7
Demon hatte ihr
Gesicht schon so oft in seinen Träumen gesehen, dass er nicht
bemerkte, dass er ebenfalls einschlief. Ihr Gesicht war das Letzte,
was er sah, ehe sich seine Augen schlossen, und es war das Erste,
was er in der Dämmerung sah, als er aufwachte.
Demon runzelte die
Stirn und reckte seinen steifen Hals. Als er zum Feuer schaute,
entdeckte er nur einen Haufen schnell auskühlender Asche. Er
erstarrte und wirbelte dann herum, um zum Fenster zu
sehen.
Die schweren Läden
waren geschlossen, doch ein kleiner Strahl blassen Lichts stahl
sich durch einen Spalt.
Er fluchte leise und
sah dann zu Flick, die noch immer schlief wie ein Engel. Mit fest
zusammengebissenen Zähnen stand er auf und ging leise zur Tür. Als
er sie öffnete, bestätigten sich seine schlimmsten Befürchtungen –
der Tag war angebrochen.
Demon riss die Tür
weit auf und holte tief Luft. Der Duft des feuchten Waldes stieg
ihm in die Nase, tief sog er ihn ein und atmete dann langsam wieder
aus.
Ein Geräusch hinter
ihm veranlasste ihn, sich umzudrehen. Er stand noch an der Tür und
sah zu, wie Flick langsam aufwachte.
Sie öffnete nicht
einfach die Augen. Stattdessen huschte ein Ausdruck von Bewusstsein
über ihr Gesicht, und ihre vollen Lippen verzogen sich ein wenig.
Mit noch immer geschlossenen Augen stieß sie ein leises Geräusch
aus, dann reckte sie sich genüsslich, streckte den Rücken,
entspannte sich wieder, und ihre Augenlider
flatterten.
Und erst dann
öffneten sich langsam ihre Augen.
Sie sah ihn direkt
an, dann riss sie die Augen weit auf und blinzelte, doch kein
Anflug von Erschrecken störte ihr zufriedenes Aussehen. Stattdessen
verzog sich ihr Mund zu einem schläfrigen, warmen
Lächeln.
»Ist es schon
Morgen?«
Der ein wenig raue
Ton ihrer Stimme, die noch vom Schlaf gefärbt war, erreichte ihn,
ging ihm unter die Haut und nahm ihn gefangen. Er konnte nicht
sprechen, konnte nicht denken – er konnte sich nur noch nach ihr
sehnen, mit einem brennenden Verlangen, das ihn erschreckte, mit
einem absoluten Bedürfnis, sie zu besitzen, das ihn beinahe von den
Beinen riss. Dieses mächtige Gefühl zu unterdrücken, es
zurückzuhalten, erforderte all seine Kraft. Er
zitterte.
Sie lächelte noch
immer und wartete auf seine Antwort, und er begriff, dass sie, weil
er mit dem Rücken zur Tür stand und alles Licht von draußen kam,
den Ausdruck der Leidenschaft in seinen Augen nicht sehen konnte
und auch sonst nichts. Deshalb riss er sich zusammen. »Beinahe«,
brachte er hervor.
Der Ton seiner
Stimme war rau. Er wartete nicht auf ihre Reaktion, sondern wandte
sich ab, um sicher zu sein, dass sie ihn nicht eingehend betrachten
konnte, um nicht den Beweis dieses eindringlichen Verlangens auf
seinem Gesicht zu erkennen. Er blickte über die Lichtung, dann
räusperte er sich. »Ich werde die Pferde satteln.«
Mit diesen Worten
floh er vor ihr.
Natürlich dauerte es
nur wenige Minuten, bis sie ihm zu Hilfe kam.
Ivan war schlecht
gelaunt, und Demon nahm dies zum Anlass, seine Aufmerksamkeit nicht
auf Flick zu richten. Er fühlte ihren fragenden Blick und
ignorierte ihn mit zusammengebissenen Zähnen. Er wagte nicht
einmal, ihr beim Satteln zu helfen – wenn sie ihm heute Morgen die
Hand auf den Schenkel legte, würde er für seine Reaktion nicht
garantieren können. Sobald er Ivans Gurte festgezurrt hatte, griff
er nach den Zügeln und führte den ruhelosen Hengst aus dem
Stall.
Die Hütte der Köhler
war auf dieser ganz besonderen Lichtung gebaut worden, weil sich
dort vier Wege kreuzten, die durch den Park führten. Einer war der
Weg, auf dem sie gestern in der Nacht hierher gekommen waren, ein
anderer Weg führte zum Herrenhaus. Ein dritter Weg verlief von hier
aus in Richtung Osten zu dem Weg, auf dem Flick normalerweise zu
dem kleinen Haus ritt, in dem sich Dillon versteckte, und der auch
zu Demons Gestüt führte. Demon hielt Ivan mitten auf der Lichtung
an und warf dann einen Blick in die vierte Richtung, in der der Weg
an einer kleinen Landstraße im Westen endete.
Und dort entdeckte
er Hugh Dunstable, den Verwalter des Generals, einen Mann in
mittleren Jahren, der durch den Morgen herangeritten
kam.
Demon
erstarrte.
Dunstable hatte ihn
bereits entdeckt und hob lächelnd die Hand an den Hut. »Ah! Morgen,
Sir.«
Demon nickte
freundlich, doch ein Lächeln schaffte er nicht. In seinem Kopf
wirbelten die Gedanken umher, während Dunstable näher
kam.
»Nehme an, Sie sind
in den Regen gestern Abend gekommen.« Dunstable blieb neben ihm
stehen und strahlte ihn an. »Zweifellos war das ein heftiger Regen.
