhaften Bemerkungen machten ihn verrückt.
»Es soll heißen«, erklärte Flick, und ihre Stimme klang genauso überdeutlich wie seine, »dass es mir immer klarer wird, dass du mich nur als ein schmückendes Ornament haben willst, eine passende, akzeptable Frau, die bei all den Familienfeiern an deiner Seite ist. Du willst mich gar nicht wirklich! Und das beeindruckt mich überhaupt nicht – und dein Benehmen in letzter Zeit beeindruckt mich noch weniger.«
»Oh?«
In diesem einzelnen Wort lag Gefahr, doch Flick ignorierte den Schauer, der ihr über den Rücken lief. »Du bist niemals da – du bist nie in meiner Nähe! Du lässt dich nicht einmal dazu herab, mit mir einen Walzer zu tanzen – und nur ein einziges Mal hast du mich zu einer Ausfahrt im Park eingeladen!« Mit geballten Fäusten stand sie vor ihm und ließ ihrem Zorn freien Lauf. »Du warst derjenige, der darauf bestanden hat, mich nach London zu bringen – wenn du geglaubt hast, dass dies der beste Weg ist, mich dazu zu bringen, dich zu heiraten, dann hast du dich gründlich geirrt!«
Ihre Augenbrauen hatten sich zusammengezogen. »In der Tat hat mir diese Reise nach London die Augen geöffnet.«
»Du meinst, sie hat dir gezeigt, wie viele junge Hunde und Mitgiftjäger du haben kannst, die dir zu Füßen liegen.«
Er hatte so leise geantwortet, dass sie sich konzentrieren musste, ihn überhaupt zu verstehen. Ihre Antwort war ein süßes Lächeln. »Nein«, meinte sie, und der Ton ihrer Stimme klang so, als müsse sie einem Dummkopf eine ganz einfache Sache erklären. »Ich will keine jungen Kerle oder Mitgiftjäger – das habe ich damit nicht gemeint. Ich meine, ich habe dich erst jetzt im richtigen Licht gesehen!«
»In der Tat?« Spöttisch zog er eine Augenbraue hoch.
»Oh, in der Tat!« Flick gestikulierte heftig. »Deine Frauen – Ladys, da bin ich sicher, ganz besonders Celeste.«
Er erstarrte. »Celeste?«
Seine Stimme klang fordernd, aber es lag auch eine Warnung darin. Flick achtete nicht darauf. »Du musst dich doch an sie erinnern – dunkles Haar, dunkle Augen. Enorme …«
»Ich weiß, wer Celeste ist.« Seine harte Stimme ließ sie innehalten. »Was ich wissen will, ist, was du über sie weißt.«
»Oh, nicht mehr als jeder andere auch, der Augen im Kopf hat.« Ihre eigenen Augen blitzten wütend und verrieten ihm ganz genau, wie viel das war. »Aber Celeste ist nebensächlich. Wenigstens wird sie das sein müssen, sollten wir jemals heiraten. Das ist mein wichtigster Punkt.«
Sie blieb direkt vor ihm stehen und sah in sein Gesicht, dann zischte sie: »Ich bin nicht eine deiner Cousinen, die man beobachten muss, auf die Art, wie man einen Hund am Futternapf beobachtet!«
Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch sie hob schnell einen Finger. »Wage es nicht, mich zu unterbrechen – hör mir einfach zu!«
Er schloss den Mund wieder, und die Art, wie er die Lippen zusammenpresste, sagte ihr, dass er ihn so bald nicht wieder öffnen würde. Sie holte tief Luft. »Wie du weißt, bin ich kein unschuldiges Mädchen von achtzehn Jahren mehr.« Ihr Blick riet ihm, ihr nicht zu widersprechen. Seine Lippen wurden noch schmaler, doch er schwieg.
»Ich möchte mich unterhalten, spazieren gehen, Walzer tanzen und ausfahren – und wenn du wirklich mich heiraten möchtest, dann sorge besser dafür, dass ich all das mit dir tue!«
Sie wartete, doch noch immer schwieg er. Sie hatte das Gefühl, viel zu nahe an etwas Gefährlichem zu sein, an etwas, das nur sehr schwer unter Kontrolle gehalten wurde. Sie holte tief Luft und sah ihm unverwandt in die Augen, die im schwachen Schein des Kerzenlichtes sehr dunkel waren. »Und ich werde dich nicht heiraten, bis ich davon überzeugt bin, dass es für mich das Richtige ist. Ich werde mich von dir nicht moralisch unter Druck setzen und auch nicht drängen lassen.«
Demon hörte ihre Worte durch einen Nebel des Zorns. Die Muskeln in seinen Schultern bewegten sich, seine Hände kribbelten. Die Ungerechtigkeit in ihren Worten traf ihn. Er hatte nichts anderes getan, als sie zu beschützen. Sein Körper stand kurz vor einer Explosion, und nur die reine Willenskraft hielt ihn noch zurück, doch die schwand immer mehr.