Ich bin selbst hineingeraten; er kam so plötzlich. Ich war bei den
Carters, um dort Whist zu spielen – auf dem Rückweg hat es mich
erwischt. Als ich zu Hause ankam, war ich nass bis auf die
Haut.«
»Genau.« Demon warf
einen schnellen Blick zu dem Stall, der im Schatten lag. »Der Regen
war viel zu heftig, um das Risiko einzugehen, nach Hause zu
reiten.«
Dunstable schnaufte.
»Auf diesen Wegen? Sie hätten die Gesundheit dieses feinen Tieres
riskiert.«
Das feine Tier
wählte ausgerechnet diesen Augenblick, um zu schnauben, mit den
Füßen zu scharren und Dunstables Pferd anzustoßen. Demon fluchte
und zog die Zügel an. Dunstable lachte leise und beruhigte sein
Pferd. »Ja – es muss ein Erlebnis sein, ein solches Pferd zu
reiten. Es fällt nicht schwer, zu erraten, wie Sie Ihren Spitznamen
bekommen haben.«
Es war wohl kaum
sein Geschick im Reiten von hochklassigen Pferden, das Demon seinen Spitznamen eingebracht
hatte, aber Demon machte sich nicht die Mühe, den Mann zu
korrigieren, denn er war viel zu sehr damit beschäftigt, zu
beten.
Doch das nützte ihm
nicht viel. Seine inbrünstige Bitte an die höchste Autorität, dass
Flick genügend Verstand besaß, sich nicht aus dem Stall
hervorzuwagen, wurde ihm verweigert, denn in diesem Augenblick
erschien sie und lächelte Dunstable fröhlich an, während sie
Jessamy aus dem Stall nach draußen führte.
»Guten Morgen, Mr.
Dunstable.«
Sie sah hinauf zum
Himmel und bemerkte daher auch nicht den Ausdruck auf Dunstables
Gesicht – zunächst einmal purer Schock, der sich sehr schnell in
Entsetzen wandelte und für einen Augenblick durch Vermutungen
ersetzt wurde, um dann wieder reines Entsetzen
auszudrücken.
Als Flick den Blick
senkte und meinte: »Und es scheint ein wundervoller Morgen zu
werden«, hatte sich Dunstable wieder gefasst, und sein Gesicht
hatte einen unbeweglichen Ausdruck angenommen. Er murmelte eine
unverständliche Antwort auf Flicks Bemerkung, und der Blick, mit
dem er Demon ansah, war kalt und tadelnd.
Demon reagierte auf
die einzig mögliche Art – hochmütig. Mit einem Blick kühler
Arroganz schaute er Dunstable an, dann zog er herausfordernd eine
Augenbraue hoch.
Dunstable, der nur
ein wenig höher stand als ein Dienstbote, auch wenn er schon lange
in den Diensten des Generals war, wusste nicht, wie er reagieren
sollte. Demon bedauerte es, den alten Mann an seinen Platz zu
verweisen, doch all seine Instinkte weigerten sich, jemanden denken
zu lassen, dass Flick zu einer Indiskretion fähig
wäre.
Zu seiner
Erleichterung war sie damit beschäftigt, ihre Steigbügel zu
richten, deshalb entging ihr vollkommen, was sich zwischen den
beiden Männern abspielte.
»Es sieht ganz so
aus, als wären alle Wolken verschwunden. Ich würde behaupten, bis
zum Mittag wird es richtig warm werden.« Sie reckte sich und sah
sich nach einem Baumstamm um, den sie benutzen konnte, um auf ihr
Pferd zu steigen.
Demon ließ die Zügel
los und trat neben sie, legte seine Hände um ihre Taille, hob sie
hoch und setzte sie auf Jessamys Rücken.
Wenigstens das
weckte ihre Aufmerksamkeit. Sie zog scharf den Atem ein und sah zu
ihm hinunter, dann strich sie sich schnell die Röcke glatte.
»Danke.«
Sie richtete den
Blick ihrer blauen Augen auf Dunstable. »Ich kann gar nicht
glauben, wie sehr der Park überwuchert ist – wir müssen Hendricks
sagen, dass er viel mehr zurückschneiden muss. Wirklich, man kann
ja kaum noch den Himmel sehen, selbst hier, selbst an einem so
herrlichen Morgen. Ich denke wirklich …«
So plapperte sie
fröhlich weiter und war sich gar nicht bewusst, dass ihre Wangen
noch vom Schlaf gerötet waren, ihr Haar zerzaust und ihr Samtrock
verknittert. Sie bot das perfekte Bild einer jungen Dame, die
gerade erst einen stürmischen Morgen erlebt hatte.
Wie es zu erwarten
war, führte sie die Gruppe in Richtung auf das
Herrenhaus.
Dunstable folgte
ihr. Man musste es ihm lassen, er stieß immer die richtigen
Geräusche aus, wenn Flick gerade einmal in ihrem Loblied auf den
herrlichen Morgen innehielt.
Die Hände in die
Hüften gestützt, sah Demon den beiden nach, dann stieß er den Atem
aus. Er ging zurück zu der Hütte, schloss die Tür und schwang sich
auf Ivan. Dann hielt er inne.
Lange starrte er den
Weg entlang hinter Flick und Dunstable her. Dann biss er die Zähne
zusammen, schob sein Kinn entschlossen vor und folgte den
beiden.
Als die Gruppe
endlich Hillgate End erreicht hatte, hatte Demon die Situation
wieder voll im Griff. Zweifellos hatte er Flick kompromittiert,
auch wenn alles vollkommen unschuldig gewesen war.
Er hatte sie und
Dunstable schließlich eingeholt, nur um zu hören, wie sie fröhlich
erzählte, dass sie beide in der Hütte Schutz gesucht hatten, kurz
nachdem der Regen begonnen hatte. Also wusste Dunstable jetzt auch,
dass sie zusammen in der Hütte gewesen waren, allein, die ganze
Nacht. Natürlich hatte Flick, weil sie Dillon beschützen wollte,
kein Wort von dem Grund ihrer Anwesenheit dort verraten und nicht
erklärt, warum sie mitten in der Nacht mit einem Frauenheld im Park
gewesen war.
Es war nicht so
schwierig, sich vorzustellen, was Dunstable sich dachte. In der Tat
fiel es schwer, an eine noch schlimmere Situation zu denken, in die
eine junge, unverheiratete Frau aus gutem Haus sich bringen konnte,
als dabei gesehen zu werden, wie sie am frühen Morgen ihr
Rendezvous mit einem Schwerenöter ersten Grades
beendete.
Demon hatte genügend
Zeit, sich an alle Einzelheiten ihrer gemeinsamen Nacht zu
erinnern, an jede Nuance, jede mögliche Auswirkung. Ihre Rückkehr
zum Herrenhaus ging nur langsam voran, denn der Boden unter den
Hufen der Pferde war nass und schlüpfrig. Sie trotteten dahin,
Flick zuerst, gefolgt von Dunstable, und dann kam Demon.
Nachdenklich schweigend überlegte Demon, welche Möglichkeiten er
hatte – nicht viele – und zu welchem Ergebnis das führen würde,
während Flick Dunstable mit ihrem fröhlichen Geplauder
unterhielt.
Sie beschrieb den
kleinen Stall und war begeistert, weil Jessamy und Ivan trocken
geblieben waren, dann wieder pries sie den herrlichen Morgen. Sie
hatte allerdings die Maus nicht erwähnt – und wenn Demon daran
dachte, wie lange sie sich an ihn geklammert hatte, war das
vielleicht auch besser so. Der Himmel allein wusste, welches Bild
sich Dunstable von der ganzen Geschichte machen würde.
Schließlich hatten
sie das Gelände erreicht, das zum Herrenhaus gehörte, und nur
Minuten später ritten sie auf den Stallhof.
Flick stieß einen
tiefen Seufzer aus. In Gedanken war sie bereits bei dem Bad, das
sie nehmen wollte. Sie zügelte ihr Pferd und wollte gerade aus dem
Damensattel gleiten, als Demon neben ihr auftauchte. Er griff nach
ihr, legte die Hände um ihre Taille und hob sie von ihrem
Pferd.
Flick zog scharf den
Atem ein – beinahe war sie schon an seine Berührungen gewöhnt, an
das plötzliche atemlose Gefühl. Dann strahlte sie ihn mit einem
sonnigen Lächeln an und streckte ihm die Hand entgegen. »Ich danke
dir wirklich sehr, dass du gestern Abend Mitleid mit mir hattest
und mich nach Hause begleitet hast. Ich bin dir wirklich sehr
dankbar dafür.«
Er sah sie an – sie
konnte in seinem Blick und in dem eigenartigen Ausdruck auf seinem
Gesicht nichts lesen. Er nahm ihre Hand, doch anstatt sie zu
drücken und dann wieder freizugeben, hielt er sie fest. »Ich bringe
dich noch ins Haus.«
Flick starrte ihn
an. Eigentlich hätte sie ihm jetzt die Hand entzogen und ihm
widersprochen, doch Dunstable, der langsamer von seinem Pferd
gestiegen war, war noch immer in ihrer Nähe. Demon ging los, und
Flick warf Dunstable über ihre Schulter hinweg noch ein strahlendes
Lächeln zu, dann musste sie sich beeilen, um mit Demon Schritt zu
halten.
Mit entschlossenen
Schritten ging Demon den Weg zum Haus entlang, duckte sich unter
der Glyzinie hindurch und eilte dann über den Weg unter den alten
Bäumen und die Wiese zur Terrasse. Er hatte ihre Hand nicht auf
seinen Arm gelegt, er hielt sie noch immer fest und zog sie mit
sich.
Flick versuchte, ihn
wütend anzustarren, doch er schien es nicht einmal zu bemerken.
Sein Gesicht war entschlossen. Doch wozu er entschlossen war, davon
hatte sie keine Ahnung.
Als sie noch einen
Blick zurückwarf, entdeckte sie Dunstable, der sie noch immer vom
Torbogen des Stallhofes aus beobachtete. Sie warf ihm ein Lächeln
zu und fragte sich, was, zum Teufel, mit Demon los
war.
Demon blieb erst
stehen, als sie auf der Terrasse vor den offenen Türen des
Morgenzimmers angekommen waren. Er gab ihre Hand frei und bedeutete
ihr, das Zimmer zu betreten. Mit einem viel sagenden Blick schritt
Flick über die Schwelle. Ihr langer Rock wehte um ihre Beine, als
sie sich zu ihm umwandte. »Warum reitest du nicht zur Heide? Wir
müssen doch Bletchley beobachten.«
Demon blieb vor ihr
stehen, sah auf sie hinunter und runzelte die Stirn. »Gillies und
die anderen kümmern sich um ihn, bis ich komme. Im Augenblick habe
ich viel schwerwiegendere Dinge zu erledigen.«
»Wirklich?«, fragte
sie.
Er biss die Zähne
zusammen. »Ich muss mit dem General sprechen.«
Flick riss die Augen
auf. »Worüber?« Sie hatte keine Ahnung, doch sie beschlich ein
Gefühl der Unsicherheit.
Demon sah ihren
fragenden Blick und wusste, dass sie nicht verstand. Innerlich
fluchte er. »Ich muss mit ihm über unsere augenblickliche Situation
reden.«
»Unsere Situation?