Sie hatte aufgehört zu sprechen und betrachtete fragend sein Gesicht, dann richtete sie sich kerzengerade auf. »Ich werde mich nicht von dir leiten lassen.«
Ihre Blicke hielten einander lange gefangen, und absolutes Schweigen senkte sich über sie. Keiner von ihnen bewegte sich, sie atmeten kaum. Das Feuer in seinem Inneren loderte immer höher, er biss die Zähne zusammen und ertrug es.
»Ich weigere mich …«
Er streckte die Hand aus und zog sie in seine Arme, erstickte ihre weiteren Worte mit seinen Lippen, und dann gab er sich diesem Kuss ganz hin, nahm alles, was sie ihm zu geben hatte, und verlangte noch mehr.
Er zog sie fest an seinen unnachgiebigen Körper. In seinem Kopf wirbelten die Gefühle – Wut mischte sich mit brennender Leidenschaft und anderen, viel elementareren Gefühlen. Er zerbrach – wie ein Vulkan, der langsam ausbricht, dessen äußere Wände unter einer Macht zusammenbrechen, die viel zu lange zurückgedrängt worden war. Nur schwach erinnerte er sich daran, dass er sie nur zum Schweigen hatte bringen wollen, dass er sie bestrafen wollte – doch das wollte er jetzt nicht mehr.
Jetzt beherrschte ihn nur noch das Verlangen nach ihr.
Es war ein Verlangen, das so ursprünglich war, so primitiv und mächtig, dass es ihn erschütterte. Remington hatte den letzten Anstoß gegeben, er hatte diese diffuse Furcht noch größer gemacht – die Furcht, was er wohl tun würde, wenn sie sich in einen anderen verliebte. Wie würde er das ertragen können?
Er hatte angenommen, dass er das, was in ihm brodelte, unter Kontrolle halten könnte – die Gefühle, die nur sie in ihm weckte. In diesem bebenden Augenblick wusste er, dass er sich geirrt hatte.
Mit letzter Willenskraft zwang er sich, seinen Griff zu lockern, gerade so viel, damit sie sich ihm entziehen und vor ihm fliehen konnte. Selbst in dieser extremen Situation wollte er ihr nicht wehtun. Wenn sie sich wehrte, selbst wenn sie passiv blieb, könnte er gegen sich ankämpfen, sich zurückhalten, es ertragen und am Ende seine Dämonen wieder zügeln.
Sie ergriff die Chance und zog ihre Arme weg, die zwischen ihren Körpern gefangen waren, und etwas in seinem Inneren brüllte auf. Er bereitete sich darauf vor, dass sie ihn von sich schieben würde, zwang sich, sie freizugeben …
Sie legte die Hände um sein Gesicht. Ihre Lippen auf den seinen wurden fordernder, sie vergrub die Finger in seinem Haar.
Ihr Kuss war hungrig. Wild. So verlangend wie der seine.
Alles in seinem Kopf drehte sich. Das Verlangen wurde übermächtig. Er war verloren.
Genau wie sie – sie war jetzt kein Engel mehr, sondern eine wilde Frau, fordernd und erregend …
Es war Wahnsinn.
Er hielt sie gefangen – befreite sie.
Flick genoss dieses Gefühl, lebendig zu sein. Sie genoss es, seinen harten Körper an ihrem zu fühlen. Sein Oberkörper war hart wie Stein, als er sich gegen ihre schmerzenden Brüste drängte, seine Schenkel wie Pfeiler aus Marmor. Seine Lippen pressten sich schmerzhaft auf ihre, und alles in ihr jubelte. Seine kräftigen Hände hielten sie fest, hoben sie hoch – und sie wollte nichts anderes, als ihm noch näher zu sein.
Es verlangte sie mehr nach ihm als nach ihrem nächsten Atemzug. Sie legte die Arme um seinen Hals und schmiegte sich in seine Umarmung, klammerte sich fest an ihn, sodass ihre Gesichter einander ganz nahe waren, beinahe auf gleicher Höhe. Seine Hände schlossen sich um ihren Po, er hielt sie fest an sich gedrückt, und sie fühlte seine Erregung an ihrem Bauch.