Was für eine Situation?«
Mit störrisch
vorgeschobenem Kinn ging er um sie herum, doch sie trat einen
Schritt zur Seite und versperrte ihm den Weg. »Wovon redest du
überhaupt?«
»Ich rede von der
vergangenen Nacht, die wir zusammen verbracht haben, allein.« Die
letzten Worte betonte er ganz besonders, und er sah in ihrem Blick,
dass sie langsam verstand.
Dann blinzelte sie
und sah ihn mit gerunzelter Stirn an. »Und? Es ist nichts – nichts
Indiskretes – passiert.«
»Nein«, stimmte er
ihr zu, und seine Stimme klang gepresst. »Aber das wissen nur wir
beide. Alles, was die Gesellschaft sehen wird, ist, dass die
Möglichkeit bestanden hat, und in den
Augen der Gesellschaft ist das alles, was zählt.«
Das Geräusch, das
sie ausstieß, war offensichtlich verächtlich. Ihre Blicke trafen
sich, und Demon wusste, wenn sie die Möglichkeit bestritt, dass
etwas hätte geschehen können, würde er ihr den Hals
umdrehen.
Sie hätte es beinahe
getan, er sah es in ihren Augen. Doch nachdem sie ihn eingehend
betrachtet hatte, schlug sie einen anderen Weg ein. »Aber keiner
weiß etwas davon. Nun ja« – sie winkte ab -, »nur Dunstable, und
der hat sich ganz sicher nicht vorgestellt, dass irgendetwas
Skandalöses passiert ist.«
Benommen sah er sie
an. »Sag mir, macht Dunstable immer ein so versteinertes
Gesicht?«
Sie verzog den Mund.
»Nun ja, er ist wohl eher ruhig. Ich rede meistens.«
»Wenn du heute
Morgen genauer hingesehen hättest, dann hättest du festgestellt,
dass er vollkommen schockiert war.« Wieder wollte er an ihr
vorbeigehen, doch wieder versperrte sie ihm den Weg.
»Was hast du
vor?«
Er wollte ihr nichts
antun – er wollte es nicht riskieren, die Fassung zu verlieren.
Deshalb bedachte er sie nur mit einem wütenden Blick. »Ich werde
mit dem General reden und ihm genau erklären, was passiert
ist.«
»Du wirst ihm doch
nichts von Dillon erzählen?«
»Nein. Ich werde nur
sagen, dass ich dich gestern Abend entdeckt habe, wie du allein
über meine Felder geritten bist, und dass ich darauf bestanden
habe, dich nach Hause zu begleiten.« Er machte einen Schritt auf
sie zu, doch damit sie sein Gesicht sehen konnte, wich sie einen
Schritt vor ihm zurück. »Ich werde es dir überlassen, ihm zu
erklären, warum du so spät noch ausgeritten bist.«
Er nutzte ihr
Erschrecken, um an ihr vorbeizugehen, und sie machte ihm Platz,
ohne es richtig zu bemerken. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie
ihn an, und noch ehe sie ihm widersprechen konnte, redete er
weiter. »Der General wird sofort begreifen, dass die ganze
Gesellschaft – ganz sicher all die wichtigen Matronen in Newmarket
– glauben werden, dass wir beide die Nacht zusammen auf dem Lager
in der Hütte der Köhler verbracht haben, ganz abgesehen von dem,
was wirklich in dieser Hütte geschehen ist.«
Eine leichte Röte
stieg in ihre Wangen. »Das ist doch lächerlich«, antwortete sie.
»Du hast nicht einen Finger gerührt …« Sie hielt inne, und ihr
Blick wurde ausdruckslos.
»Um dich
anzufassen?« Demon lächelte angespannt. »Nicht nur einen – alle
zehn.« Und als sie ihn erschrocken ansah, fügte er hinzu: »Kannst
du leugnen, dass du in meinen Armen gelegen hast?«
Sie presste die
Lippen zusammen, und ihr Gesicht nahm einen rebellischen Ausdruck
an, und sie schob das Kinn vor. Ihre Augen, die normalerweise so
sanft blickten, blitzten jetzt wütend. »Das war wegen einer
Maus!«
»Der Grund dafür tut
nichts zur Sache. Soweit es die Gesellschaft betrifft, genügt es,
dass du die Nacht mit mir allein verbracht hast, um deinen Ruf zu
ruinieren. Die Art von Benehmen, die von der Gesellschaft erwartet
wird, macht es nötig, dass ich dir den Schutz meines Namens
biete.«
Flick starrte ihn
an, dann schüttelte sie entschlossen den Kopf. »Nein.«
Er sah auf sie
hinunter und zog spöttisch die Augenbrauen hoch.
»Nein?«
»Nein, das ist
wirklich dumm.« Sie hob beide Hände und wandte sich ab. »Du
bauschst die Sache viel zu sehr auf. Die Gesellschaft wird
überhaupt nichts sagen, weil sie nichts davon weiß. Dunstable wird
nicht darüber reden.« Sie wandte sich ab und ging davon. »Ich werde
zu ihm gehen und es ihm erklären.« Sie hob den Kopf und sah, dass
Demon bereits an der Tür war. »Nein! Warte!«
Sie lief durch das
Zimmer auf ihn zu. Und sie hätte ihn auch festgehalten, doch er
wandte sich um und hielt stattdessen sie fest. Seine Hände lagen
auf ihren Oberarmen, und er schob sie von sich.
»Es hat keinen
Zweck, dich mit mir zu streiten – ich werde zum General
gehen.«
Seine
Entschlossenheit war deutlich in seinen Augen zu lesen, auch Flick
entging das nicht. In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken, sie leckte
sich über die Lippen. »Er wird beim Frühstück sein.« Sie senkte den
Kopf und stellte fest, wie zerknittert seine Kleidung
war.
Auch er sah an sich
hinunter, dann streckte er einen Fuß vor und schaute auf die
Lehmspuren an seinen Stiefeln. Er fluchte und gab sie frei. »So
kann ich nicht zu ihm gehen«, erklärte er.
Flick sah ihn mit
unschuldigem Augenaufschlag an und hielt vorsorglich den Mund. Sie
sagte auch dann nichts, als er sie wieder mit entschlossenem Blick
betrachtete.
Nach einem
Augenblick nickte er. »Ich werde nach Hause reiten und mich
umziehen – dann komme ich zurück.« Er hielt ihren Blick gefangen.
»Und dann können wir uns mit dem General unterhalten.«
Flick zog nur ein
wenig die Augenbrauen hoch, doch sie sagte noch immer
nichts.
Er zögerte, dann
nickte er knapp und verließ das Zimmer.
Flick sah ihm nach.
Sie ging zur Terrassentür und beobachtete, wie er über die Wiese
eilte. Erst als er im Schatten der Bäume verschwunden war, wandte
sie sich von der Tür ab, biss die Zähne zusammen, ballte die Hände
zu Fäusten und stieß einen verärgerten Schrei aus.
»Er ist unmöglich! Das ist
unmöglich.« Nach einem Augenblick holte sie tief Luft. »Er hat den
Verstand verloren.«
Mit diesen Worten
machte sie sich daran, die Sache aufzuklären.
Zwei Stunden später
zügelte Demon seine Braunen vor Hillgate End. Unter seinen
erfahrenen Händen blieb der Zweispänner genau vor der Treppe
stehen. Er reichte dem Stallknecht, der herbeigelaufen kam, die
Zügel, dann stieg er aus, zog die Handschuhe von den Händen und
ging zum Haus.
Er war perfekt mit
einem blauen Rock und elfenbeinfarbener Hose gekleidet, dazu trug
er eine elfenbeinfarbene Krawatte und ein Hemd, mit einer elegant
blauschwarz gestreiften Weste. Seine Stiefel, ein anderes Paar,
glänzten. Seine Erscheinung war genau so, wie sie seiner Meinung
nach sein sollte, wenn man bedachte, was er vorhatte.
Jacobs öffnete die
Tür, nachdem Demon angeklopft hatte. Demon antwortete mit einem
Nicken seines Kopfes auf seine Begrüßung und ging direkt zur
Bibliothek. Er war ein wenig überrascht, dass er es bis zur Tür
schaffte, ohne von Flick aufgehalten zu werden, denn er hatte
erwartet, dass sie noch einen Versuch machen würde, ihn von seinen
Plänen abzuhalten, und dass sie verhindern wollte, dass er sich auf
dem Altar des Anstands opferte.
Er öffnete die Tür
der Bibliothek und trat ein; schnell ließ er die Blicke durch den
Raum gleiten, auf der Suche nach dem Engel.
Sie war nicht
da.
Der General saß wie
immer an seinem Schreibtisch hinter einem riesigen Wälzer. Er
blickte auf, als Demon das Zimmer betrat und die Tür hinter sich
schloss, dann lächelte er ihn erfreut an.
Demon trat näher und
sah, dass die Augen seines Gönners blitzten. Innerlich fluchte
er.
Der General hob die
Hand, noch ehe er etwas sagen konnte. »Ich weiß alles«, erklärte
er.
Demon blieb wie
angewurzelt stehen. »Flick.« Seine Stimme klang ausdruckslos,
langsam ballte er die linke Hand zur Faust.
»Wie? Oh, ja –
Felicity.« Der General lächelte und lehnte sich in seinem Stuhl
zurück, dann deutete er mit der Hand auf den anderen Stuhl neben
dem Schreibtisch. Obwohl Demon zu diesem Stuhl ging, konnte er sich
nicht hinsetzen – stattdessen schlenderte er zum Fenster
dahinter.
Der General lachte
leise. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Es war vielleicht
eine verzwickte Lage, aber Felicity hat sich die Mühe gemacht und
alles richtig gestellt.«
»Verstehe.« Demon
beherrschte sich, sein Gesicht zeigte nichts von seinen Gefühlen,
dann wandte er den Kopf. »Wie nett von ihr.« Selbst in seinen
eigenen Ohren klang seine Stimme stahlhart. »Wie hat sie das denn
geschafft?«
»Nun ja -« Falls der
General seine Anspannung bemerkt hatte, so zeigte er es nicht. Er
schob seinen Stuhl zurück, um ihn besser ansehen zu können. »Sie
ist natürlich gleich zu mir gekommen und hat mir alles erklärt, was
geschehen ist – dass sie das dringende Bedürfnis hatte, etwas
frische Luft zu schnappen, noch spät gestern Abend, und dass sie
dann die Zeit vergessen hat und schließlich auf deinem Land
endete.« Der selbstgefällige Gesichtsausdruck des Generals
verschwand ein wenig. »Ich muss dir schon sagen, mein Junge, ich
bin absolut nicht einverstanden damit, dass sie allein losgeritten
ist, aber sie hat mir versprochen, dass sie das nicht noch einmal
machen wird.« Sein Lächeln kehrte zurück. »Ein Gutes hat der kleine
Schreck also doch gehabt, nicht wahr?«
Demon antwortete
nicht, doch der General lächelte und sprach schon weiter.
»Glücklicherweise hast du sie diesmal entdeckt – sehr nett von dir,
sie nach Hause zu begleiten.«
»Das war wohl das
Mindeste, was ich tun konnte.« Ganz besonders, weil sie seinetwegen
noch so spät ausgeritten war.