Sie wollte ihn in sich haben. Hier. Jetzt. Sofort. Noch immer küsste er sie voller Leidenschaft, sein Mund war fordernder als je zuvor – doch ihr fehlte der Atem, um ihm das zu sagen. Ihre Röcke waren gerade weit genug, damit sie ihre Schenkel um seine Hüften legen konnte, das tat sie und drängte sich noch näher an ihn.
Sein Atem stockte einen Augenblick, seine Muskeln spannten sich an, dann rann ein Schauer durch seinen Körper. Sie bewegte sich erneut, und er hielt den Atem an und küsste sie weiter voller Leidenschaft. Mit einer Hand hielt er sie fest, mit der anderen hob er den Saum ihres Kleides. Dann glitt zuerst die eine und dann auch die andere Hand unter ihr Kleid und legte sich um ihren nackten Po.
Ihr dünnes Hemdchen war kurz – kein Hindernis für ihn. Flick zog scharf den Atem ein, ihre Schenkel schlossen sich noch fester um seine Hüften, und sie bewegte sich unruhig.
Er verstand – seine Hände glitten voller Verlangen über ihren Po und ihre gespreizten Schenkel, dann hielt er sie mit einer Hand fest, mit der anderen erforschte er die weichen, feuchten Falten zwischen ihren Schenkeln.
Er fand den Eingang, und sein Finger drang tief in sie ein. Sie keuchte auf und hob sich ihm entgegen. Er zog den Finger wieder heraus, dann schoben sich einen Augenblick später zwei Finger in sie hinein, tief, er zog sie zurück und stieß dann wieder zu, einmal, zweimal, hart und tief.
Sie konnte nicht mehr atmen, ihr Körper schien zu brennen. Sie zitterte, bereit, den Höhepunkt zu erreichen. Doch das war es nicht, was sie wollte.
Sie ließ einen Arm um seinen Hals und schob die andere Hand zwischen ihre Körper – so tief, dass sie seine Erregung fühlte, die pulsierte und so hart war wie Stahl. Sie schloss die Finger darum, so weit sie konnte …
Er stöhnte auf. Ein Schauer rann durch seinen Körper. »Himmel …!«
Stimmen drangen an ihre Ohren. Schritte näherten sich der Bibliothek. Schwer atmend wandte Flick den Kopf und starrte zur Tür, die nicht mehr verschlossen war.
In Gedanken sah Demon wieder Remington vor sich, wie er den Raum verließ und die Tür hinter sich zuzog. Er sah das Bild, das er und Flick boten, für jeden, der die Bibliothek betreten würde. Sie waren beide zerzaust und atmeten schwer, und es würde Flick niemals gelingen, sich rechtzeitig von ihm zu lösen – und auch ihm nicht.
Mit drei großen Schritten eilte er an die Tür zur Terrasse, mit zwei weiteren Schritten war er draußen.
Die Tür der Bibliothek öffnete sich.
Er drehte Flick zur Wand und drückte sie in die weichen Pflanzen, die an der Wand emporrankten – der Duft von Jasmin hüllte sie ein. Schwer atmend lehnte er sich gegen sie, sein ganzer Körper sehnte sich nach der Erfüllung seiner Lust. Alles in ihm hatte sich darauf konzentriert, nur eines zu tun – tief in sie einzudringen.
Stimmen aus der Bibliothek drangen zu ihnen, er konnte die Geräusche nicht unterscheiden, in seinen Ohren dröhnte es.
Er versuchte zu denken, doch auch das gelang ihm nicht. Er versuchte, sich von diesem weichen Körper zurückzuziehen, den er gegen die Wand mit den Ranken drückte. Doch er schaffte es nicht. Nur an diesen sanften Körper zu denken brachte ihn zurück zu diesem Vulkanausbruch des Verlangens.
Die Sehnsucht nach ihr überwältigte ihn, lähmte seine Sinne und seinen Willen.
Er atmete schwer, dann hob er langsam den Kopf, öffnete die Augen und sah in ihr Gesicht. Er erwartete, einen schockierten Ausdruck in ihrem Gesicht zu sehen – sogar Angst -, sicher hatte er sie erschreckt. Selbst die Angst, entdeckt zu werden, eine Möglichkeit, die noch immer bestand, würde ihm schon reichen, um ihn davon abzuhalten, das zu tun, was er tun wollte.