»Es war wirklich
dumm von ihr, den alten Weg einzuschlagen – Hendricks hat ihn schon
vor Jahren aufgegeben. Und was den Regen betrifft, ich kann dir gar
nicht sagen, wie erleichtert ich bin, zu erfahren, dass sie bei dir
war. Der Himmel allein weiß, dass sie ein vernünftiges Mädchen ist,
aber sie ist trotzdem noch sehr jung und wäre allein sicher
weitergeritten. Deine Entscheidung, an der Hütte anzuhalten und zu
warten, bis der Regen vorüber war, war fraglos richtig. Was danach
passiert ist, daran ist natürlich niemand schuld. Es ist wohl kaum
überraschend, dass ihr beide eingeschlafen seid.«
Der General blickte
auf und runzelte die Stirn – so ernst, wie er es sonst auch immer
tat. »Und du brauchst nicht zu glauben, dass du mir versichern
musst, dass nichts geschehen ist. Ich kenne dich – ich kenne dich
schon seit der Zeit, als du noch ein Junge warst. Ich weiß, dass nichts Unschickliches passiert ist, und
ich weiß, dass meine Felicity bei dir in guten Händen
ist.«
Die unerwartete
Eindringlichkeit im Blick des Generals raubte Demon die Worte, und
mit einem zufriedenen Nicken lehnte sich der General wieder zurück.
»Jawohl, und die Geschichte mit der Maus hat sie mir auch erzählt.
Sie hat entsetzliche Angst vor diesen kleinen Geschöpfen – das war
schon immer so. Aber es ist genau so gewesen, wie ich es erwartet
habe – du warst vernünftig genug, sie deswegen nicht auszulachen,
sondern du hast sie beruhigt. Und daran ist auch nichts
Skandalöses.«
Der General blickte
nachdenklich auf seinen Schreibtisch. »Wo waren wir doch gleich?
Ah, ja, Dunstable. Dass er euch beiden heute Morgen begegnet ist,
hat gar nichts zu sagen. Er ist ein alter Freund, und
glücklicherweise plaudert er nicht. Flick hat darauf bestanden, mit
ihm zu sprechen, nachdem sie mir alles erzählt hat, und er ist vor
einer halben Stunde bei mir gewesen. Nur um mir zu versichern, dass
er kein Wort sagen wird, mit dem er unserer Felicity schaden
könnte.« Der General grinste und sah zu Demon auf. »Dunstable hat
mir auch gesagt, ich solle mich in seinem Namen bei dir
entschuldigen, dass er unerwünschte Schlüsse gezogen
hat.«
Demon begegnete dem
Blick des Generals. Flick hatte an alles gedacht, sie hatte all
seine Argumente entschärft.
»Also«, schloss der
General mit fester Stimme, »ich hoffe, dass du siehst, dass ich
vollkommen davon überzeugt bin, dass es keinen Grund für dich gibt,
dich zu opfern. Da du auf keinerlei Art Felicitys Ruf geschadet
hast, gibt es auch absolut keinen Grund, dass du mich um ihre Hand
bitten musst, nicht wahr?«
Demon hielt seinem
eindringlichen Blick stand, doch er antwortete nicht. Der General
lächelte.
»Es war alles
vollkommen unschuldig – und jetzt wollen wir nicht mehr darüber
reden, nicht wahr?« Er zog den Wälzer zu sich heran. »Erkläre mir
einmal etwas. Ich habe mir gerade diese Nachkommen von Barbary Arab
angesehen. Was hast du über dieses Fohlen Enderby
gehört?«
Als wolle er sich
entschuldigen, lud ihn der General zum Essen ein. Demon nahm die
Einladung an – dann erklärte er, dass er Jacobs Bescheid sagen
wolle, dass er zum Essen blieb, und überließ den General seinen
Büchern.
Demon schloss die
Tür der Bibliothek hinter sich und blieb im Flur stehen, um sich
ein wenig zu fangen. Er begriff, was geschehen war, doch leider
fühlte er es nicht. Er fühlte sich … benachteiligt.
Als hätte man ihm
etwas genommen, das er sich schon seit langer Zeit gewünscht hatte,
das für ihn von äußerster Bedeutung war – gerade in dem Augenblick,
als er die Hand danach ausgestreckt hatte.
Mit gerunzelter
Stirn machte er sich auf die Suche nach Jacobs.
Er entdeckte ihn in
der Vorratskammer, und nachdem er ihm Bescheid gesagt hatte, ging
Demon in die Eingangshalle zurück und machte sich dann daran, Flick
zu suchen. Er fühlte sich wie ein hungriger Leopard, als er die
Räume im Erdgeschoss durchstreifte. Sie musste irgendwo in der Nähe
sein, dessen war er sicher, sie hielt sich irgendwo hier unten auf,
für den Fall, dass ihm vielleicht noch ein Argument eingefallen
war, das sie vielleicht übersehen hatte, und dass der General nach
ihr geschickt hätte.
Er fand sie im
Gartenzimmer.
Sie schnitt Blumen
ab und stellte sie in eine Vase. Sie summte leise vor sich hin und
legte den Kopf ein wenig schief, um ihre Arbeit zu betrachten.
Demon sah ihr eine ganze Minute lang zu. Er bewunderte ihr frisches
Morgenkleid, ihr Haar, das sie ordentlich gekämmt hatte und das wie
ein goldener Hauch ihr Gesicht einrahmte.
Nachdem er sie lange
genug betrachtet hatte, verließ er leise die Tür und ging auf sie
zu.
Flick schnitt eine
Kornblume ab und überlegte, an welche Stelle in dem Strauß sie
diese am besten stecken sollte. Sie hielt sie hoch und zögerte
…
Lange, schmale
Finger nahmen ihr die Blume aus der Hand.
Sie keuchte auf,
doch noch ehe sie sich umwenden konnte, wusste sie bereits, wer es
war, der neben ihr stand. Sie kannte diese Berührung – kannte die
Kraft, die er ausstrahlte. »Warst du schon beim General?«, fragte
sie und überlegte, wie sie ihr wild schlagendes Herz beruhigen
konnte.
»Hm.« Er hielt die
Blume zuerst an die eine und dann an die andere Seite der Vase, ehe
er sie hineinsteckte. Er betrachtete den Strauß, dann wandte er
sich, offensichtlich zufrieden, zu ihr um. »Ja, ich habe mit ihm
gesprochen.«
Mit seinem lässigen,
ein wenig schläfrigen Gesichtsausdruck konnte er sie nicht hinters
Licht führen, denn unter den halb geschlossenen Lidern blickten
seine Augen aufmerksam und eindringlich. Sie hob das Kinn und griff
nach der Gartenschere. »Ich habe dir doch gesagt, dass es gar nicht
nötig ist, ein solches Drama zu veranstalten.«
Er verzog den Mund
zu einem leichten Lächeln. »Das hast du gesagt.«
Flick unterdrückte
eine unwillige Bemerkung, sie hatte in der Tat erwartet, dass er
sich bei ihr bedanken würde, nachdem er erst einmal Zeit gehabt
hatte, über die ganze Sache nachzudenken, und begriffen hatte, was
sein Plan überhaupt bedeutete. Sie nahm an, dass er irgendwann
einmal heiraten würde, doch er war erst einunddreißig, und ganz
sicher wollte er nicht ausgerechnet sie heiraten.
Aber er sagte
nichts. Er hatte sich an die Wand gelehnt und sah ihr mit der
gleichen Lässigkeit zu, mit der sie die Blumen in die Vase steckte.
Das Schweigen zwischen ihnen wurde immer schwerer, und ihr kam der
Gedanke, dass er vielleicht glaubte, sie wüsste das Opfer nicht zu
schätzen, das er hatte machen wollen. »Es ist ja nicht so, dass ich
dir nicht dankbar wäre.« Sie vermied es, ihn anzusehen, und
richtete stattdessen den Blick auf die Blumen.
Ihre Bemerkung
rüttelte ihn ein wenig auf. Sie begriff, dass seine Aufmerksamkeit
geweckt war.
»Dankbar?«
Sie schnitt weiter
Blumen ab und steckte sie in die Vase. »Für dein freundliches
Angebot, meinen Ruf zu retten. Ich weiß zu schätzen, dass es von
deiner Seite aus ein sehr großes Opfer gewesen wäre – doch Gott sei
Dank war das ja nicht nötig.«
Er betrachtete ihr
Profil und zwang sich, dort zu bleiben, wo er stand, und sie nicht
in seine Arme zu reißen und sie zu küssen, nur um sie zum Schweigen
zu bringen. »Opfer? Eigentlich hatte ich die Tatsache, dich zu
meiner Frau zu nehmen, noch gar nicht in diesem Licht
betrachtet.«
»Nicht?« Überrascht
wandte sie sich zu ihm um, dann lächelte sie und widmete sich
wieder den Blumen. »Ich wage zu behaupten, dass du es aber ganz
sicher so gesehen hättest, wenn du erst einmal Zeit gehabt hättest,
dir die ganze Sache zu überlegen.«
Demon starrte sie
einfach nur an. Er hatte sich noch nie in seinem Leben so …
abgeschoben gefühlt.
»Glücklicherweise
gab es keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Das habe ich dir doch
gesagt.«
Und glücklicherweise
erfuhren weder er noch sie das, was er als Nächstes gesagt oder
getan hätte, denn Jacobs erschien an der Tür, mit der Nachricht,
dass das Essen im Speisezimmer angerichtet war.
Flick ging voraus,
anders hatte Demon das auch gar nicht erwartet, er folgte ihr und
bemühte sich, einen gewissen Abstand zwischen ihnen beiden
einzuhalten – in seiner augenblicklichen Stimmung war es
wahrscheinlich klug, ihr nicht zu nahe zu kommen.
Das Mittagessen war
kein großer Erfolg.
Flick wurde immer
ungeduldiger, je länger die Mahlzeit dauerte. Demon trug nichts zu
der Unterhaltung bei, außer dass er die Fragen des Generals
beantwortete. Er beobachtete Flick in grüblerischem Schweigen, als
würde er etwas betrachten, das er selbst nicht verstand, das er
aber dennoch ablehnte. Er überließ es ihr, mit ständig wachsender
gespielter Fröhlichkeit zu plaudern, bis ihr der Kopf
schmerzte.
Als das Mahl endlich
zu Ende war und sie ihre Stühle zurückschoben, war Flick bereit,
ihn beim nächsten Wort anzufahren – wenn er ihr die Möglichkeit
dazu gab.
»Nun, mein Junge,
lass es mich wissen, wenn du bei diesen Pferden irgendeine Schwäche
entdeckst.« Der General schüttelte Demon die Hand, dann lächelte er
Flick an. »Warum begleitest du Demon nicht in den Stall, meine
Liebe. Es ist ein so wunderschöner Tag heute.« Mit seinem üblichen
gutmütigen Lächeln deutete der General mit der Hand auf die offene
Terrassentür. »Genießt das schöne Wetter, solange das noch möglich
ist.«
Flick und Demon
sahen einander an. Das Letzte, was Flick jetzt wollte, war, ihn zum
Stall zu begleiten und freundlich zu sein – sie war wütend auf ihn,
auf die Art, wie er sich benahm. Um Himmels willen, es war beinahe
so, als hätte ihm jemand etwas genommen, das er hatte haben wollen.