Doch er sah nur ein Gesicht, aus dem ihm das Verlangen entgegenleuchtete. Er sah, wie sich ihre Lippen öffneten und die Zungenspitze über die Unterlippe glitt. Sie fühlte seinen Blick und sah auf – einen kurzen Augenblick schaute sie tief in seine Augen, dann hob sie das Kinn. »Jetzt.«
Der Befehl drang an seine Ohren, nicht mehr als ein befehlendes Flüstern. Ihre Mundwinkel zogen sich ein wenig nach oben – er hätte schwören können, es war ein Lächeln des Triumphes. Dann fühlte er erneut ihre Hand, die noch immer zwischen ihren beiden Körpern gefangen war.
Ihre Hand hielt ihn fest, ihre Finger streichelten ihn – er schloss die Augen, und ein Schauer rann durch seinen Körper. Sie lachte leise, und er fühlte ihren warmen Atem auf seinen Lippen, dann glitten ihre Finger langsam höher, zum Verschluss seiner Hose. Sie selbst hatte schon Männerkleidung getragen, und es dauerte nur Sekunden, bis sie die Knöpfe geöffnet hatte. Und dann hielt sie seinen Penis in ihrer Hand, der bereit war zu explodieren.
Mit einem leisen Stöhnen, das er nur mit Mühe unterdrückte, griff er zwischen ihre Körper, fasste ihre Hand und zog sie weg. Er biss die Zähne zusammen, als die kühle Seide ihres Rockes über sein erhitztes Fleisch strich.
Sie sahen einander tief in die Augen. Wäre es ihm gelungen, sie wütend anzusehen, er hätte es getan. Doch sein Gesicht war wie aus Stein gemeißelt, und es war ihm nicht möglich, diesen Ausdruck zu verändern. All seine Muskeln waren angespannt, er zitterte, bewegte sich nahe am Abgrund …
Sie sah ihn herausfordernd an. »Tu es!«, zischte sie an seinen Lippen. Dann küsste sie ihn voller Leidenschaft.
Die Unterhaltung in der Bibliothek war noch immer zu hören. Nur wenige Meter davon entfernt, auf der Terrasse, war das Verlangen übermächtig. Es dauerte eine Sekunde, bis es ihm gelungen war, ihre Röcke zu heben. Dann glitt sein Glied zwischen ihre Schenkel, und sie hielt ihn fest und zog ihn an sich.
Er drang tief in sie ein – bis zum innersten Kern eines überwältigenden Verlangens.
Seines Verlangens – und ihres.
Das Ergebnis war zu übermächtig für sie beide, es nahm sie gefangen, trieb sie weiter. Ihre Körper bebten, sie strebten zueinander, suchten verzweifelt nach der Erfüllung. Sie waren gefangen in einem Kampf, in dem es keinen Feind gab.
Ihre Lippen pressten sich aufeinander, um jegliches Geräusch zu unterdrücken, sie nahmen alles, was sie bekommen konnten, klammerten sich an jeden einzelnen, kostbaren Augenblick – dort an der Wand im Mondlicht.
Die Geräusche aus der Bibliothek erreichten sie und erhöhten ihr Bewusstsein der Hitze, dort, wo sie miteinander verbunden waren, der Haut, die viel zu sehr brannte, des wilden Verlangens in ihrem Blut, der Vereinigung ihrer Körper.
Die zerdrückten Blüten verströmten ihren Duft – es war ein verlockender Duft, genauso intim wie ihre Vereinigung. Keuchend atmete Flick diesen Duft tief ein. Demons Hüften bewegten sich, er stieß tief in sie hinein. Sein Mund erstickte ihren Schrei. Wieder und wieder füllte er sie aus. Sie hielt ihn voller Liebe umfangen und genoss die Macht, die sie über ihn hatte – die Macht, die sie beide antrieb.
Ihr Rhythmus war wild – wilder, als sie es sich je vorgestellt hatte. Sie klammerte sich an ihn, ganz benommen vor Glück. Sie näherten sich dem Höhepunkt – bewegten sich immer schneller, gefangen in einem wilden Verlangen.
Und dann hatten sie ihn erreicht – die Hitze um sie herum explodierte und hüllte sie in ihr Feuer ein.
 
Nein! Verlass mich nicht!, flehte Flick insgeheim und klammerte sich noch einen Herzschlag länger an ihn, dann akzeptierte sie, dass es nicht anders ging, seufzte auf und lockerte ihren Griff.