Er schmollte! Und das alles nur, weil
die Dinge nicht so gelaufen waren, wie er das geplant hatte – weil
sie seine großartige Geste ihr gegenüber verhindert hatte und er
nicht die Rolle hatte spielen können, die er erwartet hatte. Die
Rolle eines heldenhaften Opfers.
Sie holte tief Luft
und presste die Lippen zusammen; herausfordernd, beinahe schon
kampflustig, erwiderte sie seinen Blick.
Doch er zog nur eine
Augenbraue hoch – eine noch größere Herausforderung, noch
kriegerischer, dann trat er einen Schritt zurück und deutete mit
der Hand zur Terrasse.
Flick konnte beinahe
hören, wie der Fehdehandschuh zwischen ihnen auf den Tisch geworfen
wurde.
Sie hob den Kopf,
dann ging sie um den Tisch herum und vor ihm her durch die Tür, die
Treppe hinunter und über die Wiese. Sie lief schnell in ihrem Zorn
und hatte die Wiese schon beinahe halb überquert, als sie
feststellte, dass er ihr nicht gefolgt war.
Abrupt blieb sie
stehen und sah sich um. Er schlenderte langsam und lässig ein
ganzes Stück hinter ihr her. Sie biss die Zähne zusammen und
wartete auf ihn. Als er sie eingeholt hatte, drehte sie ihm den
Rücken zu, hob die Nase ein Stück höher, um ihm ihren Zorn zu
zeigen, passte ihre Schritte den seinen an und ging nur einen
halben Meter vor ihm her.
Zwei Schritte später
fühlte sie eine angenehme Wärme in ihrem Nacken, direkt über dem
Ausschnitt ihres Kleides. Dieses eigenartige Gefühl glitt tiefer,
breitete sich über ihre Schultern aus und dann an der Wirbelsäule
entlang. An ihrer Taille hielt es inne, doch dann spürte sie, wie
es tiefer glitt und noch tiefer …
Ihr stockte der
Atem, und sie blieb stehen, um sich den Rock glatt zu streichen. In
dem Augenblick, als Demon neben sie trat, straffte sie sich und
ging an seiner Seite weiter. Dabei hoffte sie, dass man ihr nicht
mehr ansah, dass sie errötet war.
Sie biss sich auf
die Zunge, um nicht eine heftige Bemerkung zu machen, und es gelang
ihr, zu schweigen. Er schlenderte ruhig neben ihr her und gab ihr
keinen Grund, ihn wütend anzufahren.
Die Stallknechte
sahen die beiden, als sie unter der Glyzinie durchgingen, und
liefen los, um Demons Pferde zu holen.
Am Eingang des
Stallhofes blieb Flick stehen, und jetzt war auch ihre Geduld zu
Ende. »Ich verstehe nicht, warum du mir nicht dankbar bist«,
zischte sie. Dabei sah sie ihn nicht an, sondern blickte zu den
Stallburschen, die mit seinen Pferden beschäftigt
waren.
»Verstehst du das
nicht? Vielleicht ist ja genau das das Problem.«
»Es gibt überhaupt
kein Problem.«
»Erlaube mir, dass
ich da anderer Meinung bin.« Er hielt einen Augenblick inne, dann
sprach er weiter. »Abgesehen von all dem anderen, starrst du schon
die ganze Zeit wütend vor dich hin.«
Sie wirbelte zu ihm
herum. »Du bist es, den ich wütend anstarre.«
»Das habe ich
bemerkt.«
»Du bist einfach
unmöglich.«
»Ich?«
Einen Augenblick
lang riss er seine blauen Augen weit auf, und sie konnte sich
wirklich vorstellen, dass er überrascht war. Doch dann sah er sie
eindringlich an. »Sage mir«, murmelte er und sah zu, wie die Jungen
den Pferden das Zaumzeug anlegten, »glaubst du wirklich, dass du
irgendwann einmal Dillon heiraten wirst?«
»Dillon?« Mit offenem Mund starrte sie ihn an. »Ich
soll Dillon heiraten? Du hast
wirklich den Verstand verloren. Als
würde ich einen solchen … einen solchen Niemand heiraten, einen
unbedeutenden Jungen. Einen Mann ohne jegliche Substanz. Einen
Trottel! Einen …«
»Schon gut –
vergiss, dass ich dich überhaupt gefragt habe.«
»Zu deiner
Information, ich habe nicht die Absicht, überhaupt einen Gentleman
zu heiraten, solange ich das nicht will. Und ganz sicher werde ich
nicht heiraten wegen irgendeiner unwichtigen gesellschaftlichen
Regel.« Ihre Stimme brach, weil sie leise sprechen musste und nicht
schreien konnte. Sie holte tief Luft, dann fuhr sie fort: »Und was
dein Angebot betrifft – nun ja, du
könntest genauso gut behaupten, dass ich wegen einer Maus heiraten muss!«
Ein Stallknecht kam
mit den Braunen auf sie zu. Demon nickte, dann übernahm er die
Zügel. Er kletterte auf den Wagen, setzte sich und sah auf sie
hinunter.
»Ich kann nicht
verstehen, warum du mir nicht dankbar bist«, meinte sie mit
beißender Stimme. »Du weißt sehr wohl, dass du mich überhaupt nicht
heiraten willst.«
Er schaute sie an.
Sein Gesicht war ausdruckslos, als sei es aus Stein gemeißelt,
seine Augen hart wie blaue Diamanten. Er hielt ihrem
herausfordernden Blick stand, doch dann holte er tief
Luft.
»Du hast überhaupt
keine Ahnung«, murmelte er, und seine Stimme klang überdeutlich,
»was ich will.«
Er schlug leicht mit
den Zügeln, und die Braunen liefen los. In großem Bogen fuhr er aus
dem Stallhof und dann den Weg entlang.