Er zog sich aus ihr zurück, und sie schloss die Augen wegen dieses plötzlichen Gefühls der Leere. Kühle Luft umwehte sie, strich über ihre erhitzte Haut. Sie hielt sich an seiner Schulter fest, als er sie langsam an sich hinuntergleiten ließ, bis ihre Füße wieder auf der Erde standen.
Die Kälte der Steine unter ihren Füßen drang durch ihre dünnen Schuhe, und er strich ihr die Röcke glatt. Sie blickte an sich hinunter und war erstaunt – sie waren nur ein wenig zerdrückt. Er zog sich nicht von ihr zurück, hatte einen Arm noch immer um sie gelegt, und seine Schulter berührte die ihre, während er seine Kleidung richtete.
Aus der Bibliothek war das Murmeln der Stimmen zu hören, und als das Rauschen in Flicks Ohren nachließ, konnte sie verstehen, wie sich zwei ältere Männer Geschichten von Schlachten erzählten, die schon lange Zeit zurücklagen. Die Türen standen weit offen, und das Licht der Kerzen warf einen blassen Schein auf die grauen Steine der Terrasse. Wenn jemand bis an die Schwelle gekommen wäre …
Glücklicherweise war das nicht passiert.
Ihr war noch immer heiß. Sie fühlte sich sowohl berauscht als auch enttäuscht – und verwirrt.
Demon hielt sie fest und führte sie dann über die Terrasse zum nächsten Zimmer, dessen Türen auch geöffnet waren. Ohne ein Wort traten sie in den dunklen Raum.
Ihr Herz schlug heftig, sie zwang sich zur Ruhe. Was dachte sie sich nur? Nur weil sie sich noch immer danach sehnte, ihn in ihren Armen zu halten, seinen nackten Körper an ihrem zu fühlen, seinen Herzschlag an ihrem Ohr zu hören, sich an ihn zu schmiegen – an ihn zu klammern -, nur weil sie all das wollte, bedeutete es noch lange nicht, dass sie es auch haben konnte. Um Himmels willen, schließlich waren sie auf einem Ball!
Er zog sich ein wenig von ihr zurück, schob sein Hemd in die Hose, rückte seine Krawatte und seine Jacke zurecht. Atemlos und ein wenig benommen, mit noch immer laut klopfendem Herzen, schüttelte sie ihre Röcke aus und strich sie noch einmal glatt, rückte ihr Hemdchen zurecht und richtete die Rüschen um ihren Ausschnitt und ihre durchsichtigen Ärmel.
Als sie aufblickte, stellte sie fest, dass Demon sie beobachtete. Voller Verlangen sah sie ihn an. Sie wollte die Hand ausstrecken und ihn berühren, ihn in ihren Armen halten. Und auch wenn ihr Körper noch immer von den Nachwirkungen der Liebe bebte, so fühlte sich doch ein anderer Teil von ihr … leer. Sie sehnte sich nach ihm.
Auch in dem schwachen Licht erkannte Demon das Verlangen in ihrem Blick und fühlte es in seinem Körper. Er räusperte sich. »Wir müssen zurück.«
Sie zögerte, doch dann nickte sie.
»Weißt du, wo der Ruheraum ist?« Er flüsterte, damit man ihn im Raum nebenan nicht hören konnte.
»Ja.«
»Geh hin – und wenn jemand etwas sagt, weil du aus der verkehrten Richtung kommst, dann sagst du, dass du durch die andere Tür gegangen bist und dich verlaufen hast.« Er betrachtete sie kritisch. »Du musst deine Lippen mit kaltem Wasser kühlen.« Er streckte die Hand aus und schob ihr eine vorwitzige Locke hinters Ohr. Dabei unterdrückte er den Wunsch, mit der Hand über ihre Wangen zu streichen, sie in seine Arme zu nehmen und festzuhalten. »Ich gehe direkt zurück.«
Sie nickte, und er öffnete die Tür, sah hinaus und ließ sie zuerst gehen. Er zog sich zurück in die Dunkelheit des Zimmers und wartete, bis sie nicht mehr zu sehen war.
Er musste mit ihr reden, musste ihr die Dinge erklären, aber das konnte er jetzt nicht tun – nicht heute Abend. Er konnte nicht mehr klar denken, und daran war nur seine Lüsternheit schuld, und auch die ihre – und außerdem mussten sie zu dem Ball zurück